Lesungen aus einem verbotenen Buch

Zur erstaunlichen Aktualität der Gedanken des „größten Führers aller Zeiten“, Teil 1.

Das Buch „Mein Kampf“ zu lesen, ist natürlich nicht gesetzlich verboten. Vielmehr ist es die Schere im Kopf, die viele durchaus neugierige Menschen daran hindert, sich mit den Ansichten Adolf Hitlers auseinander zu setzen. Heutzutage genügt es, Menschen zu verteufeln oder zu verklären, um sich ein Bild im sattsam bekannten Schwarz-Weiß-Denken machen zu können. So aber wird man Geschichte nicht verstehen und deren Lehren auch nicht für eine friedvolle Gegenwart und Zukunft begreifen.

Vor Jahren hatte ich mich bereits einmal mit einem brisanten Buch beschäftigt. Brisant deshalb, weil es für mich eine emotionale Herausforderung war. Beim Studium des Buches „The Great Chessboard“, in Deutschland als „Die einzige Weltmacht“ veröffentlicht, wurde mir bewusst, dass ich auf psychopathisches Denken traf. Das Bewusstsein, ja eher das Gefühl für so etwas entwickeln zu können, ist sehr wichtig, um nicht von der psychologischen Gewalt vereinnahmt zu werden, auf die man da trifft.

Dieses Gefühl, einem Psychopathen zu begegnen, hatte ich beim Lesen von „Mein Kampf“ nicht! Vielmehr „erlebte“ ich einen Menschen mit extrem verletztem Selbstwertgefühl, das sich in einem ausgeprägten egomanischen Wesen offenbarte. Die Art der Sprache wie auch die Behandlung der Inhalte zweier Bücher, die jeweils Weltanschauungen wiedergeben, unterscheidet sich deutlich. Die eiskalte weil völlig emotionslose und gleichzeitig nüchtern rationale Sprache Brzezinskis finden wir bei Hitler nicht.

Hitler ist wie gesagt voller Verletzungen, deren Ursachen er glaubt gefunden zu haben und die er leidenschaftlich bekämpft. Hitler ist voller Emotionen und sein Buch – ganz im Gegensatz zu Brzezinskis Schriften – oft ohne Strukturen. Mit dem Lesen von „Mein Kampf“ erfahren Sie etwas über den Menschen Adolf Hitler und über Denkweisen mitsamt den anhängenden Ideologien, die ganz und gar nicht revolutionär neu waren. Hitler kam an einen reich gedeckten Tisch, als er die Gelegenheit bekam dort zu speisen – und zu sprechen.

Verblüfft stellte ich beim Lesen von „Mein Kampf“ daher fest, dass dort vertretene Prinzipien zum politischen Rüstzeug der gegenwärtigen deutschen Politik gehören! Das werde ich hier und in den weiteren Folgen der Reihe ausführlich begründen.

Dabei geht es mir ganz sicher nicht darum, mit dem Finger auf Politiker zu zeigen. Wir müssen uns aber endlich klar werden, dass wir nach bestimmten universellen Prinzipien denken und handeln. Diese Prinzipien galten vor einem Jahrhundert so wie heute. Unsere zivilisatorische Hülle ist hauchdünn und wird entsprechend ständig durchbrochen und zerrissen. Tuen wir also nicht so, als ob der Faschismus in Deutschland ein Betriebsunfall des „versagenden deutschen Volkes“ war, sondern eine folgerichtige Ausprägung des Systems, in dem wir leben. Unser so gepriesenes System hat eine stetige Tendenz, in den Faschismus zurück zu fallen. Auch deshalb ist mir die Befassung mit „Mein Kampf“ so wichtig.

Kolonialpolitik und Entwicklungshilfe

Bezugnehmend auf seine Geburtsstadt Braunau am Inn, die nahe der deutschen Grenze auf österreichischem Boden liegt, forderte Hitler bereits im Eingangsteil, obwohl er das Kapitel mit „Mein Elternhaus“ überschreibt, die Wiedervereinigung Österreichs mit Deutschland. Interessant ist, dass er es zur Bedingung „kolonialpolitischer Tätigkeit“ machte:

„Das deutsche Volk besitzt so lange kein moralisches Recht zu kolonialpolitischer Tätigkeit, solange es nicht einmal seine eigenen Söhne in einen gemeinsamen Staat zu fassen vermag. Erst wenn des Reiches Grenze auch den letzten Deutschen umschließt, ohne mehr die Sicherheit seiner Ernährung bieten zu können, ersteht aus der Not des eigenen Volkes das moralische Recht zur Erwerbung fremden Grund und Bodens“ (1).

Das dann vereinte Deutschland hätte dann ein MORALISCHES Recht, kolonialpolitisch tätig zu werden. Begründet wird das mit der Not des eigenen Volkes; ein kaum zu überbietendes moralisches Argument. Laut Hitler erfordert die Not des Volkes also Kolonialpolitik. Warum Hitler solche Gedanken entwickelte, hatte absolut nachvollziehbare Gründe, dazu später mehr. Wie dem auch sei, ist es die Politik mit welcher Kolonialismus angestrebt, umgesetzt und erhalten wird. Und was ist Kolonialismus?

„Kolonialismus ist eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden. Damit verbinden sich in der Neuzeit in der Regel sendungsideologische Rechtfertigungsdoktrinen, die auf der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit beruhen“ (2).

Welcher Ideologie die Vertreter des sich überlegen fühlenden Kollektivs dabei anhängen, ist unerheblich. Wichtig für die subjektiv benötigte Legitimierung ist die Überzeugung der Überlegenheit dieser eigenen Ideologie, ihrer Werte, Arbeitsformen, Rechtsverständnisse. Die eigene Ideologie deren Überlegenheit in Macht und Herrschaft mündet, ist entscheidend für Kolonialismus.

Wie also redete man Kolonialismus schön?

Die eigenen Ansprüche wurden kaschiert und so die eigene moralische Integrität gefestigt, die es erlaubte, andere Völker zu unterwerfen und auszupressen. Schließlich brachte man ja die Zivilisation zu den Barbaren. Straßen und öffentliche Gebäude, ja sogar Schulen wurden gebaut. Westliches Recht (demokratisches oder was auch immer für eines sonst) wurde eingeführt. Die domestizierte, die „befriedete“ Bevölkerung sollte doch dankbar sein für das, was man ihr alles gab. Was man nahm, spielte keine Rolle.

Und heute? Sind die Afrikaner uns heute für „unsere Wohltaten“ zum eigenen, unserem Vorteil dankbar? Dankbar dafür, dass über ihre Köpfe hinweg „gesorgt“ wird? An dieser überhebenden Einstellung hat sich ganz offenbar nichts geändert. Ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler hat sich vom „DDR-Regime“ abgewandt, um selbst Regime zu führen, denn nichts anderes ist das:

„In Afrika muss wirtschaftliche Entwicklung stattfinden, Afrikanerinnen und Afrikaner müssen Zukunftschancen für sich sehen. Dabei ist es wichtig, die Privatwirtschaft einzubeziehen“ (3),

entscheidet der weise – und traditionell auch weiße – Kolonialherr. Nur die Sprache ist noch etwas gespreizter. Herr Nooke war im Jahre 2014 Afrika-Beauftragter, so der Titel, doch die Rolle dieser Staatsbediensteten ist die eines Kolonialbeamten für „ihre“ Wirtschaft, für Deutschlands (oder „Europas“) „berechtigte Interessen“; genau wie vor 100 Jahren:

„Vor zwei Wochen habe ich mir in Äthiopien die größte Rosenfarm der Welt angesehen. Dort produziert ein holländisches Unternehmen auf 500 Hektar zwei Millionen Rosen pro Tag, hauptsächlich für den deutschen Markt“ (4).

Sehen Sie, liebe Leser, der Afrika-Beauftragte der Bundesrepublik Deutschland sagt allen Ernstes, dass so etwas doch gar nicht so schlecht für Afrika ist. Für die armen unterentwickelten unmündigen Mohren dort, die nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen:

„Solche Investitionen werden bei uns oft kritisch gesehen oder als Land-Grabbing, Landnahme, bezeichnet. Ich sehe das differenzierter, denn dort arbeiten auch 10 000 Menschen und können dadurch besser als andere ihre Familien ernähren“ (5).

Wieso entscheiden WIR, was für die Afrikaner gut und richtig ist?

Schauen Sie nach Afrika, dann erkennen Sie sehr rasch, wem die jahrzehntelange deutsche Entwicklungshilfe etwas gebracht hat.

Die westlichen Kolonialherren haben vor über 100 Jahren Hilfstruppen der Einheimischen zur Durchsetzung der eigenen „berechtigten Interessen“ rekrutiert und heute machen sie das ganz genau so. Es klingt nur etwas anders:

„Soldaten im Ausland einzusetzen, kann für Deutschland kein Tabuthema sein. In Afrika soll es dabei vor allem um Ausbildungshilfen für die dortigen Armeen gehen, denn ein gut ausgebildeter Soldat ist erstmal ein Wert an sich. Aber er kann das natürlich nicht nutzen, wenn die Befehle die falschen sind. Deshalb sollte der Schwerpunkt unserer Afrikapolitik nicht im Militärischen liegen, sondern in einer guten Entwicklungspolitik, die sich auf berechtigte Interessen anderer Ressorts einlässt“ (6).

All das geäußert von einem ehemaligen DDR-Menschenrechtler. Was war doch gleich nochmal Kolonialismus?

„[…] eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden“ (7).

Das moralische Recht „berechtigte Interessen“ anderswo zu vertreten, sieht Günter Nooke genauso wie ein im Jahr 1924 noch recht unbekannter ehemaliger Gefreiter des deutsch-kaiserlichen Heeres. Die Denkweisen sind grundsätzlich gleich. Einmischung, auch gewaltsam ist im Falle „berechtigter Interessen“ auf jeden Fall erlaubt. Die „berechtigten Interessen“ der Einheimischen werden außerdem durch uns mit unserer einzigartigen überlegenen Kultur bestimmt.

Um auf das Zitat Adolf Hitlers am Anfang zurück zu kommen. Den Vergleich mit Günter Nooke stellte ich nicht an, um Günter Nooke zu diskreditieren! Nein, er soll aufzeigen, das Adolf Hitler ein Kind seiner Zeit war und „ganz normale“ Gedanken und Einstellungen äußerte, die auch heute noch gelebt werden. Mit der Herabstufung des Menschen Hitler zum Ungeheuer kann man sich diese unangenehme Betrachtung natürlich ersparen und in Unschuld auf den Bösen zeigen. Nach dem Motto: Wir sind gaaaaanz anders. Das aber ist Selbstbetrug.

Erste Fragen

Wir lesen das erste Kapitel, es geht um Hitlers Kindheit. Doch umgehend sucht er – den Kontext zu seiner österreichischen Heimat herstellend – den Weg zu einer ersten geopolitischen Stellungnahme:

„Das deutsche Volk besitzt so lange kein moralisches Recht zu kolonialpolitischer Tätigkeit, solange es nicht einmal seine eigenen Söhne in einen gemeinsamen Staat zu fassen vermag“ (8).

Warum das?

Das Buch „Mein Kampf“ wird erst dann richtig interessant, wenn man sich in jene Jahre zurück versetzt. Wenn man sich gewahr wird, in welchen Turbulenzen damals die junge deutsche Republik steckte. Wenn man sich das politische System, die wirtschaftliche und soziale Not, die innere und äußere Gewalt verdeutlicht.

In dieser Zeit war die Wiedervereinigung des verbliebenen deutschsprachigen Relikts aus dem Vielvölkerstaat des Habsburger Reiches, nämlich Österreichs mit Deutschland ein Traum vieler Menschen in beiden Staaten. Sowohl deren Abgeordnete als auch deren Bevölkerungen teilten diesen Wunsch(9). Entsprechend demütigend wurde das sogenannte Anschlussverbot für Österreich – festgeschrieben im Versailler Vertrag(10) – über alle Bevölkerungsschichten hinweg empfunden. Wer weiß schon, dass sich die neue österreichische Republik damals originär als Deutsch-Österreich benamte; also in etwa zu verstehen als „deutsches östliches Reich“(11)?

Der Wunsch und die Forderung nach Vereinigung der beiden deutschen Staaten war damit beileibe kein Zeichen für annexionistische Gelüste des zukünftigen Führers sondern repräsentativer Ausdruck des allgemeinen Volkswillens. Und der zweite Teil des Zitats, was kann der uns sagen?

„Erst wenn des Reiches Grenze auch den letzten Deutschen umschließt, ohne mehr die Sicherheit seiner Ernährung bieten zu können, ersteht aus der Not des eigenen Volkes das moralische Recht zur Erwerbung fremden Grund und Bodens“ (12).

Funkelt da schon die Gier des Welteroberers? Mitnichten, denn Ernährung war zu jener Zeit keine Selbstverständlichkeit. In Deutschland herrschte bereits über mehrere Jahre hinweg Hunger. Noch während des Ersten Weltkrieges hatten die Briten Deutschland den Zugang zu Nahrungsmitteln über das Meer blockiert. Verschiedene wirtschaftliche und geopolitische Maßnahmen, über die in weiteren Kapiteln zu reden sein wird, hatten dazu geführt, dass auch in den ersten Jahren der Weimarer Republik der Hunger ein ständiger Begleiter blieb. Hunger, der nicht mit Essen gestillt werden kann, das ist nicht banal. Wir reden hier von etwas absolut Existenziellem, das Menschen die es erlebten, niemals vergessen können!

Hitler kannte den Hunger aus jahrelangem eigenen Erleben(13). Er war – aus meiner Sicht – im Jahre 1924, gerade 35jährig und mit einem einseitigen Weltbild ausgestattet(a1), kaum in der Lage, die komplexen Zusammenhänge zu verstehen, welche zu den katastrophalen Zuständen in Deutschland geführt hatten. Aber er lebte in dieser Zeit und sah die Not, mit der er sich nicht abfinden wollte. Ein völlig nachvollziehbares menschliches Verhalten. Adolf Hitler hatte sehr wohl bereits in der Zeit seiner Lehrjahre die schreienden Gegensätze zwischen dem Prunk der Kaiserstadt Wien und der bitteren Armut, die er am eigenen Leib spürte, analysiert und schrieb in „Mein Kampf“:

„Doch Wien war nicht nur politisch und geistig die Zentrale der alten Donaumonarchie, sondern auch wirtschaftlich. Dem Heer von hohen Offizieren, Staatsbeamten, Künstlern und Gelehrten stand eine noch größere Armee von Arbeitern gegenüber, dem Reichtum der Aristokratie und des Handels eine blutige Armut. Vor den Palästen der Ringstraße lungerten Tausende von Arbeitslosen, und unter dieser via triumphalis des alten Österreichs hausten im Zwielicht und Schlamm der Kanäle die Obdachlosen“ (14).

Versuchen wir uns einer moralischen Deutung zu entziehen. Das Sehen und Empfinden einer katastrophalen Situation sucht nach einer Lösung. Hitler sah nicht ein, dass „sein“ Volk hungern muss. Er sah, dass andere Völker mehr Raum hatten, stufte sie als weniger wertvoll gegenüber dem „deutschen Blute“ ein und hatte so ein moralisches Fundament, „fremden Grund und Boden zu erwerben“. Einem „besonderen Volke“ anzugehören, gab ihm Halt und Identifikation. Seine Lösung schon damals war die Überhebung des deutschen Volkes (wie er es betrachtete) über andere Völker. Die Wertigkeit entschied. Das Elitevolk war das Deutsche, „seins“, Hitlers Volk. Mit diesem Denken war Hitler ganz und gar nicht allein.

Und heute?

Wieder blicke ich durch die Brille der neokolonialistischen deutschen Gegenwart und ihre Verschleierungs-Strategie, die aus Opfern Täter macht, aus zerschlagenen Staaten zerfallende Staaten, aus Kriegführenden Friedensengel. Die Ursache und Wirkung systematisch vertauscht, um „berechtigte Interessen“ moralisch zu belegen. Mit Hunger kann man der deutschen Bevölkerung im Gegensatz zum Jahr 1924 nicht kommen – aber mit Sicherheit:

„Die großen Probleme der Gegenwart machen nicht an nationalen Grenzen halt. Terrorismus, Kriege und Bürgerkriege wirken grenzüberschreitend. Konflikte in anderen Ländern gefährden auch die Sicherheit der Menschen in Deutschland. Wer Sicherheit will, muss sich um weltweiten Frieden bemühen. Entwicklungs-Zusammenarbeit hilft, Krisen zu verhindern und Konflikte zu bewältigen“ (15).

Vergessen wir nicht hinzu zu fügen, dass hierzu gegebenenfalls ein robustes militärisches Mandat unerlässlich ist. Nein, Deutschland ist demokratisch und jeder der versucht den bösen Hitler als Menschen zu sehen, ist ein Nazi, oder doch nicht? Hier noch etwas von Hitler:

„[Wichtig ist] die Herstellung von imperialer Ordnung zwecks Absicherung von Wohlstandszonen an den Rändern. In diesem Modell gibt es zentrale Regionen, die müssen inkludiert, also territorial kontrolliert werden“ (16).

Ganz so leicht lassen Sie sich nicht hinters Licht führen. Das dachte ich mir schon. Richtig, dass ist aus einer Studie der Berliner Humboldt-Universität für das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland. Was damals (2004) konzeptioniert wurde, findet heute seine Umsetzung. Auch das Folgende hat nicht Adolf Hitler gesagt, aber stellen Sie sich einfach mal vor, er hätte es:

„Der Zwang zu einer zunehmenden Politik der Intervention ist auch die Reaktion auf die Konsequenzen der Globalisierung an der Peripherie. Es bleibt die Frage, ob es gelingt, die zentralen Bereiche in die Wohlstandszonen zu inkludieren, also in der Fläche Ordnung herzustellen und den Rest zu inkludieren. Es steht aber außer Frage, dass an diesen neuen imperialen Barbarengrenzen der Krieg endemisch wird, nämlich in Form von Pazifizierungskrieg aus dem Zentrum in die Peripherie hinein und in Form von Verwüstungskrieg aus der Peripherie ins Zentrum“ (17).

So klingt koloniales Großmachtdenken aus dem Munde Herfried Münklers (18). Was Sie da lesen, ist die pure Machtsprache. Münkler ist – ausgerüstet mit einer solchen Ideologie – deshalb auch geeignet, in den Beirat der Bundesakademie für Sicherheit (BAKS) berufen zu werden, damit tüchtige Führungskräfte für die deutsche „Sicherheits“-Politik heran gezogen werden (19).

Gut, wir haben bislang nur eine einzige kleine Spur aus „Mein Kampf“ gelesen. Doch was dort im ersten Augenblick perfekt zur uns vorgezeichneten Person des Adolf Hitler passt, dass passt verblüffender Weise auch „wunderbar“ in unsere demokratische Gegenwart. Die Zeiten haben sich verändert, die sozialen Verhältnisse ebenso, wie auch die alltägliche Gewalt von damals verschwand; die physische Gewalt wohl gemerkt. Holt sich doch psychische Gewalt auf leisen Sohlen und Stück für Stück Terrain zurück. Doch ganz offensichtlich sind universelle Prinzipien wie auch die fundamentalen Strukturen und Methoden von Macht und Herrschaft – in und mit denen Hitler lebte – unverändert geblieben.

Erstes Fazit

Adolf Hitler identifizierte sich mit dem deutschen Volk, mit der „deutschen Rasse“. Das gab ihm Wert und Überlegenheit, welche seine Minderwertigkeitskomplexe kompensierten. Dass er übertrieben hohen ökonomischen Sachverstand besaß, bezweifle ich. Aber sein übersteigerter Nationalismus war logischerweise verbunden mit einem Herabschauen auf andere Kulturen, die er allenfalls wohlgefällig registrierte. Die eigene Überhebung in die Welt zu tragen, kam nun aber Leuten, die sehr wohl von Wirtschaft, vor allem von notwendiger ökonomischer Expansion etwas verstanden, außerordentlich gut gelegen.

Menschen, die sozial entwurzelt sind, kann man sehr gut ideologisch einfangen und radikalisieren. Als Hitler in Landsberg sein Buch diktierte, lebte er in einer Zeit, die allerbeste Bedingungen für Radikalisierungen vorhielt und (nicht nur) diesen Mann entsprechend charakterlich (weiter) formte – und dessen Weltbild bestätigte. Wer war daran interessiert?

Hitler ist in seinen Gedanken oft sprunghaft, das zieht sich durch das ganze Buch. Trotzdem finde ich es bemerkenswert, dass er im ersten Absatz des ersten Kapitels, welches primär seine Kindheits- und Jugenderlebnisse beschreibt, zu dieser strategischen, geopolitischen Aussage „kolonialpolitischer Tätigkeit“ kommt. In welche geografische Richtung seine Vorstellungen von der Aneignung fremden Bodens letztlich tendierten, wird freilich erst im weiteren Verlauf seiner Abhandlungen deutlich.

Es gibt im „verbotenen Buch“ noch viel mehr wirklich interessante Fragen, für die ich nach einer Antwort suche. Doch bis dahin:

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Quellen und Anmerkungen:

(a1) Warum ich das Weltbild des Adolf Hitler im Jahre 1924 als einseitig ansehe, bringe ich in späteren Artikeln dieser Reihe zur Sprache.
(1,8,12) Mein Kampf, Erster Band – Eine Abrechnung; Adolf Hitler; Kapitel 1: Im Elternhaus, S.1; Zwei Bände in einem Band; ungekürzte Ausgabe; Zentralverlag der NSDAP., Frz. Eher Nachf., G.m.b.H., München; 851.–855. Auflage 1943 (im weiteren kurz als MKAH genannt)
(2,7) Jürgen Osterhammel: Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen. 6. durchges. Aufl. München 2009; entnommen aus Artikel vom 23.10.2012 bei bpb; http://www.bpb.de/apuz/146973/geschichte-des-europaeischen-und-deutschen-kolonialismus?p=all
(3-6) http://www.tagesspiegel.de/politik/militaereinsaetze-in-afrika-es-geht-um-unsere-interessen-und-werte/9486664.html
(9) 3.11.2017; https://geschichte.prepedia.org/wiki/Österreich_(1919–1938)
(10) 3.11.2017, 20:26 Uhr; https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlussverbot
(11) 4.3.2017; http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/der-friedensvertrag-von-versailles-28-juni-1919/
(13) MKAH; S.20/21
(14) MKAH; S.23
(15) 13.9.2017; http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/grundsaetze/index.html
(16,17) http://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse-2004-038JWDefencePaper.pdf; Originalquelle: Herfried Münkler; 29.10.2004; Die Welt
(18) 3.11.2017, 22:55 Uhr; https://de.wikipedia.org/wiki/Herfried_Münkler
(19) 3.11.2017, 22:59 Uhr; https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesakademie_für_Sicherheitspolitik