Medien-Misstrauen

Die Medien müssen sich unser Vertrauen erarbeiten, verschenken können wir es nicht.

Im Dezember 2017 hatte der Rubikon seine Leserinnen und Leser eingeladen, selbst publizistisch aktiv zu werden: „Schreiben Sie einfach einen kleinen Essay, eine Glosse, eine Kurzgeschichte oder ein Gedicht zur Frage: Warum vertrauen Sie den (Leit-)Medien nicht mehr? Warum brauchen wir neue, demokratische Medien in Bürgerhand, Medien ‚von unten‘?“, hieß es in einem entsprechenden Aufruf der Redaktion (1). Fast 100 Leserinnen und Leser sandten der Redaktion hieraufhin eigene Texte und erhielten als Dank für ihren Mut jeweils ein Exemplar von „Lügen die Medien?“ als Weihnachtsgeschenk. Hier veröffentlicht der Rubikon nun die besten Leser-Texte in eigener Rubrik (2).

Medien-Misstrauen
von Tony Krienke

Per se sollte man Institutionen und sonstigen Stellen sowieso niemals blind vertrauen. Nicht alles, was in Medien gesagt wird, egal von welchem Medium konkret, ist immer richtig. Das ist rein logisch schon nicht möglich. Denn es kann immer sein, dass man bewusst oder unbewusst getäuscht wird oder Informationen gezielt weggelassen werden.

Selbst wenn wir die beabsichtigte Täuschung außen vorlassen – kann es außerdem sein, dass der schreibenden Person schlicht nicht alle Informationen vorliegen. Oder eine falsche Darstellung beruht auf Irrtümern. Irren ist menschlich.

Allein schon aus diesem einfachen Grund ist ein gewisses Maß an kritischer Skepsis stets zu empfehlen. Zu Personen verhält es sich ähnlich. Auch ihnen sollte man nicht blind vertrauen. Vertrauen ja, aber eben nicht blind. Überhaupt ist Vertrauen etwas, das sich neben einem guten (oder schlechten) Ausgangsgefühl erst entwickelt, mit der Zeit und guten Erfahrungen aufgebaut wird. Vertrauen bedeutet nicht, dass ich, wenn eine Person zehn Mal verlässlich war, davon ausgehe, dass sie für immer verlässlich sein wird.

Eine hundertprozentige Verlässlichkeit kann niemand leisten, weil sie von mehr abhängt als nur den Faktoren, die jemand selbst beeinflussen kann. Jedoch gehen wir trotzdem davon aus, dass diese Person mit bestem Willen agiert und die Annahme der Verlässlichkeit wenigstens in der Mehrzahl der Fälle zutrifft, dass quasi die Grundausrichtung stimmt.

Anfangs war ich als Schüler nicht recht begeistert, als wir anfingen, im Schulunterricht Gedichte zu interpretieren. Das änderte sich jedoch nach und nach, als wir auch Kurzgeschichten und andere Texte interpretierten. Ich fand es spannend zu sehen, wie der Autor oder die Autorin sich ausdrückt, was er oder sie sagt, und zu überlegen, warum. Welche Worte und Redewendungen benutzt er oder sie? Ist es seine eigene Meinung? Ist es ironisch gemeint? Handelt es sich um Kritik oder gar Spott? Wir lernten sprachliche Mittel erkennen und auch, was sie bedeuten.

Es liegt auf der Hand, dass wir nie zu hundert Prozent mit Sicherheit sagen konnten, ob unsere Interpretation nun zutrifft oder nicht, aber durch die Analyse prüften wir schon auf gewisse Weise die Quelle und unsere Annahmen auf Plausibilität. Damals fand ich es spannend, Sinn und Absicht hinter Texten zu suchen.

Die Tragweite und die Möglichkeiten dieses Handwerks, das man versucht hat uns beizubringen, war mir damals allerdings noch nicht bewusst. Man könnte je nach eigenem Interessengebiet durchaus die Frage stellen, warum es mich interessieren sollte, wie ein Autor oder eine Autorin den Text gemeint hat, was dahinter steht, was damit gesagt werden soll? Frei nach dem Motto: Das interessiert mich nicht, also interessieren mich die Techniken, dies herauszufinden, genauso wenig.

Das ist die eigene freie Entscheidung. Jedoch gewinnt diese Frage an Tragweite, wenn wir über die sogenannten Medien sprechen, unter anderem über Zeitungen, Internet, Fernsehsendungen. Denn hier wird über das aktuelle Geschehen berichtet oder sich zumindest damit auseinandergesetzt, Informationen verbreitet und auf gewisse Art und Weise dargestellt. Hier geht es nicht um erfundene Kurzgeschichten oder Gedichte. Es geht um das, was wirklich passiert, Dinge, die uns betreffen, um Politik, darum wie wir zusammenleben und zusammenleben wollen.

Die Gestaltung unserer Lebenswirklichkeit – jetzt und in Zukunft – beginnt mit dem Austausch von Informationen. Nur so ist Dialog möglich. Aufgrund dieser Tatsache erwarte ich von jedem Autor oder jeder Autorin, möglichst gewissenhaft, sachorientiert und logisch an die Themen heranzugehen und diese Texte zu verfassen. Allerdings fällt mir immer wieder auf: Wenn ich Artikel lese, ist es zum Teil nicht einmal notwendig, dass ich selbst über dieses Thema gut Bescheid weiß, um einzuschätzen, ob es ein guter Artikel ist. Warum nicht? Ganz einfach – an der Art der Formulierungen und der logischen Struktur.

Wo und wie oft werden Aussagen gemacht, die nicht weiter begründet werden? Wo wird selbstverständlich von Fakten ausgegangen, die jedoch nicht notwendigerweise selbstverständlich sind? Wo wird nicht hinterfragt oder nur eine Seite dargestellt? Wird mindestens eine Gegenmeinung genannt und die Argumentation eben dieser beschrieben? Werden für Behauptungen und Aussagen Gründe und Annahmen angeführt? Können diese Gründe und Annahmen logisch überhaupt zu diesen Aussagen führen?

Kurzum geht es darum, ob der Text rein technisch – ganz ohne emotionale Komponenten – in sich schlüssig ist. Oft erkennt man Schwächen in diesem Gebiet recht schnell, jedoch ist es in vielen Fällen auch ungeheuer schwer und mühselig.

Es gibt aber eine weitere Möglichkeit: In den letzten Jahren habe ich sehr oft festgestellt, dass in einigen Artikeln und Beiträgen offen Diffamierungen und generell wertende Worte benutzt wurden.

Je mehr Wertungen ein Artikel oder Text enthält – also Wertungen und Einschätzungen ohne vorherige Erklärung oder logische Argumentation – desto unwahrscheinlicher ist eine sachliche Auseinandersetzung beziehungsweise desto weniger liegt eben diese vor. Ich lese und höre ständig so viele Texte, in denen ich nach den ersten Sätzen abbrechen könnte, weil mir bloßer Spott begegnet, von sachlicher Auseinandersetzung keine Spur ist und ich mich frage: Warum?

Mit einem journalistischen und sachlich korrekten Anspruch hat das nichts zu tun, und die Wahrscheinlichkeit, dass hier jemand eine gewisse Form von Meinung oder Stimmung machen möchte, ist sehr groß. Nun könnte man einwenden: Aber erzeugt nicht jeder Text, ob beabsichtigt oder nicht, Meinung und Stimmung? Die Antwort: Ja. Aber warum benutzen der Autor oder die Autorin keine sauberen Mittel und machen ihre Behauptungen damit transparent? So entsteht nicht nur kein Vertrauen, sondern Misstrauen.


Lügen die Medien?


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.rubikon.news/artikel/gemeinsam-verandern-wir-die-welt
(2) https://www.rubikon.news/kolumnen/leser-aktion