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Mein Weg ins Leben

Mein Weg ins Leben

„Ist unser tiefster Schmerz womöglich das Tor zu unserer Heilung?“, fragt Rubikon-Herausgeber Jens Wernicke in seinem persönlichsten sowie für längere Zeit wohl letzten Artikel für unser Magazin.

„Der wichtigste Bereich des Gebens liegt jedoch nicht im Materiellen, sondern im zwischenmenschlichen Bereich. Was gibt ein Mensch dem anderen? Er gibt etwas von sich selbst, vom Kostbarsten, was er besitzt, er gibt etwas von seinem Leben. Das bedeutet nicht unbedingt, dass er sein Leben für den anderen opfert — sondern, dass er ihm etwas von dem gibt, was in ihm lebendig ist; er gibt ihm etwas von seiner Freude, von seinem Interesse, von seinem Verständnis, von seinem Wissen, von seinem Humor, von seiner Traurigkeit — von allem, was in ihm lebendig ist. Indem er dem anderen auf diese Weise etwas von seinem Leben abgibt, bereichert er ihn, steigert er beim anderen das Gefühl des Lebendigseins und verstärkt damit dieses Gefühl des Lebendigseins auch in sich selbst.“
Erich Fromm

„Frage Dich nicht, was die Welt braucht. Frage Dich, was Dich lebendig werden lässt, und dann geh los und tu das. Was die Welt nämlich braucht, sind Menschen, die lebendig geworden sind.“
Harold Whitman

Liebe Leserinnen und Leser,

ich schreibe diese Zeilen, weil ich nicht weiß, wie viel Zeit mir noch bleibt. Nicht weiß, wie lange ich noch lebe. Und weil ich meine Geschichte erzählen möchte, solange ich hierzu noch in der Lage bin. Nicht, um Mitleid zu heischen, denn Mitleid hilft niemandem. Nicht, um mich wichtig zu machen, denn wichtig wollte ich niemals sein. Sondern, um mich ein vorerst letztes Mal gegen das ohrenbetäubende gesellschaftliche Schweigen aufzubäumen, das jene Mauern zwischen uns errichtet, die es unmöglich machen, diejenigen Mauern, die einst als Schutzwälle um unsere Herzen herum entstehen mussten, wirklich abzubauen.

Ich schreibe diesen Text, da in meiner Wahrheit auch meine Würde liegt. Schreibe ihn, um mich meiner selbst zu vergewissern und überhaupt wieder bemächtigen. Schreibe ihn langsam und oft auch unter Tränen, unter Aufbringung aller Kraft. Schreibe ihn, um den kleinen Funken der viele tausend Grad heiß brennenden Lebenskraft in mir, zu schüren, um sein Licht und seine Wärme nach außen zu schenken, in die Welt. Und schreibe ihn für alle die Einsamen, die Verletzten, die Kranken. Die Leidenden, die Ängstlichen, die Kämpfenden. Jene, die um Würde ringen. Und jene, die dabei sind, die Hoffnung zu verlieren oder sie bereits verloren haben.

Bevor ich wirklich jenes, um das es mir geht, zu berichten vermag, muss ich kurz in die Vergangenheit eintauchen. Denn so wie einem jedem guten Märchen ein „Es war einmal…“ voransteht, so geht auch meinem Bericht eine Geschichte voraus. Bin und bleibe auch ich nur ein Wassertropfen in einem Ozean und ergibt meine Erzählung ohne eine Beschreibung des Meeres, seiner Weite und Schönheit, seiner Tiefen und Untiefen sowie zerstörerischen Kräfte keinerlei Sinn.

Nun denn…

Vergiftete Erde

Meine Mutter hatte als Kind im Krieg gehungert und um ihr Leben gebangt. Eine der düsteren Legenden der Familie besagt zudem, dass sie in den Wirren und Grausamkeiten der Zeit als kleines Mädchen vergewaltigt worden sei. Später bekam sie fünf Kinder von einem Mann, der bereits in jungen Jahren bei der Verrichtung seiner Arbeit in einem Kohlebergwerk starb. Sie blieb allein zurück, überfordert und schwer traumatisiert.

Einige Jahre, bevor ich geboren wurde, war meine Familie bereits von einem winzigen Bauernhof in Sachsen an den Stadtrand von Berlin umgesiedelt. Vier der fünf Halbgeschwister waren bereits aus dem Haus, nur meine jüngste Schwester lebte noch bei meiner Mutter und ihrem neuen Mann. Ich kam mittels Kaiserschnitt in einer Hochrisikogeburt zur Welt, denn meine Mutter war nicht mehr die Jüngste, sondern hatte bereits ihr 40. Lebensjahr erreicht. Während der Geburt wurde ein faustgroßer Tumor in ihrem Unterleib entdeckt, sodass sie einer Not-OP unterzogen wurde, die sie zwar heil überstand, die jedoch dafür sorgte, dass ich Gerüchten zufolge die ersten Tage oder Wochen meines Lebens vielleicht in einem Brutkasten, ohne Mutter verbrachte.

Wie alle meine Geschwister vor mir, war auch ich meiner Mutter bereits zeitnah nach der Geburt zu viel und wurde daher mit wenigen Monaten in eine Krippe gegeben. Wurde zu einem Kleinkind, das der Einsamkeit und Entbehrung jahrelanger Massenverwahrung in faktischer Bindungslosigkeit sowie Nicht-Spiegelung und -Förderung überlassen blieb. Eine weitere düstere Legende der Familie besagt, dass mein Vater, wenn ich als Säugling daheim dann aus Angst, Wut oder Hilflosigkeit, aus Hunger oder Sehnsucht schrie, mich so lange kniff und zwackte, bis ich still wurde, keinen Mucks mehr von mir gab. Während mir als Heranwachsendem immer wieder vermittelt wurde, ich sei das einzige Wunschkind meiner Mutter und würde bedingungslos geliebt, wuchs ich de facto in einer Familie auf, in der ich tagtäglich erlebte, man sähe mich lieber tot als lebendig. Wünschte, ich wäre nie geboren worden und sei, egal was ich an Lebendigkeit auszudrücken versuchte, eine einzige, unzumutbare Last. Ein Fluch, den man vordergründig liebte, hintergründig jedoch hasste und verabscheute.

Nicht nur, aber auch, weil meine kindliche Vollständigkeit, meine Wut und Kraft, mein Fordern, meine Angst und Hilflosigkeit, meine Verzweiflung und meine Tränen in meinen traumatisierten Eltern an all dem Verdrängten und Abgespaltenen rührten. Sie waren so tief verletzt, dass jede authentische Begegnung mit der Tiefe und Weite des Lebens sie in ihrem eigenen Schmerz berührte, sodass sie dazu übergingen, alles Lebendige in mir abzutöten, um mich zu dressieren wie einen pawlowschen Hund. In Momenten, in denen ich traurig oder ängstlich, wütend oder vieles andere wurde, in all jenen Momenten also, in denen ich wirklich lebendig wurde, um in der Beziehung zu meiner Mutter Bindung und hierdurch Regulation zu erfahren, brach stets mörderischer Hass aus ihr hervor und ihre Blicke, in denen ich als hilfloses kleines Wesen die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ so dringend benötigte, wurden augenblicklich von Mordlust getrübt.

Meine Eltern wurden geschieden, als ich etwa 6 Jahre alt war. An meinen leiblichen Vater erinnere ich mich nicht mehr, weiß jedoch, dass sein Name nach der Scheidung selbst aus meiner Geburtsurkunde gelöscht wurde, und vermute, dies geschah nicht ohne Grund. Es folgten viele Jahre gravierenden emotionalen, sogenannten narzisstischen Missbrauchs, der stets auf das Auslöschen jeder Autonomie und Eigenständigkeit auf meiner Seite abzielte, und mich zum Objekt der Bedürfnisbefriedigung meiner Mutter degradierte. Zwei der netteren Sprüche während des Heranwachsens waren noch „Dich wird eh nie eine Frau lieben, denn Liebe hast Du gar nicht verdient“ und „Halts Maul, wenn Du störst, kommst Du ins Heim!“. Im Heim war ich dann später auch tatsächlich noch, als Teenager.

Die Familie, die alsbald nur noch aus meiner Mutter und mir und später dann für einige Jahre noch meinem schwertraumatisierten Adoptivvater, der alsbald starb, wofür meine Mutter, selbstredend, mir die Schuld gab, bestand, wirkte nach außen stets völlig intakt. Wie andere Familien auch. Wie toxisch, zerstört, vergiftet und gewaltvoll sie in Wahrheit war, wurde mir selbst erst in Ansätzen mit Anfang Zwanzig bewusst, als meine älteren Geschwister auf einer Familienfeier in meiner Gegenwart wieder einmal aus tiefstem Herzen darüber lachten, wie viel Freude sie daran gehabt hätten, mich, „zu Besuch bei Muttern“ als gefräßiger Tiger verkleidet, als Kleinkind nachts zu Tode zu erschrecken.

Ich war immer ein kluges, jedoch kontaktscheues Kind. Viel einsam, viel allein. Der kleine Rilke mit dicker Hornbrille, der sich als wehrloses Opfer für so manche Aggression, der weniger schüchternen Klassenkameraden „anbot“. Niemals konnte ich mich wehrend, niemals verfügte ich über gesunde Wut oder Aggression. Für manche Psychologen wäre ich der „Sündenbock“ der Familie oder das „verlorene Kind“. Alice Miller beschriebe mich ob meiner Geschichte als das „begabte Kind“. Auf meine nicht zu verleugnende Intelligenz habe ich mir niemals etwas eingebildet. Sie war, wie ich nun denke, notwendige Kompensation, musste sich herausbilden; war wichtig, denn sonst hätte ich „all dies“ niemals überlebt.

Zerbrochene Flügel

Die einzige Zeit meines Lebens, an die ich, sofern ich dies noch vermag, gern zurückdenke, ist meine Studienzeit. Nach dem Realschulabschluss, einer Lehre und dem Abendabitur verließ ich Berlin und blühte während der Universitätsjahre regelrecht auf. Ich war Pressesprecher des örtlichen Studierendenstreiks, gab Politikern, die Bildungskürzungen durchsetzen wollten, heftig Paroli und veröffentlichte mein erstes politisches Buch, eine Anthologie.

Nichts von all den Verletzungen meiner Kindertage war nach außen hin sichtbar. Ja, nicht einmal ich selbst hatte in dieser Zeit eine Ahnung hiervon. Ich lebte den unerschrockenen, mutigen Rebellen des Henry Miller und genoss diese Rolle sehr. Mein Wissen um meine Selbstwirksamkeit und mein Potenzial schöpft noch heute hiervon.

Mit etwa Anfang Dreißig, ausgelöst durch einen schweren Schicksalsschlag, begannen meine Kräfte zu schwinden, und ich verlor mit den Jahren immer mehr an Lebendigkeit und Kraft. Die damalige Arbeit als Gewerkschaftssekretär reduzierte ich daher ab Anfang 40 mehr und mehr, ging später in Teilzeit, dann in Telearbeit, schrieb meist von daheim aus meine Artikel oder führte Interviews.

Als Rubikon gegründet wurde, was durch eine große Frustration in der Arbeit für andere Magazine notwendig geworden war, war ich gerade Anfang 40 und etwa ein Jahr später dann ein Pflegefall in Pflegegrad 3. Immer mehr hatten sich Antriebslosigkeit und Hilflosigkeit meiner bemächtigt. Es wurde so schlimm, dass meine Konzentration zwar noch für einige Stunden Computerarbeit am Tag ausreichte, ich sonst jedoch kaum mehr in der Lage war, das Haus zu verlassen, geschweige denn, mich selbst zu versorgen. Die Pflegerin kam vorbei, um sicherzustellen, dass ich trotz dieser Zustände noch essen und mich ernähren würde. Der Erwerbsarbeit konnte und wollte ich nicht mehr nachgehen. Und so wurde diese, „meine“ Zeitung, wurde der Rubikon zu meiner Kontaktstelle in die Welt. Anfangs auf 450-Euro-Basis und später dann mit einem leidlich guten Salär.

Wenn mich heute jemand fragen würde, was den Erfolg des Rubikon ausmacht, würde ich wahrscheinlich antworten, dass er nur um seiner selbst willen gegründet wurde — gegen eine endlose Zahl von Mahnern und Zweiflern, die meinten: Das wird doch sowieso nichts, versuche es gar nicht erst. Ich wollte das, und ich hatte den festen Glauben daran, dass Dinge richtig sind, wenn sie notwendig sind, und nicht um des Kalküls, sondern der Sache willen zu versuchen sind — Scheitern eben eingepreist.

Lebendig tot

Vor nunmehr fast 3 Jahren ereilte uns alle und auch mich dann in beschriebener Lage die sogenannte Pandemie. Trotz zahlreicher Therapien und auch eigener, teils therapeutischer Ausbildungen, trotz der Tatsache, dass ich über viele Jahre hinweg fast mein gesamtes Einkommen in alle möglichen schul- sowie alternativmedizinischen Methoden investiert und wirklich nichts unversucht gelassen hatte, war meine Lage inzwischen vollkommen hoffnungslos. Von der Außenwelt unbemerkt war mit der Zeit etwas in mir gestorben und konnte ich ohne dieses Etwas, ohne dessen Kraft, nicht mehr in Würde leben. Einige Stunden am Tag Computerarbeit — das ging gerade noch. Doch ansonsten war ich gefangen in meinen eigenen Gedanken, in meinem Kopf — und gab es nur noch wenig in mir, das vom Kopf aus den Körper erreichen und diesen zu irgendetwas zu ermutigen vermochte.

Hilflosigkeit. Immer größer werdende Hilflosigkeit. Lange Zeit mit unsinnigen Begriffen bedacht. Schließlich dann in einer Traumaklinik als Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung mit Partieller Dissoziativer Identitätsstörung klassifiziert. Das gab mir zwar meine Würde zurück, von dort aus jedoch keinerlei Perspektive. Denn keine einzige Therapie hatte jemals Hilfe oder auch nur Linderung gebracht. Irgendetwas schien bei mir anders als bei anderen, auch anderen Traumatisierten, zu sein. Doch was? Es musste eine Antwort geben, doch ich fand sie nicht — und wanderte dann schließlich, um die Struktur des Rubikon vor zu erwartenden staatlichen Angriffen zu schützen, nach Lateinamerika aus. Resigniert und am Ende jeder Hoffnung, was mich selbst betraf, jedoch voller Wut und Entschlossenheit, zumindest den Rubikon, den ich als mein Kind ansehe, zu schützen und bewahren.

Was ich versprochen und wofür ich um Unterstützung gebeten hatte, das tat ich denn auch. Gründete an verschiedenen Orten auf der Welt Firmen, erschuf sichere Strukturen, besorgte Konten. Sollte die Pressefreiheit in Deutschland fallen, wären wir vorbereitet. Gesagt, getan, gemacht, geschafft. Einige Zeit lang fühlte ich mich wieder etwas selbstwirksam, dann jedoch ereignete sich der finale Fall: Keine muttersprachlichen Kontakte mehr vor Ort. In einem Haus am Fuße eines Vulkans. In der Fremde ganz allein. Seit Jahren im sozialen Rückzug. Nun vollkommen isoliert. Keine sozialen Interaktionen mehr — keine tiefen Begegnungen, kein emotionaler Kontakt.

Selbst jetzt, beim Schreiben, weiß ich nicht genau zu sagen, was diesem finalen Absturz seine Besonderheit verlieh. Vielleicht war es, dass ich bemerkte, dass nach meinem letzten wütenden Aufbäumen, das mich noch einmal ins Handeln brachte, die Hilflosigkeit und Handlungsunfähigkeit mit ungeminderter Wucht zurückkehrten, mein Leiden kein Erbarmen mit mir kannte und auch nicht vorhatte, eine Pause einzulegen, egal, wie mutig ich war. Nun war ich allein. Isoliert nicht nur in meinem eigenen, inneren Gefängnis, sondern auch am anderen Ende der Welt. Hatte getan, was ich mir vorgenommen hatte und noch ein letztes Mal meiner Würde zu ihrem Recht verholfen und mein Vermächtnis, das auch für meine Liebe zum Leben und das Indienststellen meiner Fähigkeiten für die Gemeinschaft steht, geschützt.

Doch eigentlich… Eigentlich war es Zeit, Abschied zu nehmen. Zeit, zu sterben. Diesem unsäglichen Leid endlich ein Ende zu bereiten. Sollten die Bücher im Rubikon-Buchverlag doch andere organisieren. Der letzte äußere Grund, noch zu leben, reichte mir nicht mehr aus. Den Ungehorsam zu leben war schön. Doch als Grund, weiter zu leiden, reichte Ungehorsam nicht mehr aus.

Irgendetwas in mir, das kaum mehr lebte, kaum mehr atmete, mein inneres Licht, mein inneres Feuer, war dabei, endgültig zu erlöschen. Und in letzter Not, doch mit einer Entschlossenheit wie nie zuvor in meinem Leben, in einem Aufbäumen letzter Kraft und aus endloser Verzweiflung richtete ich meinen letzten Wunsch an das Universum, meine höhere Macht:

„Egal, was es kostet, egal, was notwendig ist, egal, ob ich Arme und Beine verliere, in die Hölle muss und Schmerzen erleide, die niemand sonst haben mag, was auch immer der Preis ist — bitte, gib mir eine Chance, noch einmal lebendig zu werden, mit allem, was ich bin, noch einmal wirklich und wahrhaftig zu leben, und ich zahle ihn.“

Das geschah vor knapp zwei Jahren. Und dann…

Zweite Geburt

…geschah etwas.

Bei einer Recherche zu einem geplanten Rubikon-Buch kam ich mit einer Frau etwa meines Alters telefonisch in Kontakt. Anfang 40. Vier Kinder, die bei ihrem Ex-Mann lebten. Sie war lange Zeit schwer krank gewesen und hatte sich viele Jahre intensiv mit Heilung beschäftigt. Wir freundeten uns an und telefonierten immer häufiger. Je sicherer die Verbindung wurde, umso ehrlicher wurde ich. Schließlich war meine leidvolle Situation kein Geheimnis mehr: innerlich in den eigenen Gedanken gefangen, ansonsten lebendig tot, seelisch querschnittsgelähmt; mit letzter Kraft, aber aus einem tiefen Gefühl der Gefühllosigkeit heraus einige Stunden Computerarbeit am Tag, ansonsten ohne jeden Antrieb, innere Impulse, Kraft. Und eines Tages sagte sie dann zu mir: „Jens, ich weiß, dass Du jedwede Schul- und Alternativmedizin bereits ausprobiert und Jahre in Psychotherapien verbracht hast, ohne dass jemals etwas wirklich half. Aber eine Sache gäbe es da vielleicht noch, die Du versuchen kannst.“

Was, wie? Etwas, das ich noch nicht versucht hatte? Und, tatsächlich: Von dem, wovon sie mir berichtete, hatte ich zwar am Rande schon einmal gehört, jedoch niemals Zugang hierzu zu finden vermocht. Da ich nichts mehr zu verlieren hatte und mir klar war, dass es der Tod war, der täglich lauter an meine Tür klopfte, packte ich meine Koffer und flog im Frühjahr 2021 von Lateinamerika in die Niederlande. Zu Freunden von ihr. Schamanen.

Es ging um Set und Setting. Sogenannte schamanische Reisen. Die Arbeit mit Psychedelika. Darum, die psychische Abwehr zu überwinden und das abzubauen, was Wilhelm Reich den Charakterpanzer nannte. Wir arbeiteten mit MDMA, Ayahuasca, LSD, Psilocybin, Bufo Alvarius und anderem mehr. Nicht um „auf einen Trip zu gehen“. Nicht um „schöne Gefühle“ zu haben, sich abzulenken. Nein, um zu heilen. Auf ebenjene Art, wie sie die Urvölker seit Jahrtausenden praktizieren.

Geschützt und begleitet von Heilern und Schamanen, die den Raum hielten, in dem sich meine Entfaltung und Verkörperung vollziehen sollte, in einem sicheren Setting, das für meinen Schutz konzipiert war, unternahm ich in den folgenden eineinhalb Jahren gut zwei Dutzend schamanische Reisen. Setzte mich unter hochdosierte Psychedelika und tauchte tief in die eigene Seele, das eigene Unbewusste ein. Was ich erlebte, würde mein Leben für immer verändern. Und hatte, wie sie berichtete, auch die Schamanin in dreißigjähriger Praxis noch niemals erlebt.

Die ersten Reisen verbrachte ich in bunten Bilderwelten. Doch je mehr ich vertraute, losließ und mich hingab, umso heftiger veränderte sich der Prozess, umso mehr Tiefe gewann er. Als ich meine Angst vor Kontrollverlust schließlich losließ, mein inneres Ringen und Kämpfen gegen die überwältigende Wirkung der „Medizin“ endgültig einstellte, übernahm etwas Göttliches Besitz von mir und begann eine umfassende Transformation.

Der Ablauf war in etwa immer derselbe: Nach einiger Zeit wurde mein Verstand ruhiger, gab die Kontrolle ab und auf. Dann wurde mein Körper warm und wärmer, mobilisierte Energie. Und dann, schließlich, griff das Leben selbst in mich hinein und fing an, meinen Körper zu bewegen. Durch meine Augen beobachtete ich diese Prozesse, all das Zittern, das Treten, all die zahlreichen, endlosen, kraftvollen Bewegungen — aber es war nicht ich, der sie vollführte. Sie vollführten mich.

Dutzende Stunden traten meine Beine wild um sich, als würden sie um ihr Leben rennen, eine Gefahr wegtreten, Bären, Tiger und Wölfe verjagen. Endlose Kraft zeigte und entlud sich in einem halbbewussten Erleben, das mich für immer zu einem spirituellen Menschen machen sollte. Es gab etwas außerhalb meines Verstehens, außerhalb meiner selbst. Etwas, das so mächtig war, dass es in mich hineingreifen und mich unwillkürlich und mit großer Macht bewegen konnte, das Handlungen mit meinem Körper vollführte. Gab etwas in mir, das so viel größer und mächtiger war als ich — und das offenbar wusste, was zu tun war. Was getan werden musste. Etwas, das lebendig werden wollte. Heilen. Und ich musste nichts dafür tun, außer ihm zu erlauben, sich zu zeigen. Macht und Kontrolle ab- und mich hinzugeben. Im Vertrauen darauf, dass diese Macht eine gütige war. Eine Macht, die wusste, was sie tat. Die schützend und liebend wirkte. Und die, wie ich erst sehr viel später zu verstehen begann, meine Macht war: meine eigene Lebenskraft, die sich meiner jedoch niemals zu bemächtigen vermochte hatte. Das Leben selbst, das wusste, was es tat.

Viele, viele Reisen verbrachte ich damit, zu beobachten, wie meine Beine um sich traten, in wilden Bewegungen, tanzten und traten. Sie können sich meine Überraschung kaum vorstellen, als ich, als jemand, der sich lebenslang als kraft- und wehrlos sowie als Schwächling erlebt hatte, mich unter dem schamanischen Getrommel von rund zwanzig bei einer Reise Anwesenden plötzlich im Schulterstand wiederfand und, den Boden nur noch mit Ellenbogen und oberem Rücken berührend, völlig mühelos und aus schier endlos scheinender Kraft unter den mächtigen Rhythmen, zu denen das Leben in mir in resonierte, mit Beinen und Unterkörper in der Luft Pirouetten vollführte, über eine schier endlos erscheinende Zeit und ohne jeden Kraftverlust Breakdance vollführte.

Mit der Zeit wurden die Beine ruhiger. Und das, was nach jeder Reise einsetzte, wurde das zweite Wunder dieser Arbeit für mich. Denn je mehr meine Beine und damit auch meine Hüfte sich bewegt und „abreagiert“ hatten, umso mehr erwachte nach den Arbeiten mein Körper zum Leben. Es dauerte etwa drei Arbeiten, bis ich begann, meine Hüfte beim Gehen zu spüren. Sie war beweglich geworden und bewegte sich nun bei jedem Schritt. Dann begann der Bauch zu zittern und zucken, über viele, viele Arbeiten kam er ins Leben zurück. Dann der untere Rücken. Dann der obere Rücken, dann die Schultern. Dann der Kopf und so weiter und so fort. Und nach jeder dieser Arbeiten kehrte mehr und mehr das Leben in meinen Körper zurück. Ich hatte immer gedacht, ich hätte Gefühle und ein Körperempfinden gehabt. Doch nun wurde ich eines Besseren belehrt: Zum ersten Mal in meinem Leben fing ich an, meinen Bauchraum, seine Lebendigkeit und Tiefe, seine inneren Bewegungen wirklich spürend wahrzunehmen. Meinen Rücken. Meinen Hals. Meine Nieren. Meine Oberschenkel. Und so vieles mehr.

Was ich erlebte, wurde für mich zu einer zweiten Geburt: ein fast schon toter Körper arbeitete sich, wenn ich ihn nur ließ, selbstständig ins Leben zurück. Zuckte und zitterte Jahrzehnte von Schock, Erstarrung und Dissoziation aus sich heraus — wie sonst nur Tiere dies können und tun.

Und auch viele andere Momente meiner Reisen werde ich niemals vergessen.

Da ist zum einen die Erfahrung mit Bufo Alvarius, das man rauchend konsumiert: Noch während ich die Medizin, die das sogenannte Gottmolekül beinhaltet, inhalierte, wurde es plötzlich schwarz um mich und in mir. Zeitgleich mit der äußeren Welt endete auch ich. Das Universum kollabierte und hörte auf zu sein. Wenige Sekunden später lag ich als Säugling wimmernd, weinend, sterbend und schreiend auf dem mit Decken gepolsterten Boden. War in der Zeit unmittelbar zu meinem Nahtod zurückgereist, erlebte ihn nun, doch diesmal gehalten und getröstet, in den Armen meiner Begleiter, erneut. Schier endlose Qualen. Todesangst. Und grenzenlose, unbändige Wut. Ein Lebenswille von solcher Kraft, das er mir, hätte ich ihn nicht erlebt, niemals vorstellbar gewesen wäre.

Mir laufen die Tränen, während ich dies nun schreibe, denn dieses kleine, hilflose, zum Sterben liegen gelassene und dem Tod überlassene Kind, das bin ich. Und zwar in doppelter Hinsicht: Dieses unvorstellbare Leid — es ist mein Leid, war wirklich real, ist passiert. Aber auch: Die Stärke dieses winzigen Wesens, sein unbändiger Schrei nach Leben und die immense Kraft, die ihm überhaupt ermöglichten, all dies zu überleben — auch das bin ich. Das war ich einst. Und kann es vielleicht, eines Tages, auch wieder sein. Das wusste ich nicht. Weiß es erst jetzt. Unendliches Leid und unendliche Kraft. Ob das das Leben ist? Wo Licht ist, da muss auch Schatten sein? Oder, und vielleicht besser formuliert: Wer dazu bestimmt ist, die tiefste vorstellbare Dunkelheit und kälteste denkbare Kälte zu überleben, der bekommt hierzu vom Leben auch ein Licht mit auf den Weg, das heller und heißer brennt als jedes irdische Feuer dies vermag?

Und da ist zum anderen die Erfahrung einer Reise auf Ayahuasca, relativ zu Beginn meiner Arbeiten. Begleitet von schamanischer und anderer Musik lag ich im Kreise meiner Begleiter bewegungslos auf dem Rücken — und tat und erlebte schon lange Zeit … gar nichts mehr. Nachdem meine Begleiter lange Zeit nicht bemerkt hatten, dass ich mich in Raum und Zeit und Universum verloren hatte und nicht mehr wusste, wer ich war, ja, mich, wie ich denke, an einem Ort zwischen Leben und Tod befand, ergriff plötzlich eine der Begleiterinnen das Wort und sagte: „Mensch, der stirbt da, merkt ihr das nicht? Wir müssen ihm helfen, da herauszukommen. Los, schnell, holt die Trommeln!“. Und so trommelten sie mich ins Leben zurück, über Minuten, ja Stunden vielleicht. Innerlich durch den Klang der Trommeln bewegt und ihre Kraft in mich aufnehmend, zu meiner machend, kehrte das Leben in ungeahntem Ausmaße zu mir zurück. Bis ich schließlich, sehr viel später, aufrecht im Raum sowie im Kreise meiner trommelnden Begleiter stand und der empfindungslose Nahtod blanker Lebenskraft gewichen war: Meine Fäuste waren geballt und mein Kinn nach vorne gestreckt. Unendliche Kraft durchflutete alle Zellen meines Körpers. Ich, der ich mein Leben lang körperlich immer kraft- und hilflos gewesen war, stand nun in größter Rage und existenzieller, vernichtender Wut halbnackt und vor Schweiß nur so triefend an diesem sicheren Ort — und spürte zum allerersten Mal in meinem Leben meine wirkliche, maßlose Kraft. Eine Kraft, die sagte, ja in die Welt hinausschrie: „Nein, wenn ihr mich töten wollt, werde ich Euch bezwingen, noch bevor ihr mir auch nur nahegekommen seid; das Leben ist zu kostbar, zu heilig, um es kampflos preiszugeben, und ich bin so viel stärker als ihr!“. Die Schultern waren weit vor den Oberkörper hervorgetreten, jeder Muskel im Torso war aufs Äußerste gespannt, das Kinn bewegte sich in unglaublicher Kampfeslust von alleine vor und zurück. Noch lange nach diesem Erlebnis schworen mir meine Begleiter nicht nur, dass „auch das“ ich beziehungsweise ein Teil von mir sei, sondern ebenso, dass sie jede Wette eingehen würden, das ich mittels der hier zum Leben erweckten Energie tatsächlich mit einem Faustschlag ein Loch in die Wand unseres Arbeitsraumes hätte schlagen können, so kraftvoll war diese mir verloren gegangene Energie.

Vielleicht gab es einen Grund, einen guten Grund dafür, warum der an Krebs im Endstadium leidende Protagonist in „Der weise Schmerz der Seele“ meinte, eine einzige Ayahuasca-Zeremonie hätte ihm mehr geholfen als fünf Jahre Psychotherapie. Derjenige Protagonist, dessen Krebs dank der Arbeit mit Psychedelika schließlich in Remission gegangen war.

Große Liebe

Bis Ende des Jahres 2021 hatte ich wieder ein Körpergefühl. Alles, was lebenslang taub und in Starre respektive Dissoziation eingefroren gewesen war, kam nun wieder in Kontakt. Die Lebensenergie floss wieder durch mich hindurch, noch wild, noch schemenhaft, noch diffus und fragmentiert, doch sie floss.

Zwar war ich immer war oft müde und hatte wenig Kraft, fiel mir die Alltagsbewältigung nach wie vor schwer. Doch hatte ich das Wichtigste überhaupt wiedergefunden: die Hoffnung auf Heilung und einen gangbaren Weg.

Und auch die Kontakte und neuen Beziehungen zu all den spirituellen Meschen schenkten mir Mut und Zuversicht. Meine Traumatisierung war zu diesem Zeitpunkt weder bearbeitet noch integriert. Meine Gefühle standen mir im Alltag noch immer nicht zur Verfügung, sondern harrten an einem mir noch unbekannten Ort, in meinem eigenen Körper, auf ihre Wiederentdeckung. Doch es bewegte sich etwas. Und: Mein Körper war aus dem Totenreich zurück.

Die Freundin, dank deren Intervention ich zu dieser Arbeit und in diese Kreise gekommen war, war inzwischen zu meiner engsten Vertrauten geworden. Die Erlebnisse, die uns dank der oftmals gemeinsamen schamanischen Arbeit miteinander verbanden, waren tief und an Intimität nicht zu überbieten. Und je hoffnungsvoller und lebendiger ich mich fühlte, umso mehr fühlte ich mich auch wieder als Mann. So kamen wir uns näher und verliebten uns ineinander. Ich lebte offiziell noch in Lateinamerika. Sie war vor einiger Zeit geschieden worden und hatte sich über mehrere Jahre aus schwerer Krankheit ins Leben zurückgekämpft. Uns verbanden dieselben Weltsichten und Träume, verband dieselbe Sehnsucht nach einer menschlicheren Welt.

Es gab viel Resonanz auf tiefster Ebene, gab viele Gemeinsamkeiten und doch genug Unterschiede, dass vieles machbar und alles möglich erschien: Nähe und Distanz, Liebe und Freiheit, Symbiose und Autonomie. Vor allem aber: Wachstum — das Wachstum zweier verletzter, jedoch starker und sich wechselseitig unterstützender Seelen in ihre Kraft und Lebendigkeit zurück.

Nach einigen Monaten, in denen wir immer wieder über längere Zeit nur telefonierten und uns auf dieser, nun neuen, Ebene tastend einander annäherten, um zu prüfen, ob wir es wirklich wagen wollten, entschlossen wir uns dann dazu: Ja, unsere Verbindung war so tief und ernsthaft, fühlte sich derart richtig an, dass wir zusammen sein wollten. Ich sagte ihr, ich sei schwer traumatisiert und müsse langsam machen. Sie sagte mir, sie sei „halbwegs heile und stabil“ und hielte in schwierigen Zeiten gern in Liebe meine Hand.

Und so begannen wir damit, das Unmögliche möglich zu machen: Ich gab meinen Wohnsitz in Lateinamerika auf, sie ihren in Deutschland. Wir trafen uns in Holland und brachen gemeinsam in ein neues Leben auf. Reisten wohnungs- und heimatlos gen Osteuropa, um ein neues Zuhause zu finden und unserer Verbindung jenen Ort zu erschaffen, an dem die Liebe wachsen und gedeihen konnte.

Meine Liebste war zwar Deutsch-Muttersprachlerin, hatte jedoch einen Elternteil, der aus jenem Land stammte, in das es uns zog. Und in dem die Freiheit auch während der letzten Jahre noch so vital gewesen war, dass es auch Boris Reitschuster und andere hierhin verschlagen hatte.

Die folgenden Wochen gehören mit zu dem Schönsten, was ich jemals erlebte. Wo ich Schwächen hatte, griff sie mit ihren Stärken ein. Wo sie Schwächen hatte, konnten meine Stärken zum Ausgleich beitragen. Wir waren ein wunderbares Team. Und ich blühte immer mehr auf, wurde beständig lebendiger. War glücklich und bis über beide Ohren verliebt.

So verliebt sogar, dass alles Verletzte in mir, jenes, was sich zeitlebens zumeist versteckt gehalten hatte, wieder ins Leben drängte: Auch meine verletzten, eingefrorenen, kindlichen Seelenanteile öffneten sich und gingen ins Vertrauen zu ihr. So wurde ich unter anderem wieder neugierig, spielerisch und kreativ.

Nachdem die schamanische Arbeit meinen Körper zurück ins Leben geholt hatte, brachte nun die Liebe auch das innerseelische Verlorene ins Leben zurück. So gemocht und gesehen und akzeptiert zu werden, wie man ist — nichts könnte heiliger, heilender und wachstumsfördernder sein.

Henry Miller hat mein Erleben in „Rimbaud“ vor langer Zeit bereits in treffende Worte gefasst:

„Im Juli 1880 schrieb van Gogh seinem Bruder einen jener Briefe, die den Kern der Dinge berühren und das Blut in Wallung bringen. (…) In diesem Falle verteidigt sich van Gogh gegen die Verleumdung des Müßiggangs. Er beschreibt eingehend zwei Arten des Müßiggangs, die üble und die förderliche Sorte. Der Brief ist eine regelrechte Predigt über dieses Thema, und es lohnt sich, dass man immer wieder zu ihm zurückkehrt. (…) Dann geht er dazu über, zwischen dem Menschen, der aus Faulheit, aus Mangel an Charakter, infolge seiner niedrigen Natur müßig ist, und jener anderen Art eines Müßiggängers zu unterscheiden, der gegen seinen Willen träge ist; der innerlich von einem großen Tatendrang verzehrt wird; der ein Nichtstuer ist, weil es für ihn unmöglich ist, irgendetwas zu tun, usw. Er schildert den Vogel im goldenen Käfig. Und dann fügt er ergreifende, herzzerreißende, schicksalsschwere Worte hinzu: ‚Und die Menschen sind häufig durch die Umstände gehindert, etwas zu tun; sie sind Gefangene in irgendeinem entsetzlichen, entsetzlichen, ganz entsetzlichen Käfig. Es gibt auch, das weiß ich, die späte Befreiung. Ein zu Recht oder zu Unrecht zerstörter guter Ruf, die Scham, der Zwang der Verhältnisse, das Unglück — durch all das werden wir zu Gefangenen. Man vermag nicht immer zu sagen, was uns eigentlich einschließt, einmauert, was uns zu begraben scheint, aber man spürt doch irgendwelche Schranken, Gitter, Wände. (…) Weißt Du, was einen von dieser Gefangenschaft befreit? Jede tiefe, ernsthafte Zuneigung vermag das. Freund sein, Bruder sein, lieben — das öffnet das Gefängnis mit aller Macht, durch Zauberkraft. Doch einer, der das nicht hat, bleibt im Gefängnis. Wo die Sympathie erneuert wird, kehrt das Leben zurück.‘“

Einige Wochen, vielleicht drei Monate schwelgten wir in Abenteuer und Liebesglück, reisten herum, lernten uns besser und immer besser kennen und erkundeten eines der schönsten Länder dieser Welt. Dann jedoch, unmerklich, schleichend, veränderte sich etwas. Kippte die Dynamik und wurde ich zum Frosch in einem Kochtopf, dessen Temperatur, ohne, dass er es merkte, beständig weiter und immer weiter stieg.

Sie hatte es oft schwer, litt ob ihrer kindlichen Misshandlungen an Flashbacks und anderen Symptomen. Immer wieder kam es vor, dass ich sie bis in die frühen Morgenstunden hinein im Arm hielt, tröstete und ihr sagte: „Es ist vorbei, das Grauen hat ein Ende, Du bist jetzt sicher und wirst geliebt“. Wenn es mir selbst jedoch gelegentlich einmal unterdurchschnittlich ging, wenn ich etwa traurig wurde und eine Träne aus dem jahrzehntealten Eis meiner Gefühle hervorkroch, um endlich geweint zu werden, wurde ich mit Kälte oder Abwertungen bestraft. Während ich unser Leben finanzierte und organisierte, ihr den Raum schenkte und hielt, den sie für ihre Prozesse benötigte, verschwand sie innerlich von Tag zu Tag mehr aus der Beziehung; und ich brauchte lange, sehr lange, um überhaupt zu merken, was geschah.

Ihre Bedürfnisse standen im Vordergrund, und es verging kein Tag, an dem sie sich nicht für diese stark machte. Jens dies, Jens das, bitte nimm hier Rücksicht auf mich und bitte auch da, bitte verändere Dich, arbeite an Dir, sei anders, tu mir jenen Gefallen et cetera pp. Meine Bedürfnisse und Gefühle jedoch — für sie gab es in dieser Beziehung immer weniger Platz.

Als ich ihr — wir pendelten immer wieder zwischen Osteuropa und der alten Heimat hin und her — beim Ausräumen ihrer alten Wohnung half und die Lebensenergie in meinem Körper wieder einmal unbekannte Manöver vollführte, als ich plötzlich Schmerz im Körper spürte und deswegen kurz innehielt, war ihre Reaktion nicht etwa: „Schatz, was ist, was kann ich für Dich tun?“, wie dies meine Reaktion für sie gewesen wäre, sondern es war ein aus tiefster Gehässigkeit Gesprochenes: „Du hast aber auch ständig schlechte Laune, immer fällst Du mir zur Last!“.

Als ich später — wir wollten gerade ein Haus in Osteuropa kaufen — während einer Autofahrt das Gespräch mit ihr suchte und ihr mitteilte, dass es mich ängstigen würde, in meiner noch unsicheren Lage einen Kredit aufzunehmen, dessen Tilgung mich zeitlebens begleiten würde, da schrie sie mir ohne Vorwarnung und auch nur eine Sekunde Wartezeit in einem hasstriefenden cholerischen Anfall ins Gesicht: „DEINE SCHEISSANGST IST HIER VOLLKOMMEN DEPLATZIERT!“.

Solche „Ausrutscher“ häuften sich, und ich schrieb sie lange Zeit der stressigen Lage, in der wir uns befangen, zu und dachte, wenn wir nur erst einmal zur Ruhe und angekommen wären, würde sich das wieder legen. Das sei ja nicht sie — sondern nur ein Tobsuchtsanfall unter Stress.

Doch selten in meinem Leben hatte ich mich so sehr geirrt. Einige Zeit später war bereits kein Gespräch mehr miteinander, in dem es auch einmal um mich, geschweige denn, meine Gefühle und Wünsche ging, möglich. Aus tiefer Inbrunst heraus vermittelte sie mir, dass meine Art, zu Essen, nicht adäquat wäre; meine Art, zu denken, dysfunktional; meine Art, zu sprechen, unpassend.

Und während ich emotional in der Beziehung gar nicht mehr vorkam, sondern sich alles nur noch um sie drehte, wofür natürlich ausschließlich ich die Verantwortung trug, wurde mir zugleich täglich machtvoller gespiegelt, ich selbst sei „unendlich bedürftig“ und fiele ihr beständig immer weiter zur Last.

Ich hatte so etwas noch niemals bewusst erlebt. Und war inzwischen längst im Modus des Verdrängens gelandet — der verzweifelten inneren Suche danach, was ich nur tun könnte, um endlich wieder geliebt zu werden und für sie „in Ordnung“ zu sein. Verbunden mit dem Abschalten der eigenen Wahrnehmung dafür, wie unglaublich schmerzhaft es ist, permanent entwertet zu werden und übersehen zu sein.

Den Höhepunkt der Entwicklung, doch das sollte ich erst sehr viel später verstehen, bildete dann eine gemeinsame schamanische Arbeit, die gemeinsame Freunde begleiteten. In dieser Arbeit, deren Sinn und Zweck es war, wieder das Verbindende zwischen uns zu stärken, an dem ich nach wie vor festhielt, forderte sie schließlich, ich, dessen Bedürfnisse und Gefühle seit Monaten keinen Raum mehr in der Beziehung eingenommen hatten, ja der sich nicht einmal mehr daran erinnerte, überhaupt einmal nach seinem Befinden gefragt, geschweige denn, fürsorglich behandelt worden zu sein, solle, denn sonst sei es unaushaltbar für sie, zukünftig bitte gefälligst um Erlaubnis fragen, bevor ich sie anspräche, allermindestens dann, wenn es um meine Gefühle ging. Ich war vollkommen perplex, schaute unsere Begleiter an und fragte: „Das meint ihr jetzt nicht ernst, oder?“ Doch die Begleiter erwiderten unisono: „Doch, wenn Du ständig bedürftig bist und Deiner Liebsten zur Last fällst, musst Du lernen, Dich zurückzunehmen — Liebe besteht auch aus Rücksicht auf die Grenzen des mehranderen.“

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich vor Erschöpfung schon kaum noch stehen, so sehr hatte ich mich, bis weit über die Grenzen meiner Kraft, für sie und ihr Wohlbefinden verausgabt. Stets ihre Grenzen respektiert, Rücksicht genommen, für sie und unsere Liebe nach Sicherheit und Erlösung gesucht. Mich selbst zurückgenommen und meine Prozesse beständig mit mir allein ausgemacht. Das letzte Mal, dass ich jenseits freundlicher Worte auch freundliche Taten von ihr erlebt hatte, lag bereits Monate zurück. Dass sie sich auch einmal für mich interessierte, nach meinen Bedürfnissen fragte oder mein Empfinden zur Grundlage auch ihrer Entscheidungen machte — hatte es das jemals gegeben? Ich erinnerte mich nicht mehr. Sehr wohl aber daran, dass mir ständig Gefühle und Gedanken unterstellt wurden, die gar nicht die meinen waren, die es jedoch abzulehnen galt.

Inzwischen emotional vollkommen verwirrt und immer weiter in Verdrängung und also emotionaler Dissoziation befindlich, stimmte ich schließlich auch dieser, ihrer Forderung zu — und nahm das Grauen, das dank Eggshell-Walking, Entwertung, Gaslighting, Grooming, permanenter Schuldumkehr und nun auch Flying Monkeys mittels immer gravierenden emotionalen sowie narzisstischen Missbrauchs längst zur täglichen Dauertraumatisierung geworden war, seinen beständigen Verlauf.

Einen Verlauf, der auch durch mein immer energischeres „Ich möchte so nicht behandelt werden, lass das, hör endlich damit auf!“ nicht zu beenden war — und dessen Ende sich schließlich denkbar anders ergab. Nachdem wir zuerst mehrere Monate darauf verwandt hatten, uns kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen, um dann zu Beginn des Jahres 2022 zusammenzukommen; nachdem wir beide innerhalb der Beziehung dann etwa drei Monate Ambrosia getrunken hatten und dann über weitere rund drei Monate das eskalierte, was ich soeben beschrieb, was zu diesem Zeitpunkt für mich jedoch weder fühlbar noch verstehbar war, weil ich über die Zeit immer tauber und tauber für mich selbst und meinen Schmerz geworden war, geschah das Folgende…

Als wir Ende Juli einige Tage getrennter Wege gingen, mit ein wenig Ruhe und Zeit, ging plötzlich ein Rucken durch meine Seele, und mir wurde klar, dass ich litt: Egal, was ich tat, ich wurde entwertet, gedemütigt, übersehen — ich kam in der Beziehung, die so verheißungsvoll begonnen hatte, seit Langem schon gar nicht mehr vor. Also konfrontierte ich sie unter Tränen am Telefon damit, dass und wie sehr ich litt und dass das so nicht weitergehen könne. Dass sie immer und immer wieder zum Täter an mir geworden war und Gewalt ausgeübte, jedoch niemals Verantwortung übernommen, sich entschuldigt und Wiedergutmachung geleistet hatte. Eines meiner verletzten Innenkinder telefonierte mit, und so war unüberhörbar, in welcher Verzweiflung ich war.

Die Antwort, die ich mein Lebtag nicht vergessen werde, kam aus einem vollkommen anderen Universum. Eiskalt und ohne jede innere Berührung erwiderte sie mit unüberhörbarem Sadismus in der Stimme: „Also, Du kannst gerne eine Therapie machen — ich für meinen Teil will jetzt nur noch Schönes tun, mein Leben genießen!“. Das als Antwort auf den Hinweis darauf, dass ich in dieser Beziehung zunehmend vor die Hunde ging, es seit Monaten seelische Gewalt von ihrer Seite gab und ich mich nicht einmal mehr erinnern konnte, wann zuletzt irgendetwas an mir anerkannt oder gewertschätzt worden wäre.

Auf gut Deutsch: „Kauf mir auf Dein Risiko das Haus, finanzier mir mit Deinem Geld mein Leben, steh mir mit Deiner Güte und Fürsorge, mit Deinem Mitgefühl und Deiner Liebe zur Verfügung, wann immer ich es brauche und will — aber lass mich gefälligst mit Deinen durch mich verursachten Problemen in Ruhe! Weder habe ich vor, jemals emotional für Dich da zu sein, noch Verantwortung für diese Beziehung oder mein Handeln zu übernehmen. Ganz im Gegenteil: Ich werde Dich weiter verachten, erniedrigen und quälen. Also reiß Dich jetzt zusammen, halt’s Maul und sei still!“ Hätte ich in diesem Moment mit einem Bauchschuss auf dem Gehweg gelegen und ihr zugerufen „Schnell, bitte hol Hilfe!“, sie hätte mit einem Grinsen im Gesicht erwidert: „Ganz sicher nicht, denn ich genieße es, zuzusehen, wie Du verreckst, ergötze mich an Deinem Leid, Deiner Qual.“

Schmelzendes Eis

Nach diesem Gespräch dauerte es noch einige Stunden — und ich brach vollkommen zusammen, landete in einer schweren suizidalen Krise. All der Schmerz, den ich die letzten Monate eingesteckt, jedoch nie wahrgenommen hatte, kam plötzlich ins Fühlen: Mein Körper fing an zu brennen und krampfen und es gab keine schmerzfreie Stelle mehr an mir. All das, was Sie einige Absätze zuvor bereits an Erkenntnissen und Reflexionen von mir zum Thema gelesen haben, brach nun, jetzt erst, als riesige Welle aus Leid und Schmerz, aus Fühlen und Verstehen, aus Erinnern und Erkennen aus mir hervor.

Ohne die schamanische Arbeit und das durch diese inzwischen erarbeitete Körperbewusstsein hätte ich mich an diesem Punkt wohl erneut selbst verloren und wäre entweder, wie so viele andere vor mir, womöglich für Jahre oder Jahrzehnte in einer Missbrauchsbeziehung gelandet oder aber hätte mich innerhalb der nächsten Tage suizidiert.

Da mein Körper jedoch schrie und mir unmissverständlich zu verstehen gab, dass auch seelische Gewalt reale Gewalt war, Gewalt, die so starke Schmerzen verursachte, dass sie töten konnte, beendete ich die Beziehung. In einer Situation, in der ich inzwischen vollkommen handlungsunfähig, weil suizidal war, keinen Wohnsitz und keine Heimat mehr und nur noch ein Stück Handgepäck bei mir hatte und jedwede Zukunftspläne mit meiner Liebsten zu tun hatten. In einer Situation, in der ich nicht einmal mehr wusste, wie ich den nächsten Tag überstehen sollte. Geschweige denn, wie und wohin ich aus der Asche dessen, was sich nun noch „mein Leben“ nannte, jemals wieder hätte hervorkriechen sollen.

Die Reaktion meiner Liebsten fiel dann auch erwartbar aus. Gewünscht hätte ich mir so etwas wie: „Oh, Gott, was habe ich Dir angetan? Nimm Dir Zeit, kümmere Dich um Dich, besorg Dir Hilfe, und wenn Du willst, bin ich heute Abend bei Dir. Das hätte nicht geschehen dürfen und wird nie wieder vorkommen. Bitte, verzeih mir, es tut mir so leid, ich kümmere mich!“. Also wirklichen, echten Kontakt. Mit Übernahme von Verantwortung.

Stattdessen reagierte sie auf meinen vollständigen Zusammenbruch, den Hinweis auf ihre Täterstruktur sowie die schwerste Retraumatisierung meines Lebens ohne jedes Bedauern und Mitgefühl. Reagierte, indem es erneut ausschließlich um sie ging und sie in dieser, meiner Lage über sich und ihre Nöte sprechen wollte, mich erneut vollkommen überging und auch alle meine Grenzen, die ich ab hier zu errichten suchte, niederzutrampeln versuchte. Empathieloses Ausnutzen selbst bis in den Tod.

Ich wies ihre Bedürfnisse zurück. Würde ich mich jetzt weiterhin um sie statt mich kümmern, wäre ich in wenigen Tagen tot. Ich teilte ihr mit, dass ich für mindestens drei Monate keinerlei Kontakt mehr mit ihr wünschte: suizidale Krise, Schmerzen, Flashbacks, Retraumatisierung, alles Alte kam hoch — durch die Wiederholung des Missbrauchs meiner Kindheit durch sie sei ich auf absehbar in Lebensgefahr und bräuchte eine Mauer und Grenze zwischen uns.

Ihre „Antwort“ hierauf erreichte mich einige Tage später: Über gemeinsame Bekannte ließ sie mir ausrichten, ob ich ihr nicht vielleicht noch mehr Geld geben könnte, es sei gerade knapp bei ihr. Da ich ihr innerhalb des halben Jahres, das wir zusammen verbracht hatten, einen fünfstelligen Betrag und damit einen beträchtlichen Teil meiner Ersparnisse hatte zukommen lassen, damit sie sich entschulden und wieder auf die Beine kommen konnte, verweigerte ich jede weitere Solidarität.

Meine letzte Hoffnung, vielleicht doch noch einen Funken Mitgefühl zu erheischen, starb, als mir, wieder über Bekannte, einige Tage später sinngemäß ausgerichtet wurde: „Sie ist so schwer verletzt durch Deine lieblose Trennung, dass Sie Dich bittet, Dich niemals wieder bei ihr zu melden. Du hast ihr großen Schmerz zugefügt, indem Du den Kontakt abgebrochen hast. Sie möchte sich gern schützen und ist der Meinung, dass für alle dasselbe Recht gelten muss. Sie bittet Dich, das zu respektieren“. Erneut also, als letztes, in Stein gemeißeltes Wort unter unsere Liebe: die maximale Täter-Opfer-Umkehr.

Ich verbrachte einige hilflose, schmerzerfüllte Tage in dem Hotel, in dem ich auch zusammengebrochen war. Hatte Flashbacks und Ängste. Bewegte mich wenig, konnte kaum etwas tun.

Die gesamte Kindheit und ihre Grausamkeiten kamen nun zum ersten Mal in meinem Leben überhaupt ins Erinnern und Fühlen: Von Geburt an hatte ich die ersten 16 Jahre meines Lebens vor der verschlossenen Tür der Seele meiner Mutter gestanden und um Einlass gefleht.

Doch weder öffnete meine bedingungslose Kinderliebe je diese Tür, noch tat sie selbst es, von innen heraus. Es war kalt, es war lieblos, ich erfror und verhungerte zugleich. Hilflos, wehrlos, bedürftig, so klein. Keiner mehr zu Hause. Keine Liebe mehr da. Nur gigantische Mauern aus Abwehr und Angst. Mauern aus Trauma. Und die einzige Spiegelung, die sie mir je schenkte, war jene, dass ich der hassenswerte, zu vernichtende Täter ihrer Kindheit sei.

Die folgenden Tage überlebte ich vor allem dank meiner Freundin Marlene, die täglich mehrere Stunden am Telefon für mich da war. Und mir half, all die verwirrenden Zustände, Gedanken, Eindrücke, Erinnerungen zu sortieren. Zu verstehen, dass ich mit meiner Partnerin gerade meine Kindheit wiedererlebt hatte. Dass sowohl das einstige wie auch heutige Verhalten meiner Bezugspersonen grausam und inakzeptabel waren. Dass ich es verdient hatte, mit Respekt behandelt zu werden. Und unschuldig war.

Verlorene Welten

Mit letzter Kraft rettete ich mich in einem kleinen buddhistischen Tempel nach Sri Lanka. Ich hatte keine Heimat mehr. Nach der harten Trennung bestand mein Besitz weitgehend noch aus dem Koffer, den ich bei mir trug. Und ich war in einer unsäglichen Lage, die ich als vollkommen aussichtslos empfand: innerlich kollabiert, Schmerzen, Verwirrung, Selbsthass, Schuld und Scham — und, erneut: weitgehende Handlungsunfähigkeit.

Die Zustände, die ich ab jetzt durchlebte, waren unmenschlich. Zumindest in dem Sinne, dass ich auch meinem ärgsten Feind solches Leid nicht an den Hals wünschen mag. Und es dauerte viele, viele Wochen, bis ich damit aufhören konnte, innerlich Atombomben in Richtung meiner höheren Macht, dem Universum, zu werfen, und auch nur einen winzigen Hoffnungssplitter in mir selbst wiederfand. Bis ich zu verstehen begann, dass das, was ich erlebt hatte, genau das war, was ich mir gewünscht hatte. Dass das Universum unschuldig war.

Ich hatte „Heilung um jeden Preis“ bestellt und „Einmal Hölle und zurück“ erhalten. Ein Ticket, auf dessen Rückseite in Schreibschrift geschrieben stand: „Damit Du Dich endlich erinnerst und wieder fühlen kannst“. Und darunter, deutlich krakeliger, in anderer Schrift: „Denn wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“.

Die nächsten Monate verbrachte ich mit einem buddhistischen Mönch, der mein Freund werden sollte, und schwankte täglich zwischen Erstarrung, Dissoziation und Hilflosigkeit sowie unkontrollierbaren Weinkrämpfen, die meinen gesamten Körper ergriffen und durchschüttelten, hin und her. Am Anfang benötigte ich Berührung. Dass mein neuer Freund seine Hand auf meinen Rücken oder meine Brust legte. Oder meine Hand in seiner hielt. Dann, so schien es, fühlte sich mein Körper sicher genug, die Starre aufzugeben und lebenslang aufgestaute Gefühle freizugeben.

Mit der Zeit wurde mir klar, dass ich nicht nur zeitlebens niemals stolz auf mich oder zufrieden mit mir hatte sein können, sondern mich auch nicht erinnern konnte, jemals aus tiefstem Herzen getrauert, geweint zu haben. Stattdessen war ich bei jedem Schicksalsschlag innerlich mehr und immer mehr erstarrt und in schlimmen Fällen in sogenannte Depressionen versunken. Das hier, das nun war anders: Die Energie dieser Retraumatisierung blieb nicht mehr in meinem Kopf, staute sich nicht weiter zu Selbsthass sowie dem Wunsch nach dem Ende meiner Existenz. Nein, sie entlud sich körperlich wie emotional, so man ihr denn die Chance hierzu gab.

Drei Monate währten die Tränen. Tränen, die den gesamten Körper ergriffen, schüttelten, plagten. Drei Monate, in denen ich oft kaum in der Lage war, mein Quartier zu verlassen. Drei Monate, in denen mein Körper mehr und mehr Gefühle freizugeben begann, die ich niemals in meinem Leben wirklich zu fühlen vermocht hatte: unendliche Trauer, tödliche Angst und machtvolle, schützende, lebensbejahende Wut.

Dabei, das nun aufbrechende Leid zu ertragen, half mir vor allem etwas, das ich so noch gar nicht kannte und das vielleicht am ehesten als „Glaube“ zu beschreiben ist: eine winzige Flamme, ein Leuchten, ein Licht in mir, noch kaum vorhanden und fast unmöglich überhaupt wahrnehmbar. Eine hintergründige, kaum fassbare, nicht greifbare Ahnung davon, dass auch am Ende aller Tage, im eigenen Tod, noch Geburt möglich sei. Ja, dass vielleicht, mit einer Chance von eins zu einer Milliarde, jene Kraft, die ich während der schamanischen Arbeiten so unendlich machtvoll im eigenen Körper erfahren durfte, erneut ihre schützende Hand über mich halten und mich, auf welche Art und Weise auch immer, erlösen könnte — vielleicht, ja vielleicht, gerade durch diese Qual:

„Ohne Anstrengung und ohne Bereitschaft, Schmerz und Angst zu durchleben, kann niemand wachsen.“
Erich Fromm

„Der einzige Schmerz, der vermieden werden kann, ist der Schmerz, der entsteht, wenn unvermeidlicher Schmerz vermieden wird.“
Ronald David Laing

„Ein griechischer Dramatiker schrieb einmal, die Götter haben uns Menschen geschaffen, damit wir in die Wahrheit hinein leiden. Unsere Aufgabe als menschliche Wesen ist es, aus unserem Leiden zu lernen und daran zu wachsen.“
Gabor Maté

„Zeige deine Wunde und ich zeige dir die meine. Male deine Bilder mit meinen Tränen und ich male meine mit den deinen. Und die tiefen Farben werden die Kraft zeigen, die uns unsere Leiden geben. Denn wem die Angst nicht in der Brust sitzt, war immer tot — war nie am Leben.“
Joseph Beuys

„Es ist ein dynamischer, sich entwickelnder Prozess der Konfrontation mit der Wahrheit, in dem Lösungen entstehen werden. Ein Trauma geht mit einem lebenslangen Unterdrücken einher, mit einem enormen Aufwand an Energie, um den Schmerz nicht zu spüren. Während wir heilen, wird diese Energie für das Leben und unsere Präsenz in der Gegenwart frei. So kann die Energie des Traumas in Lebensenergie umgewandelt werden.“
Gabor Maté

„Wie sollten wir jener alten Mythen vergessen können, die am Anfange aller Völker stehen, der Mythen von den Drachen, die sich im äußersten Augenblick in Prinzessinnen verwandeln; vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten, uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im tiefsten Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will.“
Rainer Maria Rilke

Kosmischer Sinn

Ich las viel im Internet, recherchierte zu emotionalem Missbrauch, toxischen Beziehungen, dem sogenannten toxischen Kreislauf, verdecktem Narzissmus, Borderline. Und erfuhr, dass emotionaler Missbrauch in Partnerschaften gesunde Menschen krank machen und sensible in den Suizid treiben kann.

Ich verstand, dass ich ab Geburt aus meinem Körper vertrieben und meinem wahren Wesen entfremdet worden war. Dass meine Individualität und Autonomie, mein Wachstum, meine Kraft und Lebendigkeit derart unterdrückt worden waren, dass dies einer Vernichtung gleichkam, einem Seelenmord. Dass ich, niemals wirklich „geboren“, lebenslang in der Symbiose mit meiner Mutter, der Täterin an mir, gefangen gewesen war. Eingesperrt in einem tiefen, steinernen Verließ, dessen Mauern aus vernichtendem Hass mich in Ketten aus Todesangst gelegt und hierdurch zu einem „Leben in einer fremden Identität“ gezwungen hatten. Vollkommen empfindungs- und gefühllos für mich, die eigenen Bedürfnisse und eigene Not — doch die Gefühle und Wünsche anderer wahrnehmend und daher der perfekte, gebrochene, wunderbar benutz- und ausbeutbare Liebesautomat:

„Hass ist es, was das Kind beim Geliebtwerden von einem Erwachsenen traumatisch überrascht und erschreckt und es aus einem spontan und harmlos spielenden Wesen zu einem den Erwachsenen ängstlich, sozusagen selbstvergessen imitierenden, schuldbewussten Liebesautomaten umgestaltet.“

„Die Angst vor den hemmungslosen, also verrückten Erwachsenen macht das Kind sozusagen zum Psychiater, und um das zu werden, und um sich vor den Gefahren seitens Personen ohne Selbstkontrolle zu schützen, muss es sich mit ihnen zunächst vollkommen zu identifizieren wissen.“

„Das gesteigerte, aus der Angst geborene Einfühlungsvermögen macht den traumatisierten Patienten (...) geradezu zum Lehrmeister seines Therapeuten (…). In seinem Klinischen Tagebuch von 1932 (…) vermerkt (Sándor) Ferenczi darüber hinaus den mit der Introjektion des Bösen gleichzeitig ablaufenden Prozess der Beraubung des Guten durch den Aggressor, der zu einem Zustand des Lebendig-Tot-Seins aufseiten des Opfers führe.“

Ich verstand, warum all die Therapien meines Lebens nie wirkliche Veränderung einzuleiten vermocht hatten, übersahen sie doch stets die Tiefe der Not und dokterten beständig nur an Symptomen herum. Verstand, dass es das Unbewusste im Sinne einer metaphysisch-psychischen Metapher gar nicht gab, sondern unser Körper alles Verdrängte für uns aufnahm, erinnerte und trug. Und verstand, dass meine ehemalige Liebste in einer noch tieferen Hölle als ich selbst verloren gegangen war.

Denn während meine Seele mittels totaler Selbstaufgabe sowie der vollständigen Identifikation mit Aggressor immerhin noch einen winzigen, vergifteten Funken an Bindung und Sicherheit herzustellen und hierdurch Empathie, wenngleich auch toxische, zu lernen vermocht hatte, hatte ihre zu alledem niemals eine Chance. Nicht nur einem, sondern zwei Tätern ausgeliefert, umgeben von zahlreichen Geschwistern, und gefangen in einem System nicht nur unkontrollierbarer seelischer, sondern zudem auch beständiger körperlicher Gewalt, hatte sie nicht nur niemals Liebe und Mitgefühl erfahren, sondern auch niemals Empathie zu lernen vermocht.

Dies war die tiefere Dynamik unseres Beziehungsdramas gewesen: ein strukturell dissoziiertes und daher der eigenen Reflexion und Steuerung nicht zugängliches, ein täterimitierendes Innenkind auf ihrer Seite, noch in Traumazeit gefangen und niemals erlöst, ein Innenkind, für das das Zulassen wirklicher Nähe einst zu sofortiger seelischer Vernichtung geführt hätte, hatte, wie früher bei seinen Tätern, an meinen tiefsten Verletzungen angedockt und mich, aus eigener Todesangst heraus, zu kontrollieren und unterwerfen versucht; mich gedemütigt, erniedrigt, entwertet und bekämpft, um nicht unterlegen, nicht erneut schutzlos, um niemals wieder hilflos und ausgeliefert zu sein. Und war hierbei auf ein täterloyales, vollkommen unterworfenes, jeder vitalen Selbstschutzreaktion beraubtes, für seelische Gewalt blindes, hilfloses sowie vollständig verstummtes Innenkind auf meiner Seite gestoßen, das nun erneut die Waffe seiner Täterin auf sich gerichtet sah: blinden, aus Todesangst geborenen Hass, der seine Vernichtung betrieb.

So hatte es niemals zu funktionieren vermocht. Und ja, all die klugen Bücher und Ratgeber hatten recht. Denn vollkommen egal, was ich getan oder nicht getan hätte, der Krieg, den sie in unsere Beziehung getragen hatte, konnte keine Gewinner, sondern nur Opfer hervorbringen. Selbst, hätte ich mit mehr Wut, Selbstbehauptung und Aggressionen auf ihre Demütigungen und Entwertungen reagiert — im besten Falle wären wir in einer Heiß-Kalt-On-Off-Hass-Liebe-Gewalt-Beziehung voller Nebel und unbewusster Machtspiele gelandet, in der wirkliche Nähe niemals möglich gewesen wäre, weil diese ihrerseits niemals zur Debatte stand.

Ich hätte mein Trauma mit ihr wiederholt und wäre erneut vor verschlossener Türe erfroren und verhungert: nicht gesehen, nicht gemeint, nicht geliebt. Und auch sie hätte ihr Trauma mit mir wiederholt, denn selbst ich, nach Jahren weiterer Demütigungen, Erniedrigungen, Entwertungen — eines Tages hätte ich sie gehasst und sie dies auch spüren lassen; dann wären auch meine Türe verschlossen gewesen und sie verhungerte und erfröre vor ihr; nicht mehr gesehen, nicht mehr gemeint, nicht mehr geliebt.

Ach, Liebste, wie gern wäre ich mit Dir weitergegangen, um gemeinsam zu wachsen und heilen. Doch solange auch nur einer von uns glaubt, dass das, was unsere Täter von uns übrig ließen, dieses zerstückelte, gebrochene, verängstigte Selbst, wirklich sein wahres Wesen sei; solange auch nur einer von uns insgeheim glaubt, dass das, was uns angetan wurde, durch irgendetwas auf der Welt zu rechtfertigen gewesen wäre, dass er schuld hieran und also verantwortlich hierfür gewesen sei; solange auch nur einer von uns glaubt, dass das, was sie uns antaten, schon „irgendwie Liebe“ war, solange hat wirkliche Liebe niemals eine Chance und bleibt, um es mit Gisela Bergmann-Mausfeld zu sagen, „die Hoffnung (…) auf eine ‚bessere‘ Erfahrung, deren bewusste Wahrnehmung uns (…) (die Heilung) erleichtern könnte, hinter der Abwehr tief verborgen“, von wo aus sie jedoch kaum je ins Leben gelangt.

Wirkliche Identität

Es dauerte Wochen, in denen ich unsere Trennung, die dem endgültigen Zerschlagen jener Ketten, die mich an meine Mutter gebunden hatten, entsprach; Wochen, die ich den Verlust unserer anfänglich so tiefen Liebe, welcher der Einsicht, von der eigenen Mutter niemals geliebt worden zu sein, entsprach; Wochen, die ich um ihr Schicksal trauerte und weinte, bis mein Mitgefühl schließlich, in winzigen Schritten, zu mir selbst zurückfand. Bis ich um mein Schicksal und all die Verluste meines Lebens zu trauern begann.

Und während die Energie in meinem Torso, das durch die schamanische Arbeit erstmals wahrnehmbare Körpergefühl, sich bis zu diesem Zeitpunkt nur dadurch gezeigt hatte, dass ich im Alltag hier und dort einmal Wärme, Druck, Anspannung oder Schmerz verspürte, immer wieder an verschiedenen, unvorhersehbaren Orten im Körper der energetische Blitz eingeschlagen war, um Fragmente einer unbekannten Gesamtstruktur zum Leben zu erwecken, veränderte sich dieses Erleben nun mit der Zeit.

Zuerst einmal sagte mein Freund, der buddhistische Mönch, zu mir: „Das ist nicht nur Trauer, was Du da erlebst, das ist Verzweiflung, glaube ich, Trauer in ihrer stärksten Form“. Alles in mir nickte. Er hatte recht. So also fühlte sich Verzweiflung an. Nachdem mein Empfinden nun einen Namen bekommen hatte, was meine wirkliche Hingabe an es überhaupt erst ermöglichte, vergingen weitere Wochen und dann veränderte sich das Bild: Die Lebensenergie begann in Rücken und Bauch ein geschlossenes Muster zu bilden, die Fragmente vereinten sich zu einer geschlossenen Gestalt, und mein Körper hatte gelernt, was zu tun war, um Verzweiflung auszudrücken, Trauer in ihrer stärksten Form.

Darüber hinaus kam es gelegentlich vor, dass mein Körper, während ich stand oder saß, plötzlich Empfindungen von Todesangst freigab und entlud. Einmal, ich saß im Garten in der Sonne, fingen plötzlich alle Zellen in meinen Oberschenkeln und meiner Bauchdecke an, zu schreien: „Angst, Angst, Angst, LAUF!“. Ganz real: Todesangst, im Körper, in Zellen, die jenseits von Rationalität und Vernunft, vermittelt über meine Körperempfindungen nun schrien: „GLEICH bist Du tot!“.

Und dann gab es da auch noch die Wut. Ein Gefühl, das ich gar nicht kannte, hatte ich zeitlebens in größter Bedrängnis doch maximal hysterisch zu werden vermocht. Die Wut, die nun zu mir, in meine Seele und meinen Körper zurückkehrte und unmittelbar mein Leben zu verändern begann. Die Wut, die mir, zum ersten Mal überhaupt, seelische Grenzen und damit auch ein Erleben eigener Identität, weil Antwort auf die Frage nach dem „Wer bin ich?“ zu schenken begann. Ich wurde … wütend!

Toxisches Feld

Das geschah, indem ich in Telefonaten mit Bekannten, in dienstlichen sozialen Interaktionen, plötzlich zu fühlen begann, wo die Realität verbogen, wo ich gegaslighted wurde. Wo meine Würde mit Füßen getreten, ich manipuliert und kontrolliert werden sollte. Wo andere versuchten, mir meine Wahrnehmung und emotionale Realität abzusprechen. Versuchten, meine Kraft, Stärke und gesunde Selbstbehauptung zu unterminieren, indem sie in meinen seelischen Raum hineingriffen und mich dem zu machen versuchten, was ihre Angst brauchte, um ihre Abwehr stabil halten zu können. Um bloß niemals fühlend und vollumfänglich in wirklichem Kontakt miteinander und damit auch sich selber zu sein.

Plötzlich erlebte ich, wie sehr Jeannette Fischer recht gehabt hatte, als sie mir einmal erklärt hatte, dass Hass es war, der unterschwellig so viele zwischenmenschliche Interaktionen bestimme; Hass, der, verborgen hinter so vielen freundlichen Fassaden, viele Menschen in ihrem vermeintlichen Gutmenschentum, in vordergründiger Freundlichkeit, de facto jedoch verinnerlichter Unterwerfung unter ihre Täter von einst, gefangen hielt. Und dass dieser Hass aus ihnen hervorbrach, wenn man damit aufhörte, ihnen von Fassade zu Fassade zu begegnen, sich nicht mehr auf der Ebene „Opfer zu Opfer“ mit ihnen verbands, sondern sich seiner eigenen Stärke bemächtigte und zu sagen begann, was man dachte, zu leben, was man fühlte, und sich weigerte, sich weiterhin selbst aufzugeben. Weigerte, sich selbst zu beschränken und zu verstümmeln, seiner eigenen Wahrheit und Authentizität zu berauben. Weigerte, klein, hilflos und machtlos zu bleiben, nur, um die Projektionen und Übertragungen Dritter stabil und hierdurch Dynamiken aufrechtzuerhalten, in denen man als wirklicher, ganzer Mensch gar nicht gesehen wurde, niemals willkommen war.

So kollabierte während meiner Zeit in Sri Lanka mein gesamtes soziales Umfeld — über viele Bekanntschaften bis weit hinein in den Kreis der wenigen, die ich noch Freunde nannte. Nachdem ich begonnen hatte, mich selbst wieder zu fühlen und verarbeiten, was ich erlebt hatte, war ich zu einem Seismographen für emotionalen Missbrauch und seelische Gewalt geworden. Für jene Mischung aus Hass und Angst, die als Freundlichkeit daherkam, sich jedoch aus alten, unbewussten Ohnmachtserfahrungen speiste und uns in unseren Beziehungsinteraktionen somit beständig wechselseitig in Ketten legen und klein machen ließ.

Ein Verhalten, das, sobald ich es wieder einmal erlebte, ihm erneut zu begegnen gezwungen war, nun unmittelbar Schmerzen in meinem Körper und meiner Seele hervorrief und Kraft mobilisierte. Kraft, die ein ums andere Mal ihren Ausdruck darin fand, dass ich begann, zu sagen: „Stopp, es reicht, so nicht, so lasse ich mich nicht mehr behandeln, das lasse ich nicht mehr zu!“, „Nein, das sehe ich anders, fang endlich an, Verantwortung für Dein Verhalten zu übernehmen, sonst wird das nichts mit Deinem und unserem Buch; es sind nicht immer nur alle anderen schuld, auch Du bist mitverantwortlich für die Misere, in der wir nun sind!“ oder „So ein Mist darf niemals wieder geschehen, das beschädigt die Unternehmung und uns alle mit ihr!“.

Nicht immer, jedoch doch sehr oft bestand die Reaktion auf meine nun beginnende Eigendrehung und Individuation schlicht daraus, dass ich erneut gegaslighted wurde: Nichts, gar nichts, hatte der andere falsch gemacht — alles, wirklich alles, war „gar kein Problem“ oder grundsätzlich nur meine „eigene Schuld“. Wut und Kraft waren durch nichts zu rechtfertigen. Ganz im Gegenteil: Sie stellten, so wurde mir gespiegelt, einen Verstoß gegen die Etikette, einen unverzeihbaren Angriff und eine Beleidigung dar.

Eine wirkliche, echte Begegnung, die auch Kraft und Stärke beinhaltete, war nicht gewünscht — so viel verdrängte Wut, so viel verdrängter Hass hielten die anderen in ihrer Opferrolle gefangen, die sie zwang, nun das auf mich zu projizieren, was eigentlich den Übermächtigen, den Tätern ihrer Kindheit galt:

„Opfer-Täter-Dynamiken sind das, was als Verstrickung bekannt ist. Es bedeutet, dass wir nicht bei uns selbst sind und dementsprechend nicht unser eigenes Leben leben. Wir sind mit unserer Aufmerksamkeit nicht wirklich bei uns, sondern immer zu einem gewissen Teil bei dem Täter oder Stellvertretern für den Täter.“

Es half, was ich bei Christian Hemschemeier hörte und bei Turid Müller las: Viele andere vor mir, die sich aus Missbrauchsbeziehungen befreit und dank der Aufarbeitung derselben wieder fühlend geworden waren, hatten dieselbe Erfahrung gemacht wie ich. Fanden sich, als sie aus ihrer ganz persönlichen Verdrängung erwachten, in einer selbst erbauten Matrix wieder, in der auch weite Teile ihres Freundes- und Bekanntenkreises insofern „toxisch“ waren, als dass ihre sogenannte Liebe dort umgehend endete, wo man nicht mehr bereitwillig und einzig als Objekt der bedingungslosen Bestätigung ihres Selbstwertes zur Verfügung stand, die symbiotische Verstrickung also in Richtung authentischer Beziehungspraxen verließ:

„Wenn wir co-abhängig sind, leben wir nicht in Beziehungen, sondern in Verstrickungen. (…) Zwei Parteien sind verstrickt, wenn sie so miteinander verknüpft sind, dass beider Freiheit eingeschränkt ist. Genau das bedeutet Co-Abhängigkeit. Außerdem ist sie eine unbewusste Verschwörung zwischen zwei oder mehr Menschen, sich schlecht zu fühlen und die Möglichkeiten des oder der anderen einzuschränken. Der Vertrag lautet: Wenn ich Dir erlaube, durch das Leben zu schlafwandeln, dann weckst Du mich auch nicht auf. Wenn ich einwillige, nicht zu wachsen, dann wächst Du auch nicht. Wenn ich nicht darauf bestehe, dass Du Deine schlechten Angewohnheiten änderst, dann verlässt Du mich nicht und bringst mich auch nicht dazu, meine eigenen schlechten Angewohnheiten zu hinterfragen. Ganz egal, wie diese Abmachungen aussehen, sie funktionieren nie: In einer Verstrickung ist noch nie jemand wirklich glücklich, wach und lebendig geworden.“
Gay und Kathlyn Hendricks

„Je mehr sich jemand aus symbiotisch verstrickten Beziehungen befreien kann, je mehr er versteht, dass dauerhaft gute Beziehungen mit traumatisierten Menschen, die nicht an sich arbeiten, nicht möglich sind, desto mehr wächst in ihm das Bedürfnis nach gesunden Beziehungen.“
Franz Ruppert

Ich lernte, emotionale Übergriffe, etwa durch eine befreundete Therapeutin, die auch nach mehrfacher Aufforderung ihr missbräuchliches Verhalten nicht in der Lage war einzustellen, zurückzuweisen, und, so sehr es mich auch ängstigte, mehr und mehr dem zu vertrauen, was offenbar einmal ich hätte werden sollen, nun jedoch erst in der Mitte meiner Vierziger überhaupt zur Geburt gekommen war: meinen eigenen spontanen Regungen, Impulsen, Affekten. Meinen nun vorhandenen, neuen Grenzen sowie meiner diese verteidigenden und schützenden, die eigene Existenz bejahenden Wut.

Am Ende blieben noch genau drei gute Freunde. Freunde, bei denen ich wirklich ich sein konnte und nicht Gefahr lief, beschämt, angegriffen, mit Liebesentzug bestraft oder Schuldgefühlen erpresst und manipuliert zu werden, wenn ich zeigte und offenbarte, was in mir nun lebendig geworden und wer ich wirklich war. Drei Freunde und einige wenige Bekannte. Sowie die Kolleginnen und Kollegen vom Rubikon. Doch, wie sehr hatte ich mir hier selbst etwas vorgemacht: Freunde waren die wenigsten von ihnen.

Dieses Aufwachen in der Realität, Aufwachen aus einem lebenslangen, körper- wie identitätslosen Traum, das nun zu derart vielen Verlusten führte und wohl auch führen musste, war, bitte entschuldigen Sie mein Pathos, sicher ähnlich schmerzhaft wie es für Neo im Film „Matrix“ nach der Einnahme der berüchtigten roten Pille gewesen war. Denn nun starb ich den „Ego-Tod“ und fiel alles von mir ab, das nur Illusion, das nicht ich und nie heilsam gewesen war.

Zurück blieb ein Häufchen Elend, das nach wie vor weinte, dessen Körper gelegentlich von Todesangst geflutet wurde — und das nun die Entscheidung getroffen hatte, lieber zu sterben, als weiterhin darauf zu verzichten, sich selbst zu leben. Denn das, das konnte der Weg ganz sicher nicht sein:

„Wenn eine Blume nicht gedeiht, ändern wir das Umfeld. Wenn wir in unseren engen Beziehungen nicht aufblühen können, sollten wir sie neu definieren. (…) Du musst vor weiterer Misshandlung sicher sein, sonst schadet es Dir, Deinen dissoziativen Schutz abzubauen: Du brauchst ihn noch.“
Theresa Dutcher

„Wer nur die Hälfte liebt, der liebt dich nicht halb, sondern gar nicht. Der will dich zurechtschneiden, amputieren, verstümmeln.“
Erich Fried

„Wir dürfen nicht zulassen, dass uns die begrenzte Wahrnehmung anderer Menschen definiert.“
Virginia Satir

„Freilich kann jemand auch viele Rollen spielen und subjektiv überzeugt sein, in jeder dieser Rollen ‚er‘ zu sein. Tatsächlich aber ist er in allen diesen Rollen das, wovon er glaubt, dass man es von ihm erwartet, und bei vielen Menschen, wenn nicht gar bei den meisten, wird das ursprüngliche Selbst vom Pseudo-Selbst völlig erstickt. Manchmal kommt in einem Traum, in Phantasien oder wenn der Betreffende betrunken ist, etwas von dem ursprünglichen Selbst zum Vorschein — Gefühle und Gedanken, die er jahrelang nicht mehr gehabt hat. Oft handelt es sich um schlimme Dinge, die er verdrängte, weil er Angst davor hatte oder sich ihrer schämte. Manchmal handelt es sich aber auch um das Beste in ihm, das er verdrängt hat, aus Angst, man würde ihn auslachen oder angreifen. Der Verlust des Selbst und sein Ersatz durch ein Pseudo-Selbst erzeugt im Menschen einen Zustand intensiver Unsicherheit. Er ist von Zweifeln besessen, weil er gewissermaßen seine Identität verloren hat, weil er im Wesentlichen ein Spiegelbild dessen ist, was andere von ihm erwarten. Um die aus diesem Identitätsverlust entspringende Panik zu überwinden, muss er sich anpassen und seine Identität in der ständigen Billigung und Anerkennung durch andere suchen. Wenn er selbst nicht weiß, wer er ist, werden es vielleicht die anderen wissen, sofern er sich nur ihren Erwartungen entsprechend verhält. Wenn sie es wissen, wird auch er es wissen, wenn er ihnen nur Glauben schenkt.“
Erich Fromm

„Es ist Zeit, aufzuhören, diese Rolle zu spielen, Zeit, dein eigenes Manuskript zu schreiben. Opfer von emotionaler Misshandlung tragen das Heilmittel selbst in ihren Herzen und Seelen. Rettung heißt Selbst-Respekt lernen, den Respekt anderer verdienen und diesen Respekt zu dem absolut unreduzierbaren erforderlichen Minimum für alle intimen Beziehungen zu machen.“
Andrew Vachss

„Ich übernehme die Verantwortung für mich selbst. Ich stehe auf meiner Seite. Ich bin gut genug. Ich weigere mich, mich abzuwerten. Ich kehre meine Scham wieder in Vorwurf und Abscheu um und richte sie gegen jeden, der meine normalen Gefühle und Eigenheiten herabsetzt. (…) (Ich) (…) weigere (…) mich, mich für normale emotionale Reaktionen wie Wut, Traurigkeit, Angst oder Niedergeschlagenheit zu schämen.“
Pete Walker

„Es kann sehr ernüchternd sein zu sehen, wie sehr das, was man bislang für seine eigene Persönlichkeit gehalten hat, in weiten Teilen ein Konglomerat übernommener Traumata und Überlebensstrategien darstellt. Dies führt zu einer großen Verunsicherung und zu einer vorübergehenden Identitätskrise. Dieser Prozess ist ein notwendiges Durchgangsstadium für das Ausbilden gesunder, eigener Ich-Strukturen, weil erst das Alte aufgegeben werden muss, damit es Neuem Platz macht.“
Franz Ruppert

„Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind. Unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, was uns am meisten Angst macht. Wir fragen uns, wer bin ich, mich brillant, großartig, talentiert, fantastisch zu nennen? Aber wer bist Du, Dich nicht so zu nennen? Du bist ein Kind Gottes. Dich selbst klein zu halten, dient nicht der Welt. Es ist nichts Erleuchtetes daran, sich so klein zu machen, dass andere um Dich herum sich nicht unsicher fühlen. Wir sind alle dazu bestimmt, zu leuchten wie Kinder es tun. Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes, der in uns ist, zu manifestieren. Er ist nicht nur in einigen von uns, er ist in jedem einzelnen. Und wenn wir unser eigenes Licht erstrahlen lassen, geben wir damit anderen die Erlaubnis, dasselbe zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind, befreit unsere Gegenwart automatisch andere.“
Marianne Williamson

Anfang November war dann die Zeit gekommen, um von Sri Lanka und meinem neuen Freund Abschied zu nehmen. Noch immer war ich im Schmerz, noch immer flossen die Tränen, brach sich alte, nie gefühlte Verzweiflung bahn; noch immer fanden gelegentlich Angst und immer häufiger auch Wut, mein einst verloren gegangener Lebenswille, meine eigene Kraft ihren Weg in meinem Körper und meine Seele zurück. Doch ich wollte nicht in Sri Lanka leben; hier gab es keine Perspektive für mich.

Ein bedeutender Wahrsager des Landes hatte mir vor meiner Abreise aus der Hand gelesen und gesagt: „Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, Du wirst beschützt. So eine Lebenslinie habe ich selten gesehen. Egal, was Du tust, eine höhere Macht hält ihre schützende Hand über Dich und gibt auf Dich acht. Wenn Du auf der Titanic bist und diese schließlich sinkt: Du bist derjenige, der überlebt, das versichere ich Dir. Und Du wirst mit zunehmendem Alter immer stärker und glücklicher werden, Dein Leben mehr und mehr genießen, das verspreche ich Dir.“

Und mein Freund, der Mönch, sagte mir zum Abschied: „Jens, Du bist einer der stärksten Menschen, die ich jemals getroffen habe. Und damit meine ich nicht, dass Du stark bist, weil Du so leidest. Damit meine ich, dass ich Kraft und Stärke und Mut in Dir sehe, die selten, sehr selten sind.“

Neue Heimat

Ich flog in die Schweiz und arbeitete einige Tage mit Willi Maurer im Tessin, der während unserer gemeinsamen Erfahrungen das Leid, das mir angetan wurde und das er real in meinem Körper spürte und am Wirken sah, wirklich würdigte, dann reiste ich nach Zürich weiter und bemühte mich um einen Neubeginn. Bemühte mich, von Neuem, ganz von vorn zu beginnen. Mich selbst, einen Koffer und drei wahrhaftige Freunde mit im Gepäck.

Eine kleine Eineinhalb-Zimmer-Wohnung wurde mein neues Zuhause. Der Winter kam. Wäre Trauma so banal, wie es in vielen Veröffentlichungen und Diskussionen zum Thema nahegelegt wird, wäre ich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem allerbesten Wege der Heilung gewesen. Wie in der Literatur beschrieben, hatte ich mich „von hinten nach vorne“ ins Leben zurückgearbeitet: erst in meinen Körper, raus aus der Erstarrung und Dissoziation, dann über den Kampf- und Fluchtreflex, die ich so gar nicht kannte, in ein potenziell selbstwirksames Leben zurück. Doch leider war Trauma so vieles mehr. Das erlebte ich nun, begann ich zu spüren, als ich mein neues Leben begann.

Die ersten Wochen waren getragen vom Bemühen um Perspektive und Struktur. Wie durch ein Wunder fand ich eine gute Traumatherapeutin und zusätzlich eine gute Körpertherapeutin. Meine Bleibe war schön, gemütlich und zentral gelegen. Alles mutete vielversprechend an, doch dann forderte meine Vergangenheit erneut ihren Tribut.

Nach zwei, drei Wochen in Zürich, nun wieder allein, keinen Freund, keinen Begleiter, keine Bindungsperson mehr in meiner Nähe, kamen die Ängste mit voller Wucht zurück; diesmal nicht im Körper, sondern als frei flottierende, mich überflutende Energie: Ich wachte morgens in Todesangst auf und brauchte Stunden, um wieder halbwegs zu mir zu kommen, mich zu beruhigen. Als diese nach einigen Wochen etwas abklangen, fingen die Alpträume an, wurden die Nächte kurz und immer kürzer: Alle ein, zwei Stunden wachte ich schweißgebadet aus James-Bond-Gewaltfantasien auf, hoch energetisiert, in einem vollkommen zerwühlten Bett.

Dank der Telefonate mit meinen Freunden und Gesprächen mit meiner Therapeutin vermochte ich es, auch hierzu Ja zu sagen, auch diese Entwicklungen als Schritte auf dem Weg der Heilung zu interpretieren: Ja, der Körper entlud mit der nun gezeigten Angst weiterhin Energie, ließ Altes los und damit gehen. Und meine Seele fing in der Nacht, in meinen Träumen, an, mich mit der Möglichkeit zu konfrontieren, dass ich mich gegen vernichtende Aggression auch wehren könnte, selbst aggressiv war.

Soweit, so gut. Doch Trauma bestand eben auch aus einer Beschädigung des Nervensystems: Seit nunmehr gut einem Jahr, seitdem mein Körper wieder zum Leben erwacht war, hatte ich Trigger und Flashbacks; etwas, das ich trotz schwerster Traumatisierung bis dato gar nicht kannte, niemals zuvor erlebt hatte. Komplexes Trauma bestand auch aus einer zerschlagenen eigenen und aufoktroyieren fremden, dienstbaren, ausbeutbaren Pseudo-Identität. Dauertrauma bestand auch aus vollkommener Bindungslosigkeit, tödlicher Einsamkeit und daher auch schweren Störungen des dopaminergen Systems: Wo Kinder nur bedroht, bestraft und gehasst, niemals jedoch gelobt, bestätigt und als das, was sie wirklich waren, was ihr Wesen ausmachte, anerkannt wurden, endeten sie als Erwachsene wie ich — mit einem so niedrigen Dopaminspiegel, dass derselbe kaum messbar war; allein kaum überhaupt in der Lage dazu, über eigenes Handeln Gefühle und Zustände von Zufriedenheit und Wohlbefinden zu generieren. Denn jener Ort, der ein „Das habe ich gut gemacht, erfreue mich meiner selbst, bin stolz auf mich und zufrieden mit mir“ entstehen lassen konnte, entstand eben nur, wenn die Erfahrung von Liebe und Wohlwollen und Anerkennung im Außen ihn schuf. Wenn aus der Bejahung des eigenen Wesens und der eigenen Existenz Selbstbejahung erwuchs.

Und langanhaltende, chronische Traumatisierung führte eben auch und vor allem zu einer realen Zersplitterung dessen, was einige Psyche nennen, ich jedoch Seele zu nennen begann. Zu einer „harten“ Fragmentierung, einer Aufspaltung in autonome, einander nicht zugängliche Subsysteme, die so viel mehr waren als die derzeit so beliebte psychische Metapher eines schlicht in Verdrängung befindlichen „inneren Kindes“, das wohl ein jeder von uns in sich trägt, auch nur erahnen ließ. Führte dazu, dass ich zwar eine starke und lebensfähige „Frontperson“ ausgebildet hatte, diese jedoch keinerlei Mitgefühl für sich selbst oder auch nur Zugang zu ihrem tieferen Erleben besaß. Denn dieses war einst so bedroht gewesen, dass es, zu verschiedenen Zeitpunkten des Lebens beziehungsweise Überlebens hinter unüberwindbare, undurchdringbare dicke Mauern hatte gesperrt werden müssen, dort jedoch weiterlebte und -litt, noch immer in der Vergangenheit gefangen und dem, was ich „Ich“ nannte, niemals zugänglich. Kein metaphorisches Innenkind also, dem man sich zuwenden und das man trösten konnte, sondern eine reale, eigenständige Entität, ein Nicht-Ich, zu Tode verängstigt, chronisch suizidal, in meinem System. Oder, und wahrscheinlicher, sogar mehrere hiervon.

Berichte über solche inneree Erlebniswelten hatte es gegeben, solange es die Menschheit gab. Doch Verständnis für sie hatte es selten gegeben; wirkliches Verständnis, ein Verständnis, das Liebe und Erkenntnis entspringt. Zuletzt wohl bei den Schamanen und Heilern der ursprünglichen Kulturen dieser Welt.

Das änderte sich erst durch die neuesten Erkenntnisse der Psychotraumatologie, änderte sich insbesondere durch die Arbeiten von Onno van der Hart, Ellert Nijenhuis und Kathy Steele, die mit ihrem Konzept der Strukturellen Dissoziation das wissenschaftlich fassbar machten, was zuvor, über die Jahrhunderte hinweg, einzig als „verlorene Seelenteile“ konzipiert worden war. Sie belegten, dass die menschliche Seele angesichts beständiger Vernichtungsgefahr dazu in der Lage war, sich in einander unzugängliche Subsysteme aufzuspalten, und beschrieben jenen Mechanismus, der dazu führte, dass etwa Opfer organisierter ritueller Gewalt in verschiedene Innen- sowie Frontpersonen zersplitterten, in diverse, einander unbekannte Teil-Persönlichkeiten zerfielen, um zumindest überleben zu können.

Mit ihren Erkenntnissen machten sie auch verständlich, warum jedwede hergebrachte Therapie der westlichen Zivilisation diesen Menschen, also Menschen wie mir, bisher niemals wirklich zu helfen vermocht hatte. Setzten sie alle doch a priori ein „Ich“ voraus, ein kohärentes Selbst, das zu adressieren und innerhalb dessen „Reparatur“ schon möglich sei, befähigte man die Klienten nur zu „Selbsterkenntnis“, „Verantwortungsübernahme“ und „Affektregulation“. Beruhten also auf einem therapeutischen Selbstverständnis und Menschenbild, das, nur rücksichtlos genug exekutiert, Schwersttraumatisierte nicht nur in größte Verzweiflung, sondern sogar den Suizid zu treiben vermochte, lautete die implizite Unterstellung doch stets: „Du könntest schon, wolltest Du nur!“. Was eben bei Menschen, die sich selbst nicht „haben“, sondern in Nicht-Ichs zerfallen sind, zu denen sie keinerlei Zugang und über die sie keinerlei Kontrolle besitzen, nicht der Fall ist, gar nicht der Fall sein kann.

Meines Wissens existieren inzwischen sogar hochreputierte Studien, die belegen, dass, gibt man einem derart zersplitterten Menschen Medikamente, während er in Teilperson A aktiv ist und lebt, diese sofort ihre Wirkung verlieren, wenn er in Teilperson B oder andere umswitcht. Dass also selbst Medikamente nur den jeweils aktiven Bewusstseinszustand zu adressieren und erreichen vermögen. Sodass wir hier eben nicht über die psychische Metapher einer Stefanie Stahl sprechen, sondern über eine greifbare, messbare, ja physische Realität. Eine Realität, die entsteht, wenn man, um unermessbares Leid zu überleben, in einander unverfügbare Teil-Ichs zerfällt.

Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich schreibe das nicht, um zu jammern oder klagen. Nein, ganz im Gegenteil. Denn auf meiner persönlichen Traumaskala von 1 bis 10 lande ich ob der über 16 Jahre andauernden massiven seelischen Gewalt, aufgrund ununterbrochenen narzisstischen Missbrauchs bei zugleich vollständiger Bindungslosigkeit und also gravierender emotionaler Vernachlässigung gerade einmal auf 6 bis 7. Das, was mich nun seit der Schweiz mehr und mehr in die Knie zwingt und weswegen ich mich selbst auf eine 7 bis 8 hochstufen würde, das sind die Vernachlässigungen und Quälereien aus meiner Säuglingszeit. Und dennoch bin ich nicht nur alles andere als ein Einzelfall. Nein, ich bin sogar noch „ganz gut davongekommen“, betrachtet man die Schicksale, die auf der 9, die ich meiner ehemaligen Liebsten zuspräche, oder der 10, die für die Opfer rituellen Missbrauchs vorgesehen ist, liegen. Und zieht zudem in Betracht, dass es Millionen und Abermillionen Traumatisierte in diesem unserem Land gibt, die still vor sich hin leiden, sich selbst nicht verstehend, kaum mehr im Besitz der Hoffnung auf dasjenige Verständnis und diejenige Hilfe im Außen, die sie existenziell bräuchten, um zu wachsen und zu heilen:

„Die einzige Möglichkeit des nonverbalen Hirns, zu ‚sprechen‘, ist unser Verhalten. Wenn wir uns Reinszenierungs-Verhalten ansehen, erkennen wir, dass traumatisierte Menschen ‚ihre Geschichte erzählen‘, allerdings auf versteckten Pfaden im Dschungel. Wenn wir nonverbale Botschaften interpretieren können, können wir vielleicht besser auf diese Hilferufe antworten. Damit Heilung aber geschieht, müssen wir unseren überwältigenden Erfahrungen Worte und Bedeutung verleihen. Traumatisierte sind von Sprache abgeschnitten, haben die Macht der Worte verloren und sind in der Falle sprachlosen Entsetzens.“

Und damit meine ich auch all jene, die schwer und chronisch erkrankt sind. Jene, die an Parkinson, Alzheimer, Krebs, Multipler Sklerose und vielen anderen Erkrankungen mehr leiden — nicht wissend, dass diese Erkrankungen als Auswüchse und Folgen schwerster früher Traumatisierungen zu verstehen sind.

Fragen Sie sich selbst und Ihre Freunde einmal: Wie gut nehmen Sie Ihre Grenzen wahr? Wie gut fühlen Sie diese, sich selbst? Können Sie gut Nein sagen, sich abgrenzen? Oder fühlen Sie sich ständig für das Wohlergehen anderer verantwortlich? Haben Sie ein Gefühl für emotionale Grausamkeit und Gewalt? Für Übergriffigkeit? Für Auf- und Abwertungen, für Manipulation? Können Sie sich hiergegen zur Wehr setzen? Wie gut können Sie wütend werden, wie gut sich verteidigen? Inwiefern entspricht Ihr Leben und entsprechen Ihre sozialen Beziehungen dem, was Pete Walker in seiner Menschenrechtscharta als Basis von Heilung, Wachstum und einem gelingenden Leben definiert?

Sprachloses Grauen

Die Zustände jedenfalls, die nun, nach einiger Zeit in Zürich, fordernder und immer fordernder wurden, waren dieselben, die mich einige Jahre zuvor bereits zu einem Pflegefall degradiert und mich in Lateinamerika schließlich mit dem Gefühl des Sterbens konfrontiert hatten. Nun jedoch, nach all der spirituellen und seelischen Arbeit, wurden sie von inneren Bildern und Ahnungen begleitet, die ihnen Sinn und Bedeutung zuzusprechen begannen, sodass ich zu erahnen begann, was geschah, worum es ging und an welchem Ort ich einst gestorben und hierdurch verloren gegangen war.

Je länger ich in Zürich weilte, desto hilfloser wurde ich. Bis Mitte Dezember war ich erneut nicht nur alltags-, sondern weitgehend lebensunfähig. Verlor mich mehr und immer mehr in Gedanken, in meiner einst reichen, inneren Welt, meiner Impulse, meines Wollens und Könnens beraubt. In einem Zustand, der nur noch denken, sich selbst reflektieren konnte, nicht mehr zu Handlungen in der Lage war. Es gab keinen Antrieb mehr, kein Wollen — alles, was Leben ausmachte, Lebendigkeit meinte, war tot, gestorben, wie ausgelöscht. Ich möchte niemandem zu nahe treten, kann mir jedoch gut vorstellen, dass auch Autisten an diesem oder einem sehr ähnlichen Ort gefangen sind. Einem Ort, an dem man handeln will, sich selbst jedoch nur noch beim Sterben zusieht, unfähig, zu tun, was geraten wäre und wonach man sich so sehr sehnt.

Dieser Ort besteht aus Schwärze, aus Dunkelheit. Ich bin ein winziges Atom in einem Universum ohne jedes Leben und Licht. Endlose Weiten, doch in allen Richtungen: nichts. An diesem Ort habe ich keinen Willen, kann nicht mehr handeln, existiere nicht mehr. Bin nur noch ein Atom, verloren in Dunkelheit und Nicht-Existenz. Jeder Hoffnung, jeder Zukunft, jedes Sinnes beraubt. Unfähig, irgendetwas zu tun, denn ein Teil des endlosen Nichts hat nichts zu tun, kann gar nichts tun.

Dieser Ort breitete sich über meine Zeit in Zürich mehr und mehr in meiner Seele aus. Bis ich nun, Mitte Dezember, einen Zustand erreicht habe, in dem ich noch dazu in der Lage bin, aufzustehen und zu duschen, um dann meine Tage damit zu verbringen, nichts tun zu können, die Wand anzustarren, mich in Gedanken zu verlieren. Der Wäscheberg ist groß, und ich sage mir innerlich: „Jens, Du solltest jetzt einmal Wäsche waschen“. Doch meine Gedanken treffen nur noch auf leere Weiten, es ist niemand mehr zu Hause, der der Idee zur Tat verhelfen kann. Ich will es, doch ich kann es nicht mehr.

Ich vermag es noch, einmal am Tag auswärts essen zu gehen; denn selbst versorgen kann ich mich seit Jahren nicht mehr. Und gelegentlich vermag ich es, einige Sätze in meinen Computer zu tippen, so wie ich es jetzt gerade tue. Manchmal sind es fünf Sätze am Tag. An anderen Tagen schreibe ich einige Seiten. Das ist, was von mir übriggeblieben ist: meine Gedanken, meine Güte, meine Liebe zum Leben, zur Welt. Doch auch die Gedanken werden kraftloser, leiser, verlieren sich immer mehr.

Durch das Schreiben bin ich noch einmal innerlich an Orte von Liebe und Hoffnung, von Angst und Not, von Wut und Lebenwollen gereist. Habe mich meiner selbst und meiner Geschichte wieder bemächtigt. Das innere Gefängnis ein Stück weit verlassen, ein winziges Bisschen wieder wirklich gelebt. Doch mehr als das Schreiben habe ich nicht mehr — und meine Geschichte, meine Erzählung neigt sich nun bald ihrem Ende zu; dann ist alles, wirklich alles gesagt.

Am Leben, ein Stück weit lebendig, fühle ich mich überhaupt nur noch, seit diese ruhiger wurden und ich wieder durchzuschlafen begann, in meinen Träumen. Und im Kontakt mit gütigen Menschen. Menschen, die präsent und liebevoll sind. Menschen, die meine Dunkelheit nicht zu der ihren machen, sie nicht fürchten. Und die mein Licht sehen, mein Ringen um Leben, meine Güte und zwar gefangene, doch so unbändige Kraft.

Das, was ich erlebe, ist keine Depression. Es ist etwas anderes. Ist ein Wiedererleben. Wie wahrscheinlich bei allen anderen Depressionen zuvor. Nur diesmal bewusst. Denn ich beginne, zu begreifen, was wirklich geschieht. Das, was ich erlebe, nennt sich dissoziative Intrusion. Der Schmerz und das Leid, die unintegriert in meinen mir unzugänglichen, verlorenen Seelenanteilen gespeichert sind, einer dieser Zustände greift nun nach mir, überflutet mich und löscht mich mehr und mehr aus. Was ich wiedererlebe, ist das Sterben des Säuglings, der ich einst war. Sind der Nahtod der eigenen Geburt sowie die Verlassenheit und Quälereien hiernach. Der Ort, an dem ich mich verliere, ist jener Ort, an den die Seele geht, nachdem weder Flucht noch Kampf noch Erstarrung und Dissoziation halfen. Der Ort, an den sie geht, wenn sie final, endgültig, ein für alle Mal aufgegeben und jede Hoffnung hat fahren lassen. Wenn sie Charon, dem Fährmann über den Styx, den Obolus für die Überfahrt bereits ausgehändigt hat.

In der Psychotraumatologie nennt man das Totstellreflex, etwas, das sich auch chronifizieren und in dem man verloren gehen kann:

„Da das autonome Nervensystem nicht dauerhaft nur sympathikoton aktiv sein kann, tritt ein innerer Kollaps ein, ein tiefes Aufgeben jeglicher Selbstbehauptungsimpulse. Dieses tiefe innere Zusammenbrechen wird durch den Parasympathikus gesteuert (…). Es führt in eine Art Totstellreflex, in dem Menschen eher hypoton (spannungslos) werden als hyperton. Man gibt auf einer tiefen Ebene auf. Diese Art von Aufgabe geht tiefer als Resignation. Resignation entsteht, wenn ich etwas nicht bekommen oder erreichen kann, weil ich die Mittel oder Fähigkeiten dazu nicht habe. Der Totstellreflex ist eine Hingabe an den Tod, man gibt zutiefst auf.“

Meine Lebensqualität, die mit Mitte Dreißig noch bei etwa 70 Prozent lag, hat sich bis zu meinem 45. Geburtstag, den ich, von der Welt weitgehend vergessen und nur mit einem Anruf von Marlene bedacht, in Sri Lanka verbrachte, auf nunmehr etwa 2 Prozent reduziert. Ich bin sehr real mehr tot als lebendig, bilde mir das nicht ein und verliere mich selbst immer weiter und mehr.

Wenn ich meinen Verstand frage, wie die geopolitische Lage einzuschätzen ist, antwortet er mir, wie der Bordcomputer der Enterprise: „Es gibt in etwa sechs denkbare Szenarien, wie sich alles weiterentwickeln wird. Eines davon ist überdurchschnittlich wahrscheinlich. Und für jedes gibt es Optionen, Handlungen, um individuell oder kollektiv die Freiheit und Würde zu verteidigen und bewahren.“ Frage ich meinen Verstand jedoch, wie es mit mir weitergehen wird, antwortet er: „Die Chance, dass Du da gut rauskommst, dass Du das überlebst, liegt bei 0,0375 Prozent. Bitte beachte jedoch, dass das Leben im Gegensatz zu von Interessen geleiteten politischen Agenden nicht berechenbar ist. Mir fehlen schlicht die Variablen für eine wirklich valide, sichere Kalkulation.“

Frieden schließen

Warum sage und schreibe ich das? Weil ich Ihnen mitteilen möchte, dass ich nichts in meinem Leben bereue. Dass ich dankbar bin für alles, was ich erleben durfte. Dankbar für all die Höhen und Tiefen, für all die Liebe und auch die Schicksalsschläge, die mir zuteilwurden. Dankbar für all die Freude, das Glück und auch das Leid, das mich zu dem gemacht hat, der ich heute bin. Dankbar auch für die kurze, so wunderbare Zeit mit meiner ehemaligen Liebsten. Jene Zeit, in der sie mich wirklich so sah und liebte, wie ich bin: eine gebrochene, zutiefst verletzte Seele — voller Güte und Liebe und maßloser, noch zu entdeckender Kraft. Jene Zeit, in der ich noch einmal wirklich aufblühte und zu erahnen begann, wer ich einst werden sollte, wer ich wirklich bin.

Ich schreibe es, weil ich teilen, mich mitteilen, Ihnen mein Erleben zum Geschenk machen will — da es, wie ich meine, auch Kraft, Weisheit und Hoffnung enthält. Vielleicht Inspirationen für Sie und Ihren Weg. Denn wie einst einer meiner Lieblingsautoren schrieb:

„Was zählt, ist das, was die Menschen miteinander gemeinsam haben, nicht das, was sie voneinander unterscheidet. Je mehr wir in unser eigenes Unbewusstes eindringen, desto mehr entdecken wir, dass wir uns in quantitativer Hinsicht beachtlich unterscheiden, dass wir aber hinsichtlich der Qualität unserer Strebungen gleich sind. Die gründliche Erforschung des Unbewussten stellt einen Weg dar, die Menschheit in sich selbst und in jedem anderen menschlichen Wesen zu entdecken. Diese Entdeckung geschieht nicht durch theoretisches Denken, sondern durch affektives Erleben.“
Erich Fromm

Schreibe es, um Frieden zu schließen. Mit mir, meinem Erleben, meinem Schicksal und der Welt. Und, weil ich den anderen verletzten Seelen dort draußen noch etwas sagen, etwas schenken und mitgeben mag:

  • Das, was Euch so sehr ängstigt, das, wofür ihr Euch so sehr schämt, das, was ihr vor allen anderen und auch Euch selbst beständig zu verbergen sucht — das ist Eure Wahrheit, Eure Kraft, Euer Licht. Das seid ihr.
  • Hinter Eurer Angst verbirgt sich Euer unerschöpfliches Potenzial. All Eure Liebe, Eure Kreativität, Euer wirklicher, eigener Grund zu leben, Euer Sinn.
  • Hinter Eurer Scham verbirgt sich Eure Wut. Eure schier unermessliche Kraft, die dem Schicksal und all Eurem Leiden ein „Ja! Ja, ich will leben!“ entgegenzuschreien vermag, wenn Ihr nur den Mut habt, Euch ihrer wieder zu bemächtigen und den Tätern jene Schuld zurückzugeben, die ihr einst für sie zu übernehmen, ihnen abzunehmen gezwungen ward.
  • Alles an und in Euch ist richtig und gut. Schön und bedingungsloser Liebe wert. Jeanette Fischer irrt sich, wie so viele, die sich in Konzepten, im Intellektualisieren verloren haben, sich irren: Hass entsteht nicht aus Selbsthass. Hass entsteht aus überwältigter, zu Tode verängstiger, erstarrter und eingefrorener Energie. Aus Liebe, deren „Ja!“ zum Leben kein Gegenüber fand. Aus unbändigem Willen, den man zu brechen versuchte, jedoch niemals zu brechen vermag.
  • All Eure Dunkelheit, Euer Schrecken, das vermeintlich Böse in Euch: Es ist gar nicht böse und war dies niemals. Es sind jene Splitter Eurer Geschichten und Seelen, die ihr genötigt ward, zu verlassen und vergessen. Es ist das Hilflose, das Gute, vielleicht das Beste in Euch, das nach Erlösung ruft.

Wenn ihr heilen, wirklich heilen und Euch selbst aus Euren inneren Verliesen und Gefängnissen befreien wollt, dann findet, auf welche Art und Weise auch immer, Zugang zu diesem Verlorenen in Euch und bemüht Euch darum, „konsequent Verantwortung (zu) übernehmen für den unsicheren, angstvollen und hilfebedürftigen Anteil in (…) (Euch). Andernfalls (…) (wird) auch jeder (…) (potenziell heilsame) Kontakt (mit anderen Menschen) nur die bisherigen Schutzmauern (…) bestärken, hinter denen (…) (Euer wahres, authentisches Wesen) (…) mehr und mehr verkümmert“.

Meiner bescheidenen Erfahrung nach braucht es zwei Dinge, um sich auf den Weg wirklicher Heilung zu begeben. Das eine ist Euer Mut, Euch anderen zuzumuten und mehr und mehr zu offenbaren, mit allem, was ihr seid. Denn, wisst ihr: Wer nur das Äußere, das Starke, das Schöne und Talentierte, das Erfolgreiche und Gelingende, das Glänzende an Euch liebt, der liebt Euch gar nicht, meint nie wirklich Euch. Wer aber nur das Schwache, das Hilflose, Eure Not und Ohnmacht an Euch liebt, Euch tröstet, wenn ihr trauert, jedoch demütigt oder im Stich lässt, sobald ihr wütet, Euch durchsetzt, behauptet und wehrt, wer Eure Stärke nicht will, der liebt Euch auch nicht, sondern macht Euch klein. Erlösung ist hier nicht zu finden. Erlösung erwächst an einem anderen Ort:

„Zeige dich mit deiner Wahrheit. Wenn du das machst, lernst du, gesehen zu werden. Und wenn du das kannst, lernst du, Liebe zu nehmen. Dann lernst du, dich selbst zu lieben. Und wenn du das kannst, dann lernst du, Liebe zu geben. Dann endet die Bewertung der anderen, die du nur machst, um dich davor zu schützen, gesehen und erkannt zu werden. Dann enden (…) Leugnung und (…) Scheinidentität. Dann musst du nicht mehr andere abwerten, um dich selbst aufzuwerten. Dann endet dein Minderwert. Wir lieben dich solange, bis du dich selbst lieben kannst. Die (eine) umwerfende Erfahrung besteht darin, sich zu zeigen, mit all seinen Abgründen und Blößen, und hinterher eine Umarmung zu bekommen, angelacht und angenommen zu werden. Die andere umwerfende Erfahrung besteht darin, diese Liebe nehmen zu können. Angst und Scham treiben uns in die Isolation, in das Gefängnis des schönen Scheins (…). Aber wir brauchen jemanden, der an uns glaubt, gerade dann, wenn wir nicht an uns selbst glauben können. Ehrlichkeit ist das Gegenmittel gegen die Lüge.“

Und das andere, das sind Menschen, wirkliche, echte, menschlich gewordene Menschen, deren Anwesenheit, Präsenz und Liebe Euch jenen Spiegel zu schenken vermag, den ihr vielleicht niemals hattet. Und in dem ihr Euch nun, tastend, vorsichtig und mehr und mehr die Angst verlierend, selbst zu fühlen, zu verstehen und zurückzuerobern vermögt. Das, das Bild in jenem Spiegel, den Euch wirkliche Liebe schenkt, das seid und wart immer ihr. Das Zerrbild dessen, was ihr, weil man Euch hierzu zwang, glaubtet, zu sein, war stets Illusion, wart niemals ihr.

Heilung beginnt überall dort, wo jemand sein eigenes Interesse transzendiert, Euch wahrhaftig, weil selbstlos begegnet und hierbei wirklich erkennt und sieht:

„Achtung vor einem anderen ist nicht möglich ohne ein wirkliches Kennen des anderen. Fürsorge und Verantwortungsgefühl für einen anderen wären blind, wenn sie nicht von Erkenntnis geleitet würden. Meine Erkenntnis wäre leer, wenn sie nicht von der Fürsorge für den anderen motiviert wäre. Es gibt viele Ebenen der Erkenntnis. Die Erkenntnis, die ein Aspekt der Liebe ist, bleibt nicht an der Oberfläche, sondern dringt zum Kern vor. Sie ist nur möglich, wenn ich mein eigenes Interesse transzendiere und den anderen so sehe, wie er wirklich ist. So kann ich zum Beispiel merken, dass jemand sich ärgert, selbst wenn er es nicht offen zeigt; aber ich kann ihn auch noch tiefer kennen, und dann weiß ich, dass er Angst hat und sich Sorgen macht, dass er sich einsam und schuldig fühlt. Dann weiß ich, dass sein Ärger nur die Manifestation von etwas ist, was tiefer liegt, und ich sehe in ihm dann den verängstigten und verwirrten, das heißt den leidenden und nicht den verärgerten Menschen.“
Erich Fromm

Heiler Kern

Das ist, was ich erleben und erfahren durfte. Was ich berichten wollte und im Sinne eines Vermächtnisses weitergeben mag. Ist, was mein Leben ausmachte und ich zu lernen willens und in der Lage war.

Nun lebe ich, noch bis Jahresende durch einen Beratervertrag finanziert und ab da meine Ersparnisse aufbrauchend, in Zürich. Besitze noch den Inhalt meines Koffers, bin weder kranken- noch sonst wie versichert und benötige ab Februar ein neues Quartier. Habe 90 Minuten in der Woche Trauma- und 120 Minuten in der Woche Körpertherapie. Therapien, die, statt mich retten, belehren, erziehen oder verbiegen zu wollen, das Gute im Menschen sehen, ja mich so sehen und lassen, wie ich bin. Die daran glauben, dass alles in mir Sinn und Berechtigung hat, stets nach Wachstum und Vollendung, nach Vervollkommnung strebt. Daran, dass jeder, egal, wie verletzt und zersplittert er ist, einen heilen Kern in sich trägt, den es freizulegen gilt, den man freilegen kann.

210 von 10.080 Minuten in der Woche habe ich Therapie, Therapie bei Menschen, die mir liebend, wirklich als Menschen sowie auf Augenhöhe begegnen. 210 Minuten in der Woche bin ich nicht allein. Die verbleibenden 9.870 Minuten bin ich weitgehend hilflos. Gefangen in meinen Gedanken, einem chronifizierten Totstellreflex. Und nachdem ich Ja gesagt hatte zu Triggern und Flashbacks, zu Weinkrämpfen, Verzweiflung und Todesangst, zu meiner eigenen, wirklichen Geburt und all dem damit verbundenen Schmerz, zu nie gekannten persönlichen Grenzen, neuen, ungewohnten Konflikten und all den hiermit verbundenen Enttäuschungen und Verlusten, verlassen mich nun die Hoffnung und Kraft. Verlässt mich der Glauben daran, dieses Leben noch über womöglich Jahre hinweg ertragen zu können. Jene Jahre, die es brauchen dürfte, mittels therapeutischer Hilfe, die stets nur im Besitz eines Teiles des Puzzles, nie jedoch der ganzen Wahrheit ist, aus diesen Zuständen herauszuwachsen. Denn die Behandlung struktureller Dissoziationen bedeutet lebenslange psychotraumatologische Arbeit und sieht die Integration bei Geburt abgespaltener Erlebniswelten gar nicht vor, hat hierfür kein Konzept. Und Körpertherapie kann zwar das Wachstum des Nervensystems und die Abreaktion alter Gefühle befördern, kennt jedoch keine Abspaltungen, verfügt über kein Konzept struktureller Dissoziation.

Am Leben hält mich aktuell noch die Hoffnung auf ein Wunder, darauf, dass das Leben selbst es sein könnte, das mich schließlich in Liebe und Wandlung erlöst. Durch Geschehnisse, von denen ich nichts weiß und wissen kann. Die sich von selbst, von alleine vollziehen und nicht vorhersagbar sind. Dass mein Verstand sich bezüglich der Ausweglosigkeit der Situation irrt, weil alles im Leben aus sich heraus nach Wachstum und Heilung strebt. Am Ende aller Kämpfe, wenn man loslässt und sich ihm endgültig ergibt.

Eine Hoffnung, die ich einem Erlebnis mit meinem Freund Bernhard verdanke. Bernhard, der mir, als er mich gerade in Zürich besuchte, mittels seiner Wahrhaftigkeit und Liebe das unvorstellbare Geschenk bereitete, zum ersten Mal überhaupt mit meinem eigenen heilen Kern in Kontakt und Verbindung zu kommen und sein. Und hierdurch zu erfahren, dass hinter all dem Schmerz und Leid ein reales Stück meiner Selbst darauf wartet, erlöst und geboren zu werden. Noch hinter dissoziativen Barrieren, noch eingefroren in Nahtod und Angst, doch bereit, ins Leben zurückzukehren. Wenn man es liebte und ihm bei der Geburt behilflich war.

Wir unternahmen zwei schamanische Reisen miteinander. Reisen unter Zuhilfenahme von Psychedelika. Bei der ersten zerschellte ich unmittelbar an meiner dissoziativen inneren Mauer und verbrachte, während er mich hielt und tröstete, Stunden als erstarrter, sterbender Säugling in seinen Armen. Bei der zweiten hingegen war die Mauer brüchig geworden, hatte Risse bekommen. Und fiel, als Bernhard mir schließlich das schenkte, was einst gefehlt hatte und noch niemals zuvor jemand hinter die Mauer zu tragen vermocht hatte, schließlich in sich zusammen, weil ich sie ließ.

Durch die Risse in der Abwehr hindurch sprach er, meine Hand haltend und vollkommen präsent, als erster wissender und helfender Zeuge meines Lebens, zu dem verlorenen, gestorbenen, niemals erreichbaren Teil von mir:

„Du bist willkommen, ein großes Geschenk. Wir freuen uns auf Dich. Freuen uns, dass Du geboren wurdest, lebst.“

„Du bist jetzt sicher und darfst Dich zeigen, wie Du bist. So, wie Du wirklich bist. Mit allem, was Du bist.“

„Alles an Dir ist richtig und gut. Alles ist schön und wirklich jeder Liebe wert.“

„Dir wird nichts mehr geschehen. Ich bin jetzt hier, bei Dir, und ich beschütze Dich.“

„Wer Dir weh tun will, muss ab sofort an mir vorbei. Und ich schwöre Dir, dass das keiner schafft. Jeden, der Dir Böses will, strecke ich nieder, noch bevor er auch nur in Deine Nähe gelangt.“ (Als er dies sagte, wurde er wütend, ging in seine Kraft. Seine Muskeln spannten sich und er schrie allen Tätern meines Lebens entgegen, dass sie mir nie wieder nahe kommen würden.)

„Du bist jetzt nicht mehr allein, nie mehr allein. Ich verlasse Dich nie mehr, sondern bin für Dich da und gebe auf Dich acht.“

„Wir erkennen Dein unvorstellbares Leid, Deine Qualen und den Missbrauch, der Dir widerfahren ist, in vollem Umfang an.“

Als er diese Worte sprach und alles an mir fühlte, dass es ihm ernst war, er meinte, was er sagte, und tun würde, was er versprach, zerbrach die unüberwindbare, dissoziative Mauer in mir und war ich plötzlich ein kleines, hilfloses Kind im Körper eines Erwachsenen. Seine Liebe, die er zum richtigen Orte hin sprach, hatte jenen Teil von mir, der niemals leben durfte, aus seiner lebenslangen Schockstarre erlöst, aus seinem inneren Gefängnis befreit.

Und zum ersten Mal überhaupt, zum ersten Mal seit nunmehr fast zwei Jahren schamanischer Arbeit, Arbeit mit meinem gefühllosen Körper, an meiner zersplitterten Seele, mir, zappelte und zuckte mein Leib als Folge hierauf nicht mehr nur unwillkürlich hin und her oder wurde von Kraft und Emotionen einfach übernommen, während ich ihn beobachtete, hiermit aber nichts zu tun hatte. Nein, nun fuhr das verlorene, stets unerreichbar gewesene Stück Ich in meinen auf dem Rücken liegenden Körper, ballte, während es Bernhard noch ängstlich-unsicher, ungläubig, jedoch unendlich dankbar anschaute, die Hände zu Fäusten und stampfte mit den Füßen auf dem Boden auf, beseelte meinen Körper, mich.

War vorher das Denken stets im Kopf und waren die Gefühle stets im Körper gewesen, hatten miteinander jedoch niemals zu tun, erfuhr ich nun, zum ersten Male in meinem Leben, ein Gefühl von Einheit und Identität. Fühlte, wie es war, wenn alles eins war, alles dasselbe, alles Ich. Nichts mehr zersplittert, verloren, fragmentiert. Es war, und das meine ich ernst, als kehre die verlorene Seele in ihren Körper zurück.

Mein ganzes Gesicht ist von Tränen bedeckt, während ich dies nun schreibe. Denn diese Erfahrung werde ich niemals vergessen. Sie bildet die Essenz meiner Hoffnung, dass Wandel, Wachstum, Geburt auch spät möglich sind. Trägt jemand nur sein Licht an den Ort ewiger Dunkelheit in mir. Die Wärme seiner Liebe in mein ewige Eis. Erkennt und sieht ein mitfühlender anderer das in mir, was ich selbst nicht zu sehen, zu fühlen und erkennen vermag. Und erweckt damit zum Leben, was nur geboren werden kann, wenn es geliebt und gesehen wird. Aus liebenden Augen und mittels liebevoller Taten die Erlaubnis zu leben erhält. Das erlaubende, willkommen heißende, bedingungslose Ja zur eigenen Existenz.

In einigen Wochen bin ich erneut mit Bernhard verabredet. Wir wollen weitermachen an diesem Punkt. Weiter daran arbeiten, dass meine Seele immer häufiger in meinen Körper kommt und immer länger dort verweilt. So lange, bis sie dort Heimat gefunden hat.

Wenn Sie an eine höhere Macht glauben, beten Sie gerne für mich und dafür, dass dies gelingt, als auch dafür, dass das Leben auch darüber hinaus noch Wunder und Erlösung bereithält für mich.

Das, liebe Leserinnen und Leser, ich komme nun zum Ende, das war sie, die Geschichte meines Lebens, die ich zum allerersten Mal erzähle; auch mir. Lang und gewunden. Oftmals wirr, doch immer bewegt.

Woran soll, woran kann man noch glauben, wenn man so ist wie ich? Worauf hoffen? Das frage ich Sie. Ja, worauf hoffen und woran glauben Sie? Und woran, weil das Leben uns, wirklich gelebt, zunehmend aller Irrungen und Wirrungen, aller Illusionen und Täuschungen beraubt, glauben Sie nicht, nicht mehr?

Ich für meinen Teil glaube nicht mehr an Konzepte, Diagnosen und Therapien. Weder war ich jemals depressiv, noch bin ich Echoist, Co-Abhängiger, Co-Narzisst, Beziehungs- oder Liebessüchtiger. Ich bin ein Kind, das bei Geburt starb und hiernach jahrelang erniedrigt, gebrochen und vernachlässigt wurde. Gequält und jedes Eigenen beraubt. Ein Erwachsener, der, mehr als andere, wirkliche, authentische Begegnungen und tiefe Beziehungen, der Wohlwollen und Verbundenheit zum Überleben braucht. Weder bin ich noch ist irgendein anderer der Millionen Traumatisierten, ist irgendeine der früh zersplitterten, fragmentierten, hoch dissoziativen Seelen im Land „persönlichkeitsgestört“, leidet an Narzissmus, Borderline oder anderem.

Nein, wir sind Überlebende. Überlebende, denen man als Säuglingen, Kleinkindern, Kindern und Heranwachsenden das angetan hat, was in allen Foltergefängnissen dieser Welt Erwachsenen angetan wird, um sie ein für alle Mal, um sie endgültig zu brechen. Überlebende, denen man mittels autoritärer Konzepte sowie übergriffiger und herabsetzender Diagnosen oftmals zeitlebens die Heilung verwehrt. Die man mittels therapeutischer Stigmata entwertet und ihrer Würde beraubt. Überlebende Kinder anderer Überlebender, denen man all das schon lange vor uns antat. In einer Welt, deren soziales Gefüge durch Angst und Verdrängung zusammengehalten wird. In der es Schwäche, Leid und Not gar nicht gibt, niemals gab. Und wo, sollte derlei doch einmal aufblitzen, die Institutionen versagen, sich niemand verantwortlich fühlt, niemand zuständig ist:

„Das Wesen der Liebe zu analysieren, heißt ihr allgemeines Fehlen heute aufzuzeigen und an den gesellschaftlichen Bedingungen Kritik zu üben, die dafür verantwortlich sind. Der Glaube an die Möglichkeit der Liebe als einer individuellen Ausnahmeerscheinung ist ein rationaler Glaube, der sich auf die Einsicht in das wahre Wesen des Menschen gründet.“
Erich Fromm

Ich glaube nicht mehr an die Existenz von Gegensätzen, die Teilbarkeit des Lebens, der Liebe, unserer Existenz. An Polarität. Ich glaube daran, denn ich habe es erlebt, dass das vermeintlich Gute ohne Kraft wehrlos und das vermeintlich Böse ohne Liebe hilflos verbleibt. An das Gute im Bösen und das Böse im Guten. Daran, dass wir alle einander brauchen, um zu wachsen und zu heilen. An einen größeren Zusammenhang und höheren Sinn sowie die Alleinheit allen Seins. Daran, dass man Liebe lernen kann und muss. Weil nur sie uns von Angst und aus falschen, unser göttliches Potenzial leugnenden Selbstbildern befreit, weil nur die Liebe unsere verwundeten Seelen heilt:

„Unter dieser traumatisierten Persona gibt es das gesunde Individuum, das nie Ausdruck in diesem Leben gefunden hat, weil ihm nie die Möglichkeit gegeben wurde, sich auszudrücken. Weil es nie die Beziehungen hatte, in denen es seine authentische Menschlichkeit hätte ausdrücken können.“
Gabor Maté

„Liebe ist eine mächtige Kraft. Wenn wir mit ihrer Stärke nicht umgehen können, rutschen wir (…) schnell in schmerzhafte Formen von Verzerrungen hinein (…). Aber eins sollten Sie wissen: Der Widerstand gegen die Liebe ist es, der die Probleme verursacht. An der Liebe selbst liegt es nicht. Liebe ist eine Kraft, die ihr Licht auf die tiefsten, dunkelsten Bereiche unserer Seele wirft. Sie bringt jene Teile unseres Selbst an die Oberfläche, die wir am verzweifeltsten zu verstecken suchen.“
Gay und Kathlyn Hendricks

„Der Schritt in die Klarheit bedeutet auch zu erkennen, dass es keine Instanz außerhalb mehr gibt, die einem sagen könnte, was richtig und falsch ist und was jetzt das Beste für einen selbst wäre und deshalb jetzt zu tun ist. (…) Es stellt sich die Frage: Wer bin ich, wenn ich nicht die Erwartungen anderer erfülle? Wenn ich nicht funktioniere? Wenn ich mich nicht mehr aufopfere? Was bleibt dann von mir übrig? Was liegt unter dem vermeintlichen Schutzmantel aus Selbstverleugnung und versuchter Selbstauflösung? Was ist mein eigener Grund, weshalb ich lebe? Was macht meine Lebensfreude aus?“
Franz Ruppert

„Die meisten Menschen haben Angst, dass sie ihre Freiheit verlieren, wenn sie lieben, und können nicht glauben, dass die Liebe gleichzeitig die größte Entwicklung der Freiheit bedeutet.“
Erich Fromm

Bevor Weihnachten übrigens zu Weihnachten wurde und wir einen Heiland als Erlöser erhielten, nannte man es Wintersonnenwende, und man verehrte an ihr die unermessliche Kraft und Heiligkeit der Natur. Man glaubte daran, dass zu jener Zeit, zu der die Dunkelheit am größten war, stets auch das Licht wiedergeboren werde. Dass dort, wo Leben und Hoffnung endeten, die Natur sich selbst und damit auch Leben und Hoffnung wiedergebar. Und daran, dass, da wir alle Teil dieser Natur sind, das Licht in einem jeden von uns ist. Dass jeder von uns das Göttliche in sich trägt — und damit auch die Chance auf Erlösung und Wiedergeburt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben, mir und uns allen ein frohes Fest und eine gesegnete Zeit.

Herzlich:
Ihr
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PS: Aus den genannten, vor allem jedoch politischen Gründen, aus Schutzinteressen heraus, werde ich im Januar mit Rubikon Schweiz einen Rubikon-Ableger in einem Land gründen und in gute Hände geben, in dem die Pressefreiheit noch etwas zählt. Dieser soll ab spätestens 1. März 2023 unter www.rubikon-magazin.ch seine Arbeit aufnehmen. Für dieses neue Projekt suche ich abermals Ehrenamtler und Spender, da sein Aufbau bei null beginnt. Spenden sind ab sofort auf das Konto CH2609000000160897846 der Trägergesellschaft Liberty Media GmbH möglich. Angebote für Unterstützung und Schützenhilfe richten Sie bitte an info@rubikon-magazin.ch.

PPS: Meine Kolleginnen und Kollegen, meine ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gemeinsam mit mir den Rubikon groß gemacht haben und denen ich denselben aufgrund meiner Auswanderung einst vollständig übereignete, teilten mir soeben mit, dass sie diesen Artikel in der vorliegenden Fassung für nicht publizierbar halten, da er Beleidigungen enthalte und geschäftsschädigend sei. Dem entgegne ich: Die Wahrheit beleidigt niemanden, kann dies gar nicht. Wenn ich nicht an die Kraft der Wahrheit glauben würde, wäre ich nicht Journalist. Darüber hinaus war Rubikon nie als „Geschäft“ gemeint, sondern wurde als letzte Bastion zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit konzipiert. Zur Absicherung und Beruhigung der anderen stelle ich jedoch gerne klar: Dieser Artikel erscheint gegen den ausdrücklichen Wunsch der Redaktion in der hier vorliegenden Fassung; die Verantwortung für ihn im Sinne des Presserechts trage einzig und allein ich.


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