Mühelos mächtig

Die Vererbung von Besitz ist antidemokratischer Wahnsinn, weil sie materielle Ungleichheit über Generationen fortschreibt und verstärkt.

Der Zins ist schädlich, gewiss, aber er bliebe ein begrenztes Übel, wäre da nicht ein anderer Faktor, der ihn verewigt und potenziert: das Erbe. Erbschaften zementieren Familienprivilegien und unterhöhlen die Chancengleichheit. Der Sohn von Manuel Neuer wird nicht automatisch nächster Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft. In Unternehmen sind derlei Absurditäten aber durchaus üblich. Schwerer wiegt, dass sich dadurch die Akkumulation von Vermögen und politischem Einfluss über Generationen fortsetzen kann. Wer für das Leistungsprinzip und gegen demokratisch nicht legitimierte Machtkonzentration ist, kann nicht gleichzeitig für uneingeschränktes Erben sein. Es müssen Wege gefunden werden, Erbschaften auf ein sozialverträgliches Maß zu begrenzen. Ein paar Vorschläge.

John Fontanelli war ein einfacher Pizza-Austräger in New York. Eines Tages erfuhr er von ein paar dubiosen Anwälten, dass er Erbe eines Riesenvermögens war. Wert: eine Billion Dollar. Das Vermögen war von seinem Vorfahren Jakob Fugger vor 500 Jahren angelegt worden — mit der Auflage, es erst jetzt, zur Jahrtausendwende, auszuzahlen. Mit Zins und Zinseszins kam so über die Jahre eine stattliche Summe zustande. John Fontanelli war mit einem Schlag der mit Abstand reichste Mensch der Welt. Zum Vergleich: Elon Musik wird heute auf „nur“ 265 Milliarden geschätzt.

Diese Geschichte ist natürlich nicht wahr. Sie ist dem Roman „Eine Billion Dollar“ von Andreas Eschbach (2001) entnommen. Aber sie könnte wahr sein.

Was fängt man mit so viel Geld an? Das bisschen, was John in der ersten Euphorie für Maßanzüge, Autos und ein Landhaus in England verpulverte, war schnell wieder „verdient“. Mehr noch: Wie Johns Vermögensverwalter McCaine ihm auf Anfrage mitteilte, war sein Bankkonto trotz großzügiger Ausgabenpolitik auf rätselhafte Weise in der Zwischenzeit weiter angeschwollen. Ab einer gewissen Höhe ist ein Vermögen kaum kleinzukriegen — aufgrund von Zins und Zinseszins. Zum Glück ist John Fontanelli in Eschbachs Roman ein guter Kerl. Er sucht nach Wegen, mit seinem Geld die ganze Welt zu beglücken. Was wäre aber, wenn so viel Geld in die Hände von weniger wohlmeinenden Individuen geriete?

Was kostet die Welt?

Ein machtbewusster, skrupelloser Erbe würde sich, nachdem er sein Grundbedürfnis nach fünf Jachten und zehn Ferienhäusern gestillt hat, vielleicht Politiker kaufen. Solche, die alles, was legal ist, in seinem Namen für legitim erklären. Und er würde versuchen, Einfluss auf die Politik seiner Schützlinge zu nehmen. Vielleicht würde er sich auch Medien kaufen, die dem Volk in professionellen Kampagnen einreden, dass es in ihrem Interesse sei, entrechtet und ausgeplündert zu werden. Relativ günstig ist in Zeiten knapper Kassen auch die komplette Infrastruktur einer Volkswirtschaft zu haben: Wasser, Eisenbahn, Verkehrsbetriebe. Lohnend wäre es auch, mehrere scheinbar konkurrierende Energieversorger zu kontrollieren, um den Verbrauchern überhöhte Strompreise aufzuzwingen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Leider ist das hier gezeichnete Szenario schon heute Realität. Mit Guthaben von weit weniger als einer Billion kann eine Minderheit heute das Geschehen auf der Erde zu ihren Gunsten manipulieren. 0,1 Prozent der heute lebenden Menschen besitzen 81 Prozent des weltweiten Vermögens. Eine solche Ungleichverteilung wäre nicht möglich gewesen ohne eine merkwürdige Gewohnheit der menschlichen Spezies: das Erben. Warum es so gefährlich ist, lässt sich an einem einfachen Beispiel zeigen.

Nehmen wir an, ein 20-Jähriger legte ein Vermögen von 10.000 Euro an. Er stirbt mit 80. Bei einem Verdopplungszeitraum von 20 Jahren kann sich ein solches Vermögen während der Lebensspanne seines Besitzers höchstens verachtfachen (80.000 Euro). Vererbt er es an seinen 40-jährigen Sohn, so kann dieser, bis er selbst stirbt, schon über ein Vermögen von 320.000 Euro verfügen. Beim Enkel wären es 1.280.000 und so weiter. Wir kennen das Spiel.

Natürlich werden manche hier auf die Nullzinspolitik der letzten Jahre verweisen. Diese war jedoch im langfristigen Kontext lediglich eine Episode, die uns nicht verleiten sollte, die Wirkungsweise von Zinsen — gemeint sind auch versteckte Zinsen, die in Preisen enthalten sind — und Erbschaften zu unterschätzen.

Die Mühe, geboren zu werden

Da ist es erstaunlich, dass selbst in der zinskritischen Geldreformerszene relativ selten über Erbschaften gesprochen wird. Dabei basiert eines der bekanntesten Rechenbeispiele für die Absurdität des Zinses auf dem Prinzip der unbegrenzten Vererbung: der „Josephspfennig“. Der englische Moralphilosoph Richard Price rechnete 1772 aus: Ein Pfennig, angelegt mit 5 Prozent zum Zeitpunkt von Jesu Geburt, hätte bis in die Gegenwart ein Vermögen im Wert von 150 Erden aus purem Gold erwirtschaftet. Das Beispiel funktioniert nur, wenn man die ungeschmälerte Weitervererbung von Vermögen unterstellt. Hier muss festgehalten werden:

Übermäßiger Reichtum ist nicht nur deshalb schädlich, weil er Armut bedingt — dieser Effekt könnte ja durch Wirtschaftswachstum begrenzt werden. Reichtum ist vielmehr an sich schädlich, weil er Macht generiert, die nicht demokratisch verliehen ist.

Sahra Wagenknecht, prominente Politikerin der Partei „Die Linke“, schreibt hierzu:

„Politische Macht ist heute nicht mehr unmittelbar erblich, wirtschaftliche Macht dagegen ist es, und mit ihr vererbt sich auch die Macht, der ganzen Gesellschaft die eigenen Interessen aufzuzwingen.“

Nebenbei bemerkt soll der jetzige König Charles von seiner Mutter, Queen Elizabeth, ein Vermögen im Wert von 750 Millionen Pfund geerbt haben. Und es wäre naiv, anzunehmen, dass Geld, Tradition und Netzwerke ihm nicht auch eine weit überproportionale Macht in den Schoß gelegt hätten.

Die Ungerechtigkeit von Erbschaften empörte schon die großen Geister der Aufklärung. 1784 schrieb der Komödiendichter Beaumarchais in seinem berühmten Monolog des Figaro an die Adresse des Adels:

„Adel, Reichtum, Rang und Würden, all das macht Sie so stolz! Was haben Sie denn geleistet für so viele Vorteile? Sie haben sich die Mühe gegeben, geboren zu werden, weiter nichts.“

Das Stück wurde zum Skandal, die betreffende Textstelle musste von Mozart und da Ponte aus ihrer Oper „Le Nozze di Figaro“ entfernt werden. Die Wahrheit ist eben nicht immer bequem.

Riesenvermögen verhindern!

Stellen wir uns zwei Neugeborene auf der Geburtsstation vor: Jonas und Knut. Beide sehen einander zum Verwechseln ähnlich, quäken, machen in die Windeln. Der Unterschied ist nur: Jonas ist das Kind reicher Eltern, die mehrere Immobilien in zentraler Großstadtlage besitzen. Knut ist das Kind von Hartz-IV-Empfängern. Es ist gut möglich, dass Jonas in 20 Jahren einmal der Vorgesetzte von Knut sein wird — oder sein Vermieter. Baby Knut wäre Baby Jonas tributpflichtig. Und würde man beide Kinder aus Versehen auf der Station vertauschen, wäre die Rollenverteilung umgekehrt.

Ich vergaß: Es gibt so etwas wie Eigenverantwortung, und wir haben in unserem Land Chancengleichheit. Aber stimmt das wirklich? Ein Radfahrer, der gegen starken Gegenwind ankämpft, hat kaum die gleichen Chancen wie jemand, dem der Wind in den Rücken bläst. Deshalb meine ich: Wer für unbeschränktes Erben eintritt, hat damit die Chancengleichheit als politisches Ziel aufgegeben.

Eigentlich ist die Erbschaftssteuer traditionell dafür konzipiert, diese Ungerechtigkeit zu begrenzen. In der Bayerischen Verfassung heißt es sogar: „Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern“ (Art. 123). Gut gemeint. Aber nur etwa 15 Prozent der Deutschen kommen jährlich in den Genuss einer größeren Erbschaft oder Schenkung. Der Rest ist faktisch „enterbt“.

Die glückliche Minderheit wird von der Erbschaftssteuer meist nicht behelligt. Die Freibeträge belaufen sich auf 500.000 (Ehegatten) oder 200.000 (Kinder). Die Steuersätze sind nur für entfernte Verwandte wirklich „bedrohlich“: 30 Prozent bei einem Erbe von 600.000 Euro. Kinder kommen mit 15 Prozent davon, was verkraftbar ist, wenn man bedenkt, dass damit 85 Prozent dem selbst erarbeiteten Einkommen leistungslos hinzugefügt werden. Wenn ein Erbe nicht ganz ungeschickt ist, wird er die bezahlte Steuer durch Miet- und Zinseinnahmen schnell wieder hereinholen.

Das feudale Zeitalter beenden!

Angesichts der machtvollen Zinseszinsdynamik und der für Erben sehr milden Gesetzgebung verwundert es, dass noch nirgendwo ein Vermögen von über einer Billion Dollar angehäuft wurde. Liegt in der Beschränkung auf dreistellige Milliardensummen doch ein Rest kollektiver Vernunft? Leider ist die Wahrheit unangenehmer: Kriege, Naturkatastrophen, Finanzkrisen und Währungsreformen haben die großen Vermögen in der Vergangenheit immer wieder vernichtet. Oder drastisch ausgedrückt: In einem globalen Monopoly, dessen „natürlicher“ Spielausgang darin besteht, dass am Ende einem die ganze Erde gehört, konnte nur millionenfaches menschliches Leid, zum Beispiel durch Kriege, das gröbste Unrecht verhindern.

Dabei betraf die Geldvernichtung hauptsächlich das Bar- und das Buchgeld. Boden- und Unternehmensbesitz blieben auch über die Weltkriege hinweg sehr oft unangetastet. Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich, fordert in seinem Buch „Gemeinwohlökonomie“, Unternehmen nicht ausschließlich an Söhne und Töchter, sondern an eine „demokratische EigentümerInnengemeinschaft“ zu übergeben. Blutsverwandte könnten sich nach diesem Modell unter bestimmen Umständen daran beteiligen, folgten ihren Eltern aber nicht mehr automatisch in Führungspositionen nach. Dazu Felber: „Das ist, im Grunde genommen, nur ein noch ausständiger Schritt aus dem feudalen Zeitalter, den wir bisher — dank intensiver ideologischer Schulung — noch nicht unternommen haben.“

„Germinal“ ist überall

Nach dem Feudalismus prägten Erbschaften auch das Gesicht des frühindustriellen Zeitalters. In seinem Roman „Germinal“ (1885) berichtet Émile Zola von einem Streik bitterarmer Bergarbeiter in Nordfrankreich. Ihrem elenden Schicksal wird das Leben der reichen Familie Grégoire gegenübergestellt, die seit Generationen von den Erträgen einer einzigen Aktie lebt.

Vater Grégoire hat diese Aktie nicht einmal selbst erarbeitet. Daher empfindet er „tiefe Dankbarkeit für eine Anlage, die seit einem Jahrhundert die Familie so schön ernährte, dass sie die Hände in den Schoß legen konnten. Diese Aktie war gleichsam ihre Gottheit, die ihr Egoismus mit einem Kultus umgab, die Wohltäterin der Familie, die sie in einem breiten Bett der Trägheit wiegte, an einer leckeren Tafel mästete“. Es ist, zugegeben, ein besonders drastisches und fiktives Beispiel — aber keineswegs realitätsfremd. Zustände wie in „Germinal“ prägten die Vergangenheit Europas, vielleicht werden sie auch seine Zukunft bestimmen.

Erben in der heutigen Form verursacht gesamtgesellschaftlich offensichtlich mehr Schaden als Nutzen. Christian Felber begründet dies so:

„Das — unbegrenzte — Erbrecht annulliert die einzige ‚natürliche‘ negative Rückkoppelung des Kapitalismus: dass aufgebaute und konzentrierte Vermögen wieder dekonzentriert und zerteilt werden. Damit ist es das vielleicht größte Einzelhindernis auf dem Weg zu einer chancengleichen, egalitären und demokratischen Gesellschaft.“

Im Tod gibt es kein Eigentum

Bemerkenswert am Prinzip der Vererbung von Privateigentum ist, dass sie — je nach Betrachtungsweise — sowohl natürlich als auch unnatürlich ist. Natürlich, weil die meisten Menschen, wenn nicht starke Gründe dagegensprechen, ihr Eigentum nach dem Tod am liebsten den eigenen Kindern überlassen. Will der Staat dies ändern, muss er Zwang ausüben. Und der bedarf in einer funktionierenden Demokratie immer der sorgfältigen Begründung mit Verweis auf ein übergeordnetes Interesse.

Unnatürlich ist das Vererben, weil der Sterbende sein Eigentum ja nicht mitnehmen kann. Was immer sich der Einzelne unter dem Tod oder dem „Jenseits“ vorstellt — er geht nackt hinüber. Der Körper eines Verstorbenen wird wieder ein Teil der Erde, seine Form löst sich auf, seine Moleküle verteilen sich überall. Über die Seele eines Verstorbenen gibt es verschiedene Ansichten. Manche meinen, sie erlösche; andere glauben, sie löse sich im „Ganzen“, in Gott, auf. Nur für das Eigentum soll das Prinzip der Auflösung im großen Ganzen nicht gelten. Besitz bleibt der genetischen „Verlängerung“ des Verstorbenen zugeordnet: seinen Erben. Analog zu dem, was mit dem Körper und der Seele geschieht, wäre es aber logischer, Eigentum ginge in Gemeinschaftsbesitz über.

Brutpflegeinstinkt und Wunsch nach Unsterblichkeit

Wie konnte sich etwas so offensichtlich Unlogisches und Ungerechtes so lange halten? Wenn wir diese Frage beantworten wollen, stoßen wir — wie so oft — zuerst auf die herrschenden Machtverhältnisse. Zum anderen glauben auch Benachteiligte des herrschenden Erbrechts oft irrtümlich, dieses sei zu ihrem Vorteil. Damit verhält es sich wie mit dem Zins. Der wird von vielen Normalbürgern als „Freund“ betrachtet, weil sie mit ihren 1.000 Euro auf dem Sparkonto vielleicht 15 Euro Rendite erwirtschaften konnten.

Die Betreffenden erkennen nicht, dass rund 30 Prozent ihrer Ausgaben für versteckte Zinsen draufgehen. Ebenso ist es mit dem Erbe: Man freut sich über die Porzellanvase der verstorbenen Tante oder die 5.000 Euro, die die alte Mutter noch auf ihrem Sparbuch hatte. Wenige erkennen, dass auch beim Erben die überwältigende Mehrheit der Menschen draufzahlt.

Das Gesamtvermögen in Deutschland beläuft sich jährlich auf 8,1 Billionen Euro.

„Würde dieses zu gleichen Teilen auf alle neu in das Erwerbsleben Eintretenden verteilt, wären das bis zu 200.000 Euro pro Person.“

Das Beispiel stammt von Christian Felber und ist nicht mehr aktuell, es zeigt aber, um welche Größenordnung es geht. Jeder, der weniger als 200.000 Euro erbt, gehört rechnerisch demnach zu den Verlierern. Natürlich ist dieses Beispiel zu grob gerechnet. Wir müssen im Anschluss noch gesondert über die Vererbung von Immobilien und Unternehmen nachdenken.

Wenn wir fragen, warum die meisten Normalbürger dem Prinzip des Erbens intuitiv eher Sympathie entgegenbringen, kommen wir — neben mangelnder Informiertheit — vor allem auf drei Gründe:

  1. eine Art „Brutpflegeinstinkt“. Man möchte seine Kinder versorgt wissen, auch über den eigenen Tod hinaus;
  2. die Verdrängung des Todes. Man hofft, in seinen Erben noch indirekt weiterleben zu können;
  3. den Wunsch nach Macht. Man möchte über den Tod hinaus das Verhalten der Nachkommen dominieren. Man manipuliert sie sogar schon vor dem Tod, indem man mit dem Erbe lockt oder mit seinem Entzug droht. Hinzu kommt auf der Empfängerseite natürlich die Sehnsucht nach leistungslosem Einkommen.

Erbstreitigkeiten und unfähige Kronprinzen

Von diesen Gründen sind mindestens die ersten beiden legitim und sollten kein Anlass zu Kritik und Spott sein. Es fragt sich jedoch, ob man auf diesen Bedürfnissen unsere Rechtsordnung aufbauen darf, wenn gewichtige Gründe nach anderen Lösungen verlangen.

Man vergisst leicht, dass Erbschaften seit Urzeiten Anlass für viel psychisches Elend, Neid und Ungerechtigkeit waren. Ein Beispiel ist die Situation auf Bauernhöfen im ländlichen Raum.

Teilte man Hof und Grund auf alle Kinder auf, so war der Besitz parzelliert, die Einzelteile waren nicht mehr überlebensfähig. Also vererbte man alles dem ältesten Sohn. Der jüngere musste sich beim Nachbarbauern als Knecht verdingen. Die älteste Tochter wurde gut verheiratet. Die jüngere blieb ledig und pflegte aufopferungsvoll die alte Mutter, obwohl diese sie durch Enterben gnadenlos dafür bestraft hatte, eine Frau zu sein. Solche Konstellationen vergiften zahllose Familien nach dem Tod des Erblassers — und schon vorher, indem sich Kinder zu unterwürfigem und intrigantem Verhalten veranlasst sehen.

Nicht besser ist die Situation bei der Vererbung von Familienunternehmen. Christian Felber beklagt:

„Das Erbrecht führt dazu, dass die meisten Unternehmen, die heute von UnternehmerInnen aufgebaut werden, morgen von Personen geführt werden, die sich in erster Linie dadurch qualifiziert haben, Sohn und Tochter des/der VorbesitzerIn zu sein.“

Es gibt also, außer der Gefahr willkürlicher Enterbung, auch noch andere Nachteile der heutigen Praxis: Ungeeignete und unwillige Erben werden in verantwortungsvolle Positionen gehievt und bestimmen über das Wohl und Wehe der Angestellten. „Stille Erben“ begnügen sich mit einer Position im Hintergrund und schöpfen im Unternehmen nur den Rahm ab, also Gewinne, die nicht von ihnen, sondern von den Mitarbeitern erwirtschaftet wurden. Fähige Manager werden, da nicht von edlem Geblüt, von der Spitze ferngehalten. Felber spottet:

„Fänden Sie es ‚effizient‘, dass die Mitglieder des Fußballnationalteams von morgen die Söhne und Töchter der SpielerInnen von heute sind? Fänden Sie es ‚gerecht‘? Das heutige Erbrecht funktioniert leider genauso.“

Milliardenvermögen kann man nicht „verdienen“

In welche Richtung sollten Lösungen also gehen? Der Geldtheoretiker Silvio Gesell (1862 bis 1930) wollte „arbeitsloses Einkommen“ nicht gänzlich abschaffen und warnte vor dem „sozialistischen Zuchthausstaat“. In der Tat sind Übertreibungen zu vermeiden. „Harte Arbeit“ sollte im Zeitalter der Automatisierung nicht mehr zum Fetisch erhoben werden. Es geht im Kern darum, Eigeninitiative und Leistung nicht zu ersticken, dem emotionalen Bedürfnis der Menschen nach Privateigentum und Versorgung der Nachkommen entgegenzukommen und zugleich ungesunde Überkonzentration von Vermögen, Produktionsmitteln und Boden zu verhindern.

Hierzu gibt es aus jüngerer Zeit ein paar bedenkenswerte Vorschläge. Sahra Wagenknecht argumentiert in ihrem Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ wie folgt:

„Wer sein Einfamilienhaus, sein erarbeitetes Spargeld und seine persönlichen Gegenstände in der Hand seiner Kinder wissen will, den sollte der Fiskus in Ruhe lassen. Millionen- oder gar milliardenschwere Großvermögen dagegen beruhen nie nur auf der Arbeitsleistung eines einzelnen Menschen. Vielfach wurden sie selbst bereits ererbt.“

Als Schlussfolgerung schlägt Wagenknecht vor, Erbschaften generell auf 1 Million Euro zu begrenzen. Alles, was darüber hinausgeht, solle mit einer Steuer von 100 Prozent belastet werden.

Angestellte sind keine „Manövriermasse“

Betriebsvermögen, das die 1-Million-Grenze überschreitet, soll laut Wagenknecht jedoch nicht an den Staat gehen, „sondern würde in unveräußerliches Belegschaftseigentum übertragen“. Die meisten Firmenerben, argumentiert sie, seien ohnehin nicht daran interessiert, ein Unternehmen weiterzuführen. Nur 20 Prozent der Unternehmen gingen auf die zweite Generation, nur 7 Prozent auf die dritte Generation über.

„Erben führen also nichts weiter, sie verkaufen. Die Beschäftigten, auf deren Arbeit der Unternehmenserfolg wesentlich beruht, werden zur Manövriermasse ohne relevante Mitspracherechte.“

Es geht der linken Politikerin also nicht nur um die gerechte Verteilung von Gewinnen, sondern auch darum, die Würde der Mitarbeiter zu achten. Dies gelingt am besten, indem ihnen Verantwortung und Gemeinschaftseigentum übertragen werden. Indem man die Privilegien derer abbaut, die sich „die Mühe gaben, geboren zu werden“, beschreitet man auch den „Weg in eine echte Leistungsgesellschaft“.

Zur Vererbung von nicht unternehmensgebundenem Vermögen macht Sahra Wagenknecht keine präzisen Angaben. Wichtig scheint, dass Vermögen über 1 Million nicht mehr der „Kriegskasse“ von Machtkartellen zur Verfügung stehen, die damit ein Flächenbombardement gegen den Sozialstaat und die Daseinsvorsorge der Bürger durchführen. Was die Verwendung der eingenommenen Gelder betrifft, so bleibt die talkshowfreudige Linke jedoch vage. Christian Felber macht für die Verwendung der Gelder einen präziseren Vorschlag. Er will Erbschaften bei Finanz- und Immobilienvermögen auf 500.000 Euro pro Person begrenzen.

„Darüber hinausgehende Erbvermögen gehen in das Eigentum der Allgemeinheit über und werden zu gleichen Teilen an die Nachkommen der nächsten Generation verteilt.“

Mögliche Lösung: die „demokratische Mitgift“

Diesen Zuschuss für alle Nachkommen nennt Felber die „demokratische Mitgift“. Sie könnte jungen Menschen zum Beispiel automatisch mit ihrem 18. Geburtstag ausgezahlt werden. Ob diese das Geld dann auf Partys verprassen, den Grundstein für Wohneigentum legen oder für ihre Rente sparen, bleibt ihrem Temperament überlassen.

Würde die demokratische Mitgift zum Beispiel 50.000 Euro pro Person betragen, erhielte jemand, der von seinen Eltern später 75.000 Euro erbt, nur noch die Differenz: 25.000 Euro. Der Rest käme der Gemeinschaft zugute, speziell jungen Menschen ohne privates Erbe. Die demokratische Gesellschaft würde Berufsteinsteigern damit signalisieren: Ihr seid uns etwas wert, und wir trauen euch etwas zu. Bisher ist die Botschaft eine andere: Die meisten jungen Menschen werden der Wirtschaft als Billigarbeiter zur Verwertung ausgeliefert, erben unsere Umweltschäden und unsere Schulden, erhalten jedoch keinerlei „Mitgift“.

Was das Weitervererben von Immobilien betrifft, so weist Felber darauf hin, dass in Österreich nur fünf Prozent der Bevölkerung ein Haus besitzen, das mehr wert ist als 450.000 Euro. Die wenigsten würden also bei einer Erbschaftsreform verlieren. Und wer doch betroffen wäre, käme nicht gerade an den Bettelstab, zumal ein Anwesen im Wert von einer Million ja auf zwei Erben verteilt werden könnte.

„Eine einzelne Person, die dieses Riesenhaus alleine besitzen möchte, müsste den 500.000 Euro übersteigenden Wert des Hauses der Allgemeinheit ablösen, in den demokratischen Erbpool.“

Für Unternehmen schlägt Christian Felber vor, „dass Familienmitglieder Unternehmensanteile im Wert von maximal zehn Millionen Euro erben dürfen (Startwert). Die darüber hinausgehenden Anteile gehen a) in das kollektive Eigentum der Beschäftigten über (…), b) an ausgewählte Nichtfamilienmitglieder.“ Dieses Modell wird im Buch natürlich noch präzisiert.

Privilegienerhalt für den Geldadel

Im Übrigen würde eine Begrenzung der Hinterlassenschaften auf ein „Höchsterbe“ einige Probleme lösen, die „rostendes“ Geld — wie es zum Beispiel bei den derzeit etwas aus der Mode gekommenen Regionalwährungen eingesetzt wurde — ungelöst lässt. Die Vermögen schmelzen durch Negativzins als Umlaufsicherung nämlich nur sehr langsam. Die ungesunde Konzentration von Macht und Vermögen bleibt lange erhalten. Auch können die Großvermögensbesitzer auf Sachwerte ausweichen: Boden, Immobilien, Lebensmittel. Damit richten sie mitunter noch mehr Schaden an als mit ihren Geldvermögen, die nach spekulativen Anlagemöglichkeiten gieren.

Bei einer Obergrenze für Erbschaften risse wenigstens Gevatter Tod den privilegierten Familien das Streichholz aus der Hand, mit dem sie zündeln und das Dach der Realwirtschaft in Brand setzen könnten.

Welches der genannten Modelle sinnvoll ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Sicher ist, dass es nicht so weiter gehen kann wie bisher. Eine Neuordnung des Erbrechts ist notwendig. Dabei gibt es Grenzlinien, die wir nicht überschreiten sollten, wollen wir nicht in die unmenschliche Variante eines zentralistischen Sozialismus verfallen. So darf die Funktionstüchtigkeit der Betriebe und Höfe nicht verloren gehen. Die Vertreibung von Kindern aus elterlichen Wohnungen und kleineren Häusern sollte als besondere Härte vermieden werden. An der Unternehmensführung interessierte und dazu befähigte Söhne und Töchter sollten auf sinnvolle Weise eingebunden werden.

Im Wesentlichen aber sollte die Nutzung von vererbtem Gut an eigenen oder gemeinschaftlichen Gebrauch, an Sozialverträglichkeit und an die Bereitschaft gekoppelt sein, durch Eigenleistung dessen Wert zu erhalten. In allen anderen Fällen ist Weitervererbung nichts als Privilegienerhalt für einen Geldadel, den zu alimentieren sich unsere schlingernde Volkswirtschaft nicht mehr leisten kann.

Es aus eigener Kraft schaffen

Damit sollen den glücklichen Erben von heute nicht grundsätzlich unlautere Absichten unterstellt werden; ihre Privilegien sind ja nicht selbst „verschuldet“. Die Hoffnung auf eine Erbschaft ist heute auch eine Kompensation für vorenthaltene Chancen, aus eigener Kraft zu Wohlstand zu gelangen. Arbeit wird vielfach als „Gnade“ von Arbeit-Gebern gewährt, künstlich verknappt und schlecht bezahlt. Da erscheint ein Erbe geradezu als Rettungsanker — der leider eben nicht allen zur Verfügung steht. Wenn aber neben dem Erbrecht auch an anderen politischen Stellschrauben gedreht wird, kann eine Gesellschaft entstehen, die mehr Gelassenheit und positivere Zukunftsaussichten begünstigt. Dann wird auch die Gier nach einem möglichst großen Erbe schwinden.

Niemand muss mehr nach dem Vermögen von Vater oder Mutter schielen, wenn ihm eine wertschätzende Gemeinschaft die Startchancen gibt, es selbst zu schaffen.


Quellen und Anmerkungen:

  • Christian Felber: Gemeinwohlökonomie, Verlag Deuticke, 160 Seiten, Euro 15,90
  • Sahra Wagenknecht: Freiheit statt Kapitalismus, Verlag Eichborn, 365 Seiten, Euro 19,99
  • Andreas Eschbach: Eine Billion Dollar, Verlag Bastei Lübbe, 896 Seiten, Euro 9,99