Ohne faire Chance
In Corona-Fällen urteilen Richter, die nicht selten selbst von Vorurteilen beherrscht werden. Exklusivabdruck aus „Corona-Staat“.
„Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“, lautet eine bekannte Redewendung. Wer mit der Justiz in Konflikt kam, hat nicht selten die Erfahrung gemacht, dass bei Prozessen so gut wie jeder Ausgang möglich ist. Und dies, obwohl die Rechtsgrundlagen eigentlich klar sein und objektiv angewendet werden sollten. Zu oft „menschelt“ es jedoch im Gerichtssaal, die Richter urteilen auch gemäß ihrer Tagesstimmung und ihrer weltanschaulichen Ausrichtung. Dies ist besonders fatal, wenn es um Anklagepunkte geht, die ein Thema der aktuellen Politik betreffen. Wenn es etwa um eine Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit einer Corona-Maßnahme geht, müssen Beklagte oft gegen doppelten Gegenwind anrennen. Nicht nur die Regeln selbst setzen sie ins Unrecht, auch die persönliche Angst der Richter vor Ansteckung und gegebenenfalls ihre Abneigung gegen „Querdenker“ können den Ausgang des Prozesses beeinflussen. Ganz abgesehen davon, dass Richter, die konträr zur Politik der Regierung geurteilt haben, nicht selten diffamiert und drangsaliert wurden. Justitia ist eben nicht grundsätzlich blind, oft ist sie eher einäugig. Auch die Urteilenden sind Menschen mit Defiziten, sie sind Kinder einer in den Wahn abdriftenden Zeit und — was erschwerend hinzukommt — auch Mediennutzer.
Wird man als Anwalt von seinem Mandanten gefragt, wie das Verfahren denn wohl ausgehen werde, ob man wohl Recht bekommen werde, sagen manche: Ach, wissen Sie, vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Gemeint ist damit, eigentlich kann einem alles passieren, jeder Verfahrensausgang ist letztlich möglich. Auch im Strafrecht ist es aus meiner Sicht eigentlich immer so, alles erscheint möglich, auch wenn man meinen möchte, hier wären die Regeln doch klar und jeder wisse genau, was man tun darf und was nicht.
Doch oft lässt ein Sachverhalt Raum für Auslegungen, und mir scheint, mehr als in anderen Rechtsgebieten kommt es im Strafrecht darauf an, in welcher Stimmung man am Verhandlungstag den Richter oder die Richterin vorfindet und in welche Stimmungslage man das Gericht im Laufe des Verfahrens versetzt. Trifft man auf Verständnis, hat man eine Chance, dass die Sache eingestellt wird oder dass man einen Freispruch erreicht. Hat das Gericht dagegen fortgesetzte Zweifel an der Richtigkeit der wiedergegebenen Geschichte, dann endet das Verfahren wohl nicht mit einer Einstellung oder einem Freispruch.
Im Falle von Sachverhalten aus dem Corona-Zusammenhang haben es die Angeklagten oder Betroffenen (bei einer Straftat wird man angeklagt, bei einer bloßen Ordnungswidrigkeit ist man Betroffener) mit einer zusätzlichen Hürde zu tun, einer Schwierigkeit, die mir selbst erst im Laufe der Zeit in ihrer ganzen Tragweite bewusst wurde. Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht hatte ich schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Damit habe ich notgedrungen erst wieder im letzten Jahr begonnen, weil sich immer mehr Rechtssuchende an mich wandten, die ich nicht abweisen wollte. Und so war mit anfangs nicht sofort klar, wo in den strafrechtlichen Corona-Themen das eigentliche Problem liegt.
Der Leser oder die Leserin möge sich einmal vorstellen, sie oder er säße auf dem Richterstuhl. Es ist Corona. Im Gerichtssaal herrscht Maskenpflicht. Zwischen Richterstuhl und den Tischen für die Staatsanwaltschaft sowie die Verteidigung sind Plexiglaswände aufgebaut. Die Beteiligten betreten den Saal. Zuletzt erscheint man als Richterin oder Richter, alle erheben sich, setzen sich. Und man hat selbst gehörig Angst vor dem Virus, vor der Ansteckung, vor den möglichen Folgen. Und vor einem sitzen nun Leute, ein Betroffener, dem vorgeworfen wird, die Maskenpflicht oder das Abstandsgebot vernachlässigt zu haben. Und ein Anwalt, der seinen Mandanten verteidigt und somit die Tat rechtfertigt. Und dann diese eigene Angst. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es schwierig ist, als Richter die eigene Angst hintanzustellen.
Erst im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass in den Fällen mit Corona-Bezug zu der üblichen Hürde, dass ein Gericht dem Angeklagten oder Betroffenen erst einmal ohnehin nicht glaubt, noch die Hürde hinzukommt, dass viele Richter selbst in großer Angst befangen sind und nach wie vor dem staatlichen Narrativ ernsthaft Glauben schenken.
In einem vom Sachverhalt her einfachen Fall saß ich vor einer Richterin am Amtsgericht in Schorndorf. Es ging um einen Verstoß gegen die Maskenpflicht bei einer Versammlung im April 2021. Meine Mandantin war bei der Verhandlung nicht anwesend, ich hatte sie von der Pflicht, im Termin zu erscheinen, entbinden lassen. Der Sachverhalt war mit der Richterin schnell besprochen, von der Staatsanwaltschaft war — wie häufig — niemand anwesend, es waren auch keine Zeugen zugegen, weil die Richterin deren Aussagen für unnötig gehalten hatte. Meine Mandantin trug also keine Maske, aber sie nahm auch weder an der stationären Versammlung noch am Aufzug teil, sondern hielt nur eine Rede auf der Bühne, ansonsten stand sie abseits.
Ein wichtiges Detail, an das sich in ein paar Jahren vermutlich keiner mehr erinnern wird: Wenn während Corona für eine Versammlung oder ein Aufzug eine Masken- oder Abstandsauflage galt, dann mussten die Teilnehmer diese erfüllen, zufällig vorbeilaufende Passanten jedoch nicht. Weil das Virus weiß, wer Demonstrant und wer Passant ist und nur den Demonstranten befallen will.
Meine Mandantin also stand abseits, war nicht Teil der Versammlung, aber sie hielt eine Rede, dafür ging sie zur Bühne, dort sprach sie ohne Maske (was kein Problem war, denn das Virus unterscheidet auch zwischen Rednern und Zuhörern), und dann verließ sie den Versammlungsraum wieder. Somit war schnell klar, das wird ein Freispruch oder zumindest eine Einstellung. Von den Polizisten, die sie trotzdem kontrollierten, auch abseits der Versammlung und des Aufzugs, wurde sie nur auf die nicht getragene Maske angesprochen. Meine Mandantin verfügte auch über ein Maskenbefreiungsattest. Danach fragten die Polizisten sie aber nicht. Sie erwähnte es auch nicht von selbst, wollte nur die Personalien möglichst schnell aufnehmen lassen, um dann weitergehen zu können. Vor Gericht legte ich das originale Attest vor und erhielt eine Einstellung, auch auf Kosten der Staatskasse. Zum Freispruch konnte sich die Richterin nicht bewegen lassen.
Da der Fall schnell erledigt war, hatten wir noch etwas Zeit für ein freundliches Gespräch. Die Richterin erwähnte, sie habe sich neulich die Spaziergänger einmal genauer angesehen, sie habe sich ein eigenes Bild machen wollen. Und sie sei erstaunt gewesen, ganz normale Menschen zu sehen, aber erkennbare Rechtsextreme seien nicht darunter gewesen. Ich fragte nach, ob sie diese denn erwartet hätte. Natürlich, antwortete sie schnell, überall höre man davon, alle diese Leute, die da so auf Demonstrationen gegen Corona gehen — ich unterbrach sie, „gegen Corona“ gehe eigentlich niemand demonstrieren, das bringe auch nicht viel, gegen ein Virus auf die Straße zu gehen — ja, ja, das sage man doch so, gegen die Maßnahmen halt, aber alle jedenfalls, die da auf die Straße gehen, die seien doch entweder Coronaleugner oder Reichsbürger oder Rechtsextreme.
Wir sprachen noch eine Weile, dann verabschiedeten wir uns, es war mir gelungen, das Gespräch zu einem halbwegs höflichen Ende zu bringen. Aber ich merkte auf der Rückfahrt, wie mich eine Mischung aus Ärger und Enttäuschung beschlich.
Die eigentlich klug wirkende Frau war voller Angst und Vorurteile und hatte ganz offensichtlich ein völlig verzerrtes Bild von den Realitäten. Und mir wurde klar, dass man als Anwalt und als Betroffener gegen die Angst und gegen die Vorurteile der Richterin oder des Richters ankämpfen muss, während sie oder er selbst gar nicht so sehr gegen seine Vorurteile ankämpft.
Das hat natürlich unweigerlich Auswirkungen darauf, wie in einem Fall entschieden wird.
In den Ordnungswidrigkeiten geht es meist um banale Vorgänge. Die Skandalisierung des Unspektakulären, das Eindringen der Staatsmacht in den privaten Raum, das macht das Unrecht hier aus
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Zitate aus dem Buch
„Die sogenannte Corona-Krise, in der wir uns nach wie vor befinden und die uns noch sehr, sehr lange begleiten wird, hat glasklar ans Tageslicht gebracht, dass es in einer Bevölkerung wie der deutschen offenbar kein Einvernehmen mehr gibt, was Recht und was Unrecht ist. Das ist eine vollständige Katastrophe.“
„Die Justiz hat sich eine Funktion im Politspiel aufzwingen lassen, und so hat sie selbst dazu beigetragen, dass sich das Recht weiter politisieren ließ, in dem Sinne, dass ein gutes Recht nur sei, welches die Staatsraison stütze. So aber ist die Freiheit nahezu verloren gegangen, und wir Bürger, wir Menschen in diesem Rechtssystem, befinden uns schon fast in einem rechtfertigenden Notstand, wenn wir Ungerechtes nicht länger hinnehmen wollen.“
„Alles klingt für mich zu klein, zu wenig dramatisch, als dass es den aktuellen Zustand unseres Gemeinwesens, unserer Politik, unserer Bevölkerung, unseres Rechtssystems, unseres Bildungssystems, des Bürgersinns und Gerechtigkeitsempfindens auch nur ansatzweise auszudrücken vermag. Um es auf den Punkt zu bringen: Dieses Land, seine Kultur und seine Zivilisation sind wohl auf dem Wege hin zu einer vollständigen Zerstörung.“
„Kein persönliches Augenmaß, kein Gewissen, kein individuelles Rechtsempfinden scheint bei der Mehrheit der Deutschen aktuell vorhanden zu sein, um dagegen aufzubegehren, was eine skrupellose Politikerkaste in putschähnlicher Manier im Namen eines ‚Hygieneregimes‘ seit Anfang 2020 an Menschenrechtsverstößen begangen hat.“
„Grundrechte werden begründungslos auf unbestimmte Zeit suspendiert. Freiheitsrechte werden tagtäglich beschnitten. Menschenrechte werden mit Füßen getreten. In Deutschland. In Europa. Weltweit. Besonders aber hierzulande, in Deutschland. In dem Land, das am ehesten aus der Geschichte hätte gelernt haben müssen.“
„Die Corona-Krise hat uns den Zustand unserer gegenwärtigen Rechtsgemeinschaft in deutlichen Bildern vor Augen geführt. Wir befinden uns als Wertegemeinschaft in Auflösung und als Rechtsgemeinschaft in Agonie, weil die Instanzen und kulturellen Landmarken ihrer Orientierungskraft beraubt oder durch Ideologien korrumpiert wurden. Zivilisatorisch ist der Umgang mit Corona ein Desaster.“
„Mit den Regelungen rund um die epidemische Notlage von nationaler Tragweite hat der Bundestag zusammen mit dem Bundesrat ein umfassendes Notverordnungsrecht geschaffen, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Die Verordnungsermächtigung schließt auch schwerwiegende Grundrechtseingriffe nicht aus — im Laufe der Zeit mussten wir feststellen, dass der Gesetzgeber bereit war, sogar noch darüber hinauszugehen.“
„Mit dem völlig verunglückten Start in das erste Pandemie-Jahr schlug der Bundesgesetzgeber eine Richtung ein, die in der Folge von den Landesgesetzgebern und nachgeordneten Behörden übernommen wurde. Auf Ebene der Länder ergingen Regelungen, bei denen fortan nur sehr beiläufig auf die Einhaltung verfassungsrechtlicher Schranken geachtet wurde — einfach deshalb, weil der Bund es vorgemacht hatte. Warum sollte man sich schon akribisch an die Verfassung halten, wenn doch der Bund gezeigt hatte, dass es auch ohne strikte Achtung des Grundgesetzes geht?“
„Ich habe die Befürchtung, das gesetzgeberische Versagen war in Wirklichkeit ein Test, um herauszufinden, wie weit man gehen kann, ohne dass es Konsequenzen hat, und wie weit die breite Masse der Bevölkerung im Namen der Pandemie- und Ansteckungsangst mitzugehen bereit ist. Wie sich zeigte, überraschend weit. Nie hätte ich gedacht, dass sich die Menschen so schnell und in vielen Fällen klaglos einer Unsinnigkeit ergeben würden. Die Angst war offenbar groß, ja übergroß, und versetzte das Volk in eine Massenhysterie, der mit Argumenten, so schien es, nur schwerlich zu begegnen war.“
„Wenn auch die Judikative ihre Rolle als Kontrollorgan zugunsten der Staatsraison aufgegeben hat, bleibt am Ende nichts anderes als ein totalitärer Unrechtsstaat.“
„Wie werden wir das, was den Kindern in den Schulen während dieser Zeit von Lehrern, Schulleitern und auch Eltern angetan wurde, mit etwas zeitlichem Abstand wohl bezeichnen? Werden wir hierfür den Begriff der Qual nutzen oder werden wir es Folter nennen?“