Profit mit dem Tod

Die Schweiz gilt als eines der friedlichsten Länder der Erde — aber Schweizer Geld und Schweizer Rüstungsgüter sind an vielen Konfliktherden vorn dabei.

Keine Waffen in Krisengebiete oder in Länder, die in Kriegshandlungen verwickelt sind. Es wäre eine einfache und eine plausible Regel. Eigentlich sollte sie zumindest in der friedliebenden Schweiz gelten. Aber wie viele Länder blieben dann als „Zielgruppe“ für die Rüstungsindustrie überhaupt noch übrig? Genügt es, nur Israel auszusparen, oder müsste man nicht ebenso Deutschland boykottieren, das in die Kriege der Ukraine und Israels tief verstrickt ist? Der Schweizer Bundesrat nimmt es schon lange nicht mehr so genau mit der Moral. Das Hemd ist ihm näher als der Rock, und die Profite Schweizer Banken und Rüstungsfirmen sind ihm wichtiger als das Leben potenzieller Kriegsopfer.

Die früheren Schweizer Bundesrätinnen Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey forderten vom Bundesrat schärfere Kritik an Israel im Zusammenhang mit dem Gazakrieg. Bundesrat Ignazio Cassis erinnerte zwar schon den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu an das Völkerrecht.

Kriege während der Amtszeit von Dreifuss und Calmy-Rey

Zur Erinnerung: Während der Amtszeit der Bundesrätin Ruth Dreifuss (1993 bis 2002) und der Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (2003 bis 2011) wurden auch Kriege geführt, die Millionen Menschen das Leben gekostet hatten. Unter vielen anderen dokumentierten diese Kriege Armin Wertz in seinem Buch „Die Weltbeherrscher“ aus 2017 und Daniele Ganser in seinen Dokumentationen „Illegale Kriege“ aus 2016 und „Imperium USA“ aus 2023. Vielleicht haben damals die Bundesrätinnen Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey schärfer Stellung gegen diese Kriege bezogen als heute Ignazio Cassis beim Gazakrieg?

Kriegsmaterialexporte während der Amtszeit von Dreifuss und Calmy-Rey

Auch während der Amtszeit von Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey exportierte die Schweiz Kriegsmaterial an die damals kriegführenden NATO-Staaten und an andere Regimes, die in militärische Konflikte verwickelt waren und die Menschenrechte mit den Füßen traten, die, wie die USA in Guantánamo, Abu Ghraib, Bagram und anderswo folterten. Innerhalb des Gremiums der sieben Bundesräte haben Dreifuss und Calmy-Rey vermutlich Stellung genommen gegen diese widerrechtlichen Waffenexporte der Schweiz an kriegführende Länder und an Regime, die folterten? Vielleicht schlugen sie damals protestierend sogar mit der Faust auf den Tisch?

Für den Krieg im Gazastreifen sind nicht nur Netanyahu und Israel verantwortlich, sondern auch die Staaten, die Israel Kriegsmaterial liefern: die USA, Deutschland, Italien und weitere Länder. Ohne diese Waffenhilfe könnte Israel keinen Tag lang Krieg führen.

Auch die Schweiz ist indirekt am Gazakrieg beteiligt

Die Schweiz exportiert Kleinbestandteile für Waffen nach den USA, Deutschland, Italien und an weitere Staaten, die auch Israel Rüstungsgüter verkaufen. Etwa 50 Prozent aller Kriegsmaterialexporte der Schweiz sind solche Kleinbestandteile, die dann im Ausland in Waffen eingebaut werden, die auch nach Israel gelangen können. Für diese Kleinbestandteile gilt das Wiederausfuhrverbot wie für ganze Waffen nicht, wie für Kanonen des deutschen Unternehmens Rheinmetall und Panzerwagen der US-Firma Mowag (General Dynamics).

Nach dem Bundesgesetz über das Kriegsmaterial darf die Schweiz kein Kriegsmaterial in Länder exportieren, „die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind“. Die USA, Deutschland, Italien und weitere Staaten sind durch ihre Waffenlieferungen an Israel, und auch an die Ukraine, in einen „bewaffneten Konflikt verwickelt“.

Der Bundesrat und das Parlament müsste das Kriegsmaterialgesetz respektieren und deshalb keine Waffenexporte an Länder bewilligen, die Waffen nach Israel und an die Ukraine liefern, auch nicht Kleinbestandteile für Waffen. Die Schweizer Bürger respektieren Gesetze, aber der Bundesrat und das Parlament respektiert das Kriegsmaterialgesetz nicht.

Bundesgesetz über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG)

Auslandsgeschäfte nach Artikel 22 und Abschlüsse von Verträgen nach Artikel 20 werden nicht bewilligt, wenn:

  • das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist;
  • das Bestimmungsland Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzt;
  • im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird; oder
  • im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird (1).

Für 23,117 Milliarden Franken Kriegsmaterial exportiert

Die Schweiz exportierte von 1975 bis 2024 für 23,117 Milliarden Franken Kriegsmaterial. Diese Rüstungsgüter wurden zum großen Teil an Staaten verkauft, die in Kriege verwickelt waren, die Menschenrechte mit den Füßen traten und in denen Menschen in großer Armut lebten. In diesen Konflikten, die die Schweiz mit Waffen bediente, sind Millionen Menschen getötet, verletzt, ins Elend gestürzt oder zu Flüchtlingen geworden (2).

Bild in Zürich-Oerlikon an einer Schutzwand einer Baustelle bei der Regensbergerbrücke. Was wollten die Sprayer mit diesem fürchterlichen Bild sagen? — In Oerlikon produziert Rheinmetall Waffen für die Kriege dieser Welt. Foto: Heinrich Frei


In den 23,117 Milliarden Franken der Kriegsmaterialexporte sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheint in diesen Zahlen nicht. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Produktion von in der Schweiz verbotenen Waffen, von Atombomben, Anti-Personenminen und Streubomben beteiligt waren. (3).

„Direkte und indirekte Finanzierung“ von verbotenem Kriegsmaterial

Laut dem Kriegsmaterialgesetz ist die „direkte und indirekte Finanzierung“ von verbotenem Kriegsmaterial klar untersagt. Verbotene Waffen sind in der Schweiz chemische und biologische Waffen, Atombomben, Streubomben und Antipersonen Minen (1).

Aus Rücksicht auf die NATO weigert sich der Bundesrat auch das Atomwaffenverbot zu unterzeichnen, obwohl das Parlament das vor einigen Jahren mehrheitlich beschlossen hat.

Wie der Bundesrat verlauten ließ, will er sich unter den Atomwaffenschirm der NATO stellen, um die Schweiz zu beschützen. Deshalb ist der Bundesrat gegen ein Atomwaffenverbot.

Investitionen von Schweizer Institutionen in die Atomwaffenindustrie

Von der Schweiz wurden zwischen Januar 2021 und August 2023 4,023 Milliarden US-Dollar in Firmen investiert, die Atombomben herstellen, laut ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Bericht „Untenable investments“, Unhaltbare Investitionen) Die Schweiz könnte in diesen Sektor eigentlich noch mehr investieren, denn in dieser Periode haben 287 Institutionen der Finanzbranche astronomische Summen in 24 Firmen investiert, die Atomwaffen produzieren. 477 Milliarden US-Dollar wurden weltweit in der Nuklearwaffenbranche angelegt. Dem Welternährungsprogramm stand 2022 34-mal weniger Geld zur Verfügung: nur 14,1 Milliarden US-Dollar.

Geldanlagen in die Rüstungsindustrie müssten in der Schweiz verboten werden, in dem Land von Henry Dunant, dem Depositärstaat der Genfer Konventionen, und dem Sitz des Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf.

Bekannt ist, wie oben schon erwähnt, dass Schweizer Geldhäuser Milliarden in Firmen investieren, die Atombomben herstellen. Nicht bekannt ist, wie viel Geld sie in Unternehmen stecken, die konventionelle Waffen herstellen. — Geld ist ja genug vorhanden. — Mit verwalteten Vermögen von 1,8 Billionen Dollar ist allein die Schweizer Bank UBS (Union Bank of Switzerland) der mit Abstand größte Akteur der Asset-Management-Industrie der Schweiz. Das ist sehr viel Geld: Für das Jahr 2024 wird das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz auf rund 825 Milliarden Schweizer Franken (CHF) geschätzt. Das von der UBS verwaltete Vermögen ist damit 2,2-mal höher als das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz von 2024. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 betrug das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands rund 4,31 Billionen Euro (4 Billionen CHF). In Deutschland leben neunmal mehr Menschen als in der Schweiz.

Sind Beteiligungen an Waffenkonzernen nachhaltige Anlageprodukte?

Das Geschäft mit dem Krieg ist seit der Katastrophe in der Ukraine wieder „Big Business“. Das ruft auch die Finanzindustrie auf den Plan, die von den Umwälzungen profitieren will. Vermögensverwalter bieten vermehrt Anlageprodukte an, die am Rüstungsboom teilhaben sollen. Etliche Anbieter haben vor Kurzem Fonds lanciert, die ausschließlich in Aktien von Waffenkonzernen investieren. Ein besonders kontroverses Signal setzte jüngst die UBS: Die Abteilung für Vermögensverwaltung (Asset Management) hat Ende März ihre sogenannte Sustainability Exclusion Policy geändert. Neuerdings sind Beteiligungen an Waffenkonzernen sogar in nachhaltigen Anlageprodukten erlaubt. Künftig können Portfoliomanager der Großbank Aktien von Panzerproduzenten, Lenkwaffen- und Handgranatenherstellern in ihre Nachhaltigkeitsprodukte aufnehmen (4).

UBS musste 2008 mit 60 Milliarden Schweizer Franken gerettet werden

Was ist das für eine ehrenwerte Bank, die empfiehlt, mit dem Kauf von „nachhaltigen“ Rüstungsaktien Profite zu machen? Die UBS musste 2008 mit 60 Milliarden Schweizer Franken vom schweizerischen Staat vor dem Konkurs gerettet werden. Am 16. Oktober 2008 präsentierten die Schweizer Regierung und die Schweizerische Nationalbank einen Hilfsplan zur Rettung der UBS: 6 Milliarden Franken vom Bund zur Wiederherstellung der Eigenmittel der Bank und 54 Milliarden Dollar von der Zentralbank, damit die UBS die illiquiden Wertpapiere in einen Spezialfonds transferieren und auf bessere Zeiten für den Wiederverkauf warten konnte. Diese Wertpapiere wurden auf einer von der Schweizerischen Nationalbank selbst auf den Cayman Inseln eingerichteten „Zweckgesellschaft“ geparkt.

Die Geschichte wiederholte sich vor zwei Jahren. Damals „musste“ oder „durfte“ die UBS die zweitgrößte Bank der Schweiz die Credit Suisse zu einem Schnäppchenpreis übernehmen. Die Credit Suisse hatte sich im internationalen Finanzcasino verspekuliert, wie Professor Marc Chesney auf der Plattform InfoSperber schrieb (5).

Zur Erinnerung: Marc Chesney, Professor für Finanzmathematik an der Universität Zürich hatte früher auch die Finanztransaktionen vor den Ereignissen vom 11. September 2001 (9/11) untersucht.

Interview mit Professor Chesney in Zürich

Auf dem Friedhof Fluntern in Zürich, Ende August 2024, interviewt Lars Schall Marc Chesney, ehemaliger Professor für Finanzmathematik an der Universität Zürich zum Thema 9/11-Insidertrading (6).

Interview von Lars Schall mit Marc Chesney (7)


Bild: Titelblatt der Zeitschrift „Union pacifiste“ Mensuel No. 624, Avril 2025, Übersetzung des Textes über dem Bild: Wenn mir bewiesen würde, dass meine Ideale durch das Führen eines Krieges eine Chance hätten, verwirklicht zu werden, würde ich trotzdem Nein zu einem Krieg sagen. Denn eine menschliche Gesellschaft lässt sich nicht auf einem Haufen Leichen errichten. (Louis Lecoin 1888 bis 1971), Übersetzung des Textes unter dem Bild: Das Künstlerkollektiv „Black Lines“ hat am 2. März in Paris und Nantes ein Fresko gegen den Krieg geschaffen, „Guerre à la guerre“, „Krieg dem Krieg!“. Die Redaktion der Union pacifiste schreibt: Dies ist auch der Titel der neuesten Publikation unseres Freundes Pierre Sommermeyer, kürzlich erschienen in der „Edition du monde libertaire“ und präsentiert in der Nummer 621 der Zeitschrift „Union pacifiste“.