Rechts gegen rechts
Die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ ist politisch und gesellschaftlich fatal und vermutlich auch juristisch nicht haltbar. Doch die rechtliche Bewertung ist gar nicht das eigentliche Problem.
Eine rechte Partei zu verbieten — diesen Versuch gab es schon mal. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit seiner Ablehnung des NPD-Verbots seinerzeit selbst vors Schienbein getreten, wie sich jetzt herausstellt. Die damalige Begründung des Gerichts, die NPD sei zu bedeutungslos, lässt sich auf die AfD nicht anwenden. Denn im Gegensatz zur mit V-Leuten durchtränkten NPD kann die AfD Millionen Wähler hinter sich versammeln. Doch es ist gut möglich, dass das Bundesverfassungsgericht gar nicht zum Zug kommt, denn ein Verbot der AfD ist womöglich gar nicht notwendig.
Oscar Lafontaine: Rechtsextreme kämpfen gegen Rechtsextreme
In seinem kurzen Text „Rechtsextreme kämpfen gegen Rechtsextreme“ bringt Oscar Lafontaine die Sache auf den Punkt:
„Dass in der AfD Fremdenfeindlichkeit und Hass auf Muslime verbreitet ist, war für den Verfassungsschutz einer der Gründe, die Partei als gesichert rechtsextrem einzustufen.
Aber auch die Verbreitung von Hass und Hetze gegen Russen ist rechtsextrem. Warum kritisiert der Verfassungsschutz die Bundestagsparteien nicht, die täglich Russenhass verbreiten? Sollte es bei ihm selbst solche rechtsextremen Einstellungen geben?
Ebenso ist die Befürwortung von Aufrüstung und Sozialabbau Kennzeichen rechter Parteien. Aber nicht nur die AfD, sondern auch die übrigen Bundestagsparteien treten dafür ein.
Waffenlieferungen an Kriegsparteien, zumal wenn man damit einen Völkermord wie im Gazastreifen unterstützt, sind ohne Zweifel Merkmale rechtsextremer Parteien. Waffenlieferungen statt Friedensdiplomatie verlängern Krieg und Zerstörung.“
Nun ist es aber in Deutschland mittlerweile so, dass zwischen „Rechtsextremismus“ und „Rechtsextremismus“ unterschieden wird. Passt es den Herrschenden in den Kram, ist eine Partei, sind ihre Mitglieder und die Wähler rechtsextrem, passt es nicht, handelt es sich um die diffuse „regelbasierte Ordnung“ oder schlicht um „Demokratie“. Millionen Menschen glauben diese Erzählung schon lange nicht mehr, sie wenden sich von den etablierten Parteien angewidert ab und schenken ihre Zuneigung der AfD.
Wie geht es weiter?
Die große Frage, die im Raume steht und bereits sehr konkrete Formen annimmt, ist die nach einem Verbot der AfD. Durch alle Parteien zieht sich eine Spur der Verwirrung, denn während die Hardliner der etablierten Parteien ihre Felle — vollkommen zu Recht! — davonschwimmen sehen, halten sich andere eher zurück. Ein Jens Spahn etwa predigt einen Umgang mit der AfD, wie er auch mit anderen Parteien gepflegt wird, rudert ein paar Schlagzeilen später wieder zurück und prescht dann wieder nach vorn. Die Grünen sind nahezu grünflächendeckend für ein AfD-Verbot, wissen sie doch, dass ihre Politik faktisch nur noch politisch korrekte SUV-Fahrer mit „Atomkraft? Nein, danke“-Aufkleber gutheißen, die sich bei Wein und Käse an den Speckgürteln deutscher Großstädte in ihren Gärten aalen.
Dennoch: Die Stimmung ist gespalten, so gespalten wie die Bevölkerung, die die AfD mal aus Überzeugung wählt, mal aus purer Rache an den anderen Parteien, mal, weil sie glaubt, die Partei sei eine Arbeiterpartei, und mal, weil sie keine richtige Vorstellung über die Programmatik der AfD hat. In den Parteizentralen herrscht eher eine Kombination aus purer Glückseligkeit ob der Vorstellung, die Alternative für Deutschland wäre endlich „verschwunden“, auf der einen Seite, um auf der anderen Seite in blanke Panik zu verfallen bei der Vorstellung, das Verbotsverfahren könnte scheitern.
Und tatsächlich: Sollte das Bundesverfassungsgericht einen Verbotsantrag ablehnen, wäre die fast schon unangreifbare Stellung der AfD in Deutschland auf Jahre gesichert.
Nicht gesichert rechtsextrem, sondern so gesichert wie das Amen in der Kirche. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht besonders in der Corona-Episode eindrucksvoll gezeigt, dass es nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Es hat die undemokratischen Entscheidungen der Bundesregierung in Regelmäßigkeit abgesegnet, was teils an fehlender fachlicher Kompetenz der Richter lag — die nun einmal keine Mediziner sind —, teils daran, dass nur Fachleute hinzugezogen wurden, die auf Regierungslinie waren, und teils schlicht, weil das Gericht seine Unabhängigkeit abgelegt hat wie einen nassen Mantel. Ein Restrisiko der Verbotsbefürworter aber gibt es nach wie vor, was die Sache schwierig macht.
Selbst wenn man kein Jurist ist, mutet ein mögliches Verbot der AfD merkwürdig an, wenn man bedenkt, dass dazu aktiv an der Schwächung oder gar Zerstörung dessen, was sich in Deutschland noch immer „Demokratie“ nennt, gearbeitet werden müsste. Provozierendes Kichern bei Redebeiträgen der politischen Konkurrenz im Bundestag oder die schon als Klassiker zu bezeichnende Aussage Alexander Gaulands — vor gefühlt 800 Jahren —, man werde die etablierte Politik „jagen“, reichen als Belege für die gezielte Zerstörung der „freiheitlichen Grundordnung“ aber wohl kaum aus, da müsste die AfD schon mit schwererem Gerät auffahren.
Und auch die Vorwürfe, die AfD sei fremdenfeindlich, greifen zu kurz. Zwar scheint diese Karte in Zeiten der Annahme, Hass sei keine Meinung, zu stechen. Aber weder Fremdenfeindlichkeit noch Hass sind verboten, diese Attribute wurden dem Ausdruck von Gefühlen lediglich angedichtet. Wenn der Autor dieses Textes auf die irrige Idee käme, einen von zehn Lesern seines Artikels zu hassen, wäre das ziemlich dumm und in Anbetracht dessen, dass er keinen der Leser seines Textes persönlich kennt, auch sachlich nicht begründbar. Im Falle eines daraus entstehenden Gerichtsverfahrens würde aber jeder Richter bei Verstand fragen: „Ja, und was soll ich jetzt tun? Der Mann fühlt, was er fühlt.“
Zerstörung funktioniert auch ohne Verbot
Ein denkbares Szenario sieht das Verbot der AfD gar nicht vor. Und es zeichnet sich ab, dass es Realität wird. Denn die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ reicht schon aus, um den Druck auf die AfD massiv zu erhöhen. Schon einen Tag nach der Einstufung durch den Verfassungsschutz wurden die ersten Stimmen laut, die nahelegten, Beamte im öffentlichen Dienst zu überprüfen, wenn sie Mitglieder der AfD sind. Sofort rannten die Gralshüter der Demokratie in den sozialen Medien los und posteten, was das Zeug hält. Man könne doch keine Beamte mit AfD-Mitgliedsausweis in öffentlichen Ämtern dulden, lässt sich auf X und anderswo nachlesen. Gleiches gilt auch schon für andere Bereiche, etwa den Freizeitsport:
Es gehört zum Spiel dazu, dass auch hier sogleich Politiker um die Ecke kamen, die anmahnten, solch pauschale Aussagen nicht zu tätigen, es käme auf den Einzelfall an, der stets überprüft werden müsse. Jene Einzelfälle dürften schon jetzt kalte Füße bekommen, wissen sie doch gar nicht, ob sie zum erlauchten Kreis der gesichert Rechtsextremen gehören, deren Beamtenkarriere womöglich — natürlich nach genauer Prüfung des Einzelfalls — abrupt beendet werden könnte. Hinzu kommen Schlagzeilen der „Qualitätspresse“, die herausgefunden haben will, dass knapp die Hälfte der Deutschen für ein Verbot der AfD sei.
Regelrecht ratlos gibt sich Anja Reschke, einst Journalistin, heute nur noch das Abbild einer Sprechpuppe in Stöckelschuhen, die in einem Video sagte:
„Jetzt weiß ich gerade irgendwie nicht mehr weiter, weil, dass die AfD eine andere Gesellschaft will und sich nicht an Spielregeln hält, das wissen wir.“
Reschke spricht über eine Gesellschaft, die in der Tat besser anders wäre, aber sie meint es natürlich nicht so, wie der nach Demokratie Schmachtende es sich wünschen würde. Und die Spielregeln werden offenbar gerade neu festgelegt, inklusive der Mitarbeit der Komplizen des Totalitarismus aus Medien, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, die fleißig an jenen neuen Regeln feilen.
Um es kurz zu machen: Nach dem „Gutachten“ der weisungsgebundenen Behörde namens Verfassungsschutz können Hetzjagden gegen die AfD, ihre Mitglieder und Wähler auf ein neues Niveau gehoben werden, was besonders die Menschen in Ostdeutschland heftig treffen wird.
Das Innenministerium macht sich einen schlanken Fuß und leugnet glatt die Abhängigkeit des Verfassungsschutzes gegenüber dem Innenministerium, während es genüsslich dabei zusehen kann, wie der AfD aus allen möglichen Ecken der Republik ein noch kälterer Wind entgegenweht. Nancy Faeser, die den Stein ins Rollen gebracht hat, hat ihre letzte „große Tat“ vollbracht, sie wäscht die Hände, an denen Finger baumeln, die einfach nicht vom Angriff auf die Demokratie lassen können, in vermeintlicher Unschuld. Den Rest erledigen ohnehin ihre Nachfolger, gewissenlose Journalisten und längst auf Denunziantentum eingespielte Bürger, die ja sowieso seit 2020 schon auf Betriebstemperatur sind.
Die neuen Ungeimpften
Demokratie, Vielfalt, Meinungsfreiheit und natürlich der „Kampf gegen Rechtsextremismus“ — das sind die Zutaten, aus denen eine demokratische Gesellschaft ihre Kraft schöpft. Es sei denn, diese Begriffe sind nur hohle Phrasen, und genau das trifft in Deutschland zu. Man kann sich Nächte um die Ohren schlagen, um den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, an dem Deutschland den Pfad des Totalitarismus betreten und den der Demokratie verlassen hat. Viel falsch machen kann man aber nicht, wenn man den Beginn der Corona-Episode als Ausgangspunkt der schwerwiegend schädlichen Entwicklung als Ausgangspunkt annimmt.
Was damals die „Tyrannei der Ungeimpften“ war, sind heute der „Extremismus“ der AfD, die Uneinsichtigkeit der „Klimaleugner“ und der Friedenswunsch der „Lumpenpazifisten“.
Vielfalt? Nein, wirklich nicht, nicht mehr; das, was den Menschen als Vielfalt verkauft wird, sind auserkorene Minderheiten mit elitärem Ansatz, die es vor dem großen Rest zu schützen gilt. Es fällt inzwischen schwer, sich zu einem Thema so zu positionieren, dass es der „Gesellschaft“ recht ist; geringe Abweichungen in der Analyse der Probleme unserer Zeit werden mit Druck, Ausgrenzung, Diffamierung und Angriffen auf die private und/oder berufliche Existenz quittiert. Wohl denen, die noch auf der „richtigen Seite“ stehen, sie können sich sonnen in dem surrealen Gefühl, im besten Deutschland aller Zeiten und in der schönsten Demokratie des Universums zu leben. Aber wehe denen, die hier auch nur leise Zweifel aufbauen. Sie werden nicht weiter geschützt von der Demokratie und ihren Verteidigern.
Bis auf Weiteres gibt es in Deutschland keinen Ausweg aus dieser totalitären Falle. Eine positive Aussicht gibt es aber dennoch: Wenn irgendwann nur noch eine Handvoll Totalitaristen übrig ist, könnte sich die Mehrheit mit ihren vielfältigen Meinungen, Gefühlen und Überzeugungen am Ende doch noch durchsetzen. Die Frage wird dann sein, wer die besseren Mittel hat, um zum Schluss die Nase vorn zu haben. Aber in diesem Fall muss man wohl über längere Zeiträume denken als in unvollendeten Legislaturperioden.