Rückenwind für Rubikon

Der systemkritische Psychiater und Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz ist neues Mitglied im Rubikon-Beirat.

Mehr als 150.000 Leserinnen und Leser sowie mehrere Millionen Kontakte auf Facebook schenken dem Rubikon Monat für Monat viel Aufmerksamkeit. Und es werden immer mehr Menschen, die verstanden haben, dass unsere neoliberalen Mainstream-Medien ein starkes Gegenüber brauchen. Wir, der Rubikon, brauchen dafür ein starkes Team an Freigeistern, die ihren gesunden Menschenverstand nicht verloren haben, die investigativ und beständig dem kapitalistischen System auf die Finger schauen, die neue Lösungsansätze hervorbringen, für eine bessere, für eine gerechtere, für eine Enkelkindertaugliche Welt.
Das sind auf der einen Seite unsere namhaften Autorinnen und Autoren, Journalistinnen und Journalisten, die sich mit viel Engagement und Mut ihren Rücken nicht verbiegen lassen und Fragen stellen, die unbequem und herausfordernd sind und auf der anderen Seite unser Rubikon-Beirat, dem seit dem 24. April nun auch der Hallenser Psychoanalytiker und Psychiater Dr. Hans-Joachim Maaz angehört. Das Rubikon-Team freut sich über diesen neuen starken „Rückenwind“ und heißt Dr. Maaz herzlich willkommen.

Dr. Maaz ist ein bemerkenswerter Mann. Keiner bringt wie er die gesellschaftlichen Dramen so analytisch und gleichzeitig berührend auf den Punkt, dass jeder Satz von ihm eine Herausforderung zum Handeln ist. In seinem aktuellen Buch „Das falsche Leben“ beschreibt Dr. Hans-Joachim Maaz unsere kranke Gesellschaft als ein Produkt fehlinterpretierter frühkindlicher Fremdbetreuung und benennt die nicht gern gehörten Fakten:

„Eine zu frühe Trennung des Kindes von der Mutter führt immer zu einer traumatischen Erfahrung des Kindes. Die für die gesunde Entwicklung des Kindes so wichtige frühe Bindung (an die Mutter) lässt sich daher nie durch Bildung ersetzen.“

Kinder, die in den ersten drei Lebensjahren eine natürliche und intensive Bindung zu ihrer Mutter erfahren haben, hätten auch ein völlig natürliches Interesse an Bildung und müssten diese nicht durch einen viel zu frühen Kita-Besuch staatlich organisiert erfahren.

Eine klare Aussage eines bedeutenden Wissenschaftlers, die aber, schaut man sich heutzutage in Deutschland um, systematisch ignoriert wird. Besonders die Mainstream-Medien steigen immer stärker auf den Bildungszug im frühkindlichen Alter auf. Immer häufiger kann man dort lesen, dass frühkindliche Betreuung sogar zum Erfolg im späteren Leben beitrage.

Welcher Erfolg hier gemeint ist, wird bei näherer Betrachtung sofort klar: Es ist der Erfolg des Stärkeren, desjenigen, der sich mit seinen Ellenbogen besser durchsetzen kann und am Ende aus Sicht des kapitalistischen Systems den größeren materiellen Erfolg hat.

So titelte vor vierzehn Tagen erst die ZEIT: Ein Jahr mehr Kita sei gut für die Persönlichkeit. Eine neue Studie des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) habe herausgefunden, dass ein früher KITA-Besuch Durchsetzungsfähigkeit und Pflichtbewusstsein fördere.

Aus Sicht des Kindes und seiner Seele sei diese gesellschaftliche Entwicklung aber eine große Katastrophe, schreibt und sagt Dr. Maaz in zahlreichen Büchern und Vorträgen, denn das falsche (angepasste) Leben sei die Folge von Beziehungsstörungen von Anfang an.

„Das falsche (angepasste) Leben erscheint uns zunächst als das richtige und erwünschte, weil es zunächst durchaus erfolgreich ist – bemessen an den Mainstream-Werten – und gar nicht mehr als Fehlentwicklung wahrgenommen wird, weil ja alle (oder zumindest die meisten) so denken, urteilen und sich verhalten. Dies beschreibt der Fachbegriff der Normopathie.“

Dr. Hans-Joachim Maaz ist eine Wohltat, er spricht das aus, wozu wir in unserem falschen Leben kaum noch in der Lage sind und – wenn wir diese Fehlentwicklung auszudrücken versuchen – dann bezeichnet unser ebenfalls normopathisch lebendes Umfeld dies als unnormal. Empathie und Mitmenschlichkeit geraten dabei immer stärker aufs Abstellgleis.

Umso mehr braucht der Rubikon starke Persönlichkeiten wie Dr. Hans-Joachim Maaz, die uns und der Welt erklären, wie es gelingen kann, das falsche Leben zu verlassen, um in ein richtiges, echtes, authentisches Leben zu wechseln. Nur dieses bringt uns ein hohes Maß an Zufriedenheit und persönlichem Wachstum. Ein Leben, das uns die Freude bereitet, mit der wir als Baby auf diese Welt gekommen sind. Ein Leben, das uns erfüllt und uns zu friedlichen, bedingungslos liebenden, empathischen Menschen macht.

„Wir Menschen werden niemals als GUTE oder BÖSE geboren, sondern dazu gemacht“, sagt Dr. Maaz.

Erst wenn uns diese Verantwortung und Chance, die jeder von uns hat, am gesellschaftlichen Gesamtprozess bewusst wird, werden auch unsere übergeordneten Probleme nach und nach von der Bildfläche verschwinden. Feindschaften können gehen und Freundschaften an deren Stelle treten. Denn, so Dr. Maaz weiter:

„Der Grund für Feindschaften ist in aller Regel eine tiefe seelische Not auf beiden Seiten. Dabei sitzen Arm und Reich, Oben und Unten, Links und Rechts in Wirklichkeit in einem Boot, nämlich dem des ‚falschen Lebens‘, und keine Seite ist, psychologisch gesehen, besser dran als die andere. Keiner von beiden ist gut oder böse, liegt nur richtig oder falsch. Wahrheit ist die größte Gefahr, mit der eigenen Fehlentwicklung konfrontiert zu werden, die ja in aller Regel mit vermeintlich guten Argumenten heftig verteidigt wird. Um dieser Wahrheit willen: Rubikon!“


Hans-Joachim Maaz: Das falsche Leben

Hans-Joachim Maaz: Selbstentfremdung: Wie der Mensch zum Mitläufer wird