Spätes Echo

Das Forscherteam, welches den vielbeachteten Corman-Drosten-Review-Report veröffentlicht hat, hat auf eine Presseanfrage des Rubikon geantwortet.

Der Drosten-PCR-Test ist ein Welterfolg, gemessen an seinem Verbreitungsgrad. Aber ist er auch zuverlässig? Auch im etablierten Wissenschaftsbetrieb gibt es Zweifel. 22 Wissenschaftler plädierten im November 2020 für die Depublikation des sogenannten Corman-Drosten-Papiers, das zur fachlichen Grundlage der Tests und der mit ihren verbundenen Grundrechtseinschränkungen geworden war. Doch der Vorstoß wurde kaum wahrgenommen, obwohl die Verfasser ihren Antrag — was der üblichen Vorgehensweise widerspricht — zuerst im Internet veröffentlicht hatten. War es zu unbequem, was die Drosten-Kritiker ins Feld führten — etwa dass die Tests nicht zwischen Virus und Virusfragmenten unterscheiden? Laurent Stein fragte für den Rubikon nach und bekam Antwort von Dr. Ulrike Kämmerer.

Am 27. November 2020 reichte ein internationales Konsortium von 22 Wissenschaftlern bei der europäischen Fachzeitschrift für öffentliche Gesundheit Eurosurveillance einen Antrag auf Rücknahme des viel zitierten Corman-Drosten-Papiers ein, welches im Januar 2020 veröffentlicht worden war und welches das erste Protokoll zum Nachweis des SARS-CoV-2-Virus mit einem Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktionstest (PCR) enthielt. In ihrer Arbeit mit dem Titel „Corman-Drosten-Review-Report“ weisen die Gutachter auf zehn schwerwiegende Fehler im besagten Papier hin, die den PCR-Test laut ihrer Aussage zu einem „ungeeigneten Diagnosewerkzeug zur Identifikation des SARS-CoV-2-Virus“ machen.

Einige Kritikpunkte an der Arbeit des Teams um Professor Christian Drosten lauten unter anderem, dass der Test nicht zwischen Virus und Virusfragment unterscheide, dass die Corman-Drosten-Studie kein ordnungsgemäßes Peer-Review-Verfahren durchlaufen habe und dass es massive Interessenskonflikte aufseiten der Autoren der Studie gebe.

Der Corman-Drosten-Review-Report stieß insbesondere in den deutsch- und englischsprachigen Alternativmedien auf großes Interesse, wo er seither rege diskutiert wird. In den etablierten Medien hingegen blieb das Echo bisher eher verhalten. Um etwas mehr Klarheit in einige der Punkte zu bringen, die in den Redaktionen etablierter Medien für ausgeprägtes Stirnrunzeln sorgen könnten, habe ich in Zusammenarbeit mit einem befreundeten Wissenschaftler eine Presseanfrage mit vier kritischen Fragen an die Autoren des Corman-Drosten-Review-Reports geschickt.

Am 18. Januar 2021 erhielt ich von Dr. Ulrike Kämmerer, Virologin und Immunologin an der Universität Würzburg, stellvertretend für alle Autoren Antworten auf meine Fragen. Im Folgenden finden Sie alle Fragen und Antworten unverändert wiedergegeben.

Laurent Stein: Warum haben Sie im Rahmen Ihrer Veröffentlichung den eher unüblichen Weg gewählt, Ihr Papier zunächst im Internet zu veröffentlichen, anstatt sich an die „herkömmliche Prozedur“ der Einreichung wissenschaftlicher Papiere zu halten? Da Ihr Team überwiegend aus Personen besteht, die den Wissenschaftsbetrieb sehr gut von innen kennen, gehe ich davon aus, dass Sie bewusst in Kauf genommen haben, dass Ihr Papier — unabhängig von dessen Inhalt — vor allem in Kollegenkreisen allein aufgrund dieser Tatsache stark kritisiert werden könnte und womöglich an Glaubwürdigkeit einbüßt.

Dr. Kämmerer: Die Arbeit ist natürlich zuerst an Eurosurveillance eingereicht und auf einen Preprintserver gestellt worden. Die unübliche Art der zeitnah anschließenden Publikation auf einer eigenen Homepage ist der aktuellen ungewöhnlichen Situation geschuldet, in der diese PCR-Publikation quasi der Startpunkt der PCR-diagnostizierten Coronapandemie war. Wir erachten es einfach als extrem wichtig, dass diese fragwürdige Publikation mit ihren weitreichenden Folgen diskutiert wird, denn immerhin ist das PCR-Protokoll ja von den Autoren bereits eine Woche vor Einreichen der Arbeitauf der WHO-Seite empfohlen worden und war die Basis für die kommerziellen Kits von TIB Molbiol, welche ebenfalls bereits vor Einreichen der Publikation weltweit versendet und vertrieben wurden.

Aufgrund der erheblichen Interessenskonflikte der Autoren und auch der sicherlich unangenehmen Situation für die Editoren von Eurosurveillance bestand die Gefahr, dass unsere Kritik in der Schublade verschwindet — und nach einem sehr langen Begutachtungsprozess dann als nicht publizierbar zurückgewiesen wird.

So erleichtert und fördert unsere Homepage die internationale wissenschaftliche Diskussion, was sich bereits in zahlreichen Zuschriften anderer Wissenschaftler gezeigt hat. Auch haben wir so die Möglichkeit, zeitnah neue Erkenntnisse einzubringen und in die direkte Diskussion — via Kommentarfunktion — mit der „Community“ zu treten, und dabei auch tatsächlich schon viele gute fachliche Hinweise bekommen. So sollte ein wissenschaftlicher Diskurs aussehen, der dann auch wirklich zu Erkenntnisgewinn führt.

Insofern kann man diese Homepage-Veröffentlichung mit Kommentarfunktion als Testbeispiel auffassen, wie künftig der wissenschaftliche Diskurs und die Gutachtersysteme transparenter zu gestalten sind, als es im eingefahrenen und absolut intransparenten bisherigen Review-System möglich ist.

Ferner haben internationale Anwaltskonsortien schon auf unsere Ergebnisse der Begutachtung für ihre Klagen gewartet – daher war dieser Schritt ebenfalls notwendig, auch wenn das im „reinen Wissenschaftsprozess“ auch nicht Usus ist. Aber auch das war immens wichtig, und dadurch sind schon die ersten Klagen in verschiedenen Ländern vor Gericht.

Warum fordern Sie so direkt die Entfernung des Corman-Drosten-Papiers? Angenommen, Ihre Thesen bewahrheiten sich: Was spräche dagegen, das Corman-Drosten-Papier trotz seiner Fehlerhaftigkeit weiterhin veröffentlicht zu lassen? Dies gäbe der Forschergemeinschaft immerhin die Möglichkeit, aus den gemachten Fehlern zu lernen, um diese in Zukunft zu vermeiden.

Es ist in der Wissenschaft üblich, dass solche Arbeiten dann zurückgezogen werden müssen. Wenn ein ordentliches Review-Verfahren gelaufen wäre, dann wäre diese Publikation nie so veröffentlicht worden, denn sie erfüllt die notwendigen Kriterien für gute wissenschaftliche Arbeiten nicht.

Für die schlampige Arbeit gilt auch nicht die Ausrede, die wir schon von „Unterstützern“ der Autoren bekommen haben, zum damaligen Zeitpunkt wäre ja Eile geboten gewesen. Zum einen bestand zum Zeitpunkt der PCR-Entwicklung keine Not — weder gab es Patienten in Europa noch war eine Pandemie ausgerufen worden —, und zum anderen hatten die Wissenschaftler vom China CDC (Chinesisches Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention) alles im Griff. Sie hatten die Patienten, die Virusisolate, die Virussequenzen und natürlich auch die PCR.

Sich hinzustellen und zu meinen, China hätte auf die rettende PCR aus Berlin gewartet, zeugt schon von einer gewissen Hybris.

Und wenn die Kontrollen gefehlt haben: Die Autoren hätten ja mal ihre chinesischen Kollegen nach Problemen fragen können — wie gesagt, es bestand ja keine objektive Eile.

Wie erklären Sie es sich, dass Ihr Papier von der Forschungsgemeinschaft — zumindest den Zahlen nach zu urteilen — noch nicht aufgegriffen wird: keine Zitationen laut Google Scholar?

Zum einen ist die Arbeit ja recht neu — also im Verhältnis zu den Zeiträumen, in denen normalerweise publiziert und zitiert wird —, und zum anderen werden Arbeiten ja nur im Kontext zitiert — also, wenn jetzt jemand die PCR von Corman et alii untersuchen/einsetzen würde. Ferner werden kritische Arbeiten, die nicht auch in PubMed stehen, sondern bisher nur auf Preprintservern, eher selten zitiert. Das braucht dann von den zitierenden Wissenschaftlern auch etwas Mut, um Nicht-Mainstream-Arbeiten auch wirklich zu zitieren. Da gibt es gute Untersuchungen, dass negative Arbeiten sehr selten Eingang in die Zitierzirkel finden.

Allerdings wurde die Arbeit auf Research Gate, dem beliebtesten sozialen Netzwerk für Wissenschaftler, bereits fast 90.000-mal angesehen und hat damit bereits jetzt mehr Interesse bekommen als 99 Prozent aller sonstigen auf Research Gate vorgestellten Publikationen.

Warum enthält Ihr Papier keine experimentellen Daten? Wäre die Erhebung solcher Daten angesichts dessen, dass es sich beim PCR-Verfahren um ein etabliertes, von zahlreichen Laboren angewandtes Verfahren handelt, nicht naheliegend gewesen?

Ja, das stimmt, aber auch ein Gutachter, „Reviewer“, der eine wissenschaftliche Publikation zur Begutachtung bekommt, wird die dort enthaltenen Experimente nicht selber nachkochen, sondern nur das vorliegende Manuskript beurteilen. Ist es schlüssig? Passen die Methoden? Ist alles korrekt zitiert? Sind die Ergebnisse plausibel dargestellt und glaubwürdig? Und wie ist das Verhältnis der Daten zu dem bereits in diesem Bereich vorhandenen Vorwissen? Genau das haben wir mit dem Corman-et alii-Manuskript gemacht – so wie es in einem echten Review-Verfahren üblich gewesen wäre.

Aber da der Vorwurf mit dem „wet lab“ öfter kam, haben wir uns die Mühe gemacht, einmal die Literatur zu sichten, in der die von Corman et alii vorgestellte PCR verwendet und auch bewertet wurde. Das Ergebnis der Literatursichtung haben wir als Addendum wieder an Eurosurveillance eingereicht, auf verschiedenen wissenschaftlichen Preprintservern (zum Beispiel hier) publiziert und auch auf unserer Homepage veröffentlicht.