SPD: Leider keine Rentenwende durch Nahles und Schulz

Über das falsche Spiel mit der Rente seitens der SPD.

Wenn man nach dem Guten in den SPD-Rentenplänen sucht, dann stößt man zunächst auf ihre pure Existenz. Immerhin hat die SPD in Sachen Rente ein klares Konzept vorgelegt. Das unterscheidet die Sozialdemokraten deutlich von der Union, der Martin Schulz zu Recht vorwirft, die Karten nicht auf den Tisch zu legen. Doch was sind die Schulz-Nahles-Pläne in der Rente wirklich wert? Der wichtigste Punkt ist die „doppelte Haltelinie“. Eine Formel, die Andrea Nahles bereits vor Monaten aus der Tasche zauberte, aber nun noch einmal mit neuen Zahlen füllte: Das Rentenniveau von heute 48 Prozent soll nicht weiter absinken. Gleichzeitig soll der Beitragssatz maximal auf 22 Prozent steigen. Was wie ein Befreiungsschlag für Rentner und Beitragszahler gleichermaßen klingt, ist bei Licht betrachtet ein mageres Versprechen. Es gilt nur bis zum Jahr 2030. Und wie Andrea Nahles selbst einräumt: Bis 2028 könnten die versprochenen Haltelinien nach den gültigen Prognosen der Bundesregierung ohnehin eingehalten werden. Der Unterschied zur bisherigen Regierungslinie ist also nur marginal.

Und was ist ein stabiles Rentenniveau? Es bedeutet, dass sich für die Mehrheit der Rentner erst einmal nichts verbessert. Der bis heute erfolgte Rentenkahlschlag besteht weiter. Schulz und Nahles wollen daran nichts ändern. Die enormen Einbußen, die für Neurentner verglichen mit dem Zustand vor den Riester-Reformen real – also nach Einrechnung der Preissteigerung – oft mehr als 30 Prozent betragen, werden nicht korrigiert. Es soll nur nicht noch weiter bergab gehen – jedenfalls bis 2030.

Und was bedeutet ein Beitragssatz von maximal 22 Prozent bis zum Jahr 2030? Damit wird exakt das Versprechen eingehalten, was Schröder und Riester seinerzeit den Arbeitgebern in die Hand versprochen hatten. Die Arbeitgeber sollen auch weiter darauf bauen können, dass sie höchstens mit 11 Prozent am Rentenbeitrag beteiligt werden. Und die Arbeitnehmer? Sie sollen ebenfalls bis zu 11 Prozent für die Rente zahlen, aber das ist noch längst nicht alles. Sie sollen noch riestern und zudem in eine neue Form der Betriebsrente einzahlen. Das verschlingt in den nächsten Jahren weitere 7 Prozent vom Bruttoeinkommen. Macht zusammen eine Belastung von 18 Prozent allein für die Arbeitnehmer. Und das alles nur, weil die SPD-Spitze nicht von ihrem Kardinalfehler lassen will: Der Teilprivatisierung der Rente unter Schröder.

Mit einer verblüffenden Beharrlichkeit wollen auch Nahles und Schulz diesen Irrweg weitergehen. Die Riester-Zulagen werden erhöht. Und die Verbreitung der neuen Betriebsrenten soll mit aller Macht vorangetrieben werden. Dabei handelt es sich genaugenommen gar nicht um Betriebsrenten, sondern um eine private Altersvorsorge, die weitgehend allein vom Arbeitnehmer finanziert wird. Nur formal wird das Ganze über die Betriebe abgewickelt. Mit der fatalen Folge, dass dadurch die gesetzliche Rente der Beschäftigten noch niedriger ausfallen wird. Mit jeder sozialversicherungsfreien Einzahlung per Entgeltumwandlung – und so sind die neuen Betriebsrenten konstruiert – gehen Rentenansprüche verloren.

Die Folgen sind unterm Strich geradezu wahnwitzig: Das Absicherungsniveau im Alter wird vermutlich nie wieder so hoch liegen wie zur Jahrtausendwende, also vor den Riester-Reformen. Aber die Belastung für die Arbeitnehmer wird gewaltig steigen. Das sind keine guten Nachrichten für die Versicherten. Die wirklichen Profiteure sind die Arbeitgeber und die Finanzwirtschaft. Die einen bekommen Rentenbeiträge auf niedrigem Niveau. Die anderen bekommen auch weiterhin das Geschäft mit der privaten Altersvorsorge zugeschustert.

Aber da war doch noch mehr als die doppelte Haltelinie: „Wer nicht immer länger arbeiten will, der muss sich jetzt entscheiden und SPD wählen“, verkündete Andrea Nahles. Soll heißen: Die SPD macht eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 69 oder 70 Jahre keinesfalls mit. Aber das heißt doch auch: Die Rente mit 67 bleibt.

Sicher eine Enttäuschung für viele an der SPD-Basis und in den Gewerkschaften. Fakt ist: Die meisten Arbeitnehmer halten die Arbeit bis 67 schlicht nicht durch. Und in den Betrieben ist die Bereitschaft, ältere Mitarbeiter bis zum Alter 67 zu beschäftigen entgegen aller Klagen über den Fachkräftemangel nur sehr gering. Auch andere Forderungen von Schulz und Nahles verlieren bei näherem Hinsehen an Strahlkraft: Die Selbstständigen ohne eigene Absicherung sollen in die Rentenkasse integriert werden.

Das ist gut, doch es heißt auch: Die Beamten und die überwiegend sehr zahlungskräftige Klientel der freien Berufe bleiben weiter draußen. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater et cetera kochen auch weiter in ihren Versorgungswerken ihr eigenes Süppchen. Eine echte Erwerbstätigenversicherung plant die SPD also nicht. Auch von einer Ausweitung oder gar Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze ist keine Rede. An eine Verbreiterung der Einnahmebasis der gesetzlichen Rente ist also nicht gedacht. Auch eine stärkere Beteiligung des Bundes ist erst ab dem Jahr 2028 vorgesehen. So lange soll es also dabei bleiben, dass sich der Bund um seine Zahlungsverpflichtungen für viele sogenannte versicherungsfremde Leistungen (Stichwort Mütterrente) herumdrücken kann.

Da überrascht es schon, dass die SPD dennoch an der Solidarrente festhalten will. Und das wäre in der Tat eine echte Verbesserung für Kleinverdiener: Wer 35 Versicherungsjahre geschafft hat, soll eine Rente bekommen, die 10 Prozent höher liegt als der lokale Grundsicherungssatz. Damit bliebe vielen Menschen, denen künftig im Alter nur Mini-Renten drohen, der Gang zum Sozialamt erspart. Die geplante Solidarrente wäre eine nicht zu unterschätzende Verbesserung für viele, die derzeit trotz langjähriger Arbeit mit Renten abgespeist werden, die unter dem Grundsicherungsanspruch (bundesweit im Schnitt rund 800 Euro monatlich) liegen.

Doch wenn das SPD-Konzept weder deutlich höhere Beiträge, noch deutlich mehr Bundesmittel und auch keine deutliche Erweiterung der Beitragszahler vorsieht, ist zu befürchten, dass die Solidarrente am Ende nicht viel kosten darf. Der Wert dieser Leistung hängt dann davon ab, ob eine Bedürftigkeitsprüfung stattfindet und wie hart die ausfällt. Dann wäre die Solidarrente unter Umständen nur eine Art Grundsicherung plus.