Spur der Verwüstung

Nicht das Virus ist für die sich anbahnende Wirtschaftskrise verantwortlich — es diente allenfalls als Brandbeschleuniger.

Es gibt ein Virusgeschehen. Und es deutet sich ein schwerer wirtschaftlicher Zusammenbruch an, mit Firmenpleiten, Massenarbeitslosigkeit und kollektiver Verarmung. Diese Gleichzeitigkeit legt den Schluss nahe, das eine sei die Ursache des anderen. Dies trifft aber nicht zu. Die Coronakrise traf nicht auf eine starke, florierende Weltwirtschaft, um diese dann heimtückisch, quasi von „außen“ anzugreifen und zu schädigen. Corona könnte einer Ökonomie, die schon wankte, allenfalls den Todesstoß geben. Vor allem die hohen Konsumentenschulden, mangelnde Kaufkraft und eine niedrige Sparquote setzten eine gefährliche Entwicklung in Gang.

von Mark Thornton

Am 10. Februar befanden sich die Aktienmärkte auf einem Allzeithoch; der Dow 30 lag bei beinahe 30.000. Die Arbeitslosenrate und auch die Zinssätze lagen so tief wie nie.

Infolge eines ganzen Jahrzehnts mit Zinssätzen um Null waren die Werte der Aktien, Anleihen, Immobilien, Grundstücke und praktisch aller Vermögenswerte künstlich aufgebläht. Als Resultat hat sich das Gesamtnettovermögen der Haushalte verdoppelt, von 60 Billionen US-Dollar auf 120 Billionen US-Dollar!

Die Leute haben gesagt, dass die Lage zu schön sei, um wahr zu sein. Es gab alles von Gekicher über die persönlichen Finanzen im Fitnessstudio bis hin zur Beteiligung an äußerst fragwürdigen Geschäftsideen, und auch Inhaber von Geschäften, die geschockt waren, wenn man ihnen erklärte, dass dies nicht ewig so weitergehen werde, und sogar Rekorde brechende Wolkenkratzer. Die Lage war zu schön, um wahr zu sein.

Nun lautet der populäre Kehrreim, dass das Coronavirus den Wirtschaftskollaps verursacht habe. Die Regierung hat die Wirtschaft heruntergefahren, Menschen arbeitslos werden lassen, weswegen es weniger Konsum gab. Ganze Industriezweige wurden stillgelegt. Die Arbeitslosenrate ist in den letzten paar Wochen mit einem Anstieg von mehr als 10 Prozent durch die Decke gegangen.

Es ist leicht zu erkennen, dass Politiker, Medien und sogar richtige Menschen in der durch das Coronavirus verursachten Situation die Ursache des wirtschaftlichen Einbruchs sehen. A hat B verursacht. Das wiederum hat den vermeintlichen Bedarf an Billionen von Dollar an Subventionen, Rettungsgeldern und Arbeitslosenunterstützung entstehen lassen. Außerdem müsse die US-Notenbank viele weitere Billionen Dollar bereitstellen, um alle Aspekte der Finanzindustrie, einschließlich Junk Bonds und Studentenkredite, zu retten.

All dies ist falsch in dem Sinne, dass A nicht B verursacht hat. A, das Coronavirus, hat nicht B, die Wirtschaftskrise, verursacht; es hat sie nur ausgelöst und damit verursacht, dass sie früher eintrat, als sie es andernfalls getan hätte. Es mag auch den Zusammenbruch beschleunigt haben und wird wahrscheinlich den Tiefpunkt der Krise in konjunktureller Hinsicht vertieft haben.

Mit anderen Worten: Die Wirtschaft war schwach, nicht stark. Die Basisdaten waren schwach, nicht stark. Die Bilanzen waren schwach, nicht stark.

Diese Schwäche war deutlich zu sehen, als Präsident Trump begann, den Vorsitzenden der Federal Reserve Jerome Powell zu attackieren, weil dieser die Zinssätze um 2 Prozent anhob, was, wie er zu Recht annahm, dem Aktienmarkt und seinen Chancen auf Wiederwahl schaden würde.

Der Aktienmarkt hatte floriert, als die inflationsbereinigten Zinssätze negativ waren. Als jedoch Powell die inflationsbereinigten Zinssätze auf Werte nahe Null hob, stagnierten die Aktienmärkte und politisch brach die Hölle los.

Lassen Sie uns auf die ökonomischen Basisdaten vor dem Coronavirus zurückkommen. Wir sind alle Konsumenten; wenn wir also mit den Konsumenten beginnen, so finden wir, dass die Konsumenten insgesamt eine Menge Schulden hatten und nicht allzu viel Erspartes.

Gewiss gab es die Bemühung, die Ersparnisse nach der Krise der Immobilienblase zu erhöhen. Die persönliche Sparquote, die vor der letzten Krise (der Immobilienblase) auf 2 Prozent gefallen war, war nun auf 7 Prozent gestiegen, lag aber immer noch deutlich unter den 10 Prozent plus, die normal gewesen waren, als wir den Goldstandard hatten.

Die Hauptschurken, die hinter einer gedrückten Sparquote stecken, sind Inflation und Zinsertragsteuern. Ein Drittel der amerikanischen Haushalte hat keinerlei Ersparnisse und 60 Prozent haben weniger als 1000 US-Dollar. Faktisch haben die Fed und die Treasury Millionen Haushalte umsonst gefährdet.

Die Konsumentenschulden sind inzwischen zweimal so hoch wie vor der letzten Krise, Studiendarlehen haben nun ein Volumen von mehr als 1,6 Billionen US-Dollar, und die Konsumentenkredite der Haushalte und der gemeinnützigen Organisationen zusammen belaufen sich auf über 4 Billionen US-Dollar. Und diese Schulden sind natürlich nicht gleichmäßig über die Bevölkerung verteilt, insofern, als einige Menschen relativ zu ihrer Zahlungsfähigkeit enorme Schulden haben und einige nicht.

Vor dem Virus war der Arbeitsmarkt, trotz einer rekordverdächtig niedrigen Arbeitslosenrate auch schon ein Desaster. Es gab Millionen unbesetzter Stellen und Millionen College-Absolventen, die keine Anstellung in ihrem Wunschbereich bekommen konnten und stattdessen als Kellner und Barkeeper jobbten und bei den Eltern wohnten. Zu den größten Schurken zählen hierbei die Studentendarlehen, die zu viele Studenten ermuntern, aufs College zu gehen, und sie so unergiebige Laufbahnen einschlagen lassen.

Der zweite große Faktor, der den Arbeitsmarkt verzerrt, ist die Fed mit ihrer Geldpolitik. Die beispiellose, ein Jahrzehnt andauernde Nullzinspolitik hat einen massiven konjunkturellen Aufschwung verursacht. Die Fed hat hier, indem sie künstlich Fehlinvestitionen verursachte, verändert, nach welcher Art Jobs große Nachfrage bestand, und die Einkommensverteilung ebenfalls verzerrt.

Im Allgemeinen hat die Zinspolitik der Fed die Nachfrage nach höchstqualifizierten Arbeitskräften wie Elektroingenieuren, Biochemikern und Patentanwälten mit Hochschulabschluss erhöht. Die gestiegene Nachfrage nach diesen Arten von Arbeitskräften hat Lohnsteigerungen gezeitigt und die Einkommensverteilung verzerrt.

Diese Arten von Arbeitskräfte braucht man, um so Dinge wie iPhones, Software-Plattformen, Computerchips und Medikamente zu produzieren, die allesamt ein beträchtliches Arbeitspensum für Patentanwälte notwendig machen.

Eine andere Möglichkeit, die Verzerrungen in den Arbeitsmärkten zu betrachten, ist es, auf die Zahl der Stellenangebote zu schauen. Im Dezember 2019 betrug die Zahl offener Stellen 7,3 Millionen, was der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2000 ist. Einer der Gründe, warum ich vermutete, dass eine Wirtschaftskrise bevorstehe, war, dass die Zahl zu steigen aufhörte und dann merklich fiel, bevor sie zuletzt abstürzte.

Währenddessen erreichte die Arbeitslosenrate bei den frischen College-Absolventen 41 Prozent und rund ein Drittel aller College-Absolventen sind unterbeschäftigt, in dem Sinne, dass ihr Job keinen College-Abschluss erfordert. Erinnern Sie sich: Die gesamten Studentendarlehensschulden sind auf 1,6 Billionen US-Dollar förmlich explodiert. All dies sind Anzeichen eines schwer gestörten Arbeitsmarktes.

Die Verzerrung durch zu viele Schulden und zu geringe Ersparnisse zeigt sich auch bei Unternehmen und Konzernen, besonders bei Finanzunternehmen. Einige Konzerne haben reichlich flüssige Mittel, so wie etwa Apple. Dort war man sogar so flüssig, dass man begonnen hat, Dividenden an die Anteilseigner auszuschütten.

Noch aufschlussreicher ist allerdings die Problematik derjenigen Unternehmen, die Firmenkapital einsetzen, um Aktienrückkäufe zu tätigen, statt in Produktivität zu investieren. Eine andere besteht in der aktuellen Welle von Fusionen und Firmenübernahmen. Offensichtlich hat die Nullzinspolitik der Fed den Grenzertrag des Kapitals so nah an die Null herangetrieben, dass Konzerne sich in dem Versuch, die Profite zu steigern, auf diese Art finanzieller Manipulationen verlegt haben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die US-Wirtschaft trotz der Spitzenwerte am Aktienmarkt und einer historisch niedrigen Arbeitslosenquote bereits auf eine ökonomische Krise zusteuerte.

Im Vorfeld dieser ökonomischen Krise, konnte man klar erkennen, dass viele Konsumenten nur mit Mühe ihre Rechnungen begleichen und praktisch auf keine Ersparnisse zurückgreifen konnten. Der Arbeitsmarkt war ebenfalls schwer gestört, wobei der Markt für Hochqualifizierte boomte, die Zahl der offenen Stellen rekordverdächtig war und Studenten, die jüngst einen Abschluss erworben hatten, zu großen Teilen arbeitslos oder unterbeschäftigt waren. Zu guter Letzt war auch der Unternehmensmarkt verzerrt, insofern, als Firmen auf atypische Finanzmanipulationen wie Aktienrückkäufe und Fusionen zurückgriffen, um die Profite zu steigern. Die Viruspandemie hat nur ausgelöst, was letztlich ohnehin bevorstand.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „This Bust Wasn't Caused by a Virus“. Er wurde vom Thorsten Schewe übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.