Steuerleute im Dunkeln

Medienanalyse und Medienkritik blenden den Einfluss von Geheimdiensten meist aus, weil die Beweislage dünn ist.

Wir wissen, wie viel die Regierung für eine gute Presse tut. Wir kennen die Menschen, die dafür sorgen, dass die Leitmedien schöne Geschichten bekommen über Minister, Parteien, Parlamente. Wir wissen auch, dass die Redaktionen sich eher selten wehren. Man kennt sich, man schätzt sich, und man hat viel zu wenig Zeit für eigene Recherchen. Dass auch die Geheimdienste mitmischen im großen Medienspiel, geht bei all der offensichtlichen Nähe zwischen Staat, Politik, Wirtschaft und Journalismus auch deshalb unter, weil die Dienste damit nicht hausieren gehen und ihre Urheberschaft im Zweifel verwischen oder dementieren. Eine Spurensuche.

Ich gebe zu: Diesen Text hatte ich mir anders vorgestellt. Das Material sah gut aus. Udo Ulfkotte, ein Urgestein der FAZ, hat schon vor knapp zehn Jahren berichtet, wie ihm der BND die Hand beim Schreiben führte (1). Im Sommer habe ich endlich David Talbot gelesen (2). Auf dem „Schachbrett des Teufels“ Allen Dulles waren Journalisten zwar allenfalls Bauern, aber immerhin. In so einem Wälzer ist Platz für CIA-Freunde bei der New York Times oder beim Time Magazine und Anekdoten über geheimdienstliche Winkelzüge im Kampf um die Öffentlichkeit, von Iran über Guatemala und Kuba bis zu den Kennedy-Morden. Und dann hat mir der Zufall kurz darauf eine Studie über Hollywood auf den Tisch gelegt. „National Security Cinema“. Im Untertitel war von „schockierenden neuen Beweisen“ die Rede und von „Regierungskontrolle“ im Filmgeschäft (3). Ich war mir sicher: Jetzt kann ich endlich das Kapitel ergänzen, das in meinem Rubikon-Buch „Die Propaganda-Matrix“ fehlt (4).

Ganz so einfach ist es leider nicht. Matthew Alford und Tom Secker, die beiden Hollywood-Forscher, haben immerhin den Freedom of Information Act (FOIA) auf ihrer Seite, ein US-Gesetz von 1966, das auch dann den Zugang zu Regierungsakten erlaubt, wenn man selbst von den Beschlüssen gar nicht betroffen ist (5). Was Alford und Secker gesehen haben, ist zumindest in Sachen Pentagon eindeutig: Niemand redet im Filmgeschäft stärker mit als das Militär. Das Pentagon manipuliert Skripte, gibt Stoffe in Auftrag und verhindert Filme, die nicht in das heile Bild vom Friedensengel USA passen (6).

Das gilt keineswegs nur dann, wenn es um irgendwelche Kriege geht. Die Transformers-Reihe von Michael Bay zum Beispiel, gestartet 2007 und noch längst nicht am Ende, ist offenbar ein perfekter Ort, um neue Geräte zu zeigen und US-Soldaten zu feiern. „Bring them home“, darf Jon Voight als Verteidigungsminister gleich im ersten Film sagen — diktiert von Phil Strub, Hollywood-Verbindungsmann im Pentagon (7). In Jurassic Park III (2001) sorgte Strub dafür, dass die Retter am Schluss in Uniformen kommen und eine der Hauptfiguren Wissenschaftler ist und kein Major. Kampfflugzeuge bekam die Crew trotzdem nicht. Strub dachte, dass das Publikum Mitleid mit den Dinos bekommt, wenn sie in ein solch ungleiches Gefecht gezwungen werden (8).

Bei der CIA ist die Aktenlage schwieriger, das Muster aber gleich. Man versorgt Autoren mit Ideen, man platziert Szenen und Technik, man schreibt mit und um — auch hier keineswegs nur bei Stoffen, die sozusagen ein Heimspiel sind wie die Geheimdienstserien The Americans (2013 bis 2018) oder Homeland (2011 bis 2020). Matthew Alford und Tom Secker nennen zum Beispiel die Ben-Stiller-Kassenschlager „Meine Braut, ihr Vater und ich“ (2000) sowie „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ (2004). Familienunterhaltung mit einem Ex-Agenten — Robert De Niro —, die uns nebenbei „neo-konservative Paranoia“ unterjubelt (9) und damit Argumente für die entsprechenden Etats.

Beim Klassiker „Die drei Tage des Condor“ (1975) mit Robert Redford muss man nicht so lange rätseln. Die CIA mag ein Laden sein, in dem Recht und Gesetz nicht wirklich immer zählen, ohne diesen Laden aber, mein liebes Publikum, gibt es kein Öl aus dem Nahen Osten und damit auch keinen Wohlstand in der westlichen Welt. Ein letztes Beispiel: Von „Zero Dark Thirty“ (2012) distanzierte sich die Agency, obwohl sie vorher alles verhindert hatte, was die eigene Arbeit in ein schlechtes Licht rücken könnte. Kein betrunkener Offizier, der in Islamabad herumballert. Keine Hunde, die sich an Gefangenen vergehen. Der Star keine Folterkönigin wie das Vorbild aus dem richtigen Leben. Trotzdem nimmt jeder aus dem Kino mit, dass Bin Laden mit legalen Methoden nicht zu fassen gewesen wäre (10).

Das heißt:

Wann immer wir eine Produktion aus den USA sehen, inhalieren wir ein Bild der Wirklichkeit, das der CIA gefällt. Man kann diese Aussage auch umdrehen: Wir werden keinen Film und keine Serie auf unsere Leinwände und Bildschirme bekommen, die Geheimdienste grundsätzlich in Frage stellen.

Selbst wenn dieser Apparat durch die Hollywood-Brille manchmal der Abgrund des Bösen zu sein scheint, wächst die Rettung genau dort und nur dort, wo Abgeordnete und Öffentlichkeit nicht hinschauen dürfen. Bei vielen Stoffen muss die CIA nicht einmal ihr „Entertainment Liaison Office“ bemühen. Aktuelle und ehemalige Agenten sind überall am Werk — an der Spitze der Studios, in Produktion und Regie sowie selbstredend auch vor der Kamera (11).

Dieser Satz lässt sich auf den Journalismus übertragen, wenn man David Talbot glaubt und seiner Recherche zu „jenem unterirdischen Netzwerk finanzieller, geheimdienstlicher und militärischer Interessen, das die nationale Politik lenkte, ganz gleich, wer gerade im Weißen Haus saß“ (12). Ich zitiere hier in der Vergangenheitsform, weil Talbots Thema Allen Dulles ist und damit die CIA in ihrer wilden Jugend. Diese graue Eminenz der ersten Nachkriegsjahrzehnte, sagt David Talbot, habe um die „Macht der Ideen“ gewusst und deshalb alle „Register des Medienapparats“ bedient (13). Falschinformationen und Gerüchte streuen, mit den Meinungsmachern der Nation speisen, eigene Leute in die Redaktionen einschleusen oder dort rekrutieren, buchstäblich Dollarsäcke ausschütten — auch vor Künstlern und Akademikern, die fortan akzeptierten, dass „unangenehme Realitäten über das US-Imperium zum Sperrgebiet der wissenschaftlichen oder journalistischen Erkundung“ wurden (14).

Talbot muss hier nicht im Nebel stochern. Die Church-Kommission hat 1975 festgestellt, dass „einige hundert amerikanische Akademiker“ für die CIA tätig waren. Der Church-Bericht dokumentiert außerdem all das, was getan wurde, um auch die großen Zeitungen zu beeinflussen — über Personal, Ressourcen oder Druck, wenn Geschichten verhindert werden mussten. Durch diesen Ausschuss des US-Senats wissen wir auch, dass die großen Stiftungen — damals Ford, Rockefeller, Carnegie — genutzt werden, um die „notwendigen Geldflüsse zu verdecken“ (15).

David Talbot sagt: All das erklärt, warum die „offizielle Version des Kennedy-Attentats“ fest „im Bewusstsein der Medien verankert“ ist und so wenig in Frage gestellt werde „wie das Gesetz der Schwerkraft“. Dass schon irgendjemand geredet hätte, wenn es doch eine Verschwörung im inneren Zirkel der Macht gegeben haben sollte? Talbot:

„Das Argument verrät ein rührend naives Vorurteil über die Medien: den Glauben, dass man auf das amerikanische Medien-Establishment, den großen schlummernden Wachhund, zählen könne, um ein so monumentales Verbrechen aufzuklären, eines, das gerade jenem Herrschaftssystem entsprang, von dem die Medienunternehmen ein fester Bestandteil sind“ (16).

Dazu passt, dass die Zitate zu den CIA-Akademikern von Ansgar Schneider stammen, einem Physiker und promovierten Mathematiker, der sich mit 9/11 beschäftigt.

Hollywood, JFK, Church-Kommission: alles lange her oder ganz weit weg. Was ist mit Deutschland, was ist mit dem Hier und Jetzt? Für die Gegenwart seien Geheimdiensteinflüsse schwer „nachweisbar“, sagte Erich Schmidt-Eenboom vor ein paar Jahren Rubikon-Herausgeber Jens Wernicke, nachdem er minutenlang Texte von Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung auseinandergenommen hatte. Vorher aber, „bis zum Ende des Kalten Krieges“, seien „nahezu alle Leitmedien mehr oder weniger stark von Vertrauensjournalisten des BND durchsetzt“ gewesen. Schmidt-Eenboom beschreibt in diesem Gespräch auch die damalige „Medienarbeit der deutschen Dienste“. Infos durchsickern lassen und dafür nette Texte kassieren. Wahrheiten lancieren, die dem Gegner schaden. Solche Gegner zur Not auch diffamieren oder observieren. Hierzulande, da scheint sich Schmidt-Eenboom sicher, „nicht ohne politische Rückendeckung“ (17).

Das Buch von Udo Ulfkotte war da schon auf dem Markt, spielte aber für die beiden Gesprächspartner keine Rolle. Ich weiß: Es gibt viele Argumente gegen dieses Buch. Ulfkotte hat es seinen Kritikern leicht gemacht. Er wäscht schmutzige Wäsche, attackiert persönliche Feinde unter der Gürtellinie und bauscht Kleinigkeiten zu Skandalen auf — noch dazu in einer Sprache, die eher am Stammtisch gesprochen wird als auf dem Sachbuchmarkt oder gar in der Wissenschaft.

Trotzdem. Ich nehme diesen Zeugen ernst, weil er sich nicht aus der Verantwortung stiehlt und schonungslos das benennt, was er sich selbst vorzuwerfen hat. Vor allem aber kann Ulfkotte beschreiben, was Journalisten anfällig macht für die Lockrufe aus der Dunkelheit:

„Wir fühlten uns ja so großartig, wenn wir Auftragsschreiber eines Geheimdienstes waren oder irgendwie für ihn arbeiten durften“ (18).

Man war wichtig. Und man war stolz. Das Vaterland zählt auf dich, und du schraubst tatsächlich mit an der Weltgeschichte.

Udo Ulfkotte hat 1986 bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angefangen. Wann genau er „ein Lobbyist“ wurde, der unter anderem „für den deutschen Auslandsgeheimdienst“ arbeitete, sagt er in seinem Buch nicht. Dafür erfährt man, dass der Arbeitgeber nichts dagegen hatte:

„Die FAZ ermunterte mich ausdrücklich dazu, den Kontakt zu westlichen Geheimdiensten zu verstärken, und freute sich, wenn ich die mitunter von dort zumindest in Stichworten vorformulierten Berichte mit meinem Namen versah.“

Ein Beispiel von 1993: ein „Enthüllungsbericht“ über europäische Hilfe für eine Giftgasfabrik in Libyen, geschrieben von zwei BND-Mitarbeitern, ohne dass der Leser das erkennen konnte (19).

Ulfkotte sagt: Das war nicht nur bei der FAZ üblich. Wer mitspielte, habe irgendwann „stapelweise Geheimdokumente“ bekommen, Geld für Reisen sowie Informationen, die man zwar nicht veröffentlichen durfte, aber einen in eine andere Liga katapultierten (20). Er, Ulfkotte, habe sich überhaupt nicht gewundert, wenn er ihm Ausland vom „jeweiligen BND-Residenten“ in der deutschen Botschaft für die „Berichterstattung“ gebrieft worden sei (21). Niemand habe prüfen können, was da unter dem Label seriöse Recherche in der FAZ landete. „Ich habe daran zwar freiwillig mitgewirkt, aber mir wurde auch mitgeteilt, dass ich entlassen werden könne, wenn ich da nicht mitmache“ (22).

Udo Ulfkotte hat die FAZ Ende 2003 verlassen. Sein Buch von 2014 wurde zwar ein Kassenschlager, von den Leitmedien aber durch die Bank verrissen. In Kurzform: Verschwörungstheorien von einem Autor, der sich von der AfD einladen lässt und bei Pegida auftritt. Damals habe ich gedacht: Das musst du nicht unbedingt lesen. Bleib lieber bei Uwe Krüger und den transatlantischen Netzwerken (23), einer Leipziger Dissertation, die seinerzeit in der ZDF-Sendung Die Anstalt Furore machte und für Udo Ulfkotte Inspiration und Quelle war. Heute weiß ich: Man lernt dazu, selbst mit Mitte 50. Der nächste Text zum Thema Geheimdienste und Medien wird besser.


Das Buch können Sie hier bestellen: als Taschenbuch, E-Book oder Hörbuch.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Udo Ulfkotte: Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken, Kopp, Rottenburg 2014
(2) David Talbot: Das Schachbrett des Teufels. Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung, Westend, Frankfurt/Main2017
(3) Matthew Alford, Tom Secker: National Security Cinema. The Shocking New Evidence of Government Control in Hollywood, Drum Roll Books 2017
(4) Michael Meyen: Die Propaganda-Matrix. Der Kampf für freie Medien entscheidet über unsere Zukunft, Rubikon, München 2021
(5) Vergleiche David Alpert: Beyond Request-and-Respond: Why Data Access will be Insufficient to Tame Big Tech. In: Columbia Law Review, 120. Jahrgang (2020), Seite 1215 bis 1254 und David E. Pozen: Transparency's Ideological Drift. In: The Yale Law Journal, 128. Jahrgang (2018), Nummer 1, Seite 100 bis 165
(6) Alford und Secker (Anmerkung 3), Seite 3 bis 22
(7) Ebenda, Seite 6
(8) Ebenda, Seite 16
(9) Ebenda, Seite 46
(10) Ebenda, Seite 45
(11) Ebenda, Seite 49
(12) Talbot (Anmerkung 2), Seite 505
(13) Ebenda, Seite 79, 289
(14) Ebenda, Seite 290
(15) Ansgar Schneider, Klaus-Dieter Kolenda: Generation 9/11. Die verhinderte Aufklärung des 11. Septembers im Zeitalter der Desinformation. Mit einem Vorwort von Dirk Pohlmann, fifty-fifty, Frankfurt/Main 2021, Seite 147 bis 149
(16) Talbot (Anmerkung 2), Seite 449
(17) Wie der BND die deutschen Medien steuerte. Ein Interview mit Erich Schmidt-Eenboom. In: Jens Wernicke: Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung, Westend, Frankfurt/Main 2017, Seite 212 bis 227
(18) Ulfkotte (Anmerkung 1), Seite 45
(19) Ebenda, Seite 44
(20) Ebenda, Seite 45 bis 46
(21) Ebenda, Seite 47
(22) Ebenda, Seite 48
(23) Vergleiche Uwe Krüger: Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse, Herbert von Halem, Köln 2014