Unerwünschte Warnung

Ein transkritischer Elternratgeber wurde wegen angeblicher Jugendgefährdung indexiert.

Denkt man an jugendgefährdende Inhalte, so verbindet man das mit Darstellungen von Sexualität oder Gewalt — doch nichts davon kommt in dem ausdrücklich an Eltern gerichteten Ratgeber „Wegweiser aus dem Transgenderkult“ auch nur annähernd vor. Trotzdem bleibt die Broschüre in Deutschland auf dem Index — und kann damit praktisch nicht verbreitet werden, ohne sicherzustellen, dass jeder einzelne Leser wirklich volljährig ist. Die Begründung des Verwaltungsgerichts Köln ist vage. Wurde hier eine neue Form gefunden, um abweichende Inhalte auszubremsen?

Eigentlich kann man im Jugendschutzgesetz klar nachlesen, was das ist, Jugendgefährdung: Medien, die unsittliche oder verrohende Inhalte darstellen, die zu Gewalt aufrufen, „Mord- oder Metzelszenen selbstzweckhaft“ darstellen — solche Medien gelten als jugendgefährdend (1).

Hört man dann, dass ein transkritischer Elternratgeber indexiert wurde, fragt man nicht als Erstes: Was hat das Verwaltungsgericht da für eine seltsame Entscheidung getroffen? Nein, die erste Frage ist: Was um alles in der Welt haben die Autorinnen denn da reingepackt? Bilder von faulenden Unterarmhautlappen, die nicht als Penis-Attrappe anwachsen wollen? Künstliche Darmausgänge, die nach Kastrationen nötig wurden? Und muss das wirklich sein, solch gruselige Bilder? All das geht in Sekundenbruchteilen, automatisch, ohne überhaupt nur einen Blick auf die Broschüre geworfen zu haben.

Bei den meisten Menschen ist die Beschäftigung mit dem Thema damit zu Ende, denn den eigentlichen Text kann man ja nicht so leicht in die Finger bekommen. Umso erstaunlicher dann der Realitäts-Check: Der Ratgeber erhält ausschließlich positiv gestaltete Fotos von Kindern — in der Natur, zum Fenster hinausschauend und so weiter. Nichts, was man nicht schon tausendfach in Werbeblättern gesehen hat. Absolut gar nichts.

Auch im Text: nichts Unsittliches, nichts Verrohendes — also wirklich Null. Der Ratgeber ist weitgehend eine Übersetzung des amerikanischen Buches „Desist, Detrans & Detox“ von Maria Keffler. Die Autorin ist dem konservativ-christlichen Spektrum zuzurechnen und versucht, Eltern Leitfäden an die Hand zu geben, wie sie weiterhin Zugang zu ihrem Kind behalten können, wenn dieses plötzlich behauptet, im falschen Körper geboren zu sein.

Keffler beschreibt die Transideologie als Kult, der Jugendliche wie eine Sekte immer stärker an sich bindet und versucht, Kontakte nach außen — und vor allem auch zu den Eltern — systematisch zu unterbinden sowie die Eltern als feindlich und böse erscheinen zu lassen, falls sie noch Fragen haben und nicht völlig mit den Zielen der Transideologie übereinstimmen.

Einer der Hauptratschläge des Buches ist es, nicht einfach aufzugeben und zu resignieren, wenn die Kinder nach Hormonen schreien, sondern Kommunikationswege offen zu halten, dem Kind wieder und wieder klarzumachen, dass man es liebt, egal was kommt. Und dranzubleiben.

Die Autorinnen der deutschen Broschüre, Stefanie Bode und Rona Duwe, übernehmen den Leitfaden inhaltlich, versuchen aber, dem Ganzen eine radikalfeministische Komponente beizugeben. Etwa, dass es völlig in Ordnung ist, Kleidung, Haarschnitt, Rolle abseits von Geschlechterstereotypen zu wählen, ohne dass man dafür den eigenen Körper ablehnen muss.

Es ist schwer für Eltern in Deutschland, wenn sie ihr Kind nicht vollständig in seiner neu erworbenen Transidentität bestätigen wollen. Wenn sie sich fragen, ob die Magersucht der Tochter vielleicht eine Rolle spielen könnte. Die Angststörung, die Depression. Wenn sie erleben, dass ihr Kind gerade durch eine schwere Pubertätskrise geht mit vielen Herausforderungen. Wenn Mädchen wie aus dem Nichts behaupten, ein Junge zu sein, mitten in der schwierigsten Phase des Frau-Werdens.

Eltern erleben, dass niemand den Kindern dann auch nur irgendetwas entgegensetzt. Lehrer bestätigen die Transidentität eines jeden Kindes nur zu gerne, sei es, weil es so wie im Münchner Leitfaden vorgeschrieben ist (2), sei es, weil sie mit massiven negativen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie nachfragen.

Für Therapeuten gilt das Konversionsverbot, sie dürfen die Transidentität des Teenagers gar nicht hinterfragen (3). Eltern stehen unter großem Druck — stimmen sie zum Beispiel dem Wunsch nach einem offiziellen Namenswechsel nicht zu, so ersetzt das Familiengericht ihre Zustimmung (4). Spielen Eltern nicht mit, so droht die Gefahr des Sorgerechtsentzugs.

In dieser Situation wäre ein solcher Ratgeber für viele Eltern sicher ein Segen. Viele würden sich über die gesammelten Adressen am Ende freuen, über Anlaufstellen, wo sie sich weiter Rat holen können. Doch das wird nicht stattfinden: denn mit der Einstufung als jugendgefährdend darf man nicht mehr dafür werben. Die Initiative „Lasst-Frauen-Sprechen“ hat das Dokument von ihrer Homepage genommen. Die Verbreitung ist unendlich schwierig geworden.

Die Begründung der Prüfstelle für Kinder- und Jugendschutz, der das Gericht dann letztlich folgte (5)? In der Broschüre sei von Transgenderkult die Rede, und es würde das Wort „gehirngewaschen“ verwendet. Das sei verrohend. Und damit jugendgefährdend.

Die Psychotherapeutin und Mitautorin Stefanie Bode hat gegen den Bescheid Berufung beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. Für sie bedeutet das viel Arbeit und natürlich auch Anwaltskosten und Verdienstausfall (6) — während die Gegenseite über Steuergelder fürstlich alimentiert wird. Sollte Bode gewinnen, wird sie den Ratgeber wieder zum Download zur Verfügung stellen. Rona Duwe klagt nicht weiter. Sie wird für ihre genderkritischen Äußerungen mit so vielen Gerichtsprozessen überzogen, es scheint jetzt erst mal genug zu sein.

Wer sich selbst überzeugen und einen Blick in die Broschüre werfen möchte, kann das interessanterweise auf der Homepage eines Transbefürworters tun. Er hat den Ratgeber mit selbst erfundenen Warnhinweisen versehen und verunglimpft ihn auf jeder einzelnen Seite. Lesen kann man die Broschüre trotzdem — selbstverständlich nur, wenn man volljährig ist (7).

Am Schluss bleiben viele Fragen, natürlich dazu, was mit all den Kindern passieren wird, wenn sie erwachsen werden und feststellen, dass man sein Geschlecht nicht wirklich wechseln kann.

Aber auch: Wie lange wird es noch so sein, dass man automatisch davon ausgeht, dass etwas jugendgefährdend ist, wenn ein Gericht das so bestätigt? Wird die Frage „Was um alles in der Welt haben die Autorinnen denn da hineingeschrieben?“ irgendwann ganz selbstverständlich ersetzt durch die Frage: „Welche unliebsame Meinung haben sie denn da geäußert?“

Vertrauen in die Justiz ist etwas unglaublich Wichtiges. Dazu gehört aber auch, dass da, wo „jugendgefährdend“ draufsteht, auch wirklich Jugendgefährdung drin ist. Und nicht nur eine Meinung, der man mit Argumenten schlecht beikommen kann.