Unter unserer Würde
Die Angriffe staatlicher Stellen auf den Frieden und unsere Freiheitsrechte sind ein Verstoß gegen den wichtigsten Verfassungsgrundsatz.
„Unantastbar“ ist sie angeblich. Und offiziell ist Paragraf 1 des Grundgesetzes auch noch in Kraft. Doch schon beginnen Juristen wie Frauke Brosius-Gersdorf an der Menschenwürde herumzudeuteln. Die Grundrechte sind spätestens mit den Corona-Maßnahmen potenziell zu einem Auslaufmodell geworden. Sie werden nach Gusto eingeschränkt oder, wo dies nicht möglich ist, weginterpretiert. Und ist es wirklich vereinbar mit der Menschenwürde, wenn Politiker den Ausbruch eines großen Krieges riskieren, der für Millionen von Menschen Leid, Verstümmelung oder Tod bedeuten kann? Der Schwachpunkt des Menschenwürde-Begriffs ist seine Ungenauigkeit. Für jeden Menschen kann es andere Bereiche geben, wo er sich in seiner Würde verletzt fühlt. Es ist daher wichtig, dass wir uns dessen bewusst werden, was dieses hohe Verfassungsgut für uns persönlich und ganz konkret bedeutet. Und dass wir unsere roten Linien beherzt gegen Angreifer aus den politischen Führungsetagen verteidigen.
Die derzeitige Ausrichtung der deutschen Politik auf Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit macht mir große Sorgen. Wie wird die Zukunft unserer Enkel, unserer Töchter und unserer Schwiegersöhne aussehen? Werden sie auch morgen noch ein erfülltes Leben führen und glücklich sein können?
Mehr Waffen und mehr Kriegstüchtigkeit bedeuten mehr Kriegsgefahr. Waffen, die da sind, kommen zumeist auch zum Einsatz, und das hat die Folge, dass der Kriegsgegner auch seine Waffen zum Einsatz bringt. Einer Vergeltungsmaßnahme folgt die nächste der anderen Seite.
Die Gewaltspirale kommt in Gang. Immer mehr Leid entsteht und immer mehr Menschen müssen sterben. Mit Waffen lässt sich nun mal kein Frieden sichern. Sie sind zum Töten da.
Der Weg zum Frieden ist der Verhandlungsweg
Der Weg, um Frieden zu sichern oder Frieden zu schaffen, das ist der Verhandlungsweg, im Rahmen dessen die Interessen aller beteiligten Seiten berücksichtigt werden.
Wer Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen praktiziert, der stabilisiert den Frieden und beugt internationalen Spannungen vor.
„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“ (1) Diese Worte sprach Willy Brandt, einstiger Bundeskanzler, vor fast dreiundvierzig Jahren. Heutige Politiker scheinen mit diesen Worten nichts anfangen zu können.
Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit sind nicht im Sinne des Grundgesetzes
Es braucht lediglich gesunden Menschenverstand, um festzustellen, dass Aufrüstung und Schaffung von Kriegstüchtigkeit nicht im Sinne des Grundgesetzes der Bunderepublik Deutschland sind. In Artikel 26, Absatz 1 heißt es: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ (2) In Anbetracht der Tragweite dieses Absatzes sind bereits Handlungen, auf deren Grundlage ein Angriffskrieg geführt werden kann, verfassungswidrig.
Die allgemeinen Grundrechte
Am Anfang des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (3) ist festgeschrieben: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Artikel 1, Absatz 1.
Dieser Satz leitet den Katalog der Grundrechte ein, die allgemeinen Menschenrechte. Auf sie kann sich jeder berufen, unabhängig von Nationalität oder Herkunft. So steht es auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz geschrieben (4): „Dazu gehört etwa das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2, Absatz 1 Grundgesetz (GG), das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Freiheit der Person (Artikel 2, Absatz 2 GG), die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Artikel 4 GG) oder das Recht der freien Meinungsäußerung (Artikel 5, Absatz 1 GG).“ Nichts von alledem ist in Kriegszeiten gewährleistet.
Ein Grundrecht ist auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (Artikel 4, Absatz 3 GG).
Die Menschenrechte sind außerdem bestimmt durch internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte — wie die Europäische Menschenrechtskonvention (5) oder die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (6). Beide hat die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert.
Die Würde des Menschen, der oberste Verfassungsgrundsatz
„Die Würde des Menschen stellt den obersten Verfassungsgrundsatz dar, an dem folglich alle staatliche Gewalt ihr Handeln auszurichten hat. Sie ist daher Maßstab für Legislative, Exekutive und Judikative. Der Staat hat alles zu unterlassen, was die Menschenwürde beeinträchtigen könnte.“ (Wikipedia) (7)
Auf der Suche nach dem, was die Würde des Menschen konkret ausmacht, hilft mir Wikipedia allerdings nicht weiter. Vielmehr verwirrt mich das hier Geschriebene. Offenbar gehen die Rechtsauffassungen diesbezüglich weit auseinander. Auf die Frage „Was ist unter der Würde des Menschen zu verstehen?“ vermag mir auch Google keine Antwort zu liefern, die mir Klarheit vermittelt. Und auch auf ChatGPT erhalte ich auf Fragen wie „Was ist unantastbar an der Würde des Menschen?“ keine Antwort, die mich den Begriff Würde verstehen lässt.
Die Erklärung „Menschenwürde bedeutet, dass jeder Mensch wertvoll ist, weil er ein Mensch ist“, formuliert auf den Internetseiten der Bundeszentrale für politische Bildung (8), greift mir zu kurz.
So bleibt mir nichts anderes übrig, als mir selbst eine Meinung zu bilden.
Alles, was sich mir im Zusammenhang mit dem Thema Würde erschlossen hat, lässt mich zu der Auffassung kommen, dass man eine Würde ausschließlich dem Menschen zugebilligt hat. Rechte von ähnlich grundsätzlicher Art gesteht man Tieren nicht zu, obwohl sie ebenfalls Lebewesen sind.
Ganz offensichtlich wird der Mensch als ganz besonders schutzwürdig angesehen. Er ist ein Lebewesen, das in seiner Entwicklung weiter vorangeschritten ist als die Tiere.
Immanuel Kant vertritt in „Von der Würde des Menschen“ (9) folgende Sichtweise: „Aber der Mensch hat auch Vernunft und Freiheit des Willens. Er kann sittliche Entscheidungen treffen, auch gegen seine naturwüchsigen Eigeninteressen und Triebe. Aus dieser Orientierung auf das Sittengesetz ergibt sich die menschliche Würde.“
Offenbar waren es auch Erfahrungen aus der Menschheitsgeschichte, in der unzählige Menschen Opfer der Willkür Mächtiger wurden, die den Anlass gaben, Menschen Menschenrechte zu verleihen, und das auch, indem man dem Menschen eine Würde zusprach. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948. Sie dürfte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Konsequenz aus den Geschehnissen im Zweiten Weltkrieg sein.
Die Menschenwürde, wie ich sie verstehe
Doch was ist das, die Würde? Was ist das, das unantastbar ist? Für mich gehört dazu an erster Stelle das Leben eines Menschen. Also darf kein Menschenleben durch staatliches Handeln in Gefahr geraten. Aufrüstung bringt Menschenleben in Gefahr. Vor allem ist sie unverhältnismäßig, wenn nicht alle anderen Wege der Friedenssicherung begangen wurden — die Konfliktlösung auf dem Verhandlungsweg beispielsweise.
Durch staatliches Handeln darf auch die Gesundheit von Menschen nicht in Gefahr gebracht werden. Deshalb obliegen Entscheidungen, die die Gesundheit eines Menschen betreffen, allein einem Menschen selbst.
Meiner Meinung nach hat der Staat zu sichern, dass jeder Mensch ein menschenwürdiges Leben führen und in Sicherheit leben kann, Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln hat, menschenwürdig wohnen sowie sich entwickeln und entfalten kann, sich bilden kann und medizinische oder pflegerische Hilfe erfährt, wenn er dieser bedarf. Der Mensch muss die Freiheit haben, seinen Aufenthaltsort frei zu bestimmen und frei seine Meinung äußern zu können.
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO (10. Dezember 1948) heißt es in dem Zusammenhang unter anderem (Artikel 22): „Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit; er hat Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Organisation und der Hilfsmittel jedes Staates in den Genuss der für seine Würde und freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen.“
Letztlich sind es die Grundrechte, in die der Staat nicht eingreifen darf. Sie machen die Würde des Menschen aus. Die Grundrechte sind in den Artikeln 2 bis 19 des Grundgesetzes (10) festgehalten. Dabei handelt es sich um die Rechte eines jeden Menschen in Deutschland auf
- die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, Leben und körperliche Unversehrtheit, Unverletzlichkeit der Freiheit der Person (Artikel 2)
- Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie Gleichbehandlung unabhängig von seinem Geschlecht, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen beziehungsweise trotz seiner Behinderung (Artikel 3)
- die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses und auf ungestörte Religionsausübung (Artikel 4)
- Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aufgrund seines Gewissens (Artikel 4)
- die Freiheit, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Artikel 5)
- Gewährleistung der Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film und auf Zensurfreiheit (Artikel 5)
- Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre (Artikel 5)
- Schutz von Ehe und Familie sowie Pflege und Erziehung der Kinder (betrifft nur Eltern) (Artikel 6)
- den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft (betrifft nur Mütter) (Artikel 6)
- gleiche Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft (betrifft nur uneheliche Kinder) (Artikel 6)
- Entscheidung über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht (betrifft nur Erziehungsberechtigte) (Artikel 7)
- Errichtung privater Schulen (Artikel 7)
- Versammlungsfreiheit ohne Anmeldung oder Erlaubnis, vorausgesetzt, friedlich und ohne Waffen (betrifft nur Deutsche) (Artikel 8)
- Bildung von Vereinen und Gesellschaften (betrifft nur Deutsche) (Artikel 8)
- Bildung von Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Artikel 9)
- die Wahrung des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10)
- Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet (Artikel 11)
- freie Wahl von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte (betrifft nur Deutsche) (Artikel 12)
- Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13)
- Eigentum und das Erbrecht (Artikel 14)
- Unentziehbarkeit der deutschen Staatsangehörigkeit (Artikel 16)
- Unzulässigkeit der Auslieferung an das Ausland (Artikel 16)
- die Möglichkeit, schriftliche Beschwerden und Bitten einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen an zuständige Stellen oder an die Volksvertreter zu richten (Artikel 17)
- Unantastbarkeit der Grundrechte in ihrem Wesensgehalt (Artikel 19)
- Offenheit des Rechtsweges, wenn jemand durch öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird (Artikel 19).
Diese Übersicht habe ich mit einem hohen Maß an Sorgfalt erstellt. Sie ist abgeleitet aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (10). Sollten mir Fehler unterlaufen sein, bedaure ich das.
Es sei darauf verwiesen, dass in den Grundrechtsparagraphen Rechte zum Teil eingeschränkt sind beziehungsweise Rechte des Staates geregelt sind, die einschränkende Wirkung auf die Rechte der Bürger entfalten können.
Zahlreiche Grundrechte können durch Gesetze eingeschränkt werden.
Erstaunt hat mich, dass das Recht auf Bildung kein Grundrecht im Sinne des Grundgesetzes ist. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist dieses Menschenrecht enthalten — siehe Artikel 26 (6).
Das Recht auf Mitbestimmung in grundlegenden Fragen gehört ebenfalls nicht zu den Grundrechten der Bundesrepublik Deutschland, was ich für eine hochentwickelte Gesellschaft als untragbar ansehe.
Den Menschen wird lediglich eingeräumt, schriftliche Beschwerden und Bitten einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen an zuständige Stellen oder an die Volksvertreter zu richten (Artikel 17). Leider werden die Adressaten nicht verpflichtet, auf die Beschwerden und Bitten zu antworten.
Die Menschenwürde ist auch eine individuelle
So wie Kinder auf dem Weg des Erwachsenwerdens eine eigene Persönlichkeit ausprägen, entwickeln sie auch ihre eigene Würde. Diese ist nicht in Stein gemeißelt und verändert sich im Laufe des Lebens immer weiter. Grundlagen dieser Entwicklung sind Prägungen durch das Elternhaus und die Gesellschaft, gesammelte Erfahrungen, neues Wissen, neue Einsichten und Erkenntnisse. Schließlich ist der Mensch ein Individuum und nicht durch eine Schablone geprägt.
Gerald Hüther äußert in einem Gespräch mit Markus Coenen mit der Überschrift „Die Würde ist unantastbar!?“: „Die Würde ist immer individuell, immer subjektiv.“ Es war für mich sehr erhellend, dieses Video anzuschauen.
Weiter sagt Gerald Hüther in dem Gespräch: „Jeder Mensch muss die Möglichkeit bekommen, sich seiner Würde bewusst zu werden, damit er seine Würde gegenüber den Anfeindungen von außen schützen kann.“
Und: „Wenn ich mir meiner Würde bewusst bin, habe ich eine Orientierungshilfe bei grundlegenden Entscheidungen.“
Es liegt nahe, dass der Staat neben der grundsätzlichen Würde, die jedem Menschen gleichermaßen gegeben ist, auch die individuelle Würde achtet. Und es sollte ein Grundrecht eines jeden Menschen sein, darin gefördert zu werden, seine eigene individuelle Würde zu entwickeln — eine der Grundlagen für ein menschenwürdiges Gemeinwesen.
Doch was beinhaltet sie, meine eigene individuelle Würde? Um das herauszufinden, hat mir eine Abwandlung dieser Frage geholfen: „Was ist unter meiner Würde?“
Für mich habe ich ohne längere Überlegungen folgende Antworten auf diese Frage gefunden:
- Einen Menschen zu bedrohen, zu schädigen oder gar umzubringen beziehungsweise das zu befördern, dafür Grundlagen zu schaffen oder dazu aufzufordern.
- Anderen Menschen respektlos zu begegnen.
- Andere Staaten zu sanktionieren, statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
- Vom Staat bevormundet zu werden.
- Kindern die Möglichkeit vorzuenthalten, sich individuell entfalten zu können.
- Alte oder pflegebedürftige Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen existieren zu lassen.
- Jene zu diskreditieren, die anderer Meinung sind beziehungsweise die Meinungsvielfalt zu unterdrücken.
In der Folge habe ich folgende Aspekte meiner Würde abgeleitet:
- Gewaltlosigkeit
- Konflikte im gemeinsamen Austausch zu lösen
- Achtungsvoller Umgang miteinander
- Wohlergehen eines jeden Menschen
- Das Recht jedes Menschen, sich individuell entfalten zu können
- Selbstbestimmung
- Gewährleistung von Meinungsvielfalt
- Mitmenschlichkeit.
Dass die Liste der Aspekte meiner individuellen Würde sich entwickeln wird, ist in unserer heutigen bewegten Zeit sehr wahrscheinlich.
An dieser Stelle möchte ich Sie einladen, sich das bewusst zu machen, was Ihre individuelle Würde ausmacht und sich darauf einzulassen, Ihre Würde reifen zu lassen.
Sorgen wir dafür, dass unsere Würde unantastbar bleibt, indem wir äußern, was unsere Würde ausmacht, indem wir äußern, wie sie gegebenenfalls verletzt wird, indem wir die Unantastbarkeit unserer Würde einfordern!
Möge jeder für seine Würde einstehen!