Vergessene Explosionen

Eine erneute Beschäftigung mit dem Brandanschlag auf die Veranstaltungstechnik von Querdenken im Mai 2020 offenbart Differenzen zwischen Zeugenaussagen und den Ermittlungsergebnissen der Polizei.

In der Nacht auf den 16. Mai 2020 gingen 4 Fahrzeuge der Firma Veranstaltungstechnik Stuttgart (V.T.S.) in Flammen auf. Wenige Stunde später hätte diese Firma ihr Equipment dem Querdenken-Gründer Michael Ballweg für eine Demonstration gegen die Coronamaßnahmen zur Verfügung gestellt. Während der Geschäftsführer jener Firma schildert, ein enormer Knall habe ein ganzes Haus zum Wackeln gebracht, spricht die Polizei von Benzin und Grillanzünder. Der Anschlag wurde bis heute nicht aufgeklärt, kommt aber im Steuerprozess gegen Michael Ballweg wieder zur Sprache, denn sowohl Ballweg als auch dem Geschäftsführer der V.T.S. wird vorgeworfen, sich selbst bereichert zu haben.

Frühjahr 2020. Alles muss sich Corona unterordnen. Doch zugleich — und gerade deshalb — nahmen damals auch Proteste gegen die willkürliche Corona-Politik rasant zu. Im Mai 2020 kam es zu einer Reihe von Gewalttätigkeiten gegen diese Proteste. Am 1. Mai ereignete sich in Berlin einer der schwersten Übergriffe auf die Presse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Mitarbeiter eines Kamerateams der ZDF-„heute show“ wurden von einer Überzahl sportlicher junger Leute attackiert und zum Teil schwer verletzt. Die Täter kamen aus den Reihen der sogenannten, sich selbst als links bezeichnenden, Antifa, die die Corona-Maßnahmen kritiklos mittrugen und Kritiker als rechtsextrem diffamierten. In der etablierten Presse wurden allerdings absichtsvoll Corona-Kritiker und namentlich „Querdenker“ für den Angriff verantwortlich gemacht.

Am 16. Mai 2020 wurden in Stuttgart mehrere Mitglieder der als rechts geltenden Gewerkschaftsgruppe Zentrum Automobil im Daimler-Werk, die auf dem Weg zur Querdenken-Kundgebung auf dem Cannstatter Wasen waren, ebenfalls von Aktivisten der Antifa angegriffen, die sich später dazu bekannte.

Einer der Angegriffenen wurde so schwer verletzt, dass er ins Koma fiel. Zwei der Angreifer wurden zu Haftstrafen verurteilt.

In der Nacht zuvor hatte es bereits einen großen Brandanschlag in Stuttgart-Untertürkheim gegeben, der in Zusammenhang mit der am 16. Mai geplanten Corona-Kundgebung stand und der Firma Veranstaltungstechnik Stuttgart (V.T.S.) galt, die Bühne und Technik bereitstellen sollte.

Einzelheiten dieses bisher wenig bekannten Anschlags kamen kürzlich im laufenden Strafprozess gegen den Querdenken-Gründer Michael Ballweg vor dem Landgericht Stuttgart zur Sprache. Die Tat, die einen Sachschaden in sechsstelliger Euro-Höhe verursachte und auch Menschen hätte in Gefahr bringen können, ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Täter wurden nicht ermittelt, die Akte wurde geschlossen.

Es sollte die dritte große Kundgebung auf dem Festgelände in Folge sein, die Michael Ballweg und seine Querdenker organisierten. Die Teilnehmerzahl wuchs von Woche zu Woche und erreichte eine fünfstellige Zahl. In ganz Deutschland breiteten sich die Proteste gegen die fragwürdige Corona-Politik aus.

In der Nacht auf den 16. Mai herrschte auf dem Gelände der Firma in Untertürkheim noch geschäftige Betriebsamkeit. Fahrzeuge und technisches Material — Mikrofone, Lautsprecher — wurden zusammengestellt. Sie waren von Demo-Organisator Ballweg bestellt worden, um am nächsten Tag bei der Kundgebung auf dem Wasen eingesetzt zu werden.

Der Geschäftsführer der Firma schildert, was dann geschah. Es war um 3:30 Uhr. Die Firmenmitarbeiter saßen noch im Keller und tranken ein Bier, als sie eine „Mega-Explosion" wahrnahmen. Das ganze Haus habe gewackelt, die Druckwelle sei zu spüren gewesen.

Als sie ins Freie gingen, habe alles lichterloh gebrannt. Vier ihrer Fahrzeuge waren betroffen: ein 40-Tonnen-Lkw, ein normaler Lkw, ein Traktor und ein Umzugswagen, der für Musik oder Reden und Durchsagen verwendet werden kann. Wie später festgestellt wurde, gab es mehrere Brandherde beziehungsweise Sprengstellen: Unter der Zugmaschine des großen Lkw, auf der Ladefläche des Lkw-Aufliegers sowie unter dem Umzugswagen, so V.T.S.-Geschäftsführer Jürgen Heyl. Das Eigenartige: es habe nur eine Explosion gegeben. Die Sprengsätze müssen zeitgleich zur Zündung gebracht worden sein. Das würde für eine bestimmte Professionalität der Täter sprechen. Für den Einsatz von Sprengstoff spreche auch, dass hohe Temperaturen erzeugt worden sein müssen. Das Feuer hat Stahl zum Schmelzen gebracht, wie Fotos belegen.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart spricht im Juni 2025 jedoch nur davon, dass „mutmaßlich Benzin“ und „Grillanzünder“ als Brandbeschleuniger verwendet worden sein sollen. Es hätten sich keine Hinweise ergeben, dass eine Fernzündung von Sprengmaterial erfolgt sei. Außerdem: Der Knall, den Zeugen gehört haben, sei erst zu einem „Zeitpunkt vernommen worden, als alle Fahrzeuge bereits in Vollbrand standen". Ermittlungen und Zeugenwahrnehmungen gehen weit auseinander. Der Geschädigte bleibt dabei: Es müsse eine Explosion gewesen sein. In die Lkw-Wand wurde ein Loch mit einem Meter Durchmesser gesprengt — wie auf Fotos zu sehen ist.

Selbst Menschen hätten unter Umständen zu Schaden kommen können. Die Täter waren auf die offenstehende Ladefläche und ins Innere des großen Lkw gestiegen, um dort den Brand zu legen — oder einen der Sprengsätze zu platzieren. Sie konnten nicht ausschließen, dass in der Zwischenzeit Mitarbeiter den Lkw weiter beladen haben und sich in ihm aufhielten.

Was ist zu den Tätern bekannt? Zwei Nachbarn haben vier schwarz gekleidete und vermummte Personen gesehen, die sich an den Lkw zu schaffen machten und dann vom Firmengelände flohen. Großgewachsene Personen, möglicherweise Männer. Laut Staatsanwaltschaft habe sich im Rahmen der Ermittlungen zunächst ein Tatverdacht gegen zwei Personen ergeben, dieser habe sich jedoch nicht erhärtet, beziehungsweise sei gegenüber einer der Personen sogar entkräftet worden. Weitere Tatverdächtige konnten nicht ermittelt werden.

Das Motiv für die Tat, so die Behörde weiter, habe „nicht sicher aufgeklärt werden können“. Die „Gesamtumstände begründeten jedoch die Vermutung, dass die Tat dem linksextremen Spektrum zuzuordnen sein könnte.“

Das Ermittlungsverfahren wurde nach § 170 StPO (Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts) eingestellt. Im April 2021 wurde die Akte geschlossen.

Jedenfalls war es diese Antifa, die der Veranstaltungsfirma V.T.S. vorwarf, die „rechtsoffenen„ Querdenken-Demos gegen die Corona-Maßnahmen zu unterstützen. Auf Facebook schrieb ein Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region, Ziel seien die Lkw des Veranstaltungstechnik-Betriebs, der auf Stuttgarter Demos die Technik stelle, gewesen. V.T.S.-Geschäftsführer Heyl weist die Denunziation zurück und erklärt, seine Firma sei in erster Linie ein Dienstleister. Abgesehen davon sei sie aber eher „linksorientiert“. Zum Beispiel stellt sie auch Bühne und Technik für die Kundgebungen der Gegner des Stuttgart 21-Bahnhof-Projekts zur Verfügung. Er fragt sich aber auch, ob die Antifa — wenn denn die Täter aus ihren Reihen kamen — womöglich Helfer oder Anstifter im Hintergrund gehabt habe.

Zurück zur Tatnacht: Nach Aussagen von Mitarbeitern der Firma V.T.S. sei zusammen mit der Feuerwehr ziemlich schnell auch der polizeiliche Staatsschutz vor Ort gewesen und habe nach konkreten Namen von Antifa-Mitgliedern gefragt. Deutet das auf das mögliche Täterklientel hin? War das beim Staatsschutz bekannt und verfügte er etwa über Vorwissen zu der Aktion, zum Beispiel durch eigene Informanten? Die Staatsanwaltschaft stellt jedoch auch das anders dar: Die ersten Maßnahmen vor Ort seien vom Streifendienst und dem Kriminaldauerdienst durchgeführt worden. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen erst später übernommen.

Die Polizei eröffnete ein Ermittlungsverfahren, sicherte Spuren und vernahm Zeugen. Auffällig ist, dass die angeblichen Ermittlungsergebnisse an vielen Punkten nicht mit den Wahrnehmungen der Zeugen vor Ort zusammenpassen.

Der Schaden betrug nach eigener Zusammenstellung der betroffenen Firma 300.000 bis 350.000 Euro, ohne Personal- und Zeitaufwand. Allein etwa 30.000 Euro habe der Schaden am Teer auf dem Hof sowie die Entsorgung des Sondermülls ausgemacht. Auch das stellt die Strafverfolgungsbehörde anders dar, der Schaden habe bei „etwa 200.000 Euro“ gelegen, erklärt sie auf Nachfrage.

Die Versicherung, sagt Geschäftsführer Heyl, zahlte jedenfalls keinen Cent. Anschläge und Vandalismus seien nicht versichert.

Es gab an jenem Wochenende aber noch einen zweiten Anschlag: jener am folgenden Tag auf Mitglieder der Gewerkschaftsgruppe Zentrum Automobil bei Mercedes, die auf dem Weg zur Querdenken-Kundgebung waren und bei dem mehrere Personen schwer verletzt wurden. Die Körperverletzung war Gegenstand eines Strafverfahrens, das 2021 mit der Verurteilung von zwei Personen aus den Reihen der sogenannten Antifa endete. Im Laufe der Hauptverhandlung wurde gerichtsfest bekannt, dass es in der Antifa mindestens eine V-Person einer staatlichen Stelle gegeben hat.

Dass der Brandanschlag vor einer Corona-Querdenken-Demo fünf Jahre später auf einmal wieder zum Thema wurde, hängt auch mit dem derzeit laufenden Prozess gegen Michael Ballweg zusammen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in unverhüllter Vorverurteilung bekanntlich vor, O-Ton: „(...)spätestens im Mai 2020 den Plan gefasst zu haben, seine gewonnene Popularität für private Zwecke zu nutzen und sich durch die Spendenbereitschaft seiner Anhänger Einnahmen von einiger Dauer und von einigem Umfang zu verschaffen.“ So die Strafverfolgungsbehörde in ihrer Anklageschrift.

Auf der Demo am 16. Mai hatte Ballweg zu Spenden für die geschädigte Firma V.T.S. aufgerufen. Über 200.000 Euro kamen zusammen. Vielleicht beziffert die Staatsanwaltschaft den Schaden deshalb auf diese Höhe. Weil die Firma zunächst davon ausging, dass damit alle Schäden gedeckt waren, überwies sie einen Überschuss von 18.000 Euro auf das Querdenken-Konto von Ballweg. Für die Staatsanwaltschaft und ihr Verfolgungsinteresse eine weitere potenzielle Aktion der angeblichen Selbstbereicherung des Querdenken-Gründers.

Die Anklagebehörde kann zwar keine Belege für ihre Tatvorwürfe erbringen, der Prozess ist umgekehrt aber zum Medium geworden, in dem unbekannte fragwürdige Ereignisse der dunklen Corona-Zeiten zur Sprache kommen, wie jetzt die schwere Brandstiftung in der Nacht vor einer Querdenken-Kundgebung in Stuttgart.

Mitte Mai 2025 war V.T.S.-Geschäftsführer Jürgen Heyl als Zeuge in den Prozess geladen. Er machte nicht nur klar, dass die „Rücküberweisung“ von 18.000 Euro seine eigene Entscheidung gewesen war und nicht etwa von Ballweg ausging. Er schilderte auch die Umstände des Attentats von damals. Die Vorsitzende Richterin war zunächst irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass im Rahmen einer Veranstaltung des Querdenkers Ballweg „Firmen-Inventar beschädigt“ worden sei und bat Heyl, sich dazu zu äußern. Daraufhin schilderte der die Anschlagsnacht. Die Fragestellung der Richterin dokumentiert unfreiwillig, wie wenig diese Tat im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist.

Weder die Ermittlungsinstanzen noch die Politik und auch nicht die etablierten Medien interessieren sich für eine politisch motivierte Tat, die man auch als Terroranschlag bezeichnen kann. Die Wirklichkeit ist gespalten.

Stattdessen führte die Geschichte des Anschlags auf die Firma V.T.S. jetzt fünf Jahre danach im Frühjahr 2025 zu einem Verfahren der eigenen Art. Die Steuerfahndung des Finanzamts Stuttgart eröffnete gegen den V.T.S.-Geschäftsführer Jürgen Heyl ein Strafverfahren, weil er angeblich die eingenommenen Spenden nicht versteuert habe. Im Prozess vor dem Landgericht, wo Heyl als Zeuge geladen war, wies die Vertreterin des Finanzamtes Stuttgart auf dieses Steuerstrafverfahren hin. Was ihm genau vorgeworfen wird, sagt das Finanzamt auf Nachfrage mit Verweis auf das „laufende Verfahren“ nicht. Es gibt keinerlei weiterreichende Auskünfte.

Auch dazu nicht, warum es fünf Jahre nach einer öffentlich bekannten Tat, die zu polizeilichen Ermittlungen geführt hatte und zu der es — ebenfalls öffentlich — Spendenaufrufe gab, auf einmal ein Steuerverfahren eröffnet.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft schlug in der Sitzung vor, den Zeugen nach § 55 der Strafprozessordnung zu belehren, dass er die Aussage verweigern könne, um sich nicht selbst zu belasten. Dazu sah aber weder die Gerichtskammer eine Veranlassung noch V.T.S.-Geschäftsführer Heyl. Er ist sich keiner Schuld bewusst, weist den Vorwurf zurück und verweist im Übrigen auf seinen Steuerberater, der schließlich für die Steuererklärungen zuständig sei.

Die Tat von Untertürkheim bleibt bislang weitgehend im Dunkeln. Dass sie mit den offiziell diffamierten Corona-Protesten zu tun hatte, lässt sich unschwer vermuten. Doch wer genau waren die Täter? Zumal es eben noch weitere Akteure gibt, der an den Corona-Auseinandersetzungen beteiligt waren: staatliche Stellen, Staatsschutz und Verfassungsschutz mit ihren V-Leuten. Für Stuttgart ist das in zwei Fällen nachgewiesen. Nur der Grad ihrer Verstrickung ist bisher nicht bekannt.