Welcome to Hell!

Wirklichkeit als Alptraum in den Bildern von Peter Saul.

Wenn Malerei mal nicht verhalten, rätselhaft und in alle Richtungen interpretierbar offen ist wie bei Neo Rauch üblich, sondern pointiert, angriffslustig, expressiv knallig-bunt und dezidiert politisch, reagiert der Kunstbetrieb und das Feuilleton verhalten bis ablehnend. Das gilt für das Werk von Peter Saul im Besonderen, das nach der Schirn Kunsthalle in Frankfurt nun in der Sammlung Falckenberg in Hamburg zu sehen ist. Während Andy Warhol und Jeff Koons, Apologeten einer unpolitischen Kunst gefühlt alle paar Jahre landauf landab präsentiert werden sind die wichtigen Gemälde des 83-jährigen Künstlers zum ersten Mal in Kunsthallen und Museen in Deutschland zu sehen. Dabei ist der 1934 in San Francisco geborene und heute in Germantown, in Upstate New York lebende Maler durchaus kein Unbekannter. Allerdings wurde er schon immer stärker von Künstlerkollegen wie zum Beispiel Paul McCarthy und dem schon 2012 gestorbenen Mike Kelley geschätzt als von der Kritik und der Museumswelt.

Ende der 1950er-Jahre gehörten Kühlschränke, Waschmaschinen und Badewannen zu den bestimmenden Motiven in den Gemälden Peter Sauls, der sich anfänglich noch von den Ausläufern des Abstrakten Expressionismus inspirieren ließ. In den Anfängen sind leichte Einflüsse von Arshile Gorky (1904 - 1948) und Willem de Kooning in Sauls Malerei zu erkennen, die sich später jedoch verlieren, obwohl Saul seine großen Vorbilder viel später mit Parodien ihrer Werke die Ehre erweist.

Die von Saul gemalten Apparaturen aus Küche und Bad repräsentierten das luxuriöse und moderne Leben einer aufstrebenden bürgerlichen Klasse in den fordistischen USA. Zwar waren seine Gemälde damals schon bunt, doch verwandte Saul die Farben in etwas gedeckterer Weise und wechselte erst allmählich zu deutlich knalligeren Tönen. Die Insignien eines Wohlstands in den USA interessierten Saul freilich nicht aus denselben Gründen wie die Kollegen der Pop Art.

Ihm ging es nie um das Zelebrieren einer bunten Konsumwelt wie bei Andy Warhol. Sauls Bildern scheint schon an der Oberfläche eine Unordnung eingeschrieben, ein Chaos, als ob diese tiefer liegende Probleme signalisierten. Entweder sind die Kühlschränke überfüllt mit Lebensmitteln in Dosen, zu denen aber auch Objekte wie der elektrischen Stuhl kommen. Der Kühlschrank oder die „Ice Box“ als Container nicht nur für Lebensmittel, sondern für Instrumente einer falschen und tödlichen Politik. Bereits hier ist Sauls kritischer Blick angelegt, jedoch erst die späteren Werke lassen keine Zweifel an seiner Haltung zu.

Zuerst wurden die Objekte krankhaft aufgeblasen und ähnelten damit in der Rückschau dem Spätwerk Philip Gustons, als dieser in den 1960er-Jahren nach seiner Ernüchterung über die Abstraktion zur Figuration zurückfand. Mit dem 1980 verstorbenen und allseits verehrten Guston teilte Saul übrigens die kritische Sichtweise auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. In Sauls Bilder mit Küchen- und Sanitärapparaturen gesellen sich sukzessive populäre Figuren aus den Comics hinzu. Es sind die Omnipotenz verheißenden und den Heldenmythos bedienenden Geschöpfe, die bei Saul einer Dekonstruktion unterzogen werden. „Superman und Superdog im Gefängnis“ und „Superman‘s Punishment“, beide von 1963, zeigen keineswegs Siegesgewissheit der Helden, im Gegenteil.

Schon bei „Super Crime Team“ von 1961/62 ist sogar die Toilettenschüssel mit dem Supermansymbol ausgestattet, während Supermans Körper eigentümlich kopflos am Boden liegt. Im Hintergrund agiert das Dollarsymbol, das auch in den späteren Arbeiten als Primat von Bank- und Geld- und Profitwesen dient. Superman hat hier gar nichts mehr im Griff und ist den Verhältnissen hilflos ausgeliefert. Die Körper von Figuren und Objekten gehorchen da bei Saul schon längst nicht mehr einer wirklichkeitsnahen Physiognomie sondern werden gezerrt, gedehnt und gebogen, perforiert und miteinander verschlungen.

Die Farben werden in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre bei Saul deutlich knalliger, dem Öl gesellen sich Acryl-, Email- und Metallfarbe hinzu. Die großen Tableaus gestaltet Saul zu komplexen Historienbildern der anderen Art. In ihnen erzählt Saul aus deutlich linker Perspektive die Geschichte von Unterdrückung, Korruption, Rassismus und imperialistischen Kriegen mit ungewohnt visueller Kraft. Bis heute hält Saul an seinem sehr eigenen Stil und seiner visuell und politisch drastisch formulierten Kritik fest.

So findet sich auch das Bild „Bush at Abu Ghraib“ (2006), auf dem der damalige US-Präsident gleich selber Hand an den von der Folter geschundenen Körper legt. Die FAZ warnt ihre Leser, dass Saul die Toleranz des Betrachters auf so vielfältige Art und Weise strapaziere. Als ob nicht gerade umgekehrt die brutale Wirklichkeit dem guten Geschmack keineswegs dienlich ist und schon gar nicht toleriert werden sollte.

30.9.2017–28.1.2018
Sammlung Falckenberg, Hamburg
www.sammlung-falckenberg.de


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Peter Saul, Bush at Abu Ghraib, 2006, Acryl auf Leinwand, 198 x 228,5 cm, Hall Collection, © Peter Saul, Courtesy Hall Art Foundation, Foto: Jeffrey Nintzel

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Peter Saul, Ronald Reagan in Grenada, 1984, 210 x 180 cm, Acryl auf Leinwand, Hall Collection, © Peter Saul, Courtesy Hall Art Foundation, Foto: Jeffrey Nintzel