Wie Piraten

Auch unter Biden verfügen die USA nach Belieben über Syriens Ölfelder und zeigen wenig Neigung, ihre Truppen aus dem Land abzuziehen.

Sie betrachten sich eben als „God‘s own country“. Der US-Exzeptionalismus beansprucht ein gottgegebenes Recht, auf die Ressourcen des ganzen Planeten zuzugreifen. Im August 2020 wurde eine Lieferung von 1.100.000 Barrel iranischen Benzins auf hoher See von den USA „konfisziert“ (4), die für Venezuela bestimmt war. Diese wurde später auf eigene Rechnung verkauft. Warum schweigt unsere Presse dazu? Weil wir alle derselben Räuberbande angehören und es keine gute Idee ist, dem Bandenchef die Freude an seiner Beute zu verderben. Als Beute werden auch Nordostsyrien und die Provinz Idlib betrachtet — dafür interessiert sich einerseits Erdogan, doch auch die Kurden hoffen seit Langem auf den großen Moment, in dem ihnen endlich ein eigenes Staatsgebiet zugeteilt werden könnte. Auch im Pentagon und bei den US-Geheimdiensten gibt es Begehrlichkeiten: Jeden Monat 45 Millionen Dollar zur freien Verfügung zu haben, die nicht vom Kongress genehmigt werden müssen, das wäre doch nicht schlecht?

Syriens Erdölminister hat die amerikanischen Streitkräfte bezichtigt, sich „wie Piraten“ zu verhalten, während Washington fortfährt, den größten Teil des Ölreichtums des ressourcenreichen Nordostens von Syrien zu plündern, wo das Pentagon kurdische Milizen unterstützt.

„Amerika und seine Verbündeten nehmen die syrischen Ölfelder und seine Tanker aufs Korn, ganz wie Piraten“, sagte Bassam Tomeh, der Öl- und Rohstoffminister, diese Woche im Staatsfernsehen und fügte hinzu, dies sei eine bewusste Strategie zur Schädigung der syrischen Wirtschaft, die von den Öleinnahmen abhängig sei:

„Was während des ganzen Syrienkrieges geschah, hat keine Parallele in anderen Ländern. Man hindert uns an der Verwertung unserer Ressourcen und verhindert gleichzeitig, dass essenzielle Rohstoffe unser Land erreichen“ (1).

Tomeh gab an, dass der Gesamtschaden, den die amerikanische Besetzung der syrischen Ölindustrie zugefügt habe, 92 Milliarden Dollar übersteige und dass Washington gegenwärtig 90 Prozent der Ölressourcen Nordostsyriens kontrolliere.

In einem Interview im Februar mit der libanesischen Zeitung al-Akhbar sagte der Gouverneur der nordöstlichen Provinz Hasakah, Ghassan Khalil, dass die von den USA unterstützten kurdischen Milizen Tag für Tag 140.000 Barrel Rohöl (2) von den Ölfeldern dieses Gebietes stehlen. Danach würden die Milizionäre das Öl mithilfe von Tank-LKWs über die Grenze in den Irak schmuggeln.

Spätestens seit 2015 unterstützt das Pentagon direkt die „Syrian Democratic Forces“ (SDF), eine kurdisch dominierte Gruppe, die ein großes Gebiet im Nordosten kontrolliert. Die USA selbst unterhalten in Syrien ein Kontingent von 900 Soldaten, die eng mit den SDF zusammenarbeiten.

Während US-Beamte angeben, die militärische Präsenz in Syrien — die nach internationalem Recht illegal ist — diene dazu, ein Wiedererstarken des „Islamischen Staates“ (IS) zu verhindern, sprach der ehemalige Präsident Trump offen über seine Absicht, sich die Kontrolle über den Ölreichtum des Landes zu verschaffen.

„Denken Sie daran — wir behalten das Öl“, sagte er im Oktober 2019. „Ich habe immer gesagt: Behaltet das Öl. Wir wollen das Öl behalten. 45 Millionen Dollar jeden Monat? Behaltet das Öl.“

Obwohl Trump das Ziel seines Amtsvorgängers Obama, den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen — für das die USA hunderte Millionen Dollar in militante Dschihadistengruppen investiert haben —, weitgehend aufgegeben hat, verteidigte er doch wiederholt die Besetzung der Ölfelder und baute diese Strategie weiter aus.

Letztes Jahr vermittelte die Trump-Administration einen Deal zwischen den SDF und der amerikanischen Ölfirma Delta Crescent Energy, berichteten Politico und andere Medien. Die Chefs dieser Firma sind ein früherer US-Botschafter in Dänemark, James Cain, ein pensionierter Offizier der Armee-Eliteeinheit „Delta Force“ und ein ehemaliger Ölmanager aus dem Vereinigten Königreich. Damaskus protestierte gegen die fortdauernde Plünderung seiner Ölfelder, indem es diesen Vertrag „auf das Schärfste verurteilte“ und für „null und nichtig“ erklärte.

Während die Biden-Administration signalisiert hatte, man werde die Besetzung der syrischen Ölfelder nicht mehr priorisieren, erschien im Februar in lokalen, arabischsprachigen Medien die Meldung, dass die US-Streitkräfte einen neuen Flugplatz entlang des Al-Omar-Ölfeldes bauen, wo sich schon eine US-Militäranlage befindet.

Etwa zur selben Zeit stellte John Kirby, ein Sprecher des Pentagon, klar, dass das Department of Defense (das US-Verteidigungsministerium) keine Erlaubnis für die Kooperation mit Energieunternehmen hat, außer an Orten, wo es unter gewissen existierenden Regelungen angemessen ist, was nahelegt, dass Biden in Grenzen mit dieser Praxis fortfahren kann. Ein Sprecher der US-geführten Koalition, Colonel Wayne Marotto, wiederholte diese Aussage kürzlich, ohne dabei das Schlupfloch zu erwähnen.

Syrische Beamte und Präsident Assad selbst haben Washingtons Öldiebstahl mehrere Male verurteilt und sogar rechtliche Schritte angekündigt. Kurz nach Bidens Amtseinführung hat der syrische UN-Gesandte Bashar al-Jaafari den neuen Präsidenten dringend gebeten, die US-Truppen abzuziehen und die Besetzung der Ölfelder aufzuheben:

„Die neue US-Administration muss Akte der Aggression und Besatzung einstellen, durch die der Reichtum meines Landes geplündert wird, seine Besatzungstruppen abziehen und aufhören, separatistische Milizen und andere illegale Kräfte zu unterstützen und die Souveränität Syriens zu bedrohen“, sagte Jaafari (3).

Biden zeigte bis jetzt kein großes Interesse an einem Rückzug aus Syrien, sondern hat im Februar eine Reihe von Luftschlägen gegen lokale Milizen befohlen. Von offizieller Seite heißt es nichtsdestoweniger, man prüfe zur Zeit die Frage der Truppenpräsenz.

Der zehnjährige Krieg hat von Syriens Ölindustrie massiven Tribut gefordert, zusätzlich zu den Kosten der fortdauernden amerikanischen Besatzung. Nach einem Bericht der britischen BP fiel die gesamte Ölproduktion Syriens zwischen 2011 und 2019 um mehr als 90 Prozent, von 353.000 Barrel täglich auf gerade noch 24.000.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel erschien zuerst unter dem Titel „Damaskus über US-Vorgehen in Syrien: ‚Wie Piraten‘“ auf RT DE.


Quellen und Anmerkungen:

Anmerkungen des Übersetzers:

(1) Ein Beispiel sind die Angriffe der israelischen Marine auf iranische Öltransporte, die für Syrien bestimmt sind. Während man uns von solchen Informationen sorgfältig abschirmt, wurde Mitte Februar im deutschen Fernsehen kurz von einer massiven Ölpest berichtet, die sämtliche israelischen Mittelmeerstrände heimgesucht hat. Quelle: https://www.moonofalabama.org/2021/03/oil-spill-caused-by-israeli-attacks-on-iranian-oil-bound-for-syria.html#more
(2) Ein Barrel sind 159 Liter.
(3) Der UN-Gesandte stemmt sich hier gegen eine mögliche Abtrennung Nordostsyriens. Dass Washington eine solche wünscht und plant, darüber haben wir schon im März 2018 informiert: https://www.rubikon.news/artikel/lasst-uns-syrien-aufteilen
(4) Das sind etwa 175.000 Kubikmeter, die auf vier Schiffe verteilt waren. Begründet wurde die „Konfiszierung“ mit den Sanktionen, die die USA nach dem eigenen Ausstieg aus dem Nuklearabkommen JCPOA gegen den Iran verhängt hatten. Quellen: https://www.heise.de/tp/features/Weder-Benzin-noch-Gold-fuer-Venezuela-4871727.html und https://morningstaronline.co.uk/article/f/no-trump-and-pirates-caribbean
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Link auf die Originaldatei:
https://www.rt.com/news/518665-syria-minister-us-oil-pirates/