Wir Mittäter

In einer Gesellschaft, die auf Kriegsführung beruht, müssen wir uns der Kriegstreiberei aktiv entgegenstellen, um nicht zu ihren Komplizen zu werden.

Krieg ist — so die Autorin — das schlimmste Übel unserer Welt und gleichzeitig das Fundament, auf dem das US-Imperium beruht. Befürwortet man diese Kriegslogik nicht, dann genügt es bei weitem nicht, einfach nichts zu tun, wie Johnstone klarstellt. Um sich nicht mitschuldig an dem durch Krieg verursachten Leid zu machen, muss man sich stattdessen aktiv gegen die Kriegstreiberei der politischen Eliten stellen.

Die amerikanische Bürgerrechtsaktivistin Angela Davis sagte einmal: „In einer rassistischen Gesellschaft reicht es nicht aus, nicht-rassistisch zu sein. Wir müssen anti-rassistisch sein.“ Folglich können wir unsere Verpflichtung gegenüber der Wahrheit und der Gerechtigkeit nicht dadurch erfüllen, dass wir die perversen Tendenzen in den westlichen Gesellschaften bezüglich einer Ideologie der Überlegenheit der weißen „Rasse“ lediglich beobachten und selbst nicht daran teilnehmen. Genauso wenig sind wir beispielsweise unschuldig, wenn wir eine Gruppenvergewaltigung nur beobachten, ohne einzugreifen. Der Entschluss, sich an einer schweren Ungerechtigkeit nicht zu beteiligen, gleichzeitig jedoch durch Schweigen sein Einverständnis zu geben, genügt nicht — besonders, wenn unsere Hautfarbe uns einen aus dieser Ungerechtigkeit resultierenden Vorteil verschafft. Nein, wir müssen der Ungerechtigkeit energisch entgegentreten.

Dasselbe trifft auch für den Krieg zu, der das unsere Gesellschaft dominierende Imperium zusammenhält.

In linken und progressiven Gruppen herrscht leider die weit verbreitete Auffassung, es sei in Ordnung, die Bedeutung der Außenpolitik zugunsten der Innenpolitik zu vernachlässigen oder sogar völlig zu ignorieren.

Politiker können sich allein dadurch intensive Unterstützung verschaffen, dass sie eine anständige Innenpolitik fördern, während sie gleichzeitig eine Außenpolitik betreiben, die sich nicht allzu sehr vom Mainstream-Konsens à la CIA/CNN unterscheidet.

Mit rechten politischen Kreisen bin ich zwar nicht in gleichem Maße vertraut, aber ich nehme an, dass bei den Libertären und in anderen rechtsgerichteten anti-interventionistischen Gruppen eine ähnliche Priorisierung zu Lasten einer guten Außenpolitik vorherrscht.

Krieg ist das Schlimmste, was es gibt. Dem dadurch verursachten Ausmaß an Tod, Zerstörung und Leid kommt nichts anderes gleich — Krieg ist einfach das absolut Schlimmste. Schlimmer als wirtschaftliche Ungerechtigkeit, als Rassismus oder Sexismus, als Homophobie oder Transphobie, als die drakonische (restriktive) Drogen- oder Einwanderungspolitik. Alle diese Dinge sind schlimm, aber Krieg ist schlimmer. Jede Politik, die angeblich das Wohl der Menschen zum Ziel hat, sollte dies im Blick haben.

Jeder, der den Krieg nicht als das Allerschlimmste betrachtet, hat sich nicht genug damit beschäftigt, was er bedeutet und wie er funktioniert. Denn Krieg verursacht nicht nur Leichenberge, sondern dauerhaft ruinierte Existenzen, aufgerissene Leiber; Gehirne und Seelen, die durch neurologische beziehungsweise psychologische Traumata irreversibel zerstört werden, sowie die Vertreibung von Millionen aus ihren Häusern; Vergewaltigungen, Sklaverei und Menschenhandel nehmen durch die Kriegswirren drastisch zu. Oft kommen extremistische Gruppen an die Macht und fügen den Menschen unsagbares Leid zu. Jede einzelne dieser Militäroperationen — von Männern mittleren Alters mit lockeren oder manchmal sogar spaßigen Argumenten in den Think Tanks von Washington propagiert, schafft in der Realität unvorstellbares Leid und Elend.

Wir leben in einer Zivilisation, die durch Krieg aufgebaut wurde und die sich weiterhin durch Krieg aufrechterhält. Diese Zivilisation hat sich für den Krieg als Karriere entschieden — selbst über die eigene Blütezeit hinaus. Das politische und wirtschaftliche System, das unserer Gesellschaft bestimmt, ist tief im Sumpf des Krieges verwurzelt. Das Einzige, was uns vor den Kriegen schützt, die unsere Regierung in unserem Namen führt, ist die räumliche Entfernung.

In einer solchen Gesellschaft reicht es nicht aus, sich lediglich von der Kriegstreiberei fernzuhalten.

Es reicht nicht aus, nur eine Vorliebe für den Frieden zu haben. Unsere Verpflichtung gegenüber der Wahrheit und der Gerechtigkeit endet nicht damit, dass wir uns nicht an der Kriegshetze beteiligen, denn Kriege werden trotzdem weitergeführt.

Jene, die für das Fortbestehen der Kriege verantwortlich sind, sähen es lieber, wenn wir nicht zu sehr über diese Kriege nachdächten. Denn sie wissen: Würden wir einen klaren Blick auf die Schrecken werfen, die unsere Zivilisation jeden Tag auf der Welt entfesselt, so fänden wir das gesamte System unerträglich.

Jeder, der ein guter, gerechter, aufrichtiger und authentischer Mensch sein möchte, hat die Pflicht, sich unerbittlich gegen das derzeitige System zu wehren. Das heißt: die Aktivitäten unserer Regierung und ihrer Verbündeten im Ausland genau zu beobachten, so viel wie möglich darüber zu recherchieren und sich dieser Politik so laut und energisch wie möglich entgegenzustellen. Dies ist wichtiger als jede andere politische Aufgabe, für die zu kämpfen sich lohnt. Wenn wir das nicht tun, können wir nicht von uns behaupten, gute, gerechte, aufrichtige und authentische Menschen zu sein. Dann sind wir nur weitere stillschweigende Befürworter des Krieges.



Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „In a Society Built on War, We Must Do More Than Just Prefer Peace“. Er wurde von Nadine Müller und Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.