Wir zündeln mit

Die aktuelle Verschärfung der militärischen Spannungen in Europa und der Welt ist auch das Werk Deutschlands.

Die bestehende Sicherheitsarchitektur, welche die Welt nach dem Untergang der Sowjetunion in einem Gleichgewicht gehalten hat, löst sich nach und nach auf. Bestehende Verträge zur Begrenzung von Krieg und Aufrüstung werden gekündigt, und ein auch nuklear ausgeführter Krieg aktiv vorbereitet. Auch Deutschland nimmt willfährig an dieser katastrophalen Entwicklung teil.

Die zunehmende Kriegsgefahr hat auch in Deutschland eine nukleare Seite, also eine Dimension, bei der es um Sein oder Nichtsein geht. Zum einen ist Deutschland das größte Luftdrehkreuz der US-Streitkräfte. Mindestens in Büchel bei Koblenz liegen US-Nuklearsprengköpfe und das größte Munitionsdepot der Welt befindet sich in Ramstein. In Dülmen, nördlich des Ruhrgebiets, existiert seit kurzem eine logistische Drehscheibe für den Nachschub von Kriegsgerät der US-Army in Richtung Ost-Europa (1).

Kriegsgerät an die russische Westgrenze

Deutschlands Militärs und Militärpolitiker diskutieren derzeit, welche Jets die für den Atomkrieg geeigneten Tornados ablösen sollten (2). Aber die Planungen gehen von der Inkaufnahme des Weltuntergangs in einem nuklearen Inferno bis zu solchen Details, dass die Deutsche Bahn in einem circa 100-Millionen-Euro-Vertrag Züge für den Transport von Truppen und Gerät an die russische Westgrenze zur Verfügung stellt (3).

Das alles und weitere Aufrüstungsschritte, wie die Steigerung des Militäretats, geschieht, während aktuell die gesamte Vertragsarchitektur zur Begrenzung der Nuklearrüstung am Rande ihres vollständigen Zusammenbruchs steht.

Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger warnt: „Die globale Ordnung löst sich auf.“ Die Junge Welt berichtet: „Die Vorstellung einer internationalen Ordnung, die auf gemeinsamen Regeln basiere, könne man kaum aufrechterhalten. Großmachtrivalitäten würden offenbar wieder stärker ausgetragen“ (4).

Die Welt darf sich nicht daran gewöhnen, dass sie sich in den Jahrzehnten seit Hiroshima und Nagasaki mehrfach am Rande des Abgrunds und um ein Haar im Atomkrieg befunden hätte. Ein solches Herumschlittern zwischen Überleben und nuklearem Inferno kann auf Dauer nicht gut gehen.

Nukleare Teilhabe — deutsche Piloten könnten Atombombeneinsätze fliegen!

Die nukleare Teilhabe Deutschlands an der Strategie der USA und der NATO zur Führung eines Atomkriegs verstößt diametral gegen die Interessen der Menschen in dieser Welt (5). Die Pläne einer EU-Armee unter Einbezug der Atommacht Frankreichs steigern die von Großmachtrivalitäten ausgehenden Gefahren (6). Und Deutschlands willfährige Beteiligung an der Eskalation ist nicht hinnehmbar. „Das Nato-System der ,nuklearen Teilhabe‘ beteiligt zum einen alle nicht-nuklearen Nato-Mitglieder im Rahmen der Nuklearen Planungsgruppe an der Planung sowie an Kommando, Kontrolle und Konsultationen über den Einsatz von Atomwaffen. (...) Laut Teilhabe-Regeln könnten deutsche Piloten im Falle des Falles Atombombeneinsätze fliegen“ (7).

Das Völkerrecht wird schon seit längerem, auch lange vor Donald Trump, auf dem Schafott des Un-Rechts der Stärkeren geopfert. Dabei ist neben dem aktuellen Fall des INF-Vertrages zu Mittelstreckenraketen in Europa auch der Atomwaffensperrvertrag, der von den Atommächten und ihren Partnerstaaten wie Deutschland verletzt wird, im Visier der Militärs. Zitat aus Artikel VI:

„Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.“

Die Forderungen der Militaristen in Deutschland unter Verweis auf die sprunghafte Politik des US-Präsidenten Donald Trump, auch Deutschland zur Nuklearmacht zu machen (8), stellen einen erneuten Angriff auf den Atomwaffensperrvertrag dar.

Auch der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung flankiert diese gefährliche Politik. Dort ist vereinbart: „Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben“ (9). Dies ist die regierungsamtliche Basis dafür, dass Deutschland bei seiner Genehmigung der Stationierung neuer Nuklear-Systeme der USA auf seinem Territorium, und zwar in Büchel/Eifel, bleibt.

Dazu schrieb neopresse.com 2015 unter der Überschrift „Merkel genehmigt Stationierung neuer US-Atomwaffen in Deutschland“:

„Im Rahmen der neuen Nuklearstrategie der USA ist unter anderem die Stationierung 20 neuer Atombomben vom Typ B61-12 in Deutschland geplant. Bundeskanzlerin Angela Merkel erlaubt die atomare Aufrüstung im eigenen Land, wider alte Koalitionsversprechen.“

Teil der US-Russlandstrategie

Die Maßnahme ist offenbar Teil der aktuellen US-Russlandstrategie. Diese beinhaltet hauptsächlich den Ausbau nuklearer Bedrohungsmöglichkeiten in Europa. Schon seit längerem bereitet die NATO unter der Federführung der USA eine neue aggressivere Nuklearstrategie vor, um der „Aggression Russlands“ zu begegnen. Das erfuhr der britische „Guardian“ aus NATO-Quellen (10). NATO-Vertreter ließen wissen, dass die Änderungen die stärkere Einbeziehung von Einheiten für nukleare Kriegsführung in laufende Manöver an den Grenzen Russlands sowie neue Richtlinien für eine nukleare Eskalation gegen Russland betreffen sollen.

Dazu passt das seit 2015 gültige „ukrainische ,Gesetz über die Bedingungen der Streitkräfte anderer Staaten auf dem Territorium der Ukraine‘. Darin heißt es, dass eine Stationierung von (...) Massenvernichtungswaffen auf dem Boden der Ukraine ,bis zum Erreichen des Stationierungsziels‘ legal ist. Vorher war dies per Gesetz ausgeschlossen“ (10).

Es ist nicht bewiesen, es wäre jedoch naiv anzunehmen, dass die NATO und die USA bei dieser Gesetzgebung nicht ihre Hände im Spiel hatten.

Das Völkerrecht begrenzt auch die Kriegsmittel

Viele Persönlichkeiten haben immer wieder adäquat auf die nukleare Gefahr hingewiesen, die hiermit für Europa und die Welt verbunden ist. Und es gehört zur Aufgabe der Friedensbewegung, auch diese Hinweise weiter in ihre Aufklärung und in ihr Handeln einzubeziehen. Gustav Heinemann, Bundespräsident von 1969 bis 1974, sagte zum Beispiel am 25. März 1958 im Bundestag:

„(Es) wird Ihnen nicht unbekannt sein, dass das Völkerrecht wenigstens zwei Grenzen in der Handhabung des Krieges setzt. Erlaubt ist keinesfalls Gewalt gegen Nichtkombattanten, und die Kriegsmittel sind begrenzt. Ich erinnere daran, dass zum Beispiel in der Haager Landkriegsordnung von 1907 der Satz steht: ,Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes.‘“

Die Herrschenden wollen das vergessen machen und sie reden von „Sicherheitspolitik“, während sie das Ende der Zivilisation logistisch, konzeptionell und in Manöver-Übungen konkret vorbereiten. Die Kräfte des Friedens haben im eigenen Interesse und im Interesse des Lebens überhaupt die Verantwortung, den militärischen Hardlinern ihre brandgefährliche „Mission“ zu durchkreuzen. Wir leben im gefährlichsten Jahrhundert überhaupt und die Zukunft des Lebens hängt entscheidend davon ab, was wir tun — oder eben nicht tun.


Quellen & Anmerkungen

(1) http://fluglaerm-kl.de/dl/US-Basen_in_der_BRD_im_strategischen_Gesamtkonzept_der_USA.pdf
und https://agenda21senden.de/wp-content/uploads/2016/11/Oton2016november.pdf
(2) https://www.tagesspiegel.de/politik/bundeswehr-deutschland-sucht-den-super-jet/23940048.html
(3) https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-94-2019-CH.pdf
(4) https://www.jungewelt.de/artikel/348787.ischinger-globale-ordnung-l%C3%B6st-sich-auf.html
(5) https://www.heise.de/tp/features/Deutschland-Eigene-nukleare-Abschreckungsfaehigkeit-3506230.html
Zitat: „Die nukleare Teilhabe - Diese Waffen könnte die deutsche Luftwaffe im Kriegsfall nutzen, wenn dies der amerikanische Präsident autorisiert. Tornados der Bundeswehr sind entsprechend ausgerüstet und deutsche Piloten im Abfeuern der Nuklearwaffen ausgebildet. Grundlage dafür ist der Beschluss der Nato zur nuklearen Teilhabe. Das Problem der Autorisierung durch den US-Präsidenten beschreibt Hans M. Kristensen, Direktor des Nuklear Information Projekts bei der Federation of American Scientists (FAS) so: In diesem Moment würde die Übergabe amerikanischer Waffen an Deutschland dieses zu einem nuklear bewaffneten Staat machen, was eine Verletzung des NVV (Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, Anm. d. A.) bedeuten würde.“ Hans M. Kristensen
(6) https://www.tagesschau.de/ausland/trump-paris-107.html
(7) https://www.heise.de/tp/features/Nuklearer-Teilhaber-Deutschland-3380678.html
(8) https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2017/US-Atombomben-in-Deutschland-und-Donald-Trump,atombombe100.html
(9) https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1 (S. 148)
(10) https://www.neopresse.com/europa/merkel-genehmigt-stationierung-neuer-us-atomwaffen-in-deutschland/