Zelebrierter Moralismus
Der Eurovision Song Contest war auch in diesem Jahr wieder ein Ausweis westlicher Heuchelei.
Wenige Überraschungen hatte er zu bieten, der Eurovision Song Contest (ESC) 2025. Die üblich seichten Lieder, die eigentlich keine Erwähnung wert sind, wechselten einander ab, mit nur wenigen interessanten Ausreißern. Bei dem auf Kommerz und Show getrimmten Festival steht schon lange nicht mehr die Musik im Vordergrund, sondern die Show, bei der auch die Heuchelei und die Doppelmoral Europas mal wieder offensichtlich wurden.
Am 17. Mai 2025 fand der diesjährige Eurovision Song Contest statt. Es war der 69. Song Contest, der mit Basel wieder in sein Ursprungsland zurückkehrte — denn in der Schweiz war die Veranstaltung gegründet worden und hatte hier zum ersten Mal stattgefunden. Die Darbietungen waren, alles in allem, von erwartbarer Qualität, die meisten dargebotenen Lieder und Interpreten dürften — wie jedes Jahr — ziemlich schnell dem Vergessen anheimfallen. Es ist wie üblich ein oberflächliches Fest für einen Tag, wenn man die Vorentscheide nicht mitzählt, und interessiert eigentlich schon am übernächsten Tag niemanden mehr.
Muss man also noch über diese Veranstaltung sprechen? Man muss nicht, aber man kann, und es ist nicht uninteressant. Denn der Eurovision Song Contest ist seit Jahren eine Präsentation des im Westen herrschenden Moralismus und verkommt schnell zu einem Beweis westlicher Doppelmoral. So ist seit Jahren bereits im Vorhinein recht einfach zu bestimmen, wer der Sieger des Events sein wird. Der Sieg wird nämlich nicht durch die Qualität der Musik und der Darbietung bestimmt, sondern durch die erkennbare Zurschaustellung der jeweils herrschenden Ideologie. So sind es immer wieder diejenigen, die der Queer- und LGBTQ-Propaganda am deutlichsten entsprechen, welche schließlich den Sieg einfahren. Von Conchita Wurst angefangen, als diese Art des Distinktionserfolgs deutlich an Fahrt aufnahm, über Nemo, den Sieger des vergangenen Jahres, der schließlich auch das Event in die Schweiz geholt hat: Stets gewinnt, wer seine Geschlechtsverwirrung am deutlichsten zur Schau stellt.
So auch in diesem Jahr. Den Sieg trug dabei JJ aus Österreich davon — ein Mensch, dem man von außen nicht anzusehen vermag, ob es sich um einen Mann oder ein Frau handelt, und der sich selbst als „queer“ definiert — was auch immer diese Person darunter versteht.
Gewonnen hat der Kandidat mit der gesanglich zwar recht beeindruckenden Darbietung eines leider aber vollkommen belanglosen und langweiligen Liedes, das nicht im Ohr bleibt und schon jetzt bereits wieder vergessen ist.
Auch der letztjährige Sieger Nemo hatte einen Auftritt, durfte dabei ein neues Lied darbieten, wobei er — oder sie, man entschuldige, wenn es schwer fällt, das passende Pronomen zu wählen — in allzu knapper Kleidung auftrat, die sein Frauenbild zeigt, das sich offenbar auf das einer Stripperin oder Prostituierten beschränkt. Das ist in der Queer-community häufig der Fall, gerade wenn Männer sich zu Frauen umdefinieren. Man könnte also Frauenverachtung unterstellen.
Doch die eigentliche Heuchelei ist nicht der nur scheinbar gerechte Wettbewerb, der am Ende immer zugunsten der Geschlechtsverwirrung und psychischen Destabilität entschieden wird, sondern die Selbstdarstellung als „unpolitische“ Veranstaltung. So auch im Jahr 2025, als man großspurig unter dem Motto „united by music“ antrat. Wie seit 2022 üblich waren zwei Länder nicht dabei: Russland und Weißrussland. Diese waren aufgrund des sogenannten „unprovozierten, völkerrechtswidrigen Angriffskrieges“ Russlands auf die Ukraine aus einer unpolitischen Veranstaltung ausgeschlossen worden. Dabei ist bis heute unklar, warum dieser Ausschluss auch Weißrussland betroffen hat, das ja immerhin seit 2014 zwischen Ostukraine, Westukraine, Russland und dem Westen immer wieder vermittelt und sich dabei eigentlich durch diplomatische Bemühungen ausgezeichnet hat.
Und selbst wenn man die vorgebrachte Erklärung akzeptiert — Russland als Angreifer in einem Angriffskrieg soll aus einer friedlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden —, wie weit her ist es dann mit dem Motto „united by music“?
Gleichzeitig durfte Israel seine Bewerberin in das Finale schicken, das am selben Wochenende stattfand, an dem Israel eine erneute Bodenoffensive im Gazastreifen begann und Luftangriffe auf die Palästinenser flog. Israel, das seit über eineinhalb Jahren einen Völkermord an den Palästinensern begeht, Hunger als Waffe gegen sie einsetzt, Krankenhäuser, Schulen und Wohngebäude zu Staub pulverisiert und offen und für jeden erkennbar daran arbeitet, den Gazastreifen vollkommen zu entvölkern, darf also teilnehmen, während Russland und Weißrussland ausgeschlossen werden — und das alles unter dem Motto „united by music“ eines angeblich unpolitischen Festivals. Dass die Ukraine teilnahm, muss man wahrscheinlich gar nicht mehr erwähnen.
Nicht, dass es keine Forderungen gegeben hätte, Israel auszuschließen. Die gab es in diesem Jahr ebenso wie schon im Jahr zuvor. So verlangte die slowenische Sendeanstalt RTVSLO den Ausschluss Israels, während die jeweilige spanische, belgische, irische und flämische Anstalt eine Debatte über die Teilnahme des Landes verlangte. Auch frühere Teilnehmer und Gewinner, einschließlich des Vorjahresgewinners Nemo, forderten den Ausschluss Israels von der Veranstaltung. Sogar der spanische Premierminister mischte sich nach dem Ende der Veranstaltung ein und prangerte die Doppelstandards an, er verlangte einen Ausschluss Israels.
Während des Contests wurde die Darstellung des Finales stark beschönigt. So wurden bereits im vergangenen Jahr die Buh-Rufe aus dem Publikum während der israelischen Darbietung aus der Tonspur ausgefiltert und durch vorher aufgezeichneten Applaus ersetzt.
Ähnliches geschah in diesem Jahr. Auch Palästinaflaggen, die im Publikum durchaus präsent waren, wurden bei der Ausstrahlung nicht gezeigt. Wenig überraschend gewann Israel auch die meisten Zuschauerstimmen. So erhielt das Land von den Zuschauern angeblich 297 Punkte — und damit sogar mehr als der spätere Sieger Österreich mit 178 Punkten.
Man kann hier also für beide Länder sehen: Moralismus bringt Punkte. Es handelt sich dabei also hauptsächlich um Moralpunkte — denn interessant oder außergewöhnlich waren weder der österreichische noch der israelische Beitrag. Sie entsprachen nur den geltenden, moralischen Normen; Österreich als Vertreter der Queer-Ideologie, Israel als schützenswerter Opferstaat, zu dem sich der Westen moralisch bekennen muss — egal, ob dieser Staat einen Völkermord begeht oder nicht. Mit Deutschland bis Portugal, Großbritannien, Schweden und sogar Aserbaidschan sowie den Rest der Welt außerhalb der Eurovision-Gruppe, der als ein Land gewertet wurde, verteilten insgesamt 11 Länder die Höchstpunktzahl an Israel.
Die Abstimmung wird von mehreren Sendeanstalten, die sich an der European Broadcasting Union (EBU) beteiligen, die den ESC veranstaltet, beanstandet. Diese Anstalten, darunter die spanische und die belgische, werfen den Veranstaltern nun Manipulation vor. Der spanische Staatssender RTVE reichte eine Forderung nach Überprüfung des Zuschauervotings ein, und der belgische Staatssender VRT stellte gar seine künftige Teilnahme infrage. Im Fokus steht dabei auch der massive Stimmenkauf Israels sowie die manipulative Einflussnahme des Landes. So schreibt die spanische Zeitung El Pais von der massiven Einflussnahme Israels auf die Stimmen:
„David Saranga, stellvertretender Direktor für öffentliche Diplomatie im israelischen Außenministerium, gab letztes Jahr gegenüber dem Nachrichtenportal *Ynet zu, dass die von ihm geleitete Agentur ‚in der Öffentlichkeit, die (mit Israel) sympathisiert, interveniert hat, um zur Stimmabgabe zu ermutigen‘“, erklärte „vertele!“ von eldiario.es damals. Diese Onlinekampagnen, die oft von den rechtsextremen Parteien in jedem Land unterstützt wurden, waren erfolgreich. Spanien hat Israel 2024 in der Volksabstimmung mit 12 Punkten Vorsprung den Vortritt gelassen.*
Ein Beispiel dafür, wie diese ideologische Debatte im letzten Jahr auf den Eurovision Song Contest übergriff, ist eine Nachricht, die Pilar Rodríguez Losantos, nicht geschäftsführende Präsidentin des rechtsextremen Medienunternehmens *OK Diario, am Samstag in den sozialen Netzwerken veröffentlichte. Sie zeigte ihren Anhängern, dass sie gerade mehr als 20 Euro investiert hatte, um 20 Stimmen — die maximal mögliche Anzahl pro Telefonanschluss — an den Vorschlag Israels zu senden. Und forderte sie auf, massenhaft dasselbe zu tun.“*
Auch kursieren Berichte von israelischer Werbung, die in Livestreams der Show eingeblendet wurde und zur Abstimmung für Israel aufrief.
Es deutet sich also an, dass Israel massiv in die Abstimmung eingriff, um Sympathie des Publikums zu simulieren — was dem Land den Sieg allerdings nicht eingebracht hat.
Wie man sieht, ging es beim ESC 2025 mal wieder nicht wirklich um Musik. Es ging um Effekte und Show, um die Zurschaustellung von Ideologien und Moralismus. Damit ist der ESC jedes Jahr erneut eine Darstellung der in Europa gelebten Ideologien und Moralismen und zudem ein auf offener Bühne ausgetragener Beweis für die westliche Heuchelei und Doppelmoral.
Doch um nicht falsch verstanden zu werden: Die Forderung nach einem Ausschluss Israels ist wohl nicht der richtige Weg. Vielmehr geht es um die Doppelstandards, die Russland und Weißrussland auszuschließen erlauben und Israel trotzdem die Teilnahme gestatten. Viel sinnvoller wäre es, das Mantra der unpolitischen Veranstaltung ernst zu nehmen und Russland sowie Weißrussland die Teilnahme wieder zu erlauben — und zudem andere Bewertungskriterien heranzuziehen als die Unterwerfung unter ideologisch aufgeladener Moral, etwa die Qualität der Musik. Denn die Idee des Eurovision Song Contests ist es einmal gewesen, die Völker durch Musik zu vereinen — united by music eben. Und dem dürfen politische Erwägungen nicht im Wege stehen. Denn immerhin ist das Volk nicht mit seiner Regierung zu verwechseln, die Menschen nicht mit der Politik. In der Musik geht es genau darum eben nicht, sondern um Kultur, um Kunst und um das Gemeinschaftliche.
Es gibt aber tatsächlich auch Positives zu berichten. So trat Estland mit einem humorvollen Lied an, das durch geschickte sprachliche Unkorrektheit in Form eines wilden Sprachenmixes glänzte, ebenso wie mit einer eingängigen Melodie und einer interessanten Tanzeinlage. Damit belegte Estland nach Österreich und Israel den 3. Platz und erhielt nach Israel mit 258 Zuschauerpunkten die meisten Sympathien, was Estland zum eigentlichen Sieger machte — wenn man die manipulierten und moralisch aufgeladenen Punktevergaben für Israel und Österreich einmal wegdenkt. Es dürfte auch eines der wenigen Lieder sein, die möglicherweise nicht gleich wieder dem Vergessen anheimfallen.