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Das Bündnis der Schande

Das Bündnis der Schande

Das Leben zu lieben heißt heute, Widerstand gegen die Kriegspolitik der NATO zu leisten.

Das NATO-Jubiläum war für große Teile der Parteienlandschaft eine Erfolgsgeschichte. In der Realität schlidderte die Menschheit mehrfach am Rande des Abgrunds entlang. Bisher. Ein Zusammenwirken der Umwelt- und der Friedensbewegung wird angesichts der Handlungen der Militärs und der vielen sie stützenden politischen Kräfte zum Überlebenserfordernis in der ökologisch bedrohten Welt. Dafür gilt ist es, konservative, sozialdemokratische und grüne Kräfte möglichst kurzfristig zurück in die Bewegung für das Leben zu gewinnen.

Die NATO entstand nicht aus den Gründen, die ihre Führungskräfte vorgaben: „Die NATO entstand vor dem Hintergrund des sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs ... entwickelnden Kalten Krieges ... Das Bündnis sollte der als Bedrohung empfundenen Ausdehnung des Machtbereichs der Sowjetunion in Europa mit militärischer Präsenz in vielen osteuropäischen Staaten ein Gegengewicht entgegensetzen“, so die offizielle Begründung. Die Militärstrategen entwickelten das Konzept der „massiven Vergeltung“: Ein Angriff auf einen Mitgliedstaat sollte demzufolge mit einem atomaren Gegenschlag beantwortet werden (1).

Als die NATO 1949 gegründet wurde, war die Sowjetunion so stark damit befasst, die Folgen des faschistischen Vernichtungsfeldzugs zu überwinden, dass ein Angriff auf den Westen schon von daher undenkbar war. Hinzu kommen die 27 Millionen Toten, darunter circa 6 Millionen Rotarmisten und noch einmal 23 Millionen Verletzte (2). Die Wahrheit war der erste Verlierer bei der NATO-Gründung.

Die Propaganda der NATO-Gründer wurde angesichts der Tatsache nicht wahrer, dass circa die Hälfte der Welt-Rüstungsausgaben auf die NATO-Staaten entfallen. Für die Strategie der massiven Vergeltung war diese Unsumme nicht nötig. Die Spekulation über die wahren Absichten führt zu den Ergebnissen des Historikers William Burr von der George Washington University, die 2006 angefordert hatte (3). Hier laut Tagesspiegel-Bericht aus den Anfangsjahren der NATO ein paar Fakten zur US-Strategie, die auf eine weltweite Vormachtstellung durch einen Sieg über die Sowjetunion hinauslief:

„Wären jetzt veröffentlichte Pläne der USA aus den fünfziger Jahren umgesetzt worden, würde es die Stadt [Berlin] wohl nicht mehr geben. Bei einem Krieg mit der Sowjetunion wollte das amerikanische Militär Ost-Berlin durch Atomwaffen förmlich ausradieren.

Auch vom Westteil der Stadt wäre nicht viel übrig geblieben. Exakt 91 Ziele hatte das Militär vorgegeben, die auf Ost-Berliner Gebiet systematisch zerstört werden sollten: Kraftwerke, Bahnhöfe, Treibstofflager, Industrieanlagen sowie die Radio- und Fernsehsender. Und es gab noch ein Angriffsziel: ‚Bevölkerung‘.

Die lange geheim gehaltene Zielliste des US-Militärs von 1956 hat das National Security Archive jetzt veröffentlicht. Das 800-seitige Dokument nennt alle Ziele, auf die das US-Militär in einem Krieg Bomben werfen wollte — in Berlin, in der DDR, in Osteuropa, in der Sowjetunion und in China. Nuklearwaffen hätte es ausreichend gegeben.

Nach Angaben von ‚Spiegel Online‘ besaßen die USA 1959 Atombomben mit einer Sprengkraft von 20. 000 Megatonnen. Die über Hiroshima abgeworfene Bombe mit ihren verheerenden Folgen hatte dagegen ‚nur‘ eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen. Allein eine über Berlin gezündete Atombombe hätte gereicht, die Stadt weitgehend zu vernichten. Warum das Militär akribisch 91 einzelne Angriffsziele ausgemacht hat, ist unklar.

Weitere Bomben, vornehmlich auf Flugplätze der Sowjetunion, hätten rings um Berlin fallen sollen — unter anderem auf Groß Dölln bei Templin, wo sich der größte sowjetische Militärflugplatz in der DDR befand, sowie auf Oranienburg, Welzow und Werneuchen. Weitere Ziele in Brandenburg waren die Flugplätze in Brandenburg-Briest, Cottbus, Schönefeld (Dahme-Spreewald), Alt Lönnewitz, Fürstenwalde (beide Elbe-Elster), Briesen (Oder-Spree), Neuruppin, Wittstock (beide Ostprignitz-Ruppin), Drewitz, Jocksdorf (beide Spree-Neiße) und Jüterbog (Teltow-Fläming).“

Zur Serie der von NATO-Staaten herbeigeführten Situationen am Rande eines Atomkriegs gehörte die Kubakrise, zu der Noam Chomsky 2012 schrieb:

„Präsident Kennedy gab am 23. August 1962 das National Security Memorandum N0. 181 in Umlauf — eine Direktive ... zur Anstachelung einer internen Revolte, die auf eine amerikanische Invasion folgen sollte und bedeutende Manöver und Truppenbewegungen der Amerikaner umfasste, die die Russen und Kubaner gewiss kannten. Im August wurden auch die Terrorangriffe intensiviert. Zu ihnen gehörten Angriffe mit Schnellbooten auf ein kubanisches Strandhotel, ‚von dem bekannt war, dass sich dort sowjetische Militärtechniker trafen, bei denen mehrere Kubaner und Russen getötet wurden‘; Angriffe auf britische und kubanische Frachtschiffe; die Kontamination von Zuckerlieferungen sowie andere Gräueltaten und Sabotageakte, die zumeist von kubanischen Exilorganisationen ausgeführt wurden, die in Florida frei operieren durften. Der im Oktober folgende ‚gefährlichste Augenblick in der Geschichte der Menschheit‘ kam also nicht gerade aus heiterem Himmel“ (4).

Wenige Jahre später, 1967 führte der Krieg Israels gegen seine Nachbarn knapp am nuklearen Inferno vorbei: Der ARD-Film „Israel und die Bombe“ (5), der unter anderem die Verwicklung der CDU-Adenauer-Regierung und des französischen Staates am völkerrechtswidrigen israelischen Atomprogramm dokumentiert, brachte auch Details darüber, wie nah die Welt während des damaligen Junikrieges am Rande des nuklearen Infernos stand: Am dritten Tag des Krieges griffen israelische Jets ohne Kennzeichen das in der Nähe des Kriegsgebiets operierende US-Spionageschiff MS Liberty an. Die US-Besatzung forderte Unterstützung an, die das Weiße Haus zurückrief. Israelische Schnellboote schossen im Anschluss Torpedos auf die Liberty. Es gab 34 Tote, doch die MS Liberty ging wie durch ein Wunder nicht, wie offensichtlich geplant, unter.

Im Film berichtet der Experte Peter Hounam, dass zeitgleich auf dem US-Flugzeugträger drei Jets starteten, um mit Atombomben in Richtung Kairo zu fliegen. Circa zwei Minuten vor dem Ziel wurden die Jets zurückgerufen, weil das Legitimationsmärchen für den Atomkrieg nicht funktionierte. Das Schiff war nicht versenkt worden. Dokumente für den danach eigentlich vorgesehen Krieg zeigen, dass auch chinesische Ziele für den Erstschlag vorgesehen waren.

In den 1980er Jahren wurde die „Sieg im Atomkrieg ist möglich“-Strategie des US-Strategen Colin S. Gray bekannt.

All das ist der Hintergrund für eine Darstellung und Bewertung politischer Positionen und Dokumente in der Bundestagssitzung zum 70. Jahrestag der NATO am 4. April 2019 (6).

Die Bewertung überlasse ich den als kritische Geister bekannten Rubikon-LeserInnen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bezeichnete das Bündnis NATO als „Garant für Sicherheit und Freiheit in Europa“. Die NATO beruhe auf ... Glaubwürdigkeit des Bündnisversprechens und ... fairer Lastenteilung. „Ich finde, beim Beistandsversprechen sind wir gut“, sagte von der Leyen: Deutschland sei der zweitgrößte Truppensteller in Afghanistan, zweitgrößter Nettozahler in der NATO und schütze maßgeblich die östliche Grenze des NATO-Gebietes.

Rüdiger Lucassen (AfD) kritisierte, Deutschland breche „alle Zusagen, die es gegenüber der NATO eingegangen sei. Die Regierung Angela Merkels habe die Streitkräfte heruntergewirtschaftet, sodass sie als Ganzes nicht mehr einsetzbar seien. Nötig sei eine starke und einsatzbereite Bundeswehr“.

Niels Annen (SPD): Mit der russischen Krim-Annexion habe sich das Bündnis wieder auf seine Kernfunktion, die Selbstverteidigung, zurückbesonnen. Es sei klar, dass Deutschland Sicherheit nicht zum Nulltarif haben könne.

Bijan Djir-Sarai (FDP): Es sei Kern eines stabilen Bündnisses, dass sich Partner an Abmachungen halten. „Das ist das Gegenteil von dem, was diese Bundesregierung gerade macht.“ Mit ihrer Zurückhaltung bei den Verteidigungsausgaben riskiere sie den Ruf Deutschlands bei den Partnern und setzte die Sicherheit des Landes aufs Spiel.

Heike Hänsel (Die Linke) nannte die NATO-Bilanz nach dem Kalten Krieg „verheerend“: das Bündnis maße sich an, außerhalb des Bündnis-Gebietes völkerrechtswidrig Krieg zu führen. „Das dient weder dem Frieden in der Welt noch verhindert es internationalen Terrorismus.“

Hänsel wandte sich gegen die NATO-Osterweiterung und eine Konfrontation mit Russland. Angesichts der Aufkündigung des INF-Vertrages über die Vernichtung nuklearer Mittelstreckensysteme durch die USA und dann durch Russland drohe Europa wieder ein „potenzielles atomares Schlachtfeld“ zu werden. Nötig seien deshalb nicht neue Hochrüstungspläne, sondern es sei Zeit für eine neue Abrüstungspolitik.

Die Grünen/Bündnis 90 brachten einen Antrag ein, in dem unter anderem stand:

„Aus europäischer Sicherheit bleibt die NATO bisher der neben der EU zentrale Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegen wirkt.“

Die Grünen kritisieren trotz dieser prinzipiellen Position, die NATO garantiere Sicherheit, unter anderem den völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei in Syrien, so als gingen die Völkerrechtsbrüche anderer NATO-Staaten, allen voran der USA, in Ordnung. Sie bezeichnen — wie auch wie die SPD — das Ziel der NATO als gefährlich, 2 Prozent der Wirtschaftsleistung für Militärisches auszugeben.

Im gemeinsamen Antrag von SPD und CDU/CSU stand:

„Die NATO hat bewiesen, dass verantwortungsvolle ... Sicherheitspolitik dem Frieden verpflichtet ist und einen wichtigen Beitrag zur regionalen und internationalen Sicherheit leistet. Durch die Stärkung der kollektiven Sicherheit Europas und Nordamerikas hat die NATO über Jahrzehnte Frieden und Freiheit im euroatlantischen Raum garantiert. Zugleich ist die NATO eine einzigartige Wertegemeinschaft, die fest auf dem Fundament von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Freiheit und der Achtung der Menschenrechte fußt und für diese Werte in der Welt eintritt.“

Der Antrag der LINKEN besagte demgegenüber unter anderem: An Stelle der NATO „sollte endlich ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands treten. Auf dem Weg dorthin müssen Kooperationsformate, die Russland einschließen, insbesondere die OSZE, politisch gestärkt werden.“

Der Antrag der Parteien der großen Koalition wurde im Bundestag mit 324 Stimmen angenommen.

Zu einer Zeit, in der die Herrschenden die Politik, die sie mit dem Begriff „Verteidigung und Sicherheit“ beschönigen, in Verkehrung der Realität durchsetzen, sind die Ostermärsche eine wichtige Gelegenheit, die Aufklärung und den Protest in die Öffentlichkeit zu tragen.

Das Zusammenwirken der Umwelt- und der Friedensbewegung, der Gewerkschaften und weiterer alternativer und sozialer Kräfte wie „aufstehen“ ... wird zum Gebot der Stunde.

Diese Formulierung („Stunde“) ist kein leeres Wort, da die Menschheit immer weniger Stunden zur Verfügung hat, die ökologischen, militärischen ... Zukunftsgefährdungen noch abzuwenden. Rüstung und Krieg gehören zu den größten Verbrechen an der Gegenwart und Zukunft des Lebens auf der Erde. Sie vertragen sich nicht mit den Hoffnungen auf ein Überleben der globalen Bedrohungen in unserem Jahrhundert.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://learnattack.de/geschichte/nato
(2) https://de.euronews.com/2015/05/04/wie-der-zweite-weltkrieg-russland-gepragt-hat
(3) https://www.tagesspiegel.de/berlin/kalter-krieg-geheimplaene-der-usa-nuklearangriff-auf-ost-berlin/12762490.html
(4) https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/das-problem-mit-castro
(5) https://www.youtube.com/watch?v=qecfF6quEVs
(6) https://www.bundestag.de/#url=L2Rva3VtZW50ZS90ZXh0YXJjaGl2LzIwMTkva3cxNC1kZS03MC1qYWhyZS1uYXRvLTYzMjc4OA==&mod=mod493054 https://fridaysforfuture.de/about/


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