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Die Kriegsschuldlüge

Die Kriegsschuldlüge

NATO-Desinformation versucht der Sowjetunion gleiche Verantwortung am Zweiten Weltkrieg zuzuschieben wie Nazideutschland.

Der Antikriegstag rückt näher und damit eine Stimmungsmache, die die historischen Fakten massiv auf den Kopf stellt, indem sie die Sowjetunion als Vorgängerstaat Russlands in der Frage der Kriegsschuld neben Nazideutschland mit an den Pranger stellt. Mit dieser Stimmungsmache verstoßen verantwortliche PolitikerInnen gegen Geist und Buchstaben des Vertrages, auf dessen Grundlage Deutschland in seiner gegenwärtigen Form existiert. Das ist der „2+4-Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands“ (1).

Er orientiert Deutschland und die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs auf die Einigung Europas und den „Aufbau einer europäischen Friedensordnung (...), in der Grenzen nicht mehr trennen und die allen europäischen Völkern ein vertrauensvolles Zusammenleben gewährleistet (...)“ (2).

Dies versuchen westliche NATO-Politiker und -Strategen vergessen zu machen.

Die damalige Sowjetunion stimmte dem Vertrag zur Deutschen Einheit unter anderem auf der Basis eines Vermerks zu, „der während eines Besuchs von Hans-Dietrich Genscher in Moskau am 10. Februar 1990 angefertigt worden war. Demnach sagte Genscher im Gespräch mit dem sowjetischen Außenminister Schewardnadse, der Bundesregierung sei bewusst, dass die Zugehörigkeit eines vereinten Deutschlands zur NATO komplizierte Fragen aufwerfe. Für sie stehe aber fest: Die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen. Viele hätten nicht geglaubt, dass die Sowjetunion einer NATO-Mitgliedschaft Deutschlands zustimmen würde. Darum sei es ihm dringlich erschienen, in öffentlicher Rede ein klares Votum für die NATO-Mitgliedschaft des vereinigten Deutschland abzugeben.

Am 31. Januar 1990 in der Evangelischen Akademie in Tutzing sah Genscher die Gelegenheit gekommen. Seine Rede, die nicht mit Bundeskanzler Kohl abgesprochen war, enthielt die an die NATO gerichtete Forderung, eindeutig zu erklären, ‚was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des NATO-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben‘. Diese Sicherheitsgarantie sei für die Sowjetunion bedeutsam, denn der Wandel in Osteuropa und der deutsche Vereinigungsprozess dürften nicht zu einer Beeinträchtigung der sowjetischen Sicherheitsinteressen führen“ (3).

Dies schob die NATO bei ihrer Osterweiterung, die sie über das Baltikum 2004 bis direkt an die russische Westgrenze führte, beiseite.

Die Meinungsmache in den NATO-Staaten verortet das Ende der Vertrauensbildung gegenüber Russland in die Krim-Krise, die zehn Jahre später ihren ersten Höhepunkt erreichte.

Dort habe Russland die Büchse der Pandora geöffnet und zum ersten Mal die Grenzen in Europa unter Bruch des Völkerrechts verschoben, argumentierte beispielsweise der damalige deutsche Außenminister Steinmeier (4).

Die NATO-Propaganda macht die türkische Landnahme des Nordens Zyperns (seit 1974) und den völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieg in den 1990er-Jahren vergessen. Mehr noch: Der Ukraine-Konflikt erreichte vor der Krim-Krise einen ersten Höhepunkt, als im Verlauf der West-Orientierung der Ukraine, die vom Westen mitbetrieben wurde und sich in dem Rechtsbruch zuspitzte, der zur Absetzung der Janukowitsch-Regierung in Kiew führte, im Februar 2014 eine pro-westliche sogenannte „Übergangsregierung Jatsenjuk“ installiert wurde.

„Janukowitsch wurde am 22. Februar (2014) entgegen den in der ukrainischen Verfassung vorgegebenen Regeln abgesetzt. Bei der Abstimmung über die Absetzung von Janukowitsch wurde nicht die benötigte Mehrheit erreicht. Die ukrainische Verfassung schreibt 75 Prozent vor. Tatsächlich erreicht wurden nur 72,88 Prozent“ (5).

Demzufolge ist die Krim-Krise ein später Punkt in einer lange schon vollzogenen Spirale der Eskalation von Spannungen und mitnichten deren Ausgangspunkt. Seither wiederholen die Europäische Union (EU), die NATO, die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und Polen das Legitimationsnarrativ ihrer von ihnen so getauften Politik der Abschreckung gegenüber Russland.

Seit der Krim-Krise legitimiert die NATO ihre Aufrüstung schwerpunktmäßig mit der in der Krim-Krise zutage getretenen russischen Aggressivität. Dieses Propagandamärchen — man kann auch von Fake-News und Desinformation sprechen — geht bis zur Rechtfertigung der Nuklearrüstung. Beispiel:

„‚Putins Invasion in der Ukraine hat alles verändert‘, sagt Obamas früherer Atomwaffenberater Gary Samore“ (6).

Schönheitsfehler: Der NATO-Gipfel in Chicago 2012 beschloss die Aufstellung technisch ausgefeilter Wasserstoffbomben mit Zielfindungstechnik vom Typ B 61-12. Die Desinformation der NATO rechtfertigt die Aufstellung militärischer Geräte für das finale Inferno der Menschheit.

Die NATO lotet ebenfalls unter Verweis auf die Krim-Krise immer wieder neue Möglichkeiten aus, die Vereinbarungen in der „Grundakte der NATO und der Russischen Föderation über die gegenseitigen Beziehungen und die Zusammenarbeit und Sicherheit“ zu unterlaufen. Dort ist festgelegt, dass sie darauf verzichtet, „zusätzlich substanzielle Kampftruppen dauerhaft“ im „gegenwärtigen und vorhersehbaren Sicherheitsumfeld“ zu stationieren (7).

Um dem formal gerecht zu werden, setzt die NATO rotierende (!) Streitkräfte nahe der russischen Westgrenze ein: In ihrer „4+4-Erklärung“ der baltischen Staaten, Polens sowie Deutschlands, der USA, Kanadas und Großbritanniens reagiert die NATO auf die von ihr deklarierten russischen „Bedrohungen im östlichen Bündnisgebiet“ mit der in Warschau beschlossenen „Enhanced Forward Presence“, worunter die Vertragsstaaten eine „rotierende Präsenz von vier Gefechtsverbänden in Osteuropa“ verstehen (8).

Zur Eskalation der Spannungen gegen Russland entwickelte die NATO das Manöver „Defender 2020“, in dessen Verlauf 37.000 NATO-Soldaten samt Kriegsgerät in möglichst kürzester Zeit nahe an die russische Grenze verbracht werden sollten, ehe die Coronakrise dazwischen funkte. Inzwischen kommt es zur Verlagerung von tausenden US-Soldaten aus Deutschland nach Polen. Auch dieses Unterfangen folgt der Vorbereitung von kriegerischen Auseinandersetzungen nahe der russischen Westgrenze.

Auch die EU spielt in diesem Kontext eine bedeutsame Rolle, hat sie doch die Planung beschlossen, 6,5 Milliarden Euro für den militärischen Ausbau der Verkehrswege gen Russland für einen möglichen Konflikt in Osteuropa zu investieren. Sie nennt das „militärische Mobilität“ (9).

Diese brandgefährliche Politik wird von einem Beschluss des EU-Parlaments, in dem die Sowjetunion gleichermaßen wie Nazideutschland für den Beginn des Zweiten Weltkriegs verantwortlich gemacht wird, propagandistisch weiter flankiert. Der Text trägt den Titel: „Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. September 2019 zur Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft Europas“ (10).

Dieser Beschlusstext wurde von sozialdemokratischen, liberalen, konservativen und rechtsnationalen Parteien eingebracht.

Hier wird die Geschichte auf den Kopf gestellt. Niemand hätte 1945 nach dem vor allem durch die Rote Armee getragenen Sieg über den SS-Staat der Sowjetunion eine Mitschuld am Krieg zugeschrieben.

Es gab zwar den Nichtangriffsvertrag Nazideutschlands und der Sowjetunion, auch Hitler-Stalin-Pakt genannt. Zur Vorgeschichte dieses Vertrages gehören viele Versuche der Sowjetunion, gemeinsam mit den Westmächten ein Bündnis gegen den Faschismus zustande zu bekommen. Stattdessen jedoch vereinbarten westliche Mächte das sogenannte „Münchner Abkommen“, nach dem sich das Deutsche Reich einen Großteil der Tschechoslowakei einverleibte, und polnische Truppen besetzten das Olsagebiet der Tschechoslowakei (11).

Wladimir Putin erklärte zu diesem Gewaltvertrag gegen den Frieden: „Gerade das Münchner Abkommen diente als Auslöser, durch den ein großer Krieg in Europa unvermeidlich wurde“ (12).

Wenn nun die Sowjetunion in der Frage der Kriegsschuld auf eine Stufe mit Hitlerdeutschland gestellt wird, so ist das auch Element einer gefährlichen Desinformation, die den Charakter von Vorkriegspropaganda trägt.

Die einzig vertretbare Antwort auf die Lage ist die Friedenspolitik, die auf eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur hinwirkt und in der die Sicherheitsinteressen aller Staaten des Kontinents Beachtung finden.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://deutsche-einheit-1990.de/ministerien/ministerium-fuer-auswaertige-angelegenheiten/zwei-plus-vier-vertrag/
(2) ebenda, Präambel
(3) Frankfurter Allgemeine Zeitung am 19.April 2014
(4) Frank Walter Steinmeier, Vorwärts, 1. April 2014
(5) http://www.schweizmagazin.ch/nachrichten/ausland/18760-Ukraine-Kommt-Janukowitsch-mit-30000-Bewaffneten-zurck.html
(6) Bild-Zeitung, 22. September 2014
(7) https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_25468.htm?selectedLocale=de
(8) 4+4-Erklärung vom 29. Juni 2017, https://www.bmvg.de/de/aktuelles/4-4-erklaerung-verstaerkte-nato-praesenz-in-osteuropa-bekraeftigt-11198
(9) https://www.fr.de/politik/will-milliarden-euro-panzertaugliche-strassen-10980475.html
(10) https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2019-0021_DE.html
(11) https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/276472/muenchener-abkommen
(12) https://essener-friedensforum.de/wp-content/uploads/2020/06/20-06-25_JW_Putin.pdf


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