Das Selbstjustiz-Stalking

Der Doxing-Skandal um Jan Böhmermann und den YouTuber „Clownswelt“ ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist zum Volkssport geworden, die Adressen politischer Gegner im Netz zu veröffentlichen.

Die Wohnadresse ist nicht mehr heilig. Wenn der Zweck scheinbar ein guter ist, dann heiligt er in der Vorstellung von immer mehr Menschen das Mittel des Doxings. Doxing ist das böswillige Verbreiten intimster personenbezogener Daten im Netz, mit der Absicht, der zum Feind erklärten Person und ihrem Umfeld maximal zu schaden. In den letzten Jahren war eine zunehmende Enthemmung beim Einsatz dieser Praktik zu beobachten. Mit dem Skandal um Jan Böhmermann und den YouTuber „Clownswelt“ fand diese Vorgehensweise einen vorläufigen Höhepunkt. Vermeintlich. Zweifelsohne war es ein Novum, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk dieser infamen Methode bediente. Doch bei genauerer Betrachtung reicht das Doxing inzwischen viel weiter. Was vor einigen Jahren mit Einzelfällen begann, hat sich auf kriminelle Weise systematisiert und auch verschärft, denn gedoxte Fraktionen fangen nun aus Rache selbst an, die Doxer zu doxen. Mit „Name um Name, Adresse um Adresse“ könnte man dieses alttestamentarische Vorgehen beschreiben. Diese Entwicklung spielt der Bundes- beziehungsweise BlackRock-Regierung in die Karten. Die verfolgt mit ihrer Digital-Only-Agenda die Schaffung eines gläsernen Bürgers, der so etwas wie Privatsphäre ohnehin nicht mehr besitzt. Wenn dann noch eine prinzipienlose und moralisch flexible Doxer-Armee bereitsteht, um unliebsamen Bürgern nachzustellen und ihnen das Leben zur Hölle zu machen, ist der Staat beim Vollzug dieser „schmutzigen Arbeit“ fein raus.

Der Begriff des „Doxings“ ist im alltäglichen Sprachgebrauch relativ neu. Erst 2018 fand der Begriff große Verbreitung im Netz. Doxing leitet sich von der Dokumentdatei-Abkürzung „dox.“ ab und bezeichnet die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten im Netz zum Zweck, die betreffende Person und mitunter auch deren privates Umfeld zu entanonymisieren und anzuprangern — meist verbunden mit einem Aufruf zur Nachstellung und Terrorisierung derselbigen. Diesen Straftatbestand regelt im deutschen Recht seit 2021 der Paragraph 126a im Strafgesetzbuch:

„Wer öffentlich (...) personenbezogene Daten einer anderen Person in einer Art und Weise verbreitet, die geeignet und nach den Umständen bestimmt ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person der Gefahr

1. eines gegen sie gerichteten Verbrechens oder
2. einer gegen sie gerichteten sonstigen rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert

auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die (junge) Geschichte des Doxens

Diese Form der Online-Kriminalität erregte im Oktober 2018 unter dieser Bezeichnung das erste Mal größere Aufmerksamkeit. Der 27-jährige Volontär des US-Repräsentantenhauses Jackson A. Cosko wurde im Oktober verhaftet, nachdem er personenbezogene Daten von fünf Senatoren auf Wikipedia veröffentlichte. Ein Jahr später schwappte das Phänomen nach Deutschland über, als im Januar 2019 der 20-Jähirge Johannes S. sensible Daten von knapp 1.000 Politikern im Netz veröffentlichte. Und bereits 2012 war Doxing, auch wenn es damals so nicht genannt wurde, das Leitmotiv des Bond-Films „Skyfall“. Der Antagonist erpresste den britischen Secret Service damit, dass er tranchenweise die Identitäten der Geheimagenten veröffentlichte, die in Terrororganisationen eingeschleust wurden.

Die wohl bekannteste Form des Selbst-Doxings betrieb der YouTuber Rainer Winkler, besser bekannt als der Drachenlord, als er im Februar 2014 in einem Anflug emotionaler Unbeherrschtheit seine Wohnadresse in den digitalen Äther hinausbrüllte — man solle zu ihm kommen, sich mit ihm persönlich und nicht im Netz anlegen. Diesem Aufruf war wiederum, laut Drachenlord, eine Doxing-Drohung an dessen Schwester vorausgegangen. Der Rest ist traurige (Internet)Geschichte. Weitere Doxing-Fälle der jüngsten Vergangenheit betrafen die Journalistin Aya Velazquez, das damalige KenFM, gedoxt durch SpiegelTV, den Twitch-Streamer MarvinCalifornia, den Musikmanager Andan Andrea Ulkme, den Rapper Kollegah, dessen „Doxer“, der YouTuber Z/Mois, wiederum selbst von seiner Ex-Freundin gedoxt wurde.

In jüngster Zeit wurde das Doxen zu einer immer häufiger genutzten Waffe gegen politische und anderweitig rivalisierende Gegner.

Betrachten wir hierzu die derzeit bekanntesten Fälle.

Der Fall Böhmermann / Clownswelt

Den scheinbar vorläufigen Höhepunkt fand das Doxing-Phänomen in der Aufsehen erregenden Enthüllung des polarisierenden und vormals anonymen YouTubers „Clownswelt“ durch GEZ-Agitator Jan Böhmermann. Kostspielig und zwangsgebührenfinanziert stellte das Team um ZDF Magazin Royale dem streitbaren YouTuber nach, durchleuchtete dessen privates Umfeld, sprach mit nahen Freunden, engsten Verwandten und mit Angehörigen seiner ehemaligen Universität. Man machte sogar einen technisch aufwändigen Stimmabgleich, um an dessen Identität heranzukommen — im Grunde genommen eine Unternehmung, bei der man als Privatperson längst juristische Probleme bekommen hätte.

Fairerweise muss hier eingrenzend gesagt werden — auch wenn es diese Aktion nicht besser macht —, dass es sich hier um ein „relatives Doxing“ handelt. Böhmermann und seiner Stalker-Truppe haben nicht die Meldeadresse veröffentlicht, wie das bei einem herkömmlichen Doxing-Delikten üblich ist, sondern „nur“ den ungefähren Wohnort, den bürgerlichen Namen des Clowns sowie dessen beruflichen Werdegang. Konsequenzen hatte es für den YouTuber dennoch — im Schlechten wie im Guten. Zu ersterem zählt unter anderem, dass sich seine Metal-Band, bei der er bis dato als Gitarrist spielte, von ihm trennte. Die für ihn erfreuliche Konsequenz war der sich daraufhin einstellende XXL-Streisand-Effekt, der dafür sorgte, dass sich die Abo-Zahlen seines Kanals binnen einer Woche verdoppelten.

Das ZDF rechtfertigte das Vorgehen in einem Statement damit, dass man es den Zuschauern ermöglichen wollte, sich ein umfassendes Bild über den Themenkomplex zu machen. Weiter heißt es, dass „es bei Personen, die in der Öffentlichkeit agieren, kein allgemeines Recht auf Anonymität gibt, (das) zeigt beispielsweise auch die gültige Impressumspflicht, gegen die vorliegend verstoßen wurde“. Das stimmt natürlich. YouTube-Kanäle, die gewerblich betrieben werden, sind impressumspflichtig. Das trifft eben auch auf den Kanal des Clowns zu, der monetarisiert ist und jährlich durch die Werbeeinnahmen schätzungsweise zwischen 4.800 und 78.000 Euro generiert. Entsprechend benötigt er eine ladungsfähige Adresse. Das muss nicht zwangsläufig seine Privatadresse sein, auch ein angemieteter Büroservice erfüllt unter gewissen Umständen die rechtlichen Ansprüche einer solchen Anschrift.

Auf der anderen Seite hat der Clown mehr als ausreichend Gründe — gehabt —, seine Anonymität zu wahren. Wie er selbst ausführt, laufen Menschen mit politisch unliebsamen Meinungen in Deutschland Gefahr, in das Visier politischer Extremisten zu geraten. Beispiele gibt es hierfür zahlreiche. Das entbindet ihn natürlich nicht von der Pflicht, eine ladungsfähige Adresse zu hinterlegen.

Doch die Angabe eines solchen Impressums einzufordern, ist allerdings die Aufgabe von Behörden und nicht die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Dieses Vorgehen ist allerdings nur die Spitze des Doxing-Eisberges.

Organisierte Discord-Doxer-Armee

Den Fall Böhmermann/Clownswelt bezeichnete ich oben als „scheinbaren“ Höhepunkt des Doxens. Denn etwa zeitgleich erreichte das Phänomen Doxing offenbar eine bislang unvorstellbare Dimension — dies jedoch in einer in sich geschlossenen Bubble und nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Seit Jahren tobt ein „Online-Krieg“ zwischen der „links“-woken Streamerin Shurjoka und dem eher zur politischen Unkorrektheit neigenden YouTuber KunchenTV, der in der Vergangenheit auch schon zweimal wegen Volksverhetzung verklagt wurde.

Laut Aussagen des letztgenannten soll auf einem Discord-Server seiner Rivalin eine regelrechte Organisationsstruktur entstanden sein, bei der rund ein Dutzend Menschen professionell der Nachstellung, Dossier-Erstellung und des Doxens von weltanschaulich unliebsamen YouTubern, Streamern und Influencern nachgehen. Dabei handelt es sich nicht um bloße Schreibtischarbeit, denn die Doxer gehen für diesen Zweck tatsächlich auch raus in die analoge Welt. Da werden kilometerweite Fahrten auf sich genommen. Etwa um die Zielpersonen gemäß dem mutmaßlich aktuellen Aufenthaltsort, der sich aus den Instagram-Storys ergibt, fotografisch abzupassen. Oder auch, um aus sicherer Distanz heraus die zu doxenden Personen zwecks Erstellung eines Verhaltens- und Bewegungsprofils zu observieren. Unter den Gedoxten befindet sich selbstredend KuchenTV, bürgerlich Tim Heldt, sowie dessen privates Umfeldes — inklusive seines fünfjährigen Sohns.

Diese Informationen will Heldt von einem Aussteiger-Whistleblower des besagten Discords-Servers erfahren haben, der den Geschädigten mit Screenshots der Doxer-Truppe versorgte. Der Informant behauptet zudem, dass in der Dox-Armee „viele Linksextremisten und Parteimitglieder der Linken sind“, die „in mehreren Teams organisiert“ sind und „das Ganze wirklich komplett professionell“ machen. Dort würde man in faschistischer Manier Listen mit Content-Creatern erstellen, die in unterschiedliche Prioritätsstufen gemäß ihrer „Vergehen“ eingeteilt und mit entsprechender Intensität und Akribie observiert werden. Außerdem gäbe es Meetings und geradezu generalstabsmäßige Lagebesprechungen über das weitere Vorgehen. Für diese Aussage existiert kein stichfester Beweis, nur eine Vielzahl an Screenshots. Doch die Behauptung erscheint erschreckend glaubwürdig mit Blick auf Projekte wie Psiram oder die von Markus Fiedler und Dirk Pohlmann aufgedeckten Machenschaften der Wikipedia.

In diesen digitalen Abgründen wird sichtbar, wie eine rein bildschirmbasierte Kommunikation abstumpft und verroht. Studien darüber, dass sich im Zuge der immer mehr Raum einnehmenden Digitalisierung die Empathie-Fähigkeit von — jungen — Menschen zurückentwickelt, füllen mittlerweile ganze Bibliotheken. Bereits ein oberflächlicher Blick auf die Organisationsstruktur zeigt, sofern die Informationen des Whistleblowers der Wahrheit entsprechen, dass bei den Beteiligten jedes moralische Gespür und Anstandsbewusstsein abhandengekommen sein muss. Der Feind, der hier persönlichkeitsrechtlich für vogelfrei erklärt wird, wird gar nicht mehr als Mensch wahrgenommen, sondern nur noch als Figur auf einem flachen Screen. Bis zum Burn-out wird Energie und Lebenszeit in das Stalking von Menschen investiert. Eine Erklärung, warum Menschen sich hierin verlieren, liefert der Discord-Aussteiger und X-User Roitzi. Seiner Ansicht nach entspränge die Anziehungskraft derartiger Online-Communitys aus der individuellen Einsamkeit der einzelnen User im analogen Leben.

Schwierig zu beantworten ist hierbei die Frage, was schlimmer wäre: Wenn die einzelnen Stalker-Soldaten wirklich, wie von dem erstgenannten Whistleblower behauptet, aus dem „links“extremistischen Spektrum und der linken Partei kommen und entsprechend aus dem Sumpf der NGO-Futtertröge für diese „Arbeit“ finanziert werden würden. Oder aber, wenn die jungen Menschen diese „Arbeit“ in ihrer Freizeit, mangels Sinn im Leben, unentgeltlich betrieben.

Wohl wäre der erstere Fall — relativ gesehen — noch das harmlosere, denn die Triebfeder der Menschen wäre dann rein finanzieller und nicht ideeller Natur und käme bei entsprechender Stilllegung der Geldflüsse zum Stillstand. Schlimmer wäre — und ist offensichtlich laut Roitzi — hingegen letzteres, weil es bedeuten würde, dass es den Doxern nicht um das Geld geht, sondern um die Kompensation ihres sinnentleerten Lebens sowie die Projektion ihrer eigenen Schattenanteile auf die auserkorenen Feinde.

Es wäre in diesem Fall davon auszugehen, dass es sich hierbei um Menschen handelt, die wenig zu verlieren haben und die sich entsprechend unerschrocken für variable Vorhaben prinzipienlos vor den Karren spannen lassen würden. Worum es dabei im Kern genau geht, wer genau die zu Gegnern erklärten Menschen überhaupt sind, spielt dann keine Rolle, denn in erster Linie geht es ausschließlich darum, den inneren Druck durch Feindesbekämpfung im Außen abzulassen. Ein gesunder Mensch, mit gesunden Beziehungen würde sich niemals derartigen Gruppierungen anschließen, sondern dieses Treiben angewidert verurteilen.

Ob tiefenstaatlich gefördert oder einfach „nur“ als gesellschaftlicher Selbstläufer: Hier werden in den Abgründen des Netzes Denunzianten- und Stalker-Armeen aus verlorenen Seelen herangezüchtet, die sich zukünftig für x-beliebige Vernichtungsziele im Sinne der Herrschaftsinteressen einspannen lassen könnten.

Und selbst wenn diese Armeen nicht gezielt gelenkt werden, kann diese Selbstjustiz-Dynamik eine unberechenbare Gefahr für jedermann werden. Ein Blick in das China der 2010er Jahre gibt einen mulmigen Vorgeschmack auf das, was den westlichen Gesellschaften mit etwas Zeitverzögerung blühen könnte und was schon jetzt die ersten Stilblüten treibt.

„Jetzt wird zurückgedoxt!“ Oder: Mit Selbstjustiz gegen Selbstjustiz

Dieses Phänomen geht allerdings noch weit darüber hinaus, insofern, als dass diese Form des asozialen (Online)Verhaltens „frontenübergreifend“ einen infektiösen Charakter hat. Man könnte auch von einer Doxing-Pandemie sprechen. Es gibt hier nämlich keine klare Trennlinie zwischen den einen, die Doxing betreiben, und den anderen, die deren Opfer werden.

Vielmehr verleitet Doxing die gedoxte Fraktion dazu, es aus Rache den Doxern gleichzutun und entsprechend die Doxer zu doxen.

Kurz nachdem Böhmermann die Identität von Clownswelt enthüllte, rief am 10. Mai 2025 der Arzt und Podcast-Provokateur Paul Brandenburg auf X sowie auf seiner Webseite dazu auf, dass man ihm die Privatadresse von Böhmermann zwecks Veröffentlichung zukommen lassen solle. Er bot dafür absoluten Quellenschutz. Und wie er in der neuesten Ausgabe seines Podcasts „Nacktes Niveau“ berichtete, hätten ihm daraufhin Mitarbeiter der Einwohnermeldeämter die Adresse zukommen lassen. Schadenfroh verkündete Brandenburg, dass es „tief im Apparat“ Menschen gäbe, die gesagt hätten, „dem (Jan Böhmermann) hauen wir eine rein“. Die Doppelmoral quillt bei dieser Aktion aus allen Ritzen. Denn dieses Vorgehen ist leider nicht neu. Kurz nachdem Böhmermann in der Vorweihnachtszeit 2020 Kinder mit Pest-Ratten verglich, wurde seine Privatadresse von Corona-Oppositionellen veröffentlicht, woraufhin der Staatsschutz ermittelte.

Hier wird das Gefälle der Kriminalisierung sichtbar: Begehen staatliche Institutionen das Doxing, dann wird es gebilligt. Individuell vollzogen, folgt eine Ermittlung der Behörden. Wobei hier noch einmal auf die Unterscheidung hingewiesen werden muss, dass Böhmermann nicht direkt gedoxt hat. Hingegen haben die Corona-Oppositionellen und Paul Brandenburg ein unmittelbares Doxing betrieben, versucht, das heißt, die konkrete Anschrift veröffentlicht beziehungsweise probiert, an sie heranzukommen. Beides ist unabhängig des jeweiligen Grades mindestens verwerflich und in Teilen oder auch gänzlich strafbar.

Auf ein vergleichbar alttestamentarisches Vorgehen wies der Medienrechtsanwalt Christian Solmecke bei der rechtlichen Bewertung der Causa „KuchenTV / Shurjoka“ hin. So gibt es einen Telgram-Kanal, der zwar nicht von KuchenTV beziehungsweise Tim Heldt persönlich oder auf dessen Anweisung betrieben wird, auf dem sich jedoch rund tausend Nutzer gehässig über Shurjoka äußern und auch dort Adressen von ihr und ihren Mitstreitern doxen.

Der moralische Grundsatz „Was du nicht willst, das man dir tu, das füge auch keinem anderen zu“, ist hier offenkundig vollkommen in Vergessenheit geraten. Hier wird die Empörung über eine Tat zum Ausdruck gebracht, indem die gleiche Tat vollzogen wird — nur eben umgekehrt. Das ist primitiv und zeigt, wie weit die Verrohung und Regression der Menschen in den letzten fünf Jahren vorangeschritten ist.

Abschließend wollen wir dieses Phänomen in einem größeren, politischen Kontext betrachten.

Doxing schafft das geistige Klima für eID und Totalüberwachung

Die oben aufgeführten Fälle veranschaulichen, als Gesamtbild betrachtet, wie weit der „Heiligenstatus“ der privatesten und intimsten Daten bereits entehrt wurde, wie sehr es sich schon normalisiert hat, Doxen als Waffe einzusetzen. Der Discord-Server von Shurjoka ist im Grunde genommen nur die logische Weiterentwicklung des sogenannten „Drachen-Games“, also der „kollektiven Nachstellung“ von Rainer Winkler (Drachenlord). Dass sich nun sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu herablässt, zu diesen Mitteln zu greifen — selbst wenn das bisher nur in einem abgeschwächten Einzelfall geschehen ist —, ist ein Indikator dafür, dass der Wert der persönlichen Privatsphäre immer weiter torpediert wird. Es wird im gesellschaftlichen Klima die Akzeptanz dafür geschaffen, dass jemand an den öffentlichen Pranger gestellt werden darf, wenn er oder sie von der „eine(n) legitime(n) Einstellung“ (Rezo) abweicht.

Man könnte hier fast von einer PsyOp gegen die Anonymität sprechen. Diese gesamte Entwicklung spielt nämlich der Digital-Only-Agenda der aktuellen Bundes- beziehungsweise BlackRock-Regierung in die Hände. Der als Koalitionsvertrag bezeichnete Drohbrief gegen die Freiheit zeigt unmissverständlich, wo die Reise für den Bürger hingehen soll: in die totale Transparenz. Jeder Bürger soll ein verpflichtendes Bürgerkonto und damit einhergehend eine digitale Identität (eID) erhalten, die elektronische Patientenakte (ePA) soll nach anfänglich anderslautenden Beteuerungen nun doch obligatorisch werden und auf Social-Media wird die Altersverifikation eingeführt, was gleichbedeutend damit ist, dass niemand sich langfristig ohne Ausweis mehr wird registrieren können.

Man stelle sich nun vor, was für ein Schindluder Doxer-Armeen betreiben könnten, bekämen sie die eID- oder ePA-Daten ihres Opfer in die Hände. Denkbar wäre auch, dass diese hochsensiblen Daten im Bedarfsfall über das tiefenstaatliche NGO-Staatsfunk-Antifa-Geflecht an die entsprechenden Doxer durchgestochen werden könnten. Schon bei der Zensur hat der Staat die Schmutzarbeit an Dritte, an die (a)sozialen Plattformen ausgelagert. So wird man sich staatlicherseits der vernichtenden Kraft der Shitstorms und der Doxer gewiss sein können, um politisch nicht genehme Stimmen zum Schweigen zu bringen. Und so sitzt jeder Bürger potenziell auf dem Präsentierteller und seine Existenz kann jederzeit zur sozialen Vernichtung freigegeben werden, wobei im schlimmsten Fall die finale, das heißt physische Vernichtung, durch die Opfer selbst vollzogen wird, nämlich durch Suizid.

Abschließende Gedanken

Könnte es vielleicht sein, dass hinter dem sportiv betriebenen Stalken und Doxen von Menschen in der digitalen, aber auch in der analogen Welt der uneingestandene Wunsch nach Verbundenheit steht? Will man vielleicht deswegen so vernarrt etwas über „das Leben der anderen“ herausfinden, weil man offenkundig selbst keines hat? Ist das fanatische Aufspüren von Adressen nicht ein Zeichen dafür, dass man selbst keine Adresse kennt, an die man sich in den Momenten von Zweifel und Kummer wenden kann? Ist der krankhafte Voyeurismus nicht eine Flucht davor, in seinem eigenen Leben aktiv zu werden, sodass man anstelle dessen lieber „das Leben der anderen“ anschaut?

Mit der Fake-Pandemie wurden die Menschen, gerade die jungen, noch tiefer in die digitalen Sphären gedrängt, wo die sozialen Kompetenzen verkümmert sind. Hier haben sich Parallelwelten mit Parallelweltkriegen entwickelt, die in der realen Welt im Grunde genommen keinerlei Relevanz haben, Konsequenzen hingegen sehr wohl. Aus Herrschaftssicht ist das eine sehr dankenswerte Ausgangslage. Die Unterworfenen vergeuden ihre Energie darauf, einander zu doxen, anstatt die Zentren der Macht sichtbar zu machen. Was wäre alles möglich, würde diese Kraft und Zeit in subversive oder gar konstruktiv und lebensbejahende Parallelstrukturen gesteckt werden?