Das Wasser ist nicht genug

Der Bond-Film „Ein Quantum Trost“ veranschaulicht, dass es keiner ausgefeilten Technologien bedarf, um die Welt zu beherrschen — die Kontrolle über die Wasservorkommen genügt.

Das Wasser ist das ausschlaggebende Element, auf welchem die Dramaturgie dieses Films um den britischen Superagenten James Bond aufbaut. Das Vorgängerwerk „Casino Royal“, an den dieser Streifen nahtlos anknüpft, endete damit, dass sich James Bonds Geliebte Vesper Lynd selbst ertränkt. Unfähig, ihren Verrat an Bond zu ertragen, verweigert sie sich der Rettung durch ihn. In einem Altbau, der langsam in einem venezianischen Kanal versinkt, muss Bond in der Ruine tauchend hilflos zusehen, wie Vesper ihren Mund öffnet und Wasser ihre Lungen füllt. Seine Reanimationsversuche zu Land scheitern. In der Fortsetzung „Ein Quantum Trost“ jagt Bond dem undurchsichtigen Terrornetzwerk Quantum hinterher, das Vesper für seine Zwecke erpresste. Wie in jedem Bond-Film stößt der Titelheld dabei auf einen Antagonisten, der ein infames Ziel verfolgt. Anders als in den vorangegangenen Filmen, wartet der Gegenspieler diesmal jedoch nicht mit einer ausgefallenen Erfindung auf und verfolgt auch keinen besonders komplizierten Plan; er trachtet nach etwas, das ebenso banal wie essenziell ist: die Kontrolle über die bolivianischen Wasservorräte. Ein Text zum #Wasserspezial.

Bond-Filme machen den jeweiligen Zeitgeist ihres Erscheinungsjahrs wie unter dem Brennglas sichtbar. So muss auch „Ein Quantum Trost“ in dem politischen Kontext von 2008 gesehen werden: Bankenkrise, Neoliberalismus im Endstadium und der Streik von Drehbuchautoren. Insbesondere letztgenanntes führte dazu, dass „Ein Quantum Trost“ zu einem besonders experimentellen, mit Symbolik arbeitenden Bond-Film wurde, der aus der Reihe hervorsticht. Heraus kam ein Streifen, der seiner Zeit in vielerlei Hinsicht voraus war. Im Nachfolgenden wollen wir uns schwerpunktmäßig der Thematik rund um das Wasser widmen, das Element, das ab dem letzten Drittel des Films eine tragende Rolle spielt.

Schwarzes und blaues Gold

Die Jagd und Vendetta des staatlichen Auftragsmörders der britischen Regierung führt selbigen ziemlich zu Filmbeginn nach Haiti. Dort lernen wir als Zuschauer den Antagonisten Dominic Green kennen. Green ist das, was heute grüner „Philanthrop“ genannt werden würde. Diesen Trend hat der Streifen schon in den Nullerjahren antizipiert. Als reicher Unternehmer schickt er sich mit seiner Stiftung „Green Planet“ vordergründig an, den Planeten durch die Finanzierung von Umweltschutzprojekten zu retten. Seine ökologische Selbstlosigkeit wird selbstverständlich im Laufe des Films entlarvt.

In Haiti kommt es zu einem Dialog, der sich im Nachhinein als Schlüsselszene erweist. In dieser trifft Green an einem Hafenkai den nach einem Regierungsputsch trachtenden, bolivianischen General Medrano, eine Art Nebenantagonist. Beide vereinbaren einen Deal über ein scheinbar nutzloses Stück Land in der bolivianischen Wüste. „Dieses Land ist wertlos“, entgegnet General Medrano, als Green ihm sein Interesse daran bekundet. Das Land, so der General, verfüge über keine Rohstoffvorkommen. Dann sei es für Medrano doch ein guter Deal, erwidert Green auf die Einwände hin. „Aber“ so betont Green, während er mit der zusammengerollten Landkarte auf Medranos Brust klopft „uns gehört alles, was wir dort vorfinden!“ Medrano willigt schließlich ein.

Im weiteren Verlauf des Films kreuzen sich die Wege von Bond mit denen der bolivianischen Agentin Camille, die ebenfalls einen persönlichen Rachefeldzug führt – allerdings gegen General Medrano. Als sie noch ein Kind war, misshandelte und ermordete dieser Camilles Familie, da sie Teil der bolivianischen Opposition waren. In Bolivien kommen die beiden Agenten Greens eigentlichem Plan Schritt für Schritt auf die Spur, nachdem sie zunächst im Dunklen tappen. Das Interesse von Green an dem „wertlosen Land“ erschließt sich den beiden nicht, sie begehen den Denkfehler, den machthungrigen Akteuren ginge es stets nur um Ölvorkommen. Dabei begründet sich die Macht in der Kontrolle über den noch wesentlich essenzielleren Rohstoff Wasser.

Öl mag der Treibstoff für die großen Industrien sein, doch ohne Wasser ist alles nichts. Zu dieser Erkenntnis wird auch Antagonist Green letztlich kommen.

Bei einem Erkundungsflug über das von Green ins Auge gefasste Wüstenland kommt es zu einer Flugzeugverfolgungsjagd, bei der Bond und Camille gezwungen werden, mit einem Fallschirm abzuspringen. Sie landen in einer Doline, einer Sinkhöhle im Wüstenboden. Dort unten am tiefen Grund durchdringen die beiden, angesichts riesiger Unterwasserseen, worum es Dominic Green eigentlich geht: die Kontrolle über die bolivianischen Wasservorräte.

Auf ihrem beschwerlichen Weg durch die Wüste zurück nach La Paz kommen die beiden Agenten an kleinen Dörfern vorbei, an denen die Menschen vor den immer weniger Wasser, teils nur noch Tropfen hergebenden Brunnen Schlange stehen.

Grundsätzlich zeichnet sich dieser Bond-Film dadurch aus — dies als kleine Randbemerkung –, dass die Kamera ein Auge hat für die einfachen Menschen, die Zivilisten, jene Menschen also, die nicht wie James Bond durch die Welt jetten und sich nicht stets in mondänen Lokalitäten aufhalten. Zwischen den fast schon epileptischen Shaky-Cam-Actionsequenzen verweilt die Kamera lange und in ruhigen Einstellungen bei der bolivianischen Bevölkerung und macht ihre Not sichtbar. Bei der Rezeption von Bond-Filmen fällt häufig die abgedroschene Phrase „James Bond rettet (mal wieder) die Welt.“ Bezeichnend ist dabei, dass die gerettete Welt hierzu nie gezeigt wird. Immer nur sehen wir Bond in irgendwelchen Bigger-than-life-Lokalitäten, etwa in hochtechnisierten Hauptquartieren der Bösewichter, bei denen 007 die zur Vernichtung der Welt geeigneten Technologien zerstört und den Gegner in kreativ-grausamer Weise in das Jenseits befördert. In „Ein Quantum Trost“ sehen wir zumindest einen Ausschnitt jener „Welt“, die unter den Machenschaften der Gegenspieler leidet.

Wären die James-Bond-Filme nicht Teil der westlichen Militärpropaganda, die dazu dient, den britischen MI6 in ein positives Licht zu rücken, könnte dieser Film geradezu als Robin-Hood-Geschichte betrachtet werden: Bond nimmt den Reichen die Wasserkontrolle und gibt sie den Armen zurück.

Die Realität sieht bekanntermaßen anders aus, Stichwort Operation Ajax im Iran 1953. Doch zurück zur Handlung.

Bond und Camille folgen einer Spur in das Wüstenhotel mit dem symbolträchtigen Namen „Perla de las dunas“ (zu Deutsch: „Die Perle in der Düne“). Dort wollen Dominic Green und General Medrano ihre Verträge finalisieren. Green soll das „wertlose“ Land erhalten, im Gegenzug orchestriert seine Organisation einen Putsch in Bolivien, der Medrano an die Macht befördert. Bei der Vertragsunterzeichnung dämmert es Medrano so langsam, dass er von Dominic Green und der hinter ihm stehenden Organisation „Quantum“ über den Tisch gezogen wurde. Green eröffnet dem General in der Hotellobby die Konditionen der sündhaft hohen Gebühren für die Abnahme des Trinkwassers. Dass besagtes Land über kein Öl, jedoch über essenzielle Wasservorkommen verfügt, hat der General in seiner Profitgier außer Acht gelassen. Entrüstet weigert sich das Militäroberhaupt, den Vertrag zu unterzeichnen.

Süffisant führt Green mit seinem französischem Akzent dem General die Ausweglosigkeit seiner Lage vor Augen. Dass er, Green, überhaupt mit Medrano verhandle, liege daran, dass er der kooperativste, das heißt korrupteste Kopf im bolivianischen Staat gewesen wäre. Andernfalls hätte er die Verhandlungen mit Medrano nie aufgenommen. Quantum verhandle mit Linken, mit Rechten, mit Diktatoren und Liberalen. Politische Ausrichtungen seien variabel, am Ende gehe es nur um das Geschäft. Medrano könne sich weigern, den Vertrag zu unterzeichnen, Green erschießen, aber müsse dann früher oder später damit rechnen, eines Morgens von seinem willigeren Nachfolger zur Strecke gebracht zu werden.

Diese Szene im Hotel ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie veranschaulicht zum einen, wie sich Macht im 21. Jahrhundert konstituiert — nämlich nicht durch rein militärische Übermacht. Medrano und seine militärische Entourage sind klar in der Überzahl und könnten Dominic Green und seine Begleiter direkt erschießen. Doch letztlich sitzt Green, trotz seines Unbewaffnet-Seins, am längeren Hebel. Seine Waffe ist die Verhandlungsmacht, die unsichtbare und undurchdringliche Vernetzung mit allen politischen Lagern. Green symbolisiert die unsichtbare Hand des freien Marktes, die stärker ist als jede Schusswaffe. Und diese Hand greift sich alles, was nicht niet- und nagelfest ist — also auch das Wasser.

Zum anderen ist diese Szene so bemerkenswert — und das ist der Kern dieses Beitrags –, weil sie den Blick für die eigentliche Machtressource schärft. Mit Tunnelblick aufgrund seiner Machtversessenheit betrachtete Medrano die Ländereien in Bolivien einzig allein unter dem Gesichtspunkt des Vorhandenseins von rein monetär verwertbaren Ressourcen — etwa Öl. Die Dollarzeichen in den Augen des Generals haben ihn für die Wichtigkeit des Wassers blind werden lassen. Er kann noch so viel Geld durch den Verkauf von Öl generieren — ist er nach der Machtergreifung außerstande, die Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen, steigt ihm selbige aufs Dach und stürzt ihn.

Erniedrigt, zähneknirschend und wortlos unterschreibt Medrano schließlich den ruinösen Vertrag. Im Anschluss kommt es zur finalen Kampfhandlung des Films, bei der das Hotel nach und nach in Flammen aufgeht. Camille gelingt es, Medrano zu erschießen, während Bond Green schwer verletzt und in die Flucht schlägt. Nachdem er und Camille sich aus dem brennenden Hotel retten können, fängt Bond mit einem SUV den in die Wüste flüchtenden Green ein. Anschließend verhört er den Philanthropen und erfährt alles über die Organisation Quantum. Im Gegenzug lässt er ihn „frei“ — mitten in der Wüste.

Eigentlich gehört es zur „Bond-Formel“, dass 007 seinen Gegenspieler auf möglichst brutale Weise zur Strecke bringt. Nicht so in diesem Film. Zumindest nicht unmittelbar. Hier überlässt Bond den Antagonisten dem Tod.

Mitten in dem von Green erworbenen Wüstenland wirft der britische Agent Green aus dem Kofferraum, überlässt ihm lediglich eine Dose Motoröl und verabschiedet sich mit der Wette, dass es Green höchstens zwanzig Meilen schafft, ehe er sein Leben freiwillig durch das Trinken des Motoröls beendet.

Er überlässt Green damit genau dem Schicksal, das er Millionen Menschen billigend antun wollte — das Verdursten. Symbolträchtig überlässt Bond seinem Gegenspieler eine Dose des schwarzen Goldes und macht ihn dadurch zu einer Art König Midas der Rohstoffe. Der altgriechischen Sage nach wünschte sich König Midas von Dionysos, dass alles zu Gold wird, was er berührt. Der Wunsch wird ihm gewährt, allerdings mit dem unbedachten Nebeneffekt, dass von der Verwandlung in Gold eben auch Speisen und Getränke betroffen sind. Midas verhungert schließlich trotz seines Reichtums, da ihn Gold nicht zu sättigen vermochte. So steht auch Dominic Green in der Wüste mit nichts weiter als einer Dose Motoröl, einer kleinen Portion des Guts, das einen Menschen reich machen, aber niemals dessen Durst stillen kann.


Am 22. März ist Weltwassertag. Es ist wichtig, dass Medien es nicht dabei bewenden lassen, stets nur auf den neuesten Wahnsinn in der Welt zu reagieren, sondern selbst in das Agieren kommen. Deshalb setzen wir zusammen mit einer Reihe von weiteren Medienportalen selbst ein Thema auf die Agenda. Die beteiligten Medienpartner, bei denen in der Woche vom 18. bis 24. März im Rahmen des #Wasserspezial Beiträge zu finden sein werden, sind derzeit:

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