Keine geborenen Krieger
Friedfertigkeit wie auch „Kriegstüchtigkeit“ haben bestimmte psychosoziale Voraussetzungen, die man kennen sollte. Teil 2 von 2.
Die Menschheit wird nie aufhören, Krieg zu führen, weil die natürliche Aggressivität junger Männer nun mal in gewissen Abständen nach Entladung verlangt. So hören wir es immer wieder von den Verharmlosern staatlich organisierter Gewalt. Andere gehen eher davon aus, dass an und für sich harmlose Menschen ausschließlich von der Politik zu gefährlichem Handeln gedrängt oder verführt werden. Die Frage hat auch ganz praktische Relevanz. Wer sich für den Frieden engagieren will, sollte auch wissen, ob sich dabei auf die menschliche Natur bauen lässt. Sind wir von unseren Anlagen her friedlich, kooperativ, prosozial, „gut“ — oder doch eher neidisch, herrschsüchtig, destruktiv, „böse“? Ein Blick zurück in die Menschheitsgeschichte bringt Klarheit.
Erkenntnisgrenzen
Dass die äußerst spärlichen archäologischen Funde es unmöglich machen, der Menschheit eine kriegerische Frühzeit zu attestieren, bedeutet zugleich: Ebenso wenig lässt sich ein friedliches Anfangsstadium belegen. Die Annahme eines paradiesischen, ur-kommunistischen oder matriarchalen Urzustandes muss daher bloße Fiktion bleiben. 1996, nach gründlichen Recherchen, zogen die Archäologinnen Brigitte Röder, Juliane Hummel und Brigitta Kunz den Schluss, das Matriarchat sei „mit archäologischen Quellen weder zu beweisen noch zu widerlegen.
Eines der größten Probleme der Archäologie ist es, dass sie bis heute keinen Schlüssel zur Gedankenwelt vergangener Gesellschaften in der Hand hat“ (1).
Für die letzten 50.000 Jahre bieten zwar unter anderem Höhlenzeichnungen und figürliche Darstellungen – der Ausdeutung bedürftige – Einblicke in diese Gedankenwelt. Ein verlässlicherer „Schlüssel“ entwickelte sich jedoch erst durch die Möglichkeit, Schriftsprachen in zeitüberdauernder Weise festzuhalten, zum Beispiel in Form von Keilschrift – also vor circa 5.000 Jahren. Darauf, dass selbst dieser Schlüssel nicht exakt geformt ist, dass schriftliche Überlieferungen häufig falsch, verzerrt und fast immer unvollständig sind, verweist schon der berechtigte Satz, dass die Geschichte von den Siegern geschrieben wird. Im berühmt gewordenen Falle der Osterinsel waren das Eroberer und Sklavenhändler, die den dortigen Eingeborenen jene Zerstörungen andichteten, die sie selbst unter ihnen angerichtet und initiiert hatten (2).
Diffamierungen „primitiver“ Kulturen finden sich vielfach in der Geschichtsbetrachtung. So wurden und werden teils noch immer die Neandertaler als muskelbepackte, „geistig minderbemittelte und an Stumpfsinn und Kulturlosigkeit kaum zu überbietende Aliens“ geschildert (3) – obwohl zahlreiche Funde längst untermauern, dass diese erst vor etwa 40.000 Jahren verschwundene Menschengattung dem Homo sapiens in allen wesentlichen Aspekten ebenbürtig und genauso „menschlich“ war und sich durch Fortpflanzung in einigen Fällen mit ihm vermischte.
In Bezug auf das Thema „Kriegstüchtigkeit“ sind zwei weitere Beispiele von Realitätsverdrehung hervorhebenswert. Nur eine krasse, inzwischen mehrfach aufgedeckte Datenmanipulation (4) gestattete dem Psychologen Steven Pinker, zu behaupten, früher sei „kollektive Gewalt (…) immer und überall vorhanden gewesen“ (5) – und daraus eine Idealisierung bürgerlich-kapitalistischer Sozialstrukturen abzuleiten. Besonders dreist ging der Anthropologe Napoleon Chagnon vor, der dem Volk der Yanomami 1964 zunächst Äxte und Macheten schenkte, um daraufhin und auf diversen Falschaussagen basierend in Bestsellern zu behaupten, sie seien äußerst gewalttätig. 1995 haben ihm die Yanomami für seine anhaltenden Verleumdungen ein Einreiseverbot für ihr Territorium erteilt (6). Aber Chagnon, Pinker ohnehin, werden weiter als Kronzeugen der Brutalität indigener Völker und anlagebedingter Bösartigkeit gehandelt.
Der Historiker Rutger Bregman hat Beispiele für die Verlogenheit des „Standardnarrativs“ vom „bösen Wilden“, den erst eine „gute“ (westliche) Zivilisation sozial verträglich machen muss, gesammelt und vorgeblich wissenschaftliche Experimente, Untersuchungen und Publikationen zum Menschenbild kritisch durchleuchtet. Er kommt zu dem Ergebnis, der Mensch sei – so auch der Titel seines Buches – „im Grunde gut“ (7).
Bedeutet der geschilderte Mangel seriöser Daten zur Menschheits(vor)geschichte, wir können die Frage, ob wir geborene Krieger sind, nicht beantworten?
Doch, das können wir.
Eine angeborene Kriegs-, damit auch Tötungsbereitschaft müsste sich immer und überall zeigen – und sei es nur daran, dass sie permanent unterdrückt werden muss.
Um die Aussage, dass wir geborene Krieger sind, als unzulässig abzuweisen, brauchen wir also nur den Nachweis erbringen, dass es auch anders ging oder geht. Für die letzten Jahrtausende ist das durchaus möglich.
Jäger und Sammler
Bezüglich unserer sich als Jäger und Sammler betätigenden Vorfahren – oft als „Wildbeuter“ bezeichnet – sei, so der Archäologe Harald Meller, der Historiker Kai Michel und der Evolutionsbiologe Carel van Schaik, das „auf Thomas Hobbes zurückgehende Vorurteil zu beerdigen“, deren Leben wäre „einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz“ gewesen (8). Anscheinend waren sie größer „als der heutige Durchschnittsmensch“, und ihre Lebenserwartung könnte, so geben es der Psychologe Christopher Ryan und die Psychiaterin Cacilda Jethá wieder, bei 70 bis 90 Jahren gelegen haben. Auch der Anthropologe Robert Edgerton meint, dass in Europa „die städtischen Bevölkerungen die Langlebigkeit der Jäger und Sammler vermutlich erst um die Mitte des 19. oder sogar des 20. Jahrhunderts“ wieder erreichten (9). Sie waren offenbar „bestens an ihre Lebensräume angepasst“ und dürften kaum einen Grund gehabt haben, wegen mangelnder Ressourcen Konflikte von Zaun zu brechen (10).
Darauf deuten auch die Forschungen zu „148 tödliche(n) Aggressionsereignisse(n)“ in 21 historischen und gegenwärtigen Wildbeutergemeinschaften hin, die der Anthropologe Douglas P. Fry zusammen mit dem Philosophen Patrik Söderberg vorgenommen hat. Ihre Ergebnisse fassen sie so zusammen: Der Hintergrund dieser Todesfälle war meist ein persönliches Motiv wie Eifersucht oder Rache, selten eine Familienfehde, noch „viel seltener“ ein Konflikt „zwischen politischen Gemeinschaften oder Krieg“. Bei etwa der Hälfte der Gemeinschaften gab es überhaupt „keine tödlichen Ereignisse, an denen mehr als ein Täter beteiligt war“.
Wildbeuterordnungen existierten auch nicht etwa nur vor, sondern jahrtausendelang zusammen mit den erstmals vor circa 6.000 Jahren gegründeten Staaten. Wie der Historiker James C. Scott in seinem Buch Die Mühlen der Zivilisation belegt, lag dieses parallele Existieren nicht zuletzt daran, dass ein Wildbeuterdasein eine attraktive Alternative zur Sesshaftigkeit blieb. Denn in den befestigten Siedlungen stiegen Lebenserwartung und -qualität meist zunächst gar nicht, sondern sanken. Unter anderem, weil das enge Zusammenleben von Menschen untereinander und mit Haustieren Seuchen verursachte und weil man nun gezwungen war, sich alles Lebensnotwendige vorwiegend an ein und demselben Ort zu verschaffen.
Doch auch in den sich herausbildenden großen Städten gab es Beispiele für friedliches Zusammenleben. Eine dieser Siedlungen war das anatolische Catal Hüyük oder Çatalhöyük, das etwa 1.500 Jahre lang ab circa 7.400 v. u. Z. existierte, eine Fläche von bis zu 13 Hektar und mehrere tausend Einwohner hatte. Nahrungszugang und materieller Besitz waren anscheinend recht gleichartig verteilt, Hinweise auf eine zentrale Ordnungs- geschweige denn Unterdrückungsinstanz liegen nicht vor, ebenso wenig auf Gewaltverbrechen oder mörderische Kämpfe.
Allerdings: Nur 5 Prozent dieser Siedlung sind bisher archäologisch erschlossen. Dennoch ist auch das ein starkes Indiz dafür, dass Kriege KEINE Menschheitskonstante sind. Mittels bis in die Gegenwart reichender ethnologischer Forschungen lässt sich aber zudem beweisen, dass Vertreter des Homo sapiens lange Zeit gut miteinander leben können.
Von den friedlichsten Gesellschaften lernen
2021 stellten Douglas P. Fry, der seit langem über Chancen der Friedenserhaltung forscht, und der Sozialpsychologe Peter T. Coleman in einem Artikel ihr „Projekt Nachhaltiger Frieden“ (Sustaining Peace Project) vor. Seit 2014 bemüht sich ihre Gruppe aus Psychologen, Anthropologen, Philosophen, Astrophysikern, Umwelt- und Politikwissenschaftlern, Informations- und Kommunikationsexperten um „ein umfassenderes und genaueres Verständnis von dauerhaftem Frieden“.
Entgegen üblicher Mediendarstellungen gebe es, schreiben Coleman und Fry, bis heute eine Vielzahl von Gesellschaften, welche innerhalb ihrer Grenzen und mit ihren Nachbarn „seit 50, 100 oder sogar mehreren hundert Jahren“ in Frieden leben.
Dies widerlege die „Überzeugung, dass Menschen von Natur aus auf Krieg programmiert sind“. Als Beispiele führen sie unter anderem die zehn benachbarten Stämme im brasilianischen Oberlauf des Xingu-Flusses an, die Schweizer Kantone und den Zusammenschluss der Irokesen. Als besonders friedensfördernd konnten sie Folgendes herausarbeiten: eine übergeordnete gemeinsame Identität; verbindende kollektive Aktivitäten und Institutionen; gegen Krieg gerichtete Normen, Werte, Rituale und Symbole; eine „Friedenssprache“ in den – so vorhanden – Massenmedien; Politiker, Unternehmer, Geistliche und Aktivisten, die dazu beitragen, eine Vision von Frieden zu entwickeln und zu verwirklichen.
Das legt die Frage nahe, was davon heute in der BRD oder in der EU vorhanden ist. Letztere ordnen Coleman und Fry ebenfalls als friedliebende Gesellschaft ein. Aber ihr Artikel stammt ja noch aus dem Jahr 2021 …
Und selbst aus der Beschäftigung mit Soldaten lässt sich gelegentlich Hoffnung schöpfen.
Der US-amerikanische Militärexperte Dave Grossman belegt, dass „die größte Herausforderung von Armeen darin besteht, den Widerwillen der Soldaten, andere Menschen zu töten, zu überwinden“.
Die „Tötungshemmung“ lasse sich nur durch „abstumpfenden Drill und gezieltes Training“ aushebeln. Im Zweiten Weltkrieg seien die US-amerikanischen Soldaten so wenig aufs Töten vorbereitet gewesen, „dass nur 15 bis 20 Prozent der Infanteristen überhaupt einen Schuss abgaben“ (11).
Quintessenz
1) Die Behauptung, Menschen führten schon immer Krieg, lässt sich nicht belegen und ist deshalb ebenso unwissenschaftlich wie irreführend.
2) Die Frage, ob wir „geborene Krieger“ sind, lässt sich wissenschaftlich sehr wohl untersuchen – und mit einem klaren NEIN beantworten.
Wer eigene Kinder hat beziehungsweise ausreichend intensiven Kontakt zu kleinen Kindern, kann an dieser Stelle auch überlegen, ob er oder sie diese Kinder als grundlos aggressiv oder gar zerstörerisch wahrnimmt – als „geborene Krieger“, denen eine Bereitschaft zum Töten zuzuschreiben sei. Es gibt inzwischen zahlreiche Befunde aus verschiedenen Wissenschaftszweigen, die nachweisen, dass wir auf die Welt kommen mit dem Potential zu prosozialem Verhalten, zu Liebe, Freundschaft, Kooperation und Friedfertigkeit (12).
Wir haben also alle nötigen Voraussetzungen, um innerhalb einer guten Gesellschaft auch gute Menschen zu sein.
Darauf aufbauend ist wiederum eine plausible Spekulation über die menschliche Frühzeit oder Vorgeschichte möglich. Eine heute von vielen Wissenschaftlern akzeptierte These ist, für alle Vertreter des Homo sapiens eine „psychische Einheit“ anzunehmen. Mit anderen Worten: Seit es den modernen Menschen gibt, verfügt er vermutlich über gleichartige seelische Anlagen. Der Anthropologe David Graeber und der Archäologe David Wengrow (13) schreiben dazu, „dass ein Mensch, der von Elefantenjagd oder Sammeln von Lotusknospen lebt, genauso analytisch, kritisch, skeptisch und einfallsreich sein kann wie jemand, der sein Geld als Kraftfahrer oder Wirt verdient oder einen universitären Fachbereich leitet“. Selbiges lässt sich, wie schon beschrieben, über die Neandertaler aussagen.
Es spricht somit einiges dafür, dass auch unsere menschlichen Ahnen ebenso wenig kriegslüstern waren, wie wir es von Geburt an sind.
Und heute?
Wenn es das Potential in uns gibt, in einer guten Gesellschaft gute Menschen zu sein – woran liegt es, wenn sich dieses Potential nicht entfaltet? Daran, dass wir in keiner guten Gesellschaft leben.
Kinder sind in keiner Weise weniger wert als Erwachsene. Sie haben aber im Vergleich zu Letzteren kaum Möglichkeiten, über ihre Lebensumstände selbst zu bestimmen. In einer Welt wie der unsrigen, die geprägt ist von autoritären Hierarchien, von Ausbeutung, Unterdrückung, familiärer sowie staatlicher Kontrolle und Umweltzerstörung, ist für die Entfaltung psychisch gesunder Kinder wenig Platz.
Die sich daraus für sie ergebenden Leiden und Entbehrungen, ihre vielfach unzureichend befriedigten Bedürfnisse verursachen Trauer, Schmerz und Wut – die in aller Regel gegenüber den Erziehungspersonen nicht adäquat zum Ausdruck gebracht werden dürfen. Sie stauen sich daher an, bis sie destruktive Ausmaße annehmen – was später durch Erniedrigungen in der Schule, der Ausbildung, der Berufs- und Arbeitssphäre verstärkt wird.
Da auch solcherart angestaute Gefühle offiziell zumeist nicht ausgelebt werden dürfen – es sei denn, man wird zum Beispiel Soldat –, werden sie hinter einer Fassade sozialer Angepasstheit, Höflichkeit und Nettigkeit verborgen.
So entsteht – noch immer – der nach oben buckelnde, nach unten tretende „autoritäre Charakter“.
Und das hat höchst bedenkliche Konsequenzen für das gesamte Sozialgefüge. Nicht zuletzt, weil die destruktiven Emotionen bei gegebenem Anlass jederzeit aus ihrem Versteck hervorbrechen können. Dies umso leichter, wenn von Medien und Politik dafür als Zielobjekte sozial Schwächere oder dämonisierte „Fremde“ zur Verfügung gestellt werden. Das waren früher in Deutschland nicht zuletzt Juden, Kommunisten und Russen – und sind momentan erneut Russen, bald wohl zusätzlich auch Chinesen.
Auf diese Weise, also sowohl durch das massenhaftes Herbeisozialisieren destruktiver psychischer Strukturen als auch durch massenmediale Manipulation wurde und wird versucht, Menschen zur „Kriegstauglichkeit“ abzurichten. Je aggressionsgestauter und selbstwertgestörter wir gemacht werden, desto verwendbarer sind wir für jede Art destruktiver Zwecke – ob diese nun mit nationalistischen, neofaschistischen, fundamentalistischen, imperialistischen, umweltzerstörerischen, kinder-, frauen-, homosexuellen- oder ausländerfeindlichen Ideologien verbrämt werden.
Wird der massenhaft angestauten explosiven Wut ein Ventil geboten, sind die Gesinnungen austauschbar: Terror und Mord lassen sich ebenso mit dem Alibi „rechter“ wie „linker“ Weltanschauung verüben, zur Ehre Gottes, zum Heile Allahs, zugunsten einer Öko-Diktatur oder – wie gegenwärtig – als Bestandteil westlicher neoliberaler „regelbasierter“ Weltbeglückung.
Perspektiven
Bleibt die Frage: Was muss geschehen, damit Menschen wieder so friedfertig werden, wie sie offenbar zur Welt kommen – oder, noch besser: damit sie gleich so friedfertig bleiben können?
Weil ich mich dazu schon vielfach geäußert habe, will ich mich sehr kurzfassen.
Wir brauchen nach wie vor eine Umwälzung der ökonomischen und politischen Verhältnisse, einen Ausstieg aus unserer immer destruktiver werdenden, neoliberal-kapitalistischen Gesellschaftsstruktur.
Das allein genügt jedoch nicht, wie insbesondere das letztlich missglückte Experiment des „realen Sozialismus“ gezeigt hat. Hinzukommen muss eine psychosoziale Revolution.
Den dahinter liegenden Zusammenhang hat der Psychoanalytiker Wilhelm Reich bereits 1934 auf den Punkt gebracht:
„Versucht man die Struktur der Menschen allein zu ändern, so widerstrebt die Gesellschaft. Versucht man die Gesellschaft allein zu ändern, so widerstreben die Menschen. Das zeigt, dass keines für sich allein verändert werden kann.“ (14)
Für unsere Gegenwart ließe sich das so konkretisieren: Erwachsene sollten – nicht zuletzt unter Nutzung psychotherapeutischen Wissens – an ihren herbeisozialisierten seelischen Störungen arbeiten und zugleich dafür sorgen, dass ihren Kindern und Enkeln erspart bleibt, diese Störungen überhaupt erst auszubilden. Der Psychotherapeut und Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz hat ein entsprechendes Konzept der „therapeutischen Kultur“ schon in die DDR-Wende eingebracht. Kinder liebevoll ins Leben zu begleiten, aktiv nach guten und gleichberechtigten Partnerschaften, erfüllter Sexualität und psychischer Gesundheit zu streben, privat und öffentlich autoritär-lebensfeindliche oder gar zum Krieg hetzende Normen in Familie, Schule, Beruf, Medien, Kirche, Politik und Staat anzuprangern und nach Gleichgesinnten zu suchen, mit denen sich dagegen Widerstand leisten lässt – das hat seither noch an Bedeutung und Brisanz gewonnen (15).
Die prägnanteste Beschreibung des langfristigen Ziels solcher Bemühungen stammt von Erich Fromm: Eine „gesunde Gesellschaft“, „in der sich niemand mehr bedroht fühlen muss: nicht das Kind durch die Eltern; nicht die Eltern durch die über ihnen Stehenden; keine soziale Klasse durch eine andere; keine Nation durch eine Supermacht.“ (16)