Krieg um Wasser

Der Wassermangel im Donbass und auf der Krim, mitverursacht durch die Kiewer Regierung, spielt eine wichtige Rolle im Konflikt zwischen Russland und Ukraine.

Der Krieg in der Ukraine ist auch einer um den Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen. Drei Ziele waren es, die Russland für seinen Krieg gegen das NATO-verbündete Kiewer Regime definiert hatte: zum ersten der Schutz der russischen Ethnie in der Ostukraine, gefolgt von der Entmilitarisierung der Ukraine und der Entfaschisierung des ukrainischen Machtapparates. Entscheidend aber war der erste Aspekt. Es drohte ein Vernichtungskrieg gegen die Lugansker und Donezker Republik, und dies veranlasste den Kreml, aktiv in den Ukrainekonflikt einzugreifen. Ein wenig beachteter Teilaspekt dabei ist jener der Ressourcen. Ein Text zum #Wasserspezial.

Zwei Ereignisse der letzten Monate wurden von der hiesigen Propaganda als Triumphe der ukrainischen Armee gefeiert: die Aufgabe russischerseits der rechts des Dnepr gelegenen Gebiete von Cherson und die des Territoriums östlich Charkows. In beiden Fällen ist es unzweifelhaft, dass die russischen Truppen zum Rückzug gezwungen wurden, so sie nicht über die Maßen Soldaten und Technik auf dem Schlachtfeld opfern wollten. Dem vorausgegangen waren Fehleinschätzungen der russischen Militärs. Aus im Weiteren noch näher zu untersuchenden Gründen tut den Russen in der Ost-Ukraine gerade der Rückzug aus Charkow sehr weh.

So weh, dass diese zur Wiederbesetzung dieses Gebietes geradezu verdammt sind. Warum der Rückzug aus dem Charkower Gebiet für die russische Seite so schmerzhaft ist, hat auch etwas mit Ressourcen zu tun. Der Autor neigt diesbezüglich zu der Ansicht, dass die russische Militärführung ihre Truppen in eine gefährliche Lage manövrierte, nachdem sie den Gegner sträflich unterschätzt hatte. Mithilfe des Westens war die Ukraine in die Lage gebracht worden, unter anderem Tausende ausländische Söldner mit NATO-Ausbildung und -Technik zu konzentrieren und an die Front zu werfen. Zuvor war ihr offensichtlich geworden, wie dünn die Verteidigungslinien der russischen Seite aufgestellt waren. Dabei ist das aufgegebene Gebiet von großer strategischer Bedeutung.

Außerdem zeigt das im Weiteren behandelte Problem zum wiederholten Male auf die Doppelbödigkeit der westlichen Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt. Eine, die keinerlei Probleme damit hat, dass die ukrainische Armee seit 2014 — und eben nicht erst seit dem 24. Februar 2022 — ganz bewusst und vorsätzlich zivile Infrastruktur im Donbass zerstört.

Wenn der ukrainische Präsident von angeblichen Kriegsverbrechen Russlands fabuliert — wohlgemerkt ohne dazu qualifizierte Beweise vorzulegen —, dann reden ihm die Medien nach dem Mund, geben diese Aussagen wie auch emotionalen (Ab)Wertungen der Politiker unkritisch sowie unkommentiert wieder. Wenn die Kiewer Regierung vorgibt, die östlichen Territorien befreien zu wollen, wird das von den Medien einfach so übernommen.

Nur muss in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden, von wem oder was diese befreit werden sollen. Die Bewohner der Krim zum Beispiel sollten nach dem Gustus der Kiewer Regierung erst dann von ihrem Wassermangel befreit werden, wenn sie sich ihr unterworfen hätten. Jener Regierung unterworfen hätten, die diesen Wassermangel zuvor vorsätzlich herbeigeführt hatte.

Unser gesunder Menschenverstand könnte denken, dass doch wohl die Bewohner einer Region es selbst sind, die entscheiden dürfen, ob und vom wem sie befreit werden möchten.

Kiew tut aber etwas ganz anderes und das ist typisch faschistisch: Es sucht Territorien von Bewohnern, die ethnisch oder/und ideologisch nicht in das Weltbild passen, von eben diesen Bewohnern „zu säubern“. Schließlich sind das „nur“ Russen. Und Russen sind Freiwild in der Ukraine. Diese von der ukrainischen Führung seit Jahren betriebene ethnische Säuberung trieb die russische Führung geradezu in die aktive Beteiligung am bis dahin innerukrainischen Konflikt hinein.

Denn Kiew führt einen totalen Krieg gegen die Russen. Wohlgemerkt zuerst jene Russen, die zu großen Teilen bis vor kurzem ukrainische Staatsbürger waren — aber schon da als Bürger zweiter Klasse abgestempelt wurden. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich, insbesondere in ihren Grundrechten. Das zeichnet eine funktionierende Demokratie aus. Doch gilt dies für ukrainische Russen schon lange nicht mehr. Und es galt erst recht nicht für die Russen in den Gebieten Donezk und Lugansk, die zumindest formal ebenfalls bis zum Februar 2022 noch ukrainische Staatsbürger waren. Russland hatte übrigens die Vereinbarungen von Minsk (Minsk I und II) ausdrücklich unterstützt, obwohl, ja weil in diesen Vereinbarungen eine Lösung des Konflikts innerhalb des ukrainischen Staatsgebildes festgelegt wurde (1, 2).

Wasser im Osten der Ukraine als Waffe zu verwenden, war von der Kiewer Regierung seit langem und konsequent vorbereitet worden. Und es hat ein Vorbild: die Krim.

Wasser zum Ersten

Westliche Narrative sind emotional so stark, wie sie in ihrer Logik dünn sind.

Als die Krim in den russischen Staatsverband eintrat, wurde man hierzulande nicht müde zu behaupten, dass dies über die Köpfe der Menschen hinweg geschehen und die dazugehörigen Plebiszite reine Scheinabstimmungen gewesen seien. Wenn dem so gewesen wäre, müsste zwangsläufig die Frage gestellt werden, warum man dann die unschuldigen Bürger der Krim mit Wasserentzug bestrafte, einem unverzichtbaren Lebenselixier.

„Die Wasserversorgung ist eines der größten zivilen Probleme auf der seit 2014 von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel. Vor der Annexion wurde die Krim über einen Kanal mit Wasser aus dem Dnjepr versorgt, doch wegen der Besetzung der Halbinsel wurde dieser von den ukrainischen Behörden gesperrt“ (3).

Wenn Sie nun geneigt sind zu glauben, dass die Deutsche Welle, von der das Zitat entnommen wurde, im Beitrag kritisch die Kriegführung gegen Zivilisten eines „annektierten Gebietes“ untersucht, dann liegen Sie falsch. Dabei handelt es sich doch — wie gesagt nach dem wertewestlichen Narrativ, das da lautet: „Die Krim wurde von Putin annektiert.“ — um unschuldige Zivilisten. Behauptete man aber umgekehrt, dass sich die Menschen in eigener, freier Entscheidung für den Beitritt zu Russland entschieden, muss man Zwangsmaßnahmen wie den willkürlichen Entzug von Wasser als Bestrafung für „die falsche Handlungsweise“ dieser Menschen betrachten.

Das ist schwarze Pädagogik auf internationaler, politischer Ebene — samt ihrem psychopathischen Wesen. Ein Wesen, das typisch für westliche Politik ist (a1). Ja, Kiew hat später sogar extra einen Damm bauen lassen, damit die Menschen auf der Krim kein Wasser mehr über den Nord-Krim-Kanal bekommen können. Man kann es auch so sehen: Es wurde versucht, die Bevölkerung durch den Entzug von existenziellen Ressourcen, bei Wasser blieb es nicht (4), zu erpressen (b1).

Nord-Krim-Kanal; Quelle: MDR (2020)

Die Ukraine führte also Krieg gegen die Zivilbevölkerung der Krim und unsere Massenmedien sorgten sich gemeinsam mit der Kiewer Regierung:

„Nun macht man sich in der Ukraine Sorgen wegen eines russischen Militärmanövers im Süden des Landes. Man befürchtet, dass Russland das Wasserproblem der Krim militärisch lösen könnte“(5).

Ein Wasserproblem, das zuvor künstlich und ohne Not von der Kiewer Putsch-Regierung herbeigeführt worden war. Man drehte in der ukrainischen Regierung an allem, was die Eskalationsspirale höher schraubte, und war dann tatsächlich „besorgt“? Nun: Wenn man sich selbst so überschätzt und gleichzeitig den Gegner unterschätzt, auch weil man in dieser Befindlichkeit durch zweifelhafte Freunde beständig gestärkt wird, dann sollte man nicht überrascht sein, wenn dieser Gegner irgendwann sehr starke Argumente ins Feld führt. Und denken wir daran, dass der Wasserkrieg gegen die Krimsche Zivilbevölkerung mitnichten der einzige Grund für Russland war, auf eine andere Art „zu argumentieren“, als das in den acht Jahren zuvor der Fall gewesen war.

Das Wasser des Dnepr reicht für alle. Es geht also nicht darum, dass die Ukraine zu wenig Wasser hätte, wenn Wasser über den Nord-Krim-Kanal abgeleitet würde.

Der Dnepr ist einer der wasserreichsten Flüsse Europas. Die maximale Abflussmenge des von ihm abzweigenden Kanals beträgt 380 Kubikmeter pro Sekunde (6). Aus der nur ein paar Dutzend Kilometer entfernten Mündung des Dnepr fließen über 1.600 Kubikmeter pro Sekunde in das Schwarze Meer, und im Bereich bis dorthin ist das Gebiet relativ dünn besiedelt. Der Bevölkerung auf der Krim das Wasser zu verwehren, war schlicht und einfach Terror.

Und in diesen Terror war die Europäische Union, geübt im Sanktions-Management, als aktiver Part von Beginn an involviert. Für die Redakteure des Staatssenders Deutsche Welle bestand kein Zweifel, dass das so auch ganz in Ordnung ist (Hervorhebung durch Autor):

„[…]nach der Besetzung der Krim im Jahr 2014 hatte die EU Sanktionen verhängt und den Verkauf bestimmter Waren und Technologien zur Verwendung auf der Krim verboten, darunter auch die Ausrüstung für Wasserwerke“(3i).

Denn danach beschäftigte man sich sehr akribisch damit, wie es nur möglich war, dass diese Sanktionen umgangen werden konnten. Aus all dem spricht auch eine beunruhigende ideologische Dumpfheit und Gefühlskälte. Wirtschaftskrieg ist für Journalisten in dieser Verfasstheit völlig in Ordnung, wie ja jeder Krieg, wenn ihn „die Guten“ führen. Nur: Das sind dann keine Journalisten mehr!

Nach Sperrung der Wasserversorgung durch die Kiewer Behörden musste nicht nur Trinkwasser rationiert werden. Der Reisanbau brach völlig zusammen, und der Getreideanbau ging um 85 Prozent zurück (7).

Es gibt mehrere sehr plausible Gründe für die Stoßrichtungen der russischen Truppen bei Beginn ihres Einsatzes in der Ukraine. Diese Stoßrichtungen waren: Erstens die von Norden aus in Richtung Kiew, die zweite im Raum Charkow bis hinunter nach Isjum und Slawjansk und schließlich die dritte im Süden, von der Krim aus in Richtung Cherson und Melitopol, bis hin zum linksseitigen Ufer des Dnepr. Was die südliche Stoßrichtung betrifft, galt als eines der Primärziele die Wiederherstellung der Wasserversorgung für die Krim über den Krim-Kanal.

Praktisch in den ersten Stunden des Militäreinsatzes besetzten russische Fallschirmjäger die Umgebung des künstlich errichteten Betondamms am Dnepr und sprengten diesen. Seitdem fließt das kostbare Nass wieder in Richtung der Halbinsel. (8) Eine solche Operation musste, um erfolgreich zu sein, lange und gründlich geplant worden sein. Sie hat übrigens keinem geschadet, auch nicht den Ukrainern.

Um noch einmal den Zynismus deutlich zu machen, und auch wie er auf die Urheber zurückfällt: Das EU-Parlament hatte sich im Februar 2021 zum Wasser-Notstand auf der Krim geäußert. Stur ritt das Plenum in seiner ideologisch-politischen Verblendung auf seinem Russland-Hass und betrachtete es in dieser Verfasstheit als angemessen, dass dafür die Bevölkerung einer Region zu büßen hatte. Während die EU-Gewaltigen das „humanitäre Völkerrecht“ als Worthülse wie eine Monstranz vor sich her tragen und Russland zur „Besatzungsmacht“ küren, haben sie keine Probleme, Menschen, leiden zu lassen. Was die Mehrheit der Krimbewohner davon hält, spielt keine Rolle, dienen diese doch nur als Propagandafutter:

„[Demnach] weist (das Europäische Parlament) darauf hin, dass gemäß dem humanitären Völkerrecht inzwischen die Russische Föderation — als Besatzungsmacht — umfassend dafür verantwortlich ist, den Bedürfnissen der Bevölkerung der vorübergehend besetzten Halbinsel Krim, einschließlich ihrer Wasserversorgung, gerecht zu werden; (…)“ (9).

Man kann also durchaus sagen, dass Russland dem „guten Rat“ des EU-Parlaments, „den Bedürfnissen der Bevölkerung der Krim … gerecht zu werden“, ein Jahr später vollumfänglich nachgekommen ist.

Das Prinzip, sich dem westlichen Machtanspruch nicht Unterwerfende mit Sanktionen „zu bestrafen“, ist eine schändliche Tradition der EU geworden und stellt deren Legitimität als Ganzes in Frage (a1i).

Brücke zum Zweiten

Gab es Alternativen für die Lösung des Wasserproblems auf der Krim? Sicher, nur stand es eben nicht allein und war dazu auch noch vorsätzlich geschaffen worden. Zumal sich dieses Problem in einem ungleich größeren und komplexeren Konflikt wiederfindet. Ein Konflikt, der nicht von Kiew aus gesteuert wird.

Dass Russland nicht bereit gewesen wäre, auch einen finanziellen Beitrag für das Dnepr-Wasser zu leisten, darf—weil niemals belegt, sondern stets als Gerücht verbreitet—als Legende betrachtet werden. Der russische Präsidentensprecher Dimitri Peskow sagte daher auch im Jahre 2020:

„Wenn es Vorschläge für eine zusätzliche Wasserversorgung [der Krim] auf kommerzieller oder anderer Basis gibt, können diese in Betracht gezogen werden“(10).

Was den Wassermangel für die Halbinsel Krim betrifft, arbeitete man russischerseits an verschiedenen Lösungen. Die Zentralregierung hatte dafür umgerechnet eine halbe Milliarde Euro bereitgestellt. Das Bohren neuer Brunnen erschien bei einem bedenklich sinkenden Grundwasserspiegel nur begrenzt umsetzbar (11). Wenig erfolgreich war man wohl auch in Versuchen mit der aus südlichen Ländern bekannten Tröpfchenbewässerung. (5i).

Eine andere Möglichkeit bestünde im Bau von Entsalzungsanlagen zur Aufbereitung des Meerwassers. Für die Eigenumsetzung der Technologie besitzt Russland jedoch nicht genügend Erfahrung, und der Wirtschaftskrieg des Westens hat genau solche Technologien in seine Sanktionslisten eingeschlossen. Außerdem ist diese Technik extrem teuer. Saudi-Arabien zahlt zum Beispiel jedes Jahr zehn Milliarden US-Dollar allein für die Filtermembranen seiner Entsalzungsanlagen (12).

Damit kommen wir zur „Brücke“. Denn eine weitere, auf den ersten Blick relativ günstige und rasch umsetzbare Möglichkeit, Wasser zur Krim zu leiten, kommt hier zu Sprache:

„Global hätte eine Wasserleitung von der südrussischen Region Kuban oder aus dem Regierungsbezirk Rostow die Ausgangslage verändern können. Allerdings ist das Projekt nicht nur teuer, in beiden genannten Regionen gibt es einfach nicht genug Wasser“ (5ii).

An dieser Stelle werden wir wieder einmal daran erinnert, dass die Realität komplex ist und Dinge, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, dann doch entscheidend und manchmal auch fatal wechselwirken, wenn man dies zuvor nicht erkannte oder erkennen wollte.

Werfen wir unseren Blick von der Krim über das Asowsche Meer nach Mariupol. Nach Informationen russischer Medien hatten dort die ukrainischen Behörden vor dem russischen Kriegseintritt intensiv an einer Umgestaltung der Wasserversorgung gearbeitet. Mit französischer Hilfe—Frankreich ist eines der führenden Länder, was das Know-how zur Wasserentsalzung betrifft—plante man dort den Bau einer Entsalzungsanlage und außerdem den eines neuen Wasserkanals.

Hatte Mariupol ein Wasserproblem? Oder ging es hier wieder einmal um politische Agenden? Woher bezieht die Stadt ihr Wasser in erster Linie?

Wasser zum Zweiten

Der Wasserreichtum des Dnepr ist in der Region einzigartig und für die Krim von größter Bedeutung. Doch außerdem wissen die meisten Zeitgenossen nicht, dass neben der Krim auch der Donbass seit jeher unter Wassermangel leidet.

Die Lugansker und Donezker Region haben ein kolossales Wasserproblem! Der Donbass ist, auch aufgrund des eher trockenen Klimas, ein wasserarmes Gebiet und von steppenartigen Landschaften geprägt (13). Donbass und Krim sind die trockensten Gebiete der Ukraine (gewesen) (14).

In sowjetischen Zeiten wurde dieses Problem durch ein komplexes System von Wasserkanälen gemildert. Das Wassereinzugsgebiet dieser Regionen wird weniger vom Dnepr, sondern eher von dem weiter östlich gelegenen Don und dessen Nebenflüssen geprägt (b1):

Der Don entspringt etwa 200 Kilometer südlich von Moskau und mündet nach seinem stark mäandrierenden, über 1.700 Kilometer langen Verlauf bei Rostow in das Asowsche Meer. Der Höhenunterschied von der Quelle zur Mündung beträgt gerade einmal 190 Meter. An seiner Mündung durchfließen ihn etwa 935 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Das Wasser des Don versorgt ein Gebiet von über 420.000 Quadratkilometern. (15). Das ist eine deutlich größere Fläche als die der gesamten Bundesrepublik Deutschland.

Auf der obigen Karte sind die beiden größten und wasserreichsten Nebenflüsse des Don eingezeichnet: der fast 1.000 Kilometer lange Chopjor (Khopyor) und der noch größere Sewerskij Donez, allgemein einfach nur Donez (Donets) genannt (16). Dieser Donez ist von enormer Bedeutung für den Donbass, für Lugansk, Donezk (daher auch der Name der Stadt) und schließlich auch Mariupol. Schauen wir uns den Verlauf des Donez bis hin zu seiner Mündung in den Don an (b2):

Wir erkennen, dass der Donez in Russland entspringt, dann in ukrainisches Gebiet eintritt, um östlich von Charkow kurz nach Südwesten abzubiegen. Stark mäandrierend bewegt er sich schließlich wieder gen Südosten, wo er im Lugansker Gebiet wieder das russische Territorium erreicht.

Weiter oben wies ich darauf hin, dass ein entscheidender Grund für die russische Stoßrichtung auf Cherson die Wiederherstellung der Wasserversorgung für die Krim war. Hier nun behaupte ich, dass einer der Gründe für den Vorstoß auf Charkow darin bestand, die Wasserversorgung für Lugansk, Donezk und Mariupol sicherzustellen.

Es bedarf keiner besonderen Auffassungsgabe, um zu erkennen, dass die russische Armee das erste Ziel offenbar nachhaltig erreicht hat, das zweite jedoch mitnichten. Deshalb lässt sich der Verlust der Gebiete östlich und südostlich von Charkow für die russische Armee in operativer und taktischer Hinsicht wohl verschmerzen. Aus strategischer Sicht ist es jedoch ein Desaster. Bis zum heutigen Tag werden die Menschen aus dem Donbass nicht nur durch den terroristischen Beschuss der Kiewer Militärs vertrieben, sondern auch weil es viel zu wenig Wasser gibt.

Von besonderer Bedeutung ist der Donez-Donbass-Kanal. Er zweigt etwa 100 Kilometer südöstlich von Charkow in der Nähe der Stadt Slawjansk ab, verläuft teilweise unterirdisch, vorbei an der Frontlinie bei Gorlowka (Horliwka) und endet im oberen Teil des Kalmius-Stausees südwestlich von Donezk. Direkt beim bis zum Februar 2024 heftig umkämpften Awdejewka führt der Kanal ebenfalls entlang. Awdejewka ist ein Vorort von Donezk, und dort befindet sich auch die Wasseraufbereitungsanlage für die nahe (frühere) Millionenstadt.

Mariupol erhält das Wasser dagegen direkt aus dem Donez über den Süd-Donbass-Kanal (17). Slawjansk ist von großer strategischer Bedeutung. In dessen Nähe liegen hart umkämpfte Städte und Siedlungen wie Isjum und Liman, die ebenfalls für die Wasserversorgung einer ganzen Region entscheidend sind (weiter unten dazu mehr).

Unmittelbar nach dem Kriegseintritt Russlands in den Ukraine-Konflikt blockierten die ukrainischen Streitkräfte am 25. Februar 2022 die Wasserzufuhr für den Donez-Donbass-Kanal. Technisch war das kein Problem. Es mussten nur die Pumpen abgeschaltet und die Schleusen außer Betrieb genommen werden, denn der Kanal verfügt über kein natürliches Gefälle.

Die Folgen für Donezk sind dramatisch. Statt der früheren 230 Kubikmeter pro Sekunde gelangen nicht mehr als 50 in die Stadt. Die Dagebliebenen versuchen das Problem teilweise zu lösen, indem sie artesische Brunnen bohren, ein äußerst riskantes Vorgehen. Denn der Donbass hat als traditionelle Industrie- und Bergbauregion auch ein riesiges Umweltproblem. Während „oben“ das Wasser fehlt, ist es in ungenießbarer bis giftiger Form massenhaft in stillgelegten Gruben vorhanden und droht das Grundwasser zu verseuchen (18, 19).

Russland unterstützt, indem es frisches Wasser in Tanks liefert, aber all dies verlängert nur die Agonie einer Millionenstadt (17i).

Warum hat die ukrainische Seite diesen Terror nicht bereits seit 2014 betrieben, ganz so wie im Falle der Blockierung des Krim-Kanals?

Man fürchtete, dass Gleiches mit Gleichem vergolten werden würde. Ein mit der OSZE zusammenarbeitender internationaler Umweltexperte, der anonym bleiben wollte, sagte im Jahre 2019:

„Wissen Sie, die Tatsache, dass die Frontlinie durch den Sewerskij Donez verlief, ist eine Art Glücksfall. Es ist nicht klar, wie sich die Seiten verhalten würden, wenn dieser Fluss einer Partei gehören würde“ (18i).

Das gilt natürlich auch für die künstlichen Wasserstraßen am Donez.

Mariupol erhielt und erhält sein Wasser vollständig aus dem Gebiet der (früheren) Donezker Republik, eben über den Süd-Donbass-Kanal. Also spielte man in Kiew auf Zeit und bereitete eine komplette Umstrukturierung der Wasserversorgung vor. Französische Spezialisten begannen mit dem Bau einer Entsalzungsanlage sowie eines Kanals, der das von der Donezker Volksrepublik (DVR) kontrollierte Gebiet des Donbass umgehen sollte. Erst dann war man willens, Wasser als Waffe auch gegen Donezk zu benutzen (17ii).

Am 24. Februar 2022 wurden diese Pläne jedoch Makulatur und Kiew stoppte umgehend die Wasserversorgung über den Donez-Donbass-Kanal.

Was nun?

Problemlösung oder Problemverschärfung?

Vor kurzem erklärte der Chef der DVR, Denis Puschilin:

„Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Problem der Wasserversorgung gewidmet. Es wurde beschlossen, eine Leitung vom Fluss Don zu bauen. Trotz der Tatsache, dass es sich um ein komplexes und teures Projekt handelt, ist seine Umsetzung für die erste Hälfte des Jahres 2023 geplant. In einigen Siedlungen der DVR wird derzeit nur alle drei Tage Wasser geliefert, in einigen Orten sogar noch seltener. Der Grund dafür ist, dass die Versorgungsnetze vielerorts nicht funktionieren und die Befreiung des Sewerskij-Donez-Donbass—Wasserkanals von den ukrainischen Nationalisten nur langsam vorankommt“ (17iii).

Das Projekt für den Bau einer Wasserleitung aus der russischen Region Rostow in Richtung DVR wurde von den Donezker Behörden bereits im Jahre 2017 ausgearbeitet, aber aufgrund der Minsker Vereinbarungen nicht umgesetzt. Nachdem Minsk II gescheitert ist, wird erneut die Umsetzung des Projekts geplant.

Man ist in Russland von diesen Plänen keineswegs einhellig begeistert:

„Das heißt, ohne das gesamte linke Ufer wird der russische Donbass in einer Sackgasse enden, ähnlich der, in der sich die Krim in den letzten acht Jahren befunden hat. Bedeutet dies, dass die richtigen Schlussfolgerungen gezogen wurden? Ganz und gar nicht! Anstatt Pläne für die Befreiung des linken Dnepr-Ufers in der Ukraine und den Zugang zum Dnjepr zu schmieden, schmieden wir Pläne für das Wasser aus dem Don. Um es klar zu sagen: Wir haben kein Problem mit dem Donwasser für unsere eigenen Leute in der DVR und der LPR, aber wahrscheinlich müssen wir das wirkliche Problem mit den Streitkräften der Ukraine und dem Dnjepr lösen, anstatt aus heiterem Himmel ein neues zu schaffen, oder?“ (17iv).

Die zitierte russische Plattform Topcor titelte ihren Beitrag daher auch mit:

„Die Weigerung, die Streitkräfte der Russischen Förderation an den Dnjepr vorzurücken, kann zur Verflachung des Don führen“ (17v).

Es ist so, dass auch der Don selbst schon an Wassermangel leidet. Der jährliche Abfluss hat sich in den letzten einhundert Jahren von 22,3 auf 9,5 Kubikkilometer verringert, sein Salzgehalt an der Mündung ist auf bedenkliche Werte gestiegen. Die Ufer versumpfen.

Der Wasserstand in den Zuflüssen Mius, Sewerskij Donez und Kalitwa ist dramatisch gesunken. Die Qualität des Süßwassers selbst hat sich stark verschlechtert, was zu zahlreichen Beschwerden der Anwohner führt.

Die Ursachen für diesen Zustand liegen im ungehemmten Verbrauch durch Industrie, Landwirtschaft und Haushalte sowie diversen Umweltsünden der Vergangenheit und nicht zuletzt am seit 2014 tobenden Krieg in der Ostukraine, welcher dazu geführt hat, dass dortige Gruben unkontrolliert mit Wasser volllaufen und dieses Wasser später in das Trink-, Grund- und Flusswasser eintritt. Teilweise gelangt dieses Wasser über den Nebenfluss Donez schließlich in den Don.

Um die Dimensionen der Flusssysteme etwas deutlicher zu machen, schauen wir uns diese noch einmal auf einer topografischen Karte der Ukraine (in den Grenzen von 2013) an. Der Dnepr in der rechten Bildmitte dominiert alles und übertrifft schon visuell das rechts erkennbare Flusstal des Donez bei weitem (b3):

Unter diesen Voraussetzungen für Millionen Menschen Wasser aus dem Don zu entnehmen, ist ein Spiel mit dem Feuer.

Zurück zum Dnepr

Das alles muss man wissen, um zu verstehen, warum die russische Seite inzwischen militärische Mittel zur Problemlösung wählt. Derzeit sind Charkow, ja selbst Slawjansk und Kramatorsk für die russischen Militärs (noch) eine zu große Aufgabe. Sowohl der Donez als auch der Donez-Donbass-Kanal sind über weite Strecken unter Kontrolle der ukrainischen Armee. Ein geplanter russischer Versuch, die Kontrolle über Slawjansk zu übernehmen, hat seine Tücken und löst auch nicht das Gesamtproblem.

Kiew hat den Ballungsraum Slawjansk/Kramatorsk in ein starkes Festungsgebiet verwandelt. Ihn frontal im Sturm einzunehmen, wäre extrem kritisch, allein weil dies möglicherweise viele tausend russische und ukrainische Soldaten das Leben kosten könnte. Es ist derzeit aber auch nicht realistisch, diese Gebiete einzukesseln und dann die Garnison der ukrainischen Streitkräfte zur Kapitulation zu zwingen. Schließlich musste Russland die Region Charkow im September komplett aufgeben.

Doch ist das Problem noch viel komplexer und so wird selbst die Übernahme von Slawjansk und Kramatorsk kein Allheilmittel sein. Der Fluss Sewerskij Donez selbst liefert nämlich nicht mehr genug des kostbaren Nasses. Deshalb wird seit Jahrzehnten auch das Wasser des Dnepr zu seiner Befüllung verwendet und durch den Dnepr-Donez-Kanal in den Donez gepumpt. Für Charkow ist dieser Kanal nicht mehr von Bedeutung, da es über später angelegte (oberirdische) Wasserstraßen an den Dnepr angebunden wurde (20). Aber der Donez und die Bewohner in seinem Einzugsgebiet brauchen dieses Wasser.

Es liegt auf der Hand, dass nach dem Fall der Festung der Streitkräfte der Ukraine im Kramatorsker Gebiet auch dieser Kanal blockiert und das Problem der Wasserversorgung immer noch nicht vollständig beseitigt sein wird.

Unter anderem auch deshalb kann nachvollzogen werden, warum Slawjansk, Isjum und Liman so hart umkämpft sind. Sie sind von strategischer Bedeutung. Bei der Stadt Isjum endet der Dnepr-Donez-Kanal. Die Ortschaft Liman liegt am Donez und verfügt zudem über ein mehr als zehn Quadratkilometer großes Wasserreservoir. Bei Slawjansk beginnt der Donez-Donbass-Kanal.

All diese Faktoren lassen als mögliche Schlussfolgerung zu, dass sich die russischen Militäroperationen grundlegend verändern und zu einem über große Gebiete beherrschenden Bewegungskrieg links (östlich) des Dnepr wandeln könnten. Eine Offensive würde dann über das hinausgehen, was man von der russischen Seite in den letzten Monaten gesehen hat. Die Möglichkeiten für groß angelegte Offensivoperationen, mittels derer die Stellungen der Streitkräfte der Ukraine eingekesselt werden könnten, haben sich in jüngster Zeit verbessert, nachdem Hunderttausende Reservisten mobilisiert und gründlich für den Einsatz in der Ukraine vorbereitet wurden.

Das gerade Aufgeführte ist allerdings eine reine Spekulation des Autors, und als solche liegt sie möglicherweise weit von der zukünftigen Realität entfernt. Eine (anonym bleibende) Moskauer Quelle äußerte dazu (Hervorhebung durch Autor):

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Russen massive Panzerbewegungen riskieren oder ihre März-Manöver [von 2022] wiederholen. Ich glaube, dass der Generalstab den Krieg gegen die Energieinfrastruktur weiterführen und Druck auf Kiew und Europa ausüben wird, während er eine langsame, Zoll-für-Zoll-Bewegung im Donbass fortsetzt. Allgemeine Geduld ist wichtiger als General Winter. Diese beiden sind auf einer Stufe mit General Iskander, der Umspannwerke und Transportkorridore lahmlegt.

Putin wird nur unter Druck geraten, wenn er sich selbst unter Druck setzt, Territorium zu erobern und dabei Tausende von Opfern in Kauf nimmt. Das will er nicht. Der Generalstab will das nicht. Sie haben dies ausdrücklich klargestellt. Also haben sie sich neue Formen der Kriegsführung ausgedacht. Wie neu diese sind, ist in Kiew oder Washington oder Brüssel noch nicht durchgedrungen.“

Zusammenfassend erscheint es trotzdem realistisch, anzunehmen, dass Russland in naher Zukunft versuchen wird, große Teile links des Dnepr unter seine Kontrolle zu nehmen. Nicht etwa wegen eines schieren Drangs, neue Territorien im Westen zu erobern, sondern schlicht um den Menschen in der (ehemaligen) Ostukraine lebensnotwendige Ressourcen wie zum Beispiel Wasser und ein nicht durch Raketen und Granaten gefährdetes Leben sichern zu können.

Ein Krieg hat viele Facetten. Der Wasserkrieg, die Verwendung des überlebenswichtigen Wassers als Waffe innerhalb des Ukraine-Krieges wurde jedoch eindeutig von der Kiewer Putschregierung entfacht.

Auch auf diesen Krieg antwortet Russland seit dem Februar 2022.

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst am 16. Dezember 2022 unter dem Titel „Krieg um Wasser“ auf dem Blog des Autors.


Am 22. März ist wieder der jährlich wiederkehrende Weltwassertag. Es ist wichtig, dass Medien es nicht dabei bewenden lassen, stets nur auf den neuesten Wahnsinn in der Welt zu reagieren, sondern selbst in das Agieren kommen. Deshalb setzen wir zusammen mit einer Reihe von weiteren Medienportalen selbst ein Thema auf die Agenda. Die beteiligten Medienpartner, bei denen in der Woche vom 18. bis 24. März im Rahmen des #Wasserspezial Beiträge zu finden sein werden, sind derzeit:

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