Parteiische Schiedsrichter

Die UN vertritt immer häufiger einseitig westliche Interessen und ist deshalb als Vermittlerin auf der internationalen Bühne ungeeignet.

Böcke als Gärtner — das funktioniert bekanntlich nicht. Ebenso wenig dürfen jedoch vermeintlich neutrale Vermittler parteiisch sein. Bei internationalen Konflikten wäre eine Instanz wichtig, die im Notfall die Funktion einer Mediatorin übernehmen könnte. Die UN wäre hierfür grundsätzlich geeignet und hat in der Vergangenheit auch in einigen Fällen hilfreich eingegriffen. Bei aktuellen Krisen — etwa in der Ukraine — erwiesen sich die Vereinten Nationen jedoch als Totalausfall. Menschen in konfliktreichen Ländern nehmen die UN zunehmend als Förderer der Interessen des Westens und der Mächtigen wahr, schreibt Jamal Benomar.

von Jamal Benomar

Es ist kein Geheimnis, dass die Mediationstätigkeit der UN im Niedergang begriffen ist. Die UN hat in Konfliktländern, in denen der Generalsekretär und seine Vertreter oder Sonderabgesandte den Auftrag haben, Vermittlung und gute Dienste zu leisten, keine Führungsrolle mehr inne. In den meisten dieser Konflikte übernehmen nun mächtige Mitglieder des Sicherheitsrats und von regionalen und subregionalen Organisationen die Führung und drängen die UN an den Rand.

Die einzigen beiden Konflikte, bei denen die UN noch immer eine klare Führungsrolle innehat, sind Zypern und die Westsahara — in beiden Ländern hat sie jedoch jahrzehntelang keine Fortschritte erreicht.

Man muss sich nur ansehen, wie viele UN-Abgesandte nicht in die Länder einreisen können, in denen sie vermitteln sollen, oder nur einen begrenzten Zugang zu den betreffenden Akteuren haben. In vielen Vermittlungsprozessen wurde die UN von Beteiligten an oder Unterstützern von diesen Stellvertreterkonflikten an den Rand gedrängt, wobei diese dann ironischerweise die Mediationsführung übernehmen, wie in Syrien oder im Jemen.

In den letzten Jahren haben die mächtigen „P5“-Länder — die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats China, Frankreich, Russland, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten — und andere sich regelmäßig in die Ernennung der Gesandten des Generalsekretärs eingemischt und dabei Kandidaten durchgesetzt, die über wenig einschlägige Erfahrung verfügen. Viele Abgesandte wurden in Ländern eingesetzt, in denen sie noch nie waren und deren Sprache sie nicht sprechen.

Seit den „In größerer Freiheit“ (1) genannten Reformvorschlägen des ehemaligen Generalsekretärs Kofi Annan im Jahr 2005 hat die UN große Anstrengungen unternommen, ihre Vermittlungsprozesse zu professionalisieren und eine Reihe von Leitlinien, die die Inklusion in den Vordergrund stellen, festzulegen.

Dennoch hinkt die Praxis noch immer hinter den neuen Standards hinterher. Die Einrichtung der ausgezeichneten Mediationseinheit, dessen sehr hilfreichen Bereitschaftsteams führender Mediationsberater und des hochrangigen Beratungsgremiums war insgesamt eine positive Entwicklung, aber es muss noch mehr getan werden, um sicherzustellen, dass die UN ihre Mediationsstandards Konsens, Unparteilichkeit und Inklusivität aufrechterhält — vor allem in den Konflikten, die die vergangenen Jahrzehnte geprägt haben.

Anfang des Jahres veröffentlichte das International Center for Dialogue Initiatives, dem ich vorsitze, einen Bericht mit dem Titel: „Libya: An Assessment of Twelve Years of UN Mediation“ („Libyen: Eine Beurteilung von 12 Jahren UN-Mediation“). Eine Erkenntnis darin war der Mangel an Inklusivität und Unparteilichkeit in den von der UN vermittelten politischen Dialogen, die oft auch durch die Interessen und die Einmischung von Großmächten untergraben wurden. Dieses Muster beobachten die Analysten auch in Syrien, Jemen und anderen politischen Prozessen.

Abnehmende Bedeutung

Die UN wird weltweit nicht mehr als unparteiliches Gremium mit einer starken und respektierten Stimme angesehen. Menschen in konfliktreichen Ländern nehmen die UN zunehmend als Förderer der Interessen des Westens und der Mächtigen wahr. Das war jedoch nicht immer der Fall.

In den vergangenen Jahrzehnten spielte die UN bei der Förderung von Friedensprozessen in vielen Ländern und Regionen weltweit eine wichtige Rolle, darunter in Kambodscha, Namibia, Mittelamerika und Timor-Leste. Zahlreiche engagierte UN-Beamte haben bei ihrem Einsatz für den Frieden den höchsten Preis bezahlt und ihr Leben verloren.

Der Niedergang der UN-Mediation findet vor dem Hintergrund einer wachsenden Polarisierung der Weltpolitik statt, die im Sicherheitsrat zu beobachten ist, wo Russland und China häufig den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich Paroli bieten.

Der fortgesetzte alleinige Anspruch dieser drei Länder — USA, Vereinigtes Königreich und Frankreich — auf die Entwürfe von Resolutionen des Sicherheitsrates und ihr unzulässiger Einfluss auf das Sekretariat, in dem sie noch immer die Leitung der Abteilungen „Frieden“ und „Sicherheit“ monopolisieren, hat die Glaubwürdigkeit der UN in Mediationsprozessen weiter untergraben.

Ukraine — eine verpasste Chance

Der tragische Konflikt in der Ukraine bot der UN eine Chance, die führende Vermittlerrolle zu übernehmen und als Brücke zwischen Russland und der NATO zu wirken — vergleichbar der Rolle, die Dag Hammerskjöld im Kalten Krieg für die UN als Brücke zwischen Ost und West geschaffen hatte. Viele Länder, darunter Saudi-Arabien, Israel, Türkei und Südafrika sowie andere afrikanische Staaten streben alle diese Rolle an — aber die UN ist weit und breit nicht zu sehen.

In der August-Ausgabe unseres Newsletters Diplomacy Now äußern sich Experten und Akademiker, von denen manche mit oder innerhalb der UN tätig waren, zu den Vermittlungsergebnissen im Sudan, in Syrien, Jemen und Afghanistan, diagnostizieren die ihrer Meinung nach schwerwiegenden Mängel und geben Empfehlungen für künftige Einsätze.

(…) Wir sind der Meinung, dass die Qualität der UN-Mediation stärker reflektiert und offen diskutiert werden muss, wenn sie sich positiv auf Menschen auswirken soll, deren Leben durch den Krieg erschüttert wurde oder noch immer wird. Wir glauben fest an eine effektivere UN, die die heutigen weltweiten Fragen von Frieden und Sicherheit lösen kann.


Jamal Benomar ist Vorsitzender des International Center for Dialogue Initiatives mit Sitz in New York City. Er ist Aktivist für Demokratie, Verteidiger der Menschenrechte, Diplomat und internationaler Mediator. Seine internationale Karriere erstreckt sich über 35 Jahre, davon 25 Jahre in der UN, in der er in Anerkennung seiner Leistungen in den Rang eines Untergeneralsekretärs aufstieg. Weitere Informationen unter dialogueinitiatives.org.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Der Text kann im angegebenen Link auch auf Deutsch abgerufen werden.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „What Happened to the UN’s Ability to Mediate?“ bei Consortium News. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratsteam lektoriert.