Wir lassen sie verdursten

Die israelische Regierung schneidet die Zivilbevölkerung im Gazastreifen vorsätzlich vom Zugang zu sauberem Trinkwasser ab — Durst wird so zur Massenvernichtungswaffe.

Israel dreht Gaza das Wasser ab, bombardiert Brunnen und Wasseraufbereitungsanlagen und riskiert mit der Flutung der Hamas-Tunnel eine Versalzung und Vergiftung des Grundwassers. Damit ist Durst als Kriegswaffe endgültig auf der weltpolitischen Bühne angekommen. Die Mutwilligkeit, mit der das Verdursten und Verhungern der Zivilbevölkerung in Kauf genommen wird, deutet darauf hin, dass es nicht allein um Selbstverteidigung, geopolitische Interessen oder Landgewinn geht, sondern dass auch ideologische Ursachen eine Rolle spielen. Denn wer Wasser abstellt, der foltert die Schwächsten. Ein Text zum #Wasserspezial.

Die von manchen Menschen gehegte Hoffnung, es handele sich lediglich um Worte, als Israels Verteidigungsminister Joav Gallant im Oktober verkündete: „Kein, Strom, keine Lebensmittel, kein Wasser, kein Treibstoff. Alles ist geschlossen. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und wir handeln entsprechend“ (1), sollte nach über fünf Monaten einer beispiellos brutalen Kriegsführung im Gazastreifen endgültig begraben sein. Gallant kam seinem Versprechen nach, und das auf eine außerordentlich konsequente Weise.

Gaza durstet

Es ist der 7. Oktober 2023. Der Terrorangriff der Hamas auf israelische Staatsbürger ist erst wenige Stunden alt, aber nichts ist wie zuvor. Die israelische Regierung setzt zum militärischen Gegenschlag an und schaltet noch am selben Tag die Versorgungsleitungen im Gazastreifen ab, mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. Monther Shoublaq, Mitarbeiter in einem Wasserwerk in der Nähe von Karara, berichtet Mitte Oktober in einer Sprachnachricht Redakteuren der Zeit:

„Ich bin mit meiner Familie gerade in Karara in der Nähe von Khan Younis. Uns geht es den Umständen entsprechend körperlich gut. Wir haben noch etwas Essen, aber das Wasser geht zur Neige, weil es kein Öl und keine Elektrizität gibt, um die Wasserwerke zu betreiben. Viele Ortschaften im Gazastreifen haben schon seit einer Woche kein Wasser mehr.“ (2)

Shoublaqs Aussagen decken sich mit Angaben der Weltgesundheitsorganisation, die ebenfalls Mitte Oktober dokumentiert, durch die Stromabschaltung sei nicht ausreichend Strom für Brunnen, Entsalzungs- und Kläranlagen sowie sanitäre Einrichtungen vorhanden. Durch die Angriffe der israelischen Luftwaffe waren zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Brunnen, drei Wasserpumpstationen und eine Entsalzungsanlage, die 1,1 Millionen Menschen versorgt hatte, beschädigt worden (3).

Schon vor der militärischen Eskalation Ende letzten Jahres war die Trinkwasserversorgung im Gazastreifen denkbar schlecht. Das Trinkwasser der Palästinenser ist nicht nur knapp, sondern gehört auch, wie die EU bereits 2018 feststellte, zum schlechtesten weltweit (4).

Es fällt nicht viel Regen, was die Versalzung des Wassers begünstigt. Zudem sieht sich der trockene Landstreifen damit konfrontiert, dass die stark anwachsende Bevölkerungszahl und die intensive Landwirtschaft die Grundwasservorräte erschöpfen. Die Bevölkerung ist schon seit Jahren darauf angewiesen, Wasserlieferungen von LKWs zu kaufen. Das Leitungswasser ist oft so versalzen, dass man es zwar zum Putzen und zur Hygiene benutzen kann, nicht aber zum Trinken (5).

Seit der Eskalation des Krieges im Oktober sind durch die israelischen Bombardierungen zahlreiche Brunnen sowie Wasseraufbereitungsanlagen zerstört worden. Doch das größte Problem entsteht durch die Blockade.

Der Gazastreifen ist nahezu vollständig abhängig von der israelischen Belieferung. 30 Prozent des Trinkwassers bezieht er direkt aus Israel, der Rest ist auf Elektrizität und Treibstoff angewiesen, deren Zugang ebenfalls Israel kontrolliert. Der Wassermangel hat katastrophale humanitäre Zustände zur Folge (3).

Nancy Murray, Präsidentin der Gaza Mental Health Foundation, beschreibt in einem Artikel im +972 Magazine gemeinsam mit Amahl Bishara die verheerenden Konsequenzen der israelischen Wasser-Politik. Israel habe, indem es Gaza seit Beginn des Krieges sauberes Wasser verweigere, eine beispiellose Gesundheitskrise ausgelöst und riskiere irreversible ökologische Schäden.

Dabei beziehen sich die beiden auf Pedro Arrojo-Agudo, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen, der zu bedenken gibt, Israel bringe die Menschen im Gazastreifen mit jeder Stunde, in der es ihnen die Versorgung mit sauberem Trinkwasser verweigere, in Gefahr, an Durst oder Krankheiten zu sterben. „Die Zahl der Todesopfer aufgrund des Wassermangels und seiner Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit“, so Arrojo-Agudo weiter, „könnte die der israelischen Bombardierungen selbst übertreffen.“ UNICEF erklärte, die Menschen seien gezwungen, stark versalzenes Meerwasser zu trinken, das zudem durch unbehandelte Abwässer kontaminiert sei. Murray und Bishara führen weiter aus:

„Ende Oktober brachte ein interner Bericht des US-Außenministeriums die Besorgnis zum Ausdruck, dass 52.000 schwangere Frauen und über 30.000 Babys unter sechs Monaten gezwungen waren, eine potenziell tödliche Mischung aus Wasser zu trinken, das mit Abwässern und Salz aus dem Meer verunreinigt war.“

Wasserversorgung am Rande des Zusammenbruchs

Besonders drastisch ist die Lage in den Flüchtlingslagern und UN-Unterkünften im Süden. Hier haben die Menschen teilweise nur einen Liter Wasser pro Tag und Person zur Verfügung. Was zunächst so klingt, als würde man davon zumindest nicht verdursten, reicht kaum, um basale Bedürfnisse zu befriedigen; schließlich müssen die Menschen hiervon nicht nur trinken, sich waschen und eine grundlegende Hygiene aufrechterhalten, sondern, insofern sie essen möchten, auch kochen. Zum Überleben braucht ein Mensch laut UNICEF circa drei Liter Wasser am Tag, internationale Mindeststandards empfehlen 15 Liter. Die Wasserversorgung im Rafah-Gouvernement an der Grenze zu Ägypten ist quasi zusammengebrochen, und auch die hygienische Situation ist fatal. Murray und Bishara schreiben:

„Wie die WHO Ende Dezember berichtete, hatten die mehr als eine Million vertriebenen Palästinenser, die in der südlichen Stadt Rafah Zuflucht gefunden hatten, im Durchschnitt Zugang zu einer Toilette für 486 Menschen, während im gesamten Gazastreifen eine Dusche durchschnittlich 4.500 Menschen versorgte. Die Abwässer fließen durch die Straßen und verseuchen die eilig errichteten Zelte, in denen Hunderttausende von Menschen im südlichen und zentralen Gazastreifen leben. Diejenigen, die ihre Menstruation haben, sind mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, da es an Menstruationsprodukten, Toiletten und Wasser mangelt.“

Die Folge sind sich ausbreitende Infektionskrankheiten. Das durch Hunger, Verletzungen und die psychische Belastung aufgrund der ständigen Bombardierung sowieso schon geschwächte Immunsystem der Bevölkerung ist kaum in der Lage, diese abzuwehren. Besonders betroffen hiervon sind Kinder. UNICEF erklärte, die zuständigen Behörden hätten das 20-Fache des monatlichen Durchschnitts an Durchfallerkrankungen bei Kindern unter 5 Jahren registriert, genauso wie einen Anstieg der Fälle von Krätze, Läusen, Windpocken und Hautausschlägen, sowie 160 000 Fälle von akuten Atemwegsinfektionen (6).

Vor diesem Hintergrund wirkt es fast zynisch, wenn Israels Botschafterin in Großbritannien, Tzipi Hotovely, verlautbaren lässt, Israel verstoße mit dem Abstellen des Wassers nicht gegen das Völkerrecht. Schließlich müsse man aktive Kontrolle über ein Gebiet haben, um für dessen Versorgungsleistung verantwortlich zu sein.

Da dies nicht der Fall wäre, sei Israel auch nicht für Gazas Wasserversorgung zuständig (7). Diese Aussage ist vor allem absurd, weil die Wasserabhängigkeit der Palästinenser nicht im luftleeren Raum entstanden ist, sondern durchaus als Resultat israelischer Politik.

Historisch gewachsene Wasser-Apartheid

Die Verfügbarkeit von Wasser im Nahen Osten ist schon immer ein Problem gewesen, und damit auch schon immer strategische Ressource. Frei nach der Devise: Wer das Wasser kontrolliert, der kontrolliert das Land. Bereits im Jahr 1187 erzwang Sultan Saladin die Kapitulation der kurz vorher in Jerusalem eingefallenen Kreuzritter, indem er das Wasser aus den Teichen von Artas blockierte. Diese besser unter dem Namen „Teiche Salomons“ bekannten Wasserreservoire in der Nähe von Bethlehem spielen in der Geschichte des Landes immer wieder eine bedeutende Rolle; so auch bei der Gründung des Staates Israel, denn Palästinas Wasserproblem ist auch ein koloniales.

Nach dem Ersten Weltkrieg erhalten die Briten das Mandat für Palästina. 1923 beschließt Großbritannien, 35.000 Siedler nach Jerusalem zu schicken. 35.000 zusätzliche Personen, die Wasser brauchen, das im Grunde schon für die kolonisierte Bevölkerung knapp ist. Bei der Suche nach einer Lösung fällt die Wahl abermals auf die Teiche von Artas. Ihr Wasser wird durch die Briten von Bethlehem nach Jerusalem umgeleitet. Die um ihr Wasser betrogenen Bewohner von Artas ziehen nach erfolglosem Protest im eigenen Land vor den Royal Court of Justice in Großbritannien, werden sogar von der Queen angehört und bekommen in ihrem Fall Recht. Doch die Wasser-Ungerechtigkeit bleibt, allein schon aufgrund der technischen Überlegenheit der Briten, im von ihnen forcierten Staat (8).

1967 eröffnet Israel mit einem Präventivschlag seiner Luftstreitkräfte gegen ägyptische Luftwaffenbasen den Sechstagekrieg, nachdem der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser die Straße von Tiran für israelische Schifffahrt gesperrt hatte. Es ist der dritte arabisch-israelische Krieg, und derjenige, dessen Ausgang die geopolitischen Verhältnisse in der Region bis heute wohl am meisten beeinflusst. Israel erlangt Kontrolle über den Gaza-Streifen, die Golanhöhen, die Halbinsel Sinai, Ostjerusalem und das Westjordanland. Seitdem deckt es seinen Wasserbedarf zum größten Teil aus Quellen in den besetzten Gebieten, speziell aus den Zuflüssen des Jordan, Dan und Banias im Golan und der Hasbani, sowie den Untergrundgewässern des Western-, Eastern- und North-Eastern-Aquifer im Westjordanland.

Nach dem Sechstagekrieg werden die palästinensischen Wasservorkommen zu israelischem Staatseigentum deklariert und der Militärkommandantur unterstellt. 1982 übernimmt die israelische Firma Mekorot die Verwaltung. Sie versorgt Israel bis heute mit 80 Prozent seines Trinkwassers. In Konsequenz des Ganzen wurden zahlreiche palästinensische Brunnen enteignet oder zerstört. Dazu kommt der sinkende Grundwasserspiegel, der den Ausbau der Anlagen erfordern würde, um weiter unten wieder Wasser zu erreichen. Allerdings verweigerte Israel immer wieder die entsprechenden Genehmigungen für den dringend notwendigen Ausbau.

Auch Versuche der internationalen Gemeinschaft, die Unabhängigkeit der Palästinenser zu stärken, blieben im Hinblick auf die Wasserversorgung weitgehend erfolglos. Selbst nach dem sogenannten Oslo-1-Abkommen in den 1990er Jahren, das die Verwaltung durch die Palästinensische Autonomiebehörde erlaubte, behielt Israel mit dem Joint Water Committee die Kontrolle über Wasserverbrauch und Wasserplanung in den palästinensischen Gebieten (9).

Kollateralschaden oder Völkermord?

Die fatale Ausgangslage, in der sich der Gazastreifen schon vor Israels Bombardierungen und seiner Blockade befand, ist also durchaus auf israelische Wasserpolitik zurückzuführen. Auch anhand dessen stellt sich vor dem Hintergrund einer sich noch nicht einmal mehr abzeichnenden, sondern schlicht stattfindenden humanitären Katastrophe die Frage nach der Intention.

Sind die Verhungernden, Verdurstenden und aufgrund mangelhafter Hygiene an Krankheiten gestorbenen Menschen im Gazastreifen Kollateralschäden oder schlicht das Ziel einer Kriegsführung, die keine Zivilisten kennt?

Ob es sich bei Israels Angriffen auf den Gazastreifen um Genozid handelt, ist juristisch bis jetzt nicht geklärt. Südafrika warf dem Land jedoch Anfang des Jahres in einer 84-seitigen Klageschrift vor dem Internationalen Strafgerichtshof vor, Völkermord an den Palästinensern zu begehen, indem es sie im Gazastreifen töte, ihnen schwere seelische und körperliche Schäden zufüge und Lebensbedingungen schaffe, die darauf ausgelegt seien, ihre physische Zerstörung herbeizuführen. Seine Argumentation stützt Südafrika neben der hohen Zahl der Getöteten und den zahlreichen Angriffen auf Krankenhäuser und Geburtskliniken vor allem auf die Tatsache, dass Israel seit Beginn seiner Angriffe es versäumt habe, die Bevölkerung im Gazastreifen mit lebensnotwendiger Nahrung, Treibstoff, Medikamenten und eben auch Wasser zu versorgen. Israels Präsident Benjamin Netanjahu weist die Vorwürfe als absurd zurück (10). Murray und Bishara schreiben:

„Mit der massiven Zerstörung der Wasserinfrastruktur in Gaza — einschließlich der Trinkwasserversorgungsleitungen, Pumpstationen und Brunnen — steht eine regelrechte humanitäre Katastrophe bevor. In dem südafrikanischen Gesuch an den IGH heißt es: „Diese von Israel absichtlich herbeigeführten Bedingungen sind darauf ausgelegt, die palästinensische Gruppe in Gaza zu vernichten.“ In der Tat warnen Gesundheitsexperten, dass eine halbe Million Menschen — ein Viertel der Bevölkerung des Gazastreifens — innerhalb eines Jahres an Krankheiten sterben könnten.“

Aufgrund der einseitigen versorgungstechnischen Abhängigkeit des Gazastreifens von Israel kommt eine Einstellung derselben einem willentlich oder zumindest wissentlich in Kauf genommenen Aushungern oder eben gezielt herbeigeführten Verdursten gleich.

Dazu kommt, dass Israel nicht nur selbst keine humanitäre Hilfe leistet, sondern zum Teil auch die Hilfe anderer Länder behindert. Bereits am 19. Oktober 2023 gab Netanjahu bekannt, Israel werde keine humanitäre Hilfe in Form von Lebensmitteln und Medikamenten über die Grenzübergänge nach Gaza zulassen, solange die israelischen Geiseln nicht zurückgegeben würden. Seitdem konnten Hilfslieferungen nur in minimalem, nicht ausreichendem Umfang wieder aufgenommen werden. Auch Human Rights Watch gab an, dass Israel das Aushungern der Bevölkerung als Kriegswaffe einsetze (11).

Die Flutung der Hamas-Tunnel

Neben der mutwilligen Zerstörung von Brunnen und Wasseraufbereitungsanlagen und der Verweigerung, Strom und Treibstoff zu liefern, hat Israels Wasserpolitik im Gazastreifen noch eine weitere Dimension: die geplante und teilweise bereits umgesetzte Flutung der sogenannten Hamas-Tunnel mit Wasser aus dem Roten Meer. Das Tunnel-System der Hamas ist wohl eines der bedeutendsten Charakteristika dieses Krieges. Der Gazastreifen ist durchzogen von einer unterirdischen Parallelwelt, deren Verzweigungen bis nach Israel und Ägypten reichen.

Ebenso wie die Gräben im Ersten Weltkrieg nicht einfach große in die Erde gebuddelte Löcher waren, in denen sich die Soldaten versteckten, sondern hochkomplexe Wohnsysteme mit teilweise abgetrennten Räumen und Abwasserkanälen, wäre es falsch, sich unter den Hamas-Tunneln erdige Schächte, durch die die Hamas-Kämpfer mit Lampen an der Stirn kriechen, vorzustellen. Die „Metro“, wie sie von der Hamas genannt wird, ist ein in über 30 Jahren aufgebautes System aus Tunneln; einige von ihnen sehr sporadisch errichtet, andere mit Beton verkleidet, mit Strom versorgt und großflächig mit Belüftungsanlagen ausgestattet.

Seinen Ursprung findet das Tunnel-System in der sukzessiv vorangetriebenen Abriegelung des Gazastreifens. Dieser grenzt im Norden und Osten an Israel, im Süden an Ägypten und im Westen an das Mittelmeer. Seit 1994 baut Israel seine Grenze in Form eines hochgerüsteten, 65 Kilometer langen Zauns kontinuierlich aus. Da es auch den Luftraum und den Seeweg kontrolliert, ist Gaza ausschließlich über die Grenzübergänge Erez und Kerem Shalom nach Israel und Rafah nach Ägypten zu erreichen. Damit befindet sich Gaza in fast ausschließlicher Abhängigkeit zu Israel, was den Import und Export von Gütern angeht.

Aufgrund der anhaltenden Blockaden begannen Schmuggler Mitte der 1990er Jahre, Tunnel nach Ägypten zu graben, durch welche alle erdenklichen Waren eingeführt werden konnten. Auch wenn insbesondere im Zuge des Gaza-Krieges 2008/2009 immer wieder Tunnel von israelischer Seite zerstört worden sind, erweiterte sich das System bis 2014 auf gut 1.000 Tunnel; einige davon gerade so groß, dass ein Mensch darin stehen kann, andere problemlos für LKWs zu durchfahren, und weitere wiederum mit Schienen, Lastenaufzügen, Stromversorgung, Belüftungs- und Sprechanlagen (12).

Aus Sicht Israels dienen die Tunnel nach Ägypten vor allem der Einfuhr von schweren Waffen, und die nach Israel der Möglichkeit, diese abzufeuern. Für die Palästinenser stellen die Tunnel hingegen auch die oft einzige Möglichkeit dar, die Bevölkerung in Zeiten israelischer Blockaden mit Lebensmitteln, Medikamenten, Hygieneartikeln, Treibstoff und auch Wasser zu versorgen.

Sicherlich ist beides der Fall.

Seit Beginn der Kampfhandlungen im Oktober ist das Tunnelsystem von besonderer Bedeutung. Da die Hamas sich selbst sowie schweres Kriegsgerät — oft in der Nähe von zivilen Einrichtungen wie Schulen oder Flüchtlingsheimen — in solchen Tunneln verstecken, ist Israel nicht bereit, diese zivilen Ziele zu verschonen; wobei es schwierig sein dürfte, in Gaza überhaupt eine zivile Einrichtung zu finden, die nicht in der Nähe eines solchen Tunnels liegt.

Mitte Dezember begann die israelische Militärführung, die Tunnel der Hamas mit Meerwasser zu fluten. Ziel sei es, das unterirdische Netzwerk aus Gängen zu vernichten und Hamas-Kämpfer an die Oberfläche zu treiben. Es handele sich dabei um erste Tests. Das Militär sprach von einem „bedeutenden technischen und technologischen Durchbruch“ (13). Dabei ist noch unklar, welche Auswirkungen die großflächige Flutung unterirdischer Anlagen auf die Umwelt hat. Die israelische Armee gab an, es sei darauf geachtet worden, das Grundwasser nicht zu gefährden, und auch der Trinkwasserzugang der Bevölkerung sei nicht beeinträchtigt.

Es ist jedoch fraglich, ob Israel die Auswirkungen der Flutung überhaupt abschätzen kann. Zu so einem beispiellosen Unterfangen fehlen aktuell jegliche Studien. Bedenken hingegen gibt es — besonders von amerikanischer Seite — jedoch genug. Es sei nicht klar, wie viel Meerwasser im Boden versickern würde und ob eventuell die Stabilität der Häuser langfristig gefährdet sei. Weiterhin könnten giftige Stoffe aus den Tunneln durch das Absickern ins Grundwasser gelangen oder dieses könnte schlicht und einfach versalzen werden (14). Murray und Bishara schreiben von einer befürchteten ökologischen Katastrophe, die den Gazastreifen ohne trinkbares Wasser zurücklassen könnte.

Die Flutung der Tunnel ist gemeinsam mit der Bombardierung von Wasserversorgungseinrichtungen und dem Abschalten von Strom und Wasser Ausdruck davon, dass Israel die Ressource Wasser letztlich als Massenvernichtungswaffe gegen die Bevölkerung des Gazastreifens einsetzt und damit den Boden des Völkerrechts lange verlassen hat.


Am 22. März ist Weltwassertag. Es ist wichtig, dass Medien es nicht dabei bewenden lassen, stets nur auf den neuesten Wahnsinn in der Welt zu reagieren, sondern selbst in das Agieren kommen. Deshalb setzen wir zusammen mit einer Reihe von weiteren Medienportalen selbst ein Thema auf die Agenda. Die beteiligten Medienpartner, bei denen in der Woche vom 18. bis 24. März im Rahmen des #Wasserspezial Beiträge zu finden sein werden, sind derzeit:

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