Die notwendige Abgrenzung

Susan Bonath widerspricht in einer Gegendarstellung Diether Dehms Meinungsbeitrag „Gegnerische Verbündete“, der in Reaktion auf ihre Artikelreihe „Neoliberale U-Boote“ verfasst wurde.

Müssen alle an einem Strang ziehen? Wirklich alle? Oder gibt es bestimmte Fraktionen, die beim Tauziehen mit den Mächtigen ausgeschlossen werden müssten, da zu befürchten ist, dass sie klammheimlich das Tau in genau die Richtung ziehen, von der sich die Mehrheit der Unterdrückten entfernen möchte? Susan Bonath warnte in ihrer zweiteiligen Artikelserie „Neoliberale U-Boote“ vor einer Infiltration des Widerstands durch marktradikale Marktschreier. Sie beklagte zudem, wie ungehindert diese durch die einschlägigen Gesprächssendungsformate tingeln könnten, ohne dass die Gastgeber deren teils fragwürdige Positionen kritisch hinterfragen würden. In einer Replik „Gegnerische Verbündete“ widersprach Diether Dehm den Positionen Bonaths und plädierte seinerseits dafür, angesichts der globalen Bedrohungslage durch die Kriegslust der USA, über weltanschauliche Differenzen hinwegzublicken, um sich temporär geschlossen und gemeinsam den Weltbrandstiftern entgegenzustellen. In dieser Replik sah Bonath wiederum einige Falschbehauptungen, die sie in nachfolgender Gegendarstellung richtigstellt.

In seinem Beitrag bezieht sich der Autor Diether Dehm ausdrücklich auf meinen zweiteiligen Artikel unter der Überschrift „Neoliberale U-Boote“, veröffentlicht am 13. und 20. Mai dieses Jahres. Dabei stellte er einige unwahre und irreführende Behauptungen auf, die geeignet sind, mich persönlich zu diskreditieren. Diese Behauptungen stelle ich wie folgt richtig.

Behauptung 1:

„junge-Welt“-(jw)-Chef Koschmieder verdächtigte gar Ken Jebsen (Kayvan Soufi Siawash) als eine Abart „profaschistischer Einfluss-Agenten“. Und ließ allen, die Jebsen nicht sofort abschworen, jw-Schreibverbot erteilen, so unter anderen Wolfgang Gehrcke, Klaus Hartmann, Rainer Rupp und mir. Wie man hört, ging es Susan Bonath bei der jw auch nicht viel besser.

Richtigstellung:

Die Tageszeitung junge Welt hat weder mir noch Dehm und Rupp — bei Gehrcke und Hartmann sind mir die Gründe nicht bekannt — wegen der Zusammenarbeit mit KenFM (heute apolut) Schreibverbot erteilt. Vielmehr habe ich von 2015 bis 2019 für KenFM und die junge Welt gleichzeitig gearbeitet, ohne dass es den Versuch gab, mir das Schreiben zu verbieten.

Das Portal KenFM habe ich bereits 2019 wegen politischer Inhalte verlassen, die ich nicht mittragen wollte. Die junge Welt habe ich erst 2021, ebenfalls nach eigener Entscheidung, verlassen. Mein persönlicher Grund dafür war die Corona-Berichterstattung.

Es stimmt, dass die jW einige Beiträge von Dehm und Rupp nicht publizieren wollte. Der Grund war allerdings nicht ihre Zusammenarbeit mit KenFM. Auf meine Nachfrage sagte mir damals ein jW-Redakteur, dies liege ausschließlich an „fehlender journalistischer Qualität und politisch nicht tragbaren Inhalten“. Der Redakteur zeigte mir damals auch mehrere abgelehnte Artikel von Rupp und einen von Dehm, woraufhin ich seinerzeit der Auffassung der jW-Redaktion in ihrer Kritik beipflichten musste.

Behauptung 2:

Aber auch sie (Anmerkung: Bonath) ist von Generalverdacht umgetrieben. Ihrer geht gegen hausbackene Neuauflagen marktideologischer Ladenhüter, die sie zu einer schlau kalkulierten Verschwörung von Libertären gegen Protestbewegungen aufwertet: „Konzertiert unterwandern die neoliberalen Extremisten den Widerstand ― und kaum jemand stört sich daran.“ Wer damit gemeint sein dürfte, sind Publizisten wie Marc Friedrich, Markus Krall, Daniele Ganser, Jürgen Todenhöfer, Max Otte, Paul Brandenburg und ähnliche; ja selbst Ulrike Guérot wegen deren Bekenntnis zu einer „Republik Europa“.

Richtigstellung:

Zunächst unterstellt mir der Autor als persönlichen Beweggrund einen pauschalen „Generalverdacht“ einer „Verschwörung von Libertären“, was so allgemein nicht zutrifft. Dementgegen habe ich mich nur auf jene „Libertäre“ beziehungsweise Rechtsaußen-Vertreter bezogen, die in entsprechenden Denkfabriken organisiert sind und demgemäß deren Agenda vertreten.

Zweitens behauptet Dehm, ich hätte mit meinem Artikel auch auf „Daniele Ganser, Jürgen Todenhöfer, (...), ja selbst Ulrike Guérot“ abgezielt. Wer den Text liest, wird jedoch merken, dass ich die Personen weder direkt noch indirekt genannt habe. Und ich habe sie auch nicht gemeint. Denn ich gehe nicht davon aus, dass Ganser, Todenhöfer und Guérot in jenen Kreisen organisiert sind wie Krall und der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Maaßen. Einige der anderen Personen nannte ich lediglich als Interviewer.

Behauptung 3:

Wo sie aber eine vernetzte Unterwanderung des Anti-NATO-Lagers beschwört, und zwar eigentlich durch alle, die nicht auf Linie der Marxisten/Leninisten sind, pauschaliert sie ähnlich wie libertäre Publizisten. Die nämlich werfen ständig Kroko, Ampel, Keynesianer und Marxisten in einen Topf und proklamieren die Gelddruckerei der EZB als „Geld-Sozialismus“.

Richtigstellung:

An keiner Stelle, schon gar nicht im kritisierten Artikel, habe ich „beschworen“, dass alle Nichtmarxisten und Nichtleninisten lediglich „vernetzte Unterwanderer“ seien, mit denen man nicht zusammen arbeiten dürfe. Das ist schon allein deswegen falsch, weil die meisten Menschen, die zur lohnabhängigen unterdrückten Klasse gehören und für die ich mich einsetze, Nichtmarxisten und Nichtleninisten sind, da Marx und Lenin in den Schulen nicht gelehrt werden.

Der Autor bleibt zudem eine Erklärung schuldig, an welcher Stelle Krall und Maaßen sich als Teil des „Anti-NATO-Lagers“ geoutet und Weltfrieden, Rüstungs- und Waffenlieferstopps eingefordert hätten. Derartige konkrete Positionen von beiden sind mir, jedenfalls aus ihren regulären Einlassungen, nicht bekannt.

Behauptung 4:

Dafür zitiert sie ein Krall-Statement von 2020, wonach dieser den Beziehern staatlicher Transfers das Wahlrecht entziehen wollte. Was Bonath nicht erwähnt, sind die vielen Male, in denen Krall hernach kritisch auf diese Bemerkung publizistisch angesprochen worden war. So auch von mir, im Auftrag von Thilo Gräser in Die Vier, Ausgabe 4/2022. Auch da nahm er diese Aussage weitgehend zurück.

Richtigstellung:

Das ist irreführend, denn als Journalistin ist es nicht meine Aufgabe, jedewede Einlassung eines Kritisierten selbst in kaum von der Öffentlichkeit beachteten Foren zu analysieren, zumal der Autor vage bleibt, was genau Krall an seiner Position, Beziehern staatlicher Transfers das Wahlrecht entziehen zu wollen, denn wie „weitgehend“ zurückgenommen hat und mit welchem Kalkül dies geschehen sein mag.

Die genannte Aussage von Krall kann man in vielen seiner Publikationen nachlesen, die für jeden zugänglich sind, zum Beispiel in seinem jüngsten Buch „Freiheit oder Untergang“. Diese und andere antidemokratische und antisoziale Positionen teilen viele organisierte Libertäre, wie man in deren Publikation eigentümlich frei nachlesen kann.

Da es hier aber um Krall gehen soll, zitiere ich einige Passagen unkommentiert aus seinem 2021 erschienenen Buch „Freiheit oder Untergang“, die besagte und weitere antidemokratische, antisoziale, neoliberale und gar monarchistische Forderungen enthalten.

Eine Sache nach der anderen wird als „zu wichtig“ erachtet, um sie dem angeblich „kalten Markt“ zu überlassen. Das gilt für die Mieten, für den Arbeitsmarkt, für Strom und Wasser, für Straßen, für Infrastruktur, für Bildung, für Medizin und Gesundheitswesen, für den Flugverkehr, die Liste ist einfach nur endlos. Ein besonders beliebtes Beispiel dafür ist der Markt für Wohnraum. Denn Wohnraum, so müssen Sie wissen, ist ein Gut, das das „Grundrecht auf Wohnen“ — gemeint scheint damit häufig nur das Grundrecht auf Wohnen für faule linke Antifanten und Gammler im teuren Berliner, Hamburger oder Münchner Szeneviertel — befriedigt.

Der Mensch als Homo oeconomicus, als rational handelnder, sein wirtschaftliches Wohlergehen optimierender Teilnehmer am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, lebt nicht vom Brot allein. Wenn der Mensch sich selbst optimiert, dann tut er das im Sinne einer subjektiven, individuellen Nutzenfunktion. Die Mikroökonomie befasst sich mit der Frage, wie die Nutzenfunktion des Menschen als Rezipient von Anreizen funktioniert.

Daher schlage ich vor, dass sich die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts und der Bezug von Geld aus den Händen des Staates in jeder Form kategorisch ausschließen.

Der Souverän hat die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht, (…) eine konstitutionelle, demokratische Monarchie einzurichten. In diesem Fall geht das passive Wahlrecht für dieses Amt auf eine Familie oder Gruppe von Familien über. (…) Wird ein Kandidat vom Volk abgelehnt, soll die Aristokratie einen neuen Kandidaten vorschlagen.