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Bio? Logisch!

Bio? Logisch!

Produkte mit Bio-Siegel versprechen Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit, Gesundheit und sind dabei nicht der Weisheit letzter Schluss.

Bio. Logisch.

Mal angenommen, jeder Mensch würde einem passenden Abfallcontainer zugeordnet werden, dann hoffentlich nicht dem Restmüll-, Plastik- oder Glascontainer. Demzufolge sollte man meinen, niemand möchte etwas nicht Biologisches essen. Trotzdem fühlt es sich so an, dass „Bio“ (1) seit geraumer Zeit als etwas Neuartiges beworben wird, so als gab es das früher noch nicht. Dabei genügt ein Blick zurück, um festzustellen, dass unsere Spezies die meiste Zeit ihrer Existenz Bioprodukte konsumierte.

Erst seit gerade einmal 100 Jahren wird intensiv konventionelle Landwirtschaft betrieben. Seitdem erlebten die Menschen viele Kriegs- und Krisenzeiten. Vor dem Einzug großer Maschinen auf den Feldern waren die Ernten abhängig von vielen „weichen“ Faktoren. War das Wetter optimal, hat der Bauer (2) genug Kapazitäten gehabt, um seine Böden erholsam zu bestellen? Aufgrund dieser und weiterer Gegebenheiten verloren im Zuge der Technisierung in der Landwirtschaft Nachhaltigkeit und Gesundheit auf Kosten eines bestmöglichen Ertrags an Bedeutung.

Schwere Zeiten bezüglich unserer Landwirtschaft erleben wir hierzulande seit Jahrzehnten nicht mehr, die Konvention, eine hohe Produktion aufrecht zu erhalten und die Böden dafür auszulaugen, besteht jedoch bis zum heutigen Tag. Parallel haben zwar Gegenbewegungen stattgefunden (3), die in den „Bio-Boom“ der letzten Jahre mündeten, doch die Lebensmittel aus der — auf einmal alternativen — Landwirtschaft wurden in dieser Zeit zu Nischenprodukten, die in Naturkostläden oder Reformhäusern angeboten wurden. Gegenwärtig findet man sie im gesamten Lebensmitteleinzelhandel.

Heutige Bio-Produkte sind durch Begriffe wie „Bio“ und „Öko“ per Gesetz geschützt und bezeichnen Erzeugnisse aus dem ökologischen Anbau. Wer auf chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichtet, die Tiere „artgerecht“ hält, ein gewisse Anzahl von Tieren pro Hektar nicht überschreitet, ihnen nur biologisch erzeugte Futtermittel gibt, Antibiotika nur zu medizinischen Zwecken verabreicht und bei verarbeiteten Lebensmitteln nur die erlaubten knapp 50 benutzt, darf für die hieraus gewonnenen Produkte das Label „aus kontrolliert ökologischem Anbau“ führen, was ebenfalls europaweit als Bezeichnung geschützt ist.

Neben den europaweit gültigen Gütesiegeln gehen die Kennzeichnungen mancher privater Anbauverbände über die vorhandenen gesetzlichen Vorgaben hinaus. Da einige private Anbauverbände länger existieren als die europäischen Siegel, sollte die Formulierung eher lauten: Die Vorgaben der von der europäischen Legislative und der jeweiligen Nationalstaaten vereinbarten Siegel reichen nicht an die bereits vorhandenen privaten Bio-Siegel heran.

Die bekanntesten Kennzeichnungen dieser Art sind Bioland, Naturland und Demeter. Demeter verspricht sogar Erzeugnisse aus sogenannter biodynamischer Herstellung. Für Betriebe, die das Demeter-Siegel führen dürfen, ist Viehhaltung obligatorisch, für eine gute Ernte vergraben sie beispielsweise ein Rinderhorn in den Boden und rühren Sonnenenergie in Fertig-Produkte ein. Demeter-Höfe müssen wie erwähnt in aller Regel Tiere halten, womit ganz nebenbei die offene Frage im Raum steht, ob Demeter-Produkte dann überhaupt vegan sein können.

Bio-Boom in Deutschland

Die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln in Deutschland führte in den letzten 20 Jahren zu Wachstumsraten, die sich mit denen der chinesischen Wirtschaft messen konnten. Waren es 1997 gerade einmal knapp 1,5 Mrd. Euro, so beziffert sich der Umsatz 2018 auf sagenhafte 10,9 Mrd. Euro. Im Jahr 2017 setzte die Bio-Branche 10,04 Mrd. Euro um, was für 2018 eine Wachstumsrate von 8,57 Prozent bedeutete (4). Den Marktanteil von Bio-Lebensmitteln am gesamten Sortiment schätzt das größte deutsche Marktforschungsinstitut mit rund 5,4 Prozent deutlich tiefer ein. Dabei war der Anteil des Umsatzes mit Bio-Lebensmitteln am Gesamtsortiment 2018 mit knapp 9 Prozent mehr als anderthalb mal so hoch.

Was wir alle schon ahnten, ist also inzwischen Fakt. Jede Käuferin gibt bei Bio-Lebensmitteln viel mehr aus, obwohl der Einkaufskorb weniger gefüllt ist. Diese Erkenntnis bestätigte auch eine Ausarbeitung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahre 2015, in der das Amt einen „warenkorbbasierten Vergleich“ zwischen konventionellen und Bioprodukten erstellte.

Politik versagt einmal mehr

Die Wachstumsraten schnellen nicht erst seit ein oder zwei Jahren in die Höhe. Wie anhand des Zahlenmaterials dargestellt, besteht diese Entwicklung seit mehr als 20 Jahren. Wen wundert dies, wenn so sicher wie die Schaltjahre, aber in gefühlt kürzeren Zeiträumen Skandale die konventionelle Land- und insbesondere die Viehwirtschaft überschatten: Bovine spongiforme Enzephalopathie (auch bekannt als BSE oder Rinderwahn), Porzine influenza (Schweinegrippe), Geflügelpest oder Etikettenschwindel bei Rindfleisch sind nur einige der großen Skandale, die mir spontan einfallen. Wenn der Bauer bei seinen Tieren so wenig Sorgfalt und ethisches Pflichtbewusstsein an den Tag legt, wie verfährt er dann mit Gemüse, Obst, Weizen, Roggen und Raps. Kundinnen kaufen womöglich mit dem Öko-Siegel den pflichtbewussten und moralisch anständigen Bauern gleich mit.

Der Nachfrage kommt das inländische Angebot nicht hinterher! Daher wird ein großer Teil dieser Produkte importiert. Viele Importe könnten auch im eigenen Land produziert werden. Ökonomisch gesehen könnten diese Transportkosten vermieden und regionale Produkte im Zuge der gesteigerten Nachfrage gefördert werden. Ökologisch betrachtet würde man den inländischen Landwirten mit ihren bereits ausgelaugten, mit Pestiziden und Dünger verseuchten Böden, die Chance auf einen Paradigmenwechsel ermöglichen. Die Ländereien könnten sich wieder erholen.

Die Regierung, in diesem Fall das Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium, haben diesen Trend zwar gezwungenermaßen erkannt. Doch weder Julia Klöckner noch ihr Vorgänger haben das dringende Interesse beziehungsweise machen sich dafür stark, den inländischen ökologischen Landbau zu fördern.

Mit der sogenannten Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau formulierten die Damen und Herren des Ministeriums das Ziel, dass bis zum Jahr 2030 der Anteil der ökologischen an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche 20 Prozent betragen soll.

Aktuell dümpelt der Anteil aber bei circa 8 bis 9 Prozent vor sich hin. Prognostiziert man ein einigermaßen stabiles Wachstum der Nachfrage nach Bioprodukten bis 2030, so reichen nicht einmal die 20 Prozent, geschweige denn weniger als die Hälfte davon. Aber weshalb sperrt sich die Politik einmal mehr gegen mutige Maßnahmen? Es könnte, nein es müsste 80 Prozent der Fläche heißen. Das wäre das Mindeste, würde man die Bürger fragen, doch die haben sich längst entschieden, schaut man sich die Umsätze einmal an.

Bei diesen Fragen lohnt ein Blick auf die Agrarsubventionen der Europäischen Union (EU). Der Großteil des EU-Haushalts wird spätestens seit dem Agrarhandelsabkommen 1994, welches im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens beschlossen wurde, an Unternehmen aus der Agrarbranche gezahlt. Der größte Teil des EU-Haushaltes wird in die sogenannte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) investiert. Nach jahrzehntelangen Konflikten innerhalb der EU bezeichnet die EU diesen Konsens selbst als Erfolgsprojekt. Vorgesehen war, die Probleme der Preisschwankungen in der Agrarbranche innerhalb der Europäischen Union abzufangen, aber das Geld auch als Investition in Landwirtschaft zu geben, die sich künftig lohnt. Im Jahr 2017 erhielten öffentliche und private Unternehmen in Deutschland 6,5 Mrd. Euro aus diesem Topf (5).

Neben den öffentlichen Einrichtungen, die für die Stärkung des ländlichen Raums oder für den Katastrophenschutz Gelder erhielten, haben sich über die Jahre bei den privaten Profiteuren dieser Steuergelder immer größere „big player“ hervorgetan. So führt die Deutsches Milchkontor GmbH die Liste der Unternehmen an, welche die höchsten Agrarzahlungen erhalten haben. Dieses Konglomerat, welches vor einigen Jahren durch eine Fusion noch größer wurde als die beiden Fusionspartner zuvor ohnehin schon, erhielt satte 21,6 Mio. Euro. Schaut man sich die Homepage dieses Riesenunternehmens einmal an, so steht unter der Rubrik Nachhaltigkeit die firmeneigene Vision zu diesem Thema; biologische Land- und Viehwirtschaft wird jedoch mit keiner Silbe erwähnt.

Um also den Trend der Bio-Landwirtschaft auch nur einigermaßen auf eine zukunftsorientierte Bahn zu lenken, müssten sich Julia Klöckner und ihr Ministerium mit Unternehmen anlegen, die mit ihrer Ignoranz sehr gut verdienen. Deshalb behalten die politischen Entscheider den Status Quo bei, damit Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor abgesichert werden und die Regierungsparteien nicht pressewirksam ins Taumeln geraten. Welcher Politiker möchte da auf ein neues Zugpferd setzen, von dem er gegenwärtig oder in den nächsten drei bis vier Jahren politisch nicht profitieren kann?

Im Übrigen sollte jede Käuferin die gezahlten Subventionen an Milchverbände und -firmen beim Bezahlen der Milchprodukte mit bedenken. Schließlich finanziert sich der günstige Preis an der Kasse aus Steuergeldern, somit zücken wir zweimal unsere Brieftaschen.

Bio, regional oder saisonal?

Einmal mehr können wir nicht auf die Politik warten. Wir können bei diesem, vor allem umweltbezogenen Thema auch nicht auf die Grünen warten, denn die Erfahrungen mit der vorangegangenen und gegenwärtigen grünen Elite haben gezeigt, dass auch sie sich für einen Sitz in der Regierung verkaufen lassen — wie die Manzanilla Olive ohne „Kern“.

Wir müssen uns selbst damit auseinandersetzen, welche Politik wir mit unseren wichtigsten Stimmzetteln, unserem Geldbeutel, wählen. Unser Geld erschafft Märkte und lässt sie auch verschwinden.

Wo liegen beispielsweise die wichtigsten Vor- und Nachteile der drei nachhaltigen und umweltfreundlichen Kategorien, die zu selten gleichzeitig auf ein Lebensmittel zutreffen:

Bioprodukte sind besser für den Boden und Ressourcen schonender. Auch wird der Einsatz bestimmter chemischer Stoffe vermieden. Dennoch werden diese Vorzüge entkräftet, sobald weite Transportwege anfallen. Man bedenke, wie viel CO2 ausgestoßen wird, um Lastkraftwagen und Schiffe in Bewegung zu setzen, nur weil der heimische Landwirt konventionellen Landbau betreibt.

Regionale Produkte sind zwar gesetzlich nicht umschrieben, sodass man durch geschicktes Merchandising regionale Produkte aus Schwerin in Ulm bewerben könnte. Deshalb sollte jeder regionale Produkte sorgfältig unter die Lupe nehmen, damit solch ein Malheur nicht passiert. Durch verlässliche Regionalität sinkt meine CO2-Bilanz signifikant. Ein Nachteil ist, dass viele Regionen nicht über genug ökologische Anbaufläche verfügen, sodass ich mich oftmals zwischen einem regionalen Produkt und einem aus kontrolliert ökologischem Anbau entscheiden muss.

Saisonal bedeutet, dass ich nicht schon im April Erdbeeren kaufen sollte, sondern erst wenn sie tatsächlich daheim wachsen. Die Beachtung solcher klimatischer Gesetzmäßigkeiten und der Jahreszeiten mit ihren Geschenken eröffnen dem Individuum ein intensiveres Bewusstsein gegenüber seinen Lebensmitteln.

Wir würden uns also vorab mit dem Gemüse oder dem Obst befassen und zu teilweise komplett neuen Erkenntnissen über das Produkt gelangen. Der große Nachteil liegt auf der Hand: In unseren Breitengraden würden dann zum Beispiel Bananen, Mandeln, Quinoa oder Avocados im saisonalen Einkaufskorb fehlen.

Das Dilemma, ob wir nun vorrangig Bio, regional oder saisonal wählen sollten, ist damit mitnichten geklärt. Auf die Frage: Kaufe ich Bio, regional oder saisonal? gibt es nicht nur eine richtige Antwort. Ideal wäre eine Berücksichtigung aller Kriterien.

Sollte dies nicht möglich sein, so plädiere ich vorrangig dafür, ein saisonales, dann regionales und abschließend erst ein kontrolliert ökologisch angebautes Lebensmittel zu kaufen. Mir ist bewusst, dass diese Regel nicht für alle Lebensmittel gelten kann.

Wir beschränken die Diskussionsgrundlage auf Gemüse und Obst, um den Rahmen nicht zu sprengen. Hintergrund ist der, dass sowohl in der Lebensmittelpyramide der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als auch bei ProVeg (6) der überragende Teil der Empfehlungen aus Gemüse und Obst besteht. Was diese Lebensmittel betrifft, so halte ich an meiner Priorität fest.

Zwar stünde dadurch denjenigen vieles nicht zur Verfügung, die für ihr gutes Gewissen Bio kaufen. Dennoch ist saisonales Obst und Gemüse meist günstiger und wächst naturgemäß auch besser. Mit saisonalem Obst und Gemüse erfülle ich meist auch das Kriterium der regionalen Lebensmittel. Sollten sich alle Kriterien nicht überschneiden, so wäre in erster Linie eine Gurke aus einem umliegenden Hof der Gurke aus Übersee oder Südeuropa vorzuziehen.

Manch einer könnte jetzt einwenden, der Beweggrund für den Verzehr von Bioprodukten sei die eigene Gesundheit. Das kann ich gut nachvollziehen. Wenn wir jedoch wegen unserer Gesundheit Großtransporte in Kauf nehmen und eine nicht transparente Infrastruktur dulden, dann kann das nicht lange gut gehen und wir schaden damit Natur und Umwelt.

Um saisonales Obst und Gemüse in Bio-Qualität aus der Region miteinander zu vereinen, ist der Gang auf den nächsten Wochenmarkt von Nöten. Dort kauft man am besten auf dem Stand eines Hofs aus der Region das Obst und Gemüse, das gerade üppig gereift ist. Verkauft dieser Hof keine Bio-Produkte, so sollte man danach fragen. Wir können nicht mit Fingerschnippen die Welt verändern, aber wir können unser Umfeld beeinflussen und so fehlende Puzzleteile für eine Welt mit Zukunft liefern.

Selbstredend sollte sich niemand geißeln. Exotische Früchte et cetera sollten nicht gänzlich tabu sein. „Wer nicht genießt, wird ungenießbar“, um Friedrich von Schillers Worte zu zitieren. Wir sollten uns dennoch fragen, wie hoch der Anteil dieser Produkte am gesamten, eigenen Einkaufskorb sein sollte.

In Zeiten, in denen alles überall verfügbar ist, ist ein Gang in die nächste Buchhandlung genauso müßig wie der Gang in den Lebensmittelmarkt oder auf den Wochenmarkt. Im Buchladen wird man erst nach langem Stöbern die „Juwelen“ finden, so auch im oder auf dem Lebensmittel- und Wochenmarkt.

Wir Deutsche meiden Obst und Gemüse

Beim Thema Obst und Gemüse beleuchten alle zuvor gemachten Äußerungen für Deutschland gar nicht den Kern des eigentlichen Problems. Gemüse und Obst verzehren die Deutschen weit weniger als empfohlen. Beispielsweise hat ein deutscher Privathaushalt (durchschnittlich bestehend aus etwa zwei Personen) im Jahr 2014 ungefähr 155 Kilogramm Obst und Gemüse eingekauft. Dabei werden alleine 146 Kilogramm Gemüse pro Person empfohlen, zusätzlich noch 90 Kilogramm Obst (7). Wir essen also in Summe und im Durchschnitt pro Jahr etwa 150 Kilogramm Obst und Gemüse zu wenig. Es scheint, als fehle uns die Fantasie, aus den beiden Nahrungsmittelgruppen etwas Nahrhaftes zuzubereiten.

Erschwerend für einen möglichen Erfolg kommt hinzu, dass Gemüse und Obst in aller Regel gewaschen und geschnitten werden muss; und auch dann ist es immer noch nicht hergerichtet. Welch ein Ausmaß an Arbeit ist da noch nötig, bis etwas Leckeres für den Esstisch zubereitet ist. Deshalb werden einigen Obstsorten die Schalen entfernt, die jeweilige Frucht wieder in eine neue Schale gelegt, dieses Mal aus Plastik, und dann zum Verkauf angeboten. Noch weniger Aufwand erfordern bereits vorbereitete und gewürzte Fertigprodukte. Diese müssen nur noch in einer Mikrowelle auf Knopfdruck zubereitet werden.

Doch es führt kein Weg daran vorbei, uns mit dem Vorschlag aller Ernährungsexperten anzufreunden und mehr Obst und Gemüse in unsere Tagespläne zu integrieren. Fragen Sie mal eine Ärztin oder einen Arzt, was sie oder er einem korpulenten Mittvierziger raten würde, damit dieser seine gesundheitlichen Risiken mindert. Die häufigste Antwort lautet gewiss: „weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse sowie Bewegung“.

Als ich anfing, für diesen Artikel Argumente zum Thema ökologischer Landbau zu recherchieren, war mir nicht bewusst, dass es auf einer viel banaleren Stufe hakt und das Thema anders betrachtet werden sollte, deshalb erneut: Wir sollten mehr Obst und Gemüse in unseren Alltag integrieren.

Bioprodukte können günstiger sein

Bezüglich der Bioprodukte ist die ganz große Frage: Müssen diese berechtigterweise teurer sein als konventionell erzeugte Lebensmittel? Klar, auf der einen Seite halten diese Produkte nicht so lang. Eine ökologische Produktion mit wenig Einsatz chemischer und synthetischer Mittel ist noch dazu anfälliger für das Wetter, denn das hat großen Einfluss auf die Ernten.

Im Gegenzug können sich Landwirte, die sich nicht komplett von den „Modernisierungen“ der konventionellen Landwirtschaft abhängig gemacht haben, auch davon lösen, jedes Jahr Investitionen zu tätigen, um weiterhin die gewohnten Erträge zu erlangen. Aufgrund der jahrelangen Pestizideinsätze müssen sie die neuesten Mittel kaufen und einsetzen, um weiterhin genügend Ertrag zu erwirtschaften.

Viel dramatischer stellt sich die Situation beim Saatgut dar. Samenfeste Sorten kommen zum Beispiel beim Anbau von Mais fast nicht mehr zum Einsatz, sondern stattdessen sogenannte Hybridsorten.

Auf der Internetseite eines Verkäufers von Saatgut heißt es:

„Über die Hälfte des Welt-Saatgutmarkts ist bereits in der Hand der drei Unternehmen Monsanto, Dupont und Syngenta. Was zur Folge hat, dass weltweit immer weniger Sorten angebaut werden und fast nur noch Hochleistungssorten. Die aber bringen ihren hohen Ertrag nur unter Hochleistungsbedingungen, also bei ausreichender Bewässerung und auf stark gedüngten Böden und mit hohem Pestizideinsatz. (…) Vor allem aber können immer weniger Bauern noch ihr eigenes Saatgut anbauen. Die Landwirte sind nur noch Kunden der Konzerne und müssen das anbauen, was diese ihnen anbieten. Und dadurch werden sie völlig abhängig: Sie müssen das Saatgut jedes Jahr neu kaufen, dazu den passenden Kunstdünger und die entsprechenden Pestizide“ (8).

Betrachtet man beispielsweise, wie Mandarinen vor circa 50 Jahren vom Erntezeitpunkt bis zur Auslieferung behandelt wurden, so kann man nur erahnen, wie toxisch die Verfahren heutzutage sein müssen. In einem Sortierzentrum werden die Früchte gestoßen und herumgeworfen. Deshalb werden auf die Mandarinen nach einer Wasserwäsche Konservierungsmittel und eine Paraffinwachslösung gespritzt und dann werden die Früchte glänzend poliert. Das heißt, fünf bis sechs Chemikalien werden vom Zeitpunkt der Ernte bis zur Auslieferung benutzt (9).

Bioprodukte müssen den vorangegangenen Schilderungen zufolge preisgünstiger sein. Es entfallen Kosten für Dünger oder neues Saatgut, da es sich bei den meisten um samenfeste Sorten handelt und Pflanzenschutzmittel von multinationalen Konzernen nicht benötigt werden. Wenn es viele kleine und mittelgroße Höfe in der Nähe gäbe, die neben der Unabhängigkeit von Pharmakonzernen und deren Mitteln noch dazu die Kosten für nationale und globale Transportlogistik einsparen, dann muss sich das auch günstig auf den Verkaufspreis der Produkte niederschlagen.

Der Japaner Masanobu Fukuoka, ein Pionier auf dem Gebiet der Permakultur, warb in den 1970ern bis zu seinem Tod im Jahr 2008 genau dafür, also eine kostensparende und erschwingliche ökologische Landwirtschaft. Im Zuge angeblicher Modernisierungen würden Landwirte in einen Teufelskreis gelockt, so Fukuoka. Zu Beginn erfreuten sich die Landwirte über satte Profite durch Modernisierungen, seien es Maschinen oder chemische Mittel. Nach und nach hole die Konkurrenz jedoch auf, womit der Gewinn geschmälert würde. Was bleibt, seien neue Arbeitsprozesse und zusätzliche Kosten für die maschinelle oder chemische Ausrüstung. All das schlage sich am Ende auf den Verkaufspreis nieder. An kleinen, regionalen Biohöfen würden sich die Kunden wegen der günstigen Preise erfreuen.

Von zentraler Bedeutung ist das Interesse der jeweiligen Landwirte, die an der lokalen Versorgung und einem zusätzlichen, überschaubaren Gewinn interessiert sein müssten. Gemäß den einschlägigen Pressemitteilungen geht es den Landwirten mit dem derzeitigen Dogma ohnehin schlecht. Wieso also nicht aussteigen aus diesen Abhängigkeiten?

Auch Geringverdiener können sich Bio leisten

In den Märkten werden uns häufig Bioprodukte aus fernen Ländern angeboten, von denen wir nicht wissen, ob dort die Aufsicht mindestens so gut geregelt ist wie hierzulande. Je größer die Entfernung umso geringer unsere Kontrolle. Bio und Öko sind in unserer heutigen Konsumgesellschaft zu oft nur ein Slogan als eine wahrhaftig ökologische Produktionskultur. Um das Siegel Bio und Öko zu verdienen, müsste gesetzlich zumindest geschützt sein, dass ein Großteil dieser Produkte aus der Heimat stammt. Die Bio-Siegel privater Anbauverbände sind bei dieser Betrachtung in Teilen ausgeklammert, bilden sie doch eine noch höhere Qualität von kontrolliert ökologischem Anbau ab als ihre gesetzlichen Pendants.

Wer jedoch aus finanziellen Beweggründen keine Bioprodukte konsumiert, weil diese das monatliche Budget für Lebensmittel sprengen würden, dem sei das Buch „Arm aber Bio“ von Rosa Wolff zu empfehlen. In diesem tagebuchähnlichen Buch postuliert Wolff zwar, dass Bio automatisch auch Umweltschutz bedeute, was ich nicht für allgemein gültig halte. Doch sie veranschaulicht, wie eine Ernährung ausschließlich mit Bioprodukten auf Basis eines Hartz-4-Tagessatzes möglich ist.

Wenngleich dieser Artikel mit Bio- und Ökoprodukten aus kontrolliert ökologischem Anbau kritisch ins Gericht geht und diesen Alternativen wie saisonale und regionale Nahrungsmittel entgegen setzt, so zeigt das Beispiel von Rosa Wolff, dass wir uns bei der tagtäglichen Einkaufstour nicht von den grellen Farben, der prominenten Zurschaustellung, den markanten Versprechungen und den glücklichen Gesichtern auf den Lebensmitteln täuschen lassen sollten.

Zumindest sollen diese Zeilen jede Leserin ermutigen, in der Küche anstatt zu Mikrowelle und Toaster häufiger zum Kochmesser, ins Gewürzregal und das Gemüse- und Obstfach des Kühlschranks zu greifen.

„Es gibt nur ein Vergnügen, das größer ist als die Freude, gut zu essen: Das Vergnügen, gut zu kochen“ (Günter Grass, deutscher Lyriker).


Quellen und Anmerkungen:

(1) Bio, Öko und „aus kontrolliert ökologischem Anbau“ schließen sich in diesem Artikel gegenseitig ein.
(2) Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen abwechselnd benutzt und gilt für alle Geschlechter.
(3) Demeter 1924, Bioland 1971, Naturland 1982.
(4) Quelle: Statista. Laut Wikipedia ist „Statista ist ein deutsches Online-Portal für Statistik, das Daten von Markt- und Meinungsforschungsinstitutionen sowie aus Wirtschaft und amtlicher Statistik auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch zugänglich macht.“
(5) https://www.weltagrarbericht.de/aktuelles/nachrichten/news/de/33228.html
(6) Bei ProVeg International, ehemals Vegetarierbund (VEBU), handelt es sich laut eigenen Angaben um eine international führende Ernährungsorganisation, die auf vier Kontinenten aktiv ist. Sie dient mit ihren wissenschaftlich fundierten Informationen als verlässliche Informationsquelle für die rund 9,5 Millionen Vegetarierinnen und Veganer.
(7) laut Artikel vom 04.02.2015 in der digitalen Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung
(8) www.stadt-land-blueht.de/alles-zum-saatgut/
(9) Fukuoka, Masanobu (1978)


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