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Der ganz normale Krieg

Der ganz normale Krieg

Wie die linke Bewegung — gefangen in den Mechanismen von Macht und Herrschaft — ihren eigenen Friedensanspruch torpediert.

Diesen Beitrag schrieb ich aus einer subjektiv politisch linken Perspektive. Einer Perspektive, der ich mich emotional verbunden fühle, ohne sie rational beschreiben zu können. Das ist in meiner Biografie begründet, doch inzwischen stellen sich viele Fragen in mir, wenn es um die linke Bewegung als einer gesellschaftspolitischen Strömung geht. Offenheit verdeutlicht sich, wenn man auch vor unbequemen Fragen nicht zurückschreckt. Das möchte ich in diesem Beitrag leben.

Was ich in den letzten Monaten zum politischen Aktionismus der Partei Die LINKE (a1) erfahren durfte, hat in mir letzte Illusionen zerstreut, dass unsere Demokratie reformierbar wäre, wenn eine neue, mit „besonders fortschrittlichen“ Werten (mit einer selbstredend rein subjektiven Wertebestimmung) auftretende Partei Regierungsgewalt erhalten würde. Damit meine ich nicht einmal ihre Rolle im deutschen Parlament sondern vor allem ihr Auftreten innerhalb der Partei und gegenüber Menschen, die sich doch erklärtermaßen und traditionell ebenfalls LINKS sehen. Doch erkenne ich zu überdenkende Verhaltensmuster nicht nur bei der Partei Die LINKE sondern auch bei den Linken als einer Bewegung, die Fortschritt, sozialen Ausgleich und Frieden auf ihrer Agenda trägt.

Die Ursachen dafür sind (allerdings nicht allein) systemisch beschreibbar und ich möchte deutlich machen, dass ich an dieser Stelle nicht das Regierungssystem der repräsentativen Demokratie anprangere. Auch sie bildet nur ein universell gelebtes Prinzip in unseren Gesellschaften ab, dessen Wahrnehmung wir uns allerdings beständig zu entziehen suchen.

Die LINKE ist also für mich nun nicht plötzlich „böse“ geworden, sondern zerstörte meine Erwartungshaltungen in sie. Sie hat in positiver Weise mein Denken daraufhin sensibilisiert, inwieweit Erwartungshaltungen überhaupt sinnvoll sind; sinnvoll gegenüber sich selbst aber vor allem sinnvoll gegenüber Anderen. Daher halte ich auch eine Abrechnung (Verurteilung) ihrer Politik – sowohl innerhalb ihrer selbst als auch im Rahmen ihres Mandats – für unangebracht. Da gibt es nämlich nichts abzurechnen. Eine ehrliche Analyse die uns sehr wohl auch auf uns selbst zurückführt, halte ich dagegen für umso notwendiger.

Es sind immer die Anderen

Es ist ein probates Mittel, auf die Herrschenden zu zeigen und unermüdlich deren Vergehen offen zu legen. Das überwiegend mit der erklärten Absicht, eine bessere Welt zu errichten. (a2) So wie allerdings die Herrschenden ebenso inbrünstig ihre guten Absichten verteidigen und ihre Widersacher entsprechend bekämpfen müssen, die ja beabsichtigen, das gute Werk zu zerstören.

Sowohl die Einen als auch die Anderen befinden sich dabei in einer ideologischen Filterblase. Wobei sich die Begriffe Herrschende und die Bekämpfer der Herrschenden keinesfalls auf das Bild einer Regierung und des (unterworfenen) Volkes beschränken. Durch diese Filterblase wird das eigene Handeln selektiv positiv wahrgenommen (uneingeschränkte Legitimität) und das des Gegners selektiv negativ (Feindbild-Bestätigung).

Die Filterblase sorgt aber auch dafür, dass diejenigen, welche meinen die Herrschaft zu bekämpfen, das in Wirklichkeit überhaupt nicht tun! Sie kämpfen NICHT GEGEN die Herrschaft, sondern sie kämpfen UM die Herrschaft und daher gegen die Herrschenden um selbst deren Stelle einzunehmen. Hier wird um Machtpositionen gerungen. Folgerichtig werden auch die gleichen Werkzeuge benutzt.

Gefangen in der Filterblase geht es dabei gar nicht um die Änderung eines auf Macht und Herrschaft beruhenden Systems sondern einzig um die eigene Stellung innerhalb des Systems. Das bedeutet auch, dass die dort gelagerten eigenen grundsätzlichen Denkmuster gar nicht hinterfragt werden.

Krieg ist Lagerdenken. Er verlangt klare Positionen und Grenzlinien (rote Linien) auf deren Unversehrtheit mit Argwohn geschaut wird. Lagerdenken ist gleichgeschaltetes Denken. Gleichgeschaltetes Denken ist das geistige Mittragen einer Ideologie. Die Ideologie ist sowohl ethisch legitimiert als auch sozialer Kitt, um Menschen vor Einsamkeit zu bewahren. Dieses Prinzip lässt sich in grundsätzlich JEDER Ideologie erkennen. Und jeder Glaube der per Missionierung mittels Propaganda verbreitet wird, wandelt sich zur Ideologie und trägt den geistigen Gewaltakt mit sich.

Der geistige Krieg als ein per se gelebtes eingeschränktes Weltbild sucht gezielt nach den Schwächen des Gegners. Die getragene Ideologie verlangt regelrecht das Aufspüren dieser Schwächen, weil ja damit der eigene Kampf gegen den Gegner als unvermeidlich und ethisch rein legitimiert wird. Menschen die ihre so basierten sozialen Bindungen nicht verlieren wollen, versuchen ihren Mitkämpfern nun ständig zu beweisen, dass sie diese subjektiv positiv wahrgenommene Rolle (innerhalb der Gemeinschaft Gleichgesinnter) auch verdient haben.

Denn sie haben Angst vor Ausgrenzung. Sie grenzen aus, weil sie fürchten, ihre eigenen sozialen Kontakte zu verlieren. Sie dienern sich an. Weil sie Angst vor dem Fremden haben, ist das durch die Ideologie zusammen gehaltene Kollektiv ihr einziger (sozialer) Halt. Diese Verhaltensmuster setzen sich bei Mitgliedern der Partei Die LINKE in wachsendem Maße durch. Und umgekehrt gilt dies aber auch für die Kritiker dieser Partei – und zwar auch und in besonderem Maße, für Kritiker aus dem linken Lager. Gefangen im Kosmos der eigenen Unfehlbarkeit, führt man den Friedensgedanken ad absurdum, denn ganz offen pflegt man den Krieg der Köpfe.

In dieser Gesellschaft wird aber Menschen auch nicht Mut gemacht, zu sich selbst und ihrer eigenen Sicht zu stehen. Ganz im Gegenteil pflegt man Ausgrenzungsmechanismen, in dem ständigen Bemühen, politisch korrekt zu sein. Man schränkt sich inhaltlich immer weiter ein und weicht auf Populismus aus. Die Ideologie geht also auch noch weg vom inhaltsbezogenen hin zur reinen Symbolik. Sie verkommt zu einer Hülle für Plattitüden.

Der geistige Krieg ist ein Denken in Symbolen, in Marken, in Slogans. Seine Veräußerlichung ist Propaganda und eines der – meiner Ansicht nach – größten Irrtümer, ist zu glauben, dass Propaganda nur die Anderen betreiben. Der Kampf um die Macht, der mit dem um die geistige Macht beginnt, ist bereits die Propaganda. Es ist der geistige Gewaltakt, Gehirne zu unterwerfen, zu indoktrinieren, zu normieren, zu vereinheitlichen. Und er führt zur Gesichtslosigkeit und damit zur Möglichkeit einer Freund-Feind-Kennung.

Die Polung liegt dabei auf der Feind-Kennung und äußert sich in einem latenten Misstrauen gegenüber Andersdenkenden. Das eigene als lichtvoll und humanistisch betrachtete Weltbild muss mit allen Mitteln geschützt werden. Vertrauen ist mit einer solchen Einstellung ein Fremdwort.

Welche Ideologie das ist, welche die Träger da leben, ist prinzipiell unerheblich. Das Teuflische daran ist der ihr innewohnende Hang zur Eskalation, zur Verhärtung, dem Zwang sich gegenseitig zu erschöpfen, der stetigen Aufgabe eigener ethischer Normen zur Durchsetzung von Macht. Meine Kritik richtet sich also nicht speziell gegen die etablierte Herrschaft, welche durch eine Fassadendemokratie repräsentiert wird, sondern generell gegen Herrschaftsdenken als solches.

Denn davon wollen wir offenbar nicht ablassen.

Die Suche nach dem Ausgrenzenden führt zum alternativlosen Ausgrenzen innerhalb des geistigen Krieges. Sie verhindert das Differenzieren und vielschichtiges, vielseitiges Betrachten. Sie dient nur dazu, die Mauern der eigenen Burg hochzuziehen.

Es stellt sich die Frage: Welcher Kampf ist denn wirklich sinnvoll und notwendig?

Wenn die Mitglieder einer Gesellschaft als Ganzes dermaßen im Kampf verhaftet sind, dann sehe ich das als Zeichen einer gesellschaftlichen Paranoia.

Auf solch einer Basis, auf solchen konstruierten Ebenen, die denen eines Schlachtplans ähneln, lässt sich nichts Konstruktives bewerkstelligen.

Keine Satire

Der Kampf GEGEN die Medien, wie sinnvoll ist der? Der Kampf GEGEN die Regierung, was bringt er? Der Kampf GEGEN Terrorismus, wem nützt er? Der Kampf GEGEN Korruption, wen bekämpft er? WER führt unsere Kriege – und wer nicht? Jeder, der meint, auf diese fünf Fragen – oder auch nur eine davon – klare Antworten zu haben, möge sich doch zurück lehnen und innehalten.

Denn an diesem Punkt beginnt er; der eigentlich notwendige Kampf. Das ist nämlich der, welcher der eigenen Dissonanz entspringt, dem Konflikt des Bequemen, des Hingenommenen, das mit der erlebten Wirklichkeit in Widerspruch gerät. Diesen Kampf kann jeder Mensch mit sich selbst und um sich selbst, um seiner eigenen Selbstachtung willen führen. Aber genau dieser Kampf wird auf Biegen und Brechen vermieden – in dem man ihn nach außen trägt.

Das erlebte ich im Umfeld der Verleihung des Kölner Karlspreises für engagierte Literatur und Publizistik 2017 an Ken Jebsen. Wer glaubt, dort Schuldige ausgemacht zu haben, sich an Personalien aufrieb, dem fehlt der Mut, kritisch auf sich selbst zu schauen. Was in den Wochen zuvor und danach an überzogenem Egotismus, an Verletzungen, an gegenseitigem Bearbeiten unter der Gürtellinie dem staunende Publikum (a3) vermittelt wurde (solange es nicht selbst involviert war), zeigte Eines ganz deutlich: Dass die Konflikte noch viel tiefer liegen, als „nur“ in einer Bekämpfung des Neoliberalismus, Neokolonialismus, Hegemonismus, Imperialismus; damit über das Verständnis zu bekämpfender, außerhalb des eigenen Selbst liegender Systeme weit hinaus gehend.

Solche strukturellen Begriffe sind sehr sinnvolle, erklärende Muster zur (ja, natürlich kritischen) Beschreibung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse. Doch wird so getan, als wären die SCHULDIGEN dafür längst entlarvt und es stände nun nur noch ihre Bekämpfung an. Es wird also mit Schuld hantiert. Schuld, die ich als die Verantwortung verstehe, die man versucht, anderen zuzuschieben, um ihnen damit Pflichten auferlegen zu können. Das sollen unsere Werkzeuge für eine friedliche gemeinsame Zukunft sein?

Wir unterschlagen, dass wir mit dieser Herangehensweise uns ÜBER andere Menschen stellen, uns aus der kritischen Betrachtung heraus nehmen. Um dann auch noch festzustellen, dass wir diese „schlechten“ Menschen bekämpfen müssen. Was dabei zwangsläufig passieren muss, ist die Identifikation von Gegnern. Ist das dann die gute Gedankenpolizei? In Anlehnung an ein ganz tolles Buch von Mathias Bröckers und Paul Schreyer (1): Es gibt sie also doch – DIE Guten? Wo Gute, da sind anderswo Böse. Das Böse gilt es zu bekämpfen – erinnert Sie das an etwas?

Menschen die einen Satz zuvor die Freiheit des Andersdenkenden hervorhoben und reichhaltig zitierten, brachten es im Umfeld der, inzwischen ist man geneigt zu sagen, Jebsen-Affäre fertig, Sekunden später den ideologischen Dissenz unversöhnlich und negativ konnotiert angereichert zum Ausdruck zu bringen. Was sich keinesfalls auf die traurige Darbietung eines Kulturdezernenten beschränkte, der damit das stetige Aufgehen der Partei Die LINKE im etablierten Machtsystem bezeugte. Dem Beobachter bot sich eine Satire, bei der er nicht wusste, ob er lachen oder weinen sollte.

Aber die Satire ist keine, es ist unser reales Leben. Wir sind uns viel zu wenig bewusst, dass wir allesamt einer fortwährenden Sozialisierung unterliegen, die uns in emotionale Verhaltensmuster zwingt, welche genau das Beschriebene hervorrufen. Gefangen in (eben NICHT unseren) Ideologien suchen wir verzweifelt, diese zu schützen, weil daran unsere Identifikation hängt. Wir sind Verletzte, tun aber ständig so, als ob wir stark sind. Zeigen so nach außen Gesten der Macht.

Das wird von Menschen, die sich einer (wie auch immer verstandenen) linken Idee verbunden fühlen, sehr schmerzhaft wahrgenommen. Ja, es ist nicht nur die Demokratie, welche mit einer Fassade lebt, wir alle tun es gleichermaßen. Das eine ist Projektion des Anderen.

Der Splitter im Auge des Anderen

Es ist wie mit dem Kapitalismus. WAS bekämpft man da eigentlich? Die feindliche Klasse? Warum reflektieren die Klassenkämpfer nicht, dass sie damit die eigene Gesellschaft in einen Krieg ziehen? Dass sie außerdem so von Anfang an als Gegner wahrgenommen werden. Dass sie Menschen entmündigen, in dem sie glauben, den Kampf FÜR diese Menschen führen zu MÜSSEN. Dass sie – aus meiner Sicht – unzulässig vereinfachen und somit Schubladendenken praktizieren. Wollen wir ihn tatsächlich, den Krieg, um Frieden zu erlangen? Was für ein Frieden soll das sein?

Viele Fragen, unbequeme Fragen, ich weiß. Und ich habe sie nicht, die Antwort. Aber in mir ist ein äußerst ungutes Gefühl, wenn versucht wird, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.

Wer als Klassenkämpfer in den Krieg zieht (nichts anderes tut er), hat zuvor seine eigene Rolle klar definiert. Nämlich, dass er unterworfen, unfrei und unmündig ist. Und er glaubt, diesen Zustand mit einem Rollentausch beenden zu können. Das ist – so sehe ich es – mitnichten die objektive Realität sondern eine Frage des Selbstverständnisses und dahinter steckt ein geistiges Konzept. Es basiert auf einer Ideologie und ist daher folgerichtig eine von Feindbildern. Ideologien gehen permanent mit dem Krieg schwanger. Ideologien entwickeln somit auch keine konstruktiven, kollektiven und offenen Lösungen, denn sie haben bereits die Lösung und versuchen Bedingungen zu schaffen, diese umzusetzen.

Einer Ideologie unterwirft man sich, sie kommt nicht aus uns selbst. Deshalb sind ihre Handlungsmaximen zwanghaft und nicht gedacht, hinterfragt zu werden.

Welche Feindbilder das so sind, die, meiner Meinung nach, von Linken gelebt werden?

Es gibt in Deutschland anderhalb Millionen Millionäre und noch einmal so viele Menschen, die es auf eine halbe Million Euro bringen. Und sicher noch einmal so viele, bei denen es für eine viertel Million reicht. Fast fünf Millionen Menschen, die eindeutig als Gegner wahrgenommen werden und bekämpft werden müssen? Sind die jetzt böse? Ist das nicht das Schwarz-Weiß-Denken, dass wir der Meinungsführerschaft völlig zu recht vorwerfen?

Wenn zwöf Millionen Menschen in Deutschland in prekären Verhältnissen leben, ist das für das materiell reiche Deutschland ein Unding. Das Problem harrt einer Lösung, doch was hindert diese Gesellschaft tatsächlich daran? Es leben übrigens auch 72 Millionen Menschen in nichtprekären Verhältnissen. Wie erreicht man diese Menschen? Woran machen wir überhaupt menschliches Glück fest? Sind Milliardäre glücklicher als Bezieher „normaler“ Einkommen? Nach was streben wir eigentlich? Haben wir keine besseren Konzepte?

Vielleicht haben wir sie, aber wir leben sie nicht. Weil auch die Linken stattdessen sinnlos wie beständig auf Feindsuche sind, um Aluhutträger, Antisemiten, Verschwörungstheoretiker, Holocaust-Leugner und Rechtsesoteriker zu entlarven. Weil wir voller Misstrauen uns fremde und politisch nicht korrekte Meinungsäußerungen beäugen. Weil wir uns auf diese Weise der Macht unterwerfen. Wo und wie nimmt man da Menschen mit? Wann fangen wir endlich an, wirklich gemeinsam um Lösungen zu ringen?

Der größte Feind des Konstruktiven, von kollektiver Zusammenarbeit, ist das ständige Ziehen und Erneuern roter Linien; das unermüdlich beschworene „bis hierher und nicht weiter“. So werden offene Hände arrogant ausgeschlagen – einfach nur, weil sie sich der „einzig wahren“ Konformität entziehen. Und es ist zu kurz gesprungen, dieses schmalspurige Denken nur „denen da oben“ vorzuwerfen. Diese offenen Hände werden regelrecht in einen Kampf hinein gezwungen und so die positive Geste zerstört. Kampf aber führt immer zur Zerstörung.

Der geistige Krieg ist ein psychologisches Phänomen, das auf die Gesellschaft durchschlägt. Er hat eine offenbar Jahrtausende währende Tradition. Ob ein solches Phänomen objektiv gut oder schlecht ist, spielt für mich keine Rolle. Entscheidend für mich ist, nach welchen Regeln ich mein eigenes Leben ausrichten will. Was sind denn die tatsächlich universellen Prinzipien, welche mich mit meiner Umwelt, mit den Menschen um mich herum (den Nahen wie den Fernen) in Harmonie bringen?

Ich selbst sehe meine Wurzeln links. Das ist Teil meiner Biografie. Es ist die ideologische Biografie, die Verbindung zu einer Ideologie, die sich in meiner Erinnerung mit bestimmten ethischen Grundwerten verbindet, wie sozialer Gerechtigkeit und vor allem Frieden. Diese Ideologie stützte mein Ich und gab mir die Gewissheit, gut zu sein, das Richtige zu tun. Ich stehe dazu, linke Wurzeln zu haben, weil ich damit zu meinen Sichten in der Vergangenheit stehe.

Deshalb werde ich einen Teufel tun, mich von meiner Vergangenheit jemals zu distanzieren. So wie ich es auch Ken Jebsen von Herzen wünsche, dass er sich erfolgreich dem massiven Druck entzieht, der von den Meinungsführern unterschiedlicher politischer Lager permanent in seine Richtung aufgebaut wird. Ein Druck der ihn fortwährend nötigen will, seiner Vergangenheit abzuschwören, sich von ihr zu distanzieren; früher geäußerten und absolut authentischen Standpunkten.

Nichts anderes wird nämlich derzeit versucht. Ein Symbol (sie erinnern sich, Krieg benötigt Symbole zur Freund-Feind-Kennung) für eine völlig andere politische Plattform, als es der Mainstream je fertig brachte, versucht man derzeit zu domestizieren. Sehr gezielt lockt man immer wieder die kämpferische Note von Ken Jebsen heraus, um ihn so systematisch auszulaugen und zu schwächen. Wer sich an diesem Spiel beteiligt – und das tun leider auch reichlich Leute, die sich selbst als links bezeichnen, sollte sich langsam im Klaren sein, wie abgrundtief schmutzig das Spiel ist; ein linkes Spiel im Sinne von unehrlich und verdeckt.

Die Bedeutung des LINKS als politischer Grundhaltung löst sich in mir auf. Denn ich benötige keine Fremdidentifikation (mehr), um „gut“ zu sein. Um so mehr als das Wort zur Farce geworden ist. Von einem Hedgefonds-Milliardär und selbst ernannten Weltverbesserer wie George Soros ins Leben gerufene Nichtregierungs-Organisationen als Teil einer linken Bewegung zu benennen, ist bester Ausdruck dieser Entfremdung des Begriffs von seinen Wurzeln.

Bekenntnis zur Querfront

In diesem Begriff steckt nämlich eine tiefe Wahrheit. Die „Entdecker“ der Querfront haben auf der Sachebene sehr richtig erkannt, um was es dabei geht. Nämlich um das Bestreben, ein breites Bündnis zu schaffen, dass sich über Ideologien, Dogmen, politische Anschauungen hinweg dem kleinsten gemeinsamen Nenner verschrieben hat, einem tatsächlich gelebten Friedensgedanken. Solche Gedanken verlangen Mut, müssen doch hierbei ideologische Gräben und Alleinvertretungsansprüche überwunden werden. Vor dem Mut kommt die Angst, denn Mut ist eine mögliche Schlussfolgerung gefühlter Angst. Es ist der Mut, eben sie zu überwinden.

Womit wir zum Begriff Querfront auf der Wahrnehmungsebene kommen. Wer die Angst nicht überwindet, den Graben nicht überwindet, der bleibt in seiner Angst gefangen und nimmt deshalb ein Bündnis unterschiedlicher Weltsichten als Gefahr, als breit aufgestellten Gegner, eben als Querfront wahr. Es ist also eine Frage der Perspektive. Die Überwindung der Konformität, in der man seinen Platz und eine (scheinbar) gesicherte soziale Stellung gefunden hat, wird als die eigene Existenz bedrohend erfahren. Menschen die auf der Wahrnehmungsebene von einer Querfront sprechen, unterliegen also ihren Ängsten.

Wer nun die auf der Sachebene wohlverstandene Etablierung eines viele politische Schichten übergreifenden Bündnisses für dauerhaften Frieden erkennt, sie dann auf der Wahrnehmungsebene jedoch aufgrund fehlenden Mutes die eigenen eingefahrenen Denkmuster zu verlassen, als Gefahr erfährt, wird sie schlüssigerweise auf der Sendungsebene als Alarm (Mitteilung der Gefahr) weitergeben. Ganz in der Emotion gefangen, werden nun – wie im Tierreich – die Artgenossen laut trommelnd vor der Gefahr gewarnt. Das nennt man dann Propaganda.

Da nützen auch die besten in der Vergangenheit sorgsam aufgebauten Beziehungen nichts, diese Ebene wird nachhaltig zum Negativen verändert. Die Beziehungesebene als wertvolles Element des gegenseitigen Verständnisses dient nur noch zur Feind-Kennung und Beschreibung der enttäuschten Erwartungshaltungen gegenüber der anderen Seite.

Wieder zeigt sich, wie wichtig es ist zu erkennen, dass es unsere Emotionen sind, die eben auch ganz stark unser politisches Handeln beeinflussen. Wie auch unser politisches Handeln schon auf der Mikroebene bei Mensch-zu-Mensch-Beziehungen beginnt, denn dort bereits zeigt sich, ob wir, wenn der Wohlfühlbereich gemeinsamer Werte und Ziele verlassen wird, noch immer Frieden leben können. Mehr noch ist es überhaupt erst der Lackmustest für einen wahrhaftig gelebten Friedensgedanken. Diese Aufgabe nur den politischen Eliten zuzuweisen, kommt einer Schuldzuweisung gleich. Das wiederum ist nichts anderes als bequemes Wegschieben von Verantwortung, die man nun mal nur für sich selbst wahrnehmen und leben kann.

Das nun nachfolgend Dargestellte mag Widerspruch hervorrufen. Doch Jeder, dem die Mitgliedschaft zu einer Querfront vorgeworfen wird und der sich dadurch beschämt und ungerechtfertigt angegriffen fühlt – allein durch den hergestellten Bezug – ist gefangen in den ideologischen Wertemustern der Meinungsführer. (a4) Sollte mir Jemand persönlich die Zugehörigkeit zur Querfront „ankreiden“, werde ich Eines auf gar keinen Fall tun: Es als Vorwurf und Beleidigung zurückweisen. Würde ich mich doch damit dem Denken in Feindbildern unterwerfen. Ich würde deshalb vielmehr fragen: WARUM nennt er/sie es eigentlich FRONT? Denn eine wahre Friedensbewegung MUSS Quer“front“-Charakter haben!

Der Ausdruck ist nur – weil von Angst getrieben – negativ konnotiert. Das BÜNDNIS FÜR den Frieden wird als FRONT GEGEN das Etablierte wahrgenommen. Angst sieht das Fremde, das Trennende, Mut sieht das DAHINTER liegende Verbindende. Sehr wohl entwickelt sich auch in unserem Lande ein bewusster, aktiv gelebter Friedensgedanke quer durch die Gesellschaft und das ist wunderbar und danach strebe ich. Ob es zur Front verkommt, entscheidet übrigens nicht der Meinungsführer sondern der Wille der Mitglieder des Bündnisses. Hier stellt sich auch die Herausforderung. Denn das Bündnis nicht zur Front mutieren zu lassen, ist eine anspruchsvolle, ständig neu und kreativ zu lösende Aufgabe.

Fazit

Das Gute ist in uns und ich verbinde es mit gemeinsam erfahrenem, dauerhaftem Glück, mit dem gemeinsam Geschaffenen, mit Erkenntnis und neuen Perspektiven. Es kommt von Herzen und es möchte eigentlich nach außen und wirken. Wer mag, kann es gern LINKS bezeichnen, doch wer das Label kapert, um es plötzlich zur ideologischen Waffe zu machen, betrügt sich und vergibt sich den eigenen Anspruch auf wahrhaftes Glück. Die in uns liegende Einzigartigkeit mutiert so zur Knechtschaft unter eine Ideologie.

Viele Menschen haben inzwischen verstanden, dass es nicht genügt, Feindbilder anzuprangern. Man muss sich auch mit den eigenen Feindbildern auseinandersetzen. Wir sind gefordert, zu fragen, woher wir selbst unser Feindbilddenken beziehen, wie wir es nach außen bringen und damit unseren Friedenswillen konterkarieren. Genauso wie ich es vonnöten halte, zu betrachten, inwieweit Institutionen friedenserhaltend sein können. Was läuft schief in unserer Gesellschaft, wenn sich Menschen dann im großen und kleine Kriege stiftenden Handeln von großer und kleiner Politik verwirklichen?

Haben wir Mut, uns unserer (jeweils einzigartigen) Fehlbarkeit bewusst zu werden und das nicht als unsere Persönlichkeit gefährdenden Mangel zu sehen. Erkennen wir in dieser resultierenden Mannigfaltigkeit vielmehr die riesigen Möglichkeiten für ein Vorbild gebendes friedliches Zusammenleben. Machen wir uns endlich auf den schwierigen, spannenden, schönen, gemeinsamen Weg der Ebene. Denn Frieden wird nicht erreicht, er wird gelebt und wir alle haben ihn in uns

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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.westendverlag.de/buch/wir-sind-die-guten/
(a1) „Die Linke“ als historisch gewachsenen Begriff unterscheide ich im Artikel von „Die LINKE“ als der Partei.
(a2) „Eine bessere Welt zu errichten“ impliziert bei vielen Protagonisten das Drehen am „ganz großen Rad“, mit dem Fokus auf systemischen Veränderungen. Bereits dort sehe ich die Gefahr der Selbstüberhebung, einschließlich der Überhebung über Andere.
(a3) „Staunendes Publikum“ meint NICHT die Gäste der Veranstaltung im Berliner Filmtheater Babylon, sondern Jene, welche die Aktivitäten und Auseinandersetzungen außerhalb und vor dieser betrachteten – wozu ich mich selbst zähle. Danke für die Sensibilisierung durch einen Foristen.
(a4) Das Durchsetzen von Meinungsführerschaft ist also keinesfalls ein Privileg unserer aktuellen repräsentativen Demokratie. Es wird auf allen Ebenen der Gesellschaft angewandt – als Zeichen von Macht- und Herrschaftsdenken.


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