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Der Propaganda-Punker

Der Propaganda-Punker

Campino, Sänger der Punkband „Die Toten Hosen“, offenbart in einem Stern-Interview, dass er die Schrecken eines Krieges bereitwillig in Kauf nehmen will.

Im Vordergrund des Ukrainekrieges steht hierzulande oft das Abstrakte. Da ist von „Verteidigungswaffen“ die Rede und der Bundeskanzler spricht im Fernsehen von einem „Kampf gegen den Aggressor“ oder davon, dass Putin den Krieg „nicht gewinnen“ dürfe.

Worte und Phrasen, die das Grauen des Krieges verdecken und zugleich einen Teil der Zuschauer einfangen. Wer stünde schon nicht hinter einem „Kampf gegen einen Aggressor“ oder wer wäre nicht bereit, Angegriffenen zu helfen, damit diese sich „verteidigen“ können? Begriffe wie diese sind in Zeiten des Krieges regelrechte Menschenfänger. Nicht wenige bleiben an ihnen hängen wie Mücken an einer Klebefalle.

Das Abstrakte verbinden Politiker und jene, die „unserem“ Kampf gegen den Feind intellektuell den Weg bereiten, nach und nach mit dem Konkreten — genau dosiert. Plötzlich, während des Abendessens, berichten Medien von echten oder kriegspropagandistisch konstruierten Schreckenstaten des „Feindes“.

Zwar bleiben auch bei Berichten über Massaker, Folter, Mord, Verstümmelungen die Bilder, das echte, ungeschminkte Grauen des Krieges meistens im Schemenhaften, aber in Kombination mit den richtigen Begriffen und einer emotionalisierten Berichterstattung entfalten sie eine enorme Wirkung. Da ballt dann schon auch mal ein beliebter Sänger die Faust auf dem Sofa — Pazifismus hin oder her — und verkündet in einem Interview seine „wahrscheinliche“ Bereitschaft, doch zur Waffe zu greifen. In einem Stern-Interview sagte Campino:

„Ich persönlich habe den Kriegsdienst 1983 verweigert. Das würde ich heute, unter diesen Umständen, wenn ich jetzt meine Einberufung bekäme, wahrscheinlich nicht mehr tun.“

Hat Campino etwa zu oft die „Berichterstattung“ in den Medien verfolgt? Der Weg in das offene Messer der Kriegspropaganda war noch nie weiter als vom Sessel zum Wohnzimmertisch — wo die Zeitung mit den neuesten Nachrichten oder die Fernbedienung für die Glotze liegt.

Manche Mediennutzer bemerken nicht, dass die Bilder und Aufnahmen, die andeutungsweise einen Einblick in die Kriegsbrutalität bieten, nahezu immer nur in eine Richtung gehen. Der „Feind“ wütet, metzelt, meuchelt. Die „guten“ Krieger, so der Eindruck, machen das nicht. Sie „verteidigen“ sich, sie „kämpfen“ und selbst wenn einmal die Rede davon ist, dass ein „Gegenangriff“ beim Feind zu Toten geführt hat, bleibt das, was die „Verteidigung“ auf dem Schlachtfeld angerichtet hat, für den emotionalisierten Freizeitkrieger auf dem Sofa in rosa Watte verpackt.

Waffen zu liefern, heißt konkret: Einem 18-jährigen ukrainischen Soldaten im „wehrfähigen Alter“ eine Waffe in die Hand zu drücken — vielleicht sogar gegen seinen Willen. Dann lädt er die Waffe. Er legt an. Er nimmt „seinen Feind“ ins Visier. Er drückt ab. Hat er „gut“ getroffen, liegt der Feind auf dem Boden. Ein Teil seines Stammhirns spritzt in das Gesicht des Kameraden, während sich der andere Teil des Stammhirns auf dem Boden verteilt. Der getötete Feind mag einer von den Schlächtern gewesen sein. Vielleicht war er aber auch nur ein 19-jähriger russischer Soldat, der die Hosen voll hatte und diesen Krieg so wenig wollte, wie wohl die meisten Soldaten auf beiden Seiten.

Seid ihr vielleicht jene Monster, die ihr vorgibt zu bekämpfen?

Wer für Waffenlieferungen an die Ukraine ist, der soll selbst aufs Schlachtfeld gehen, losfeuern und anschauen, was passiert, wenn eine Panzerhaubitze den Panzer trifft, in dem Soldaten sitzen. Er soll sich die verbrannten, verkohlten, unvorstellbar zerstörten Körper von jungen Menschen anschauen, die gerade noch gelebt haben; er soll den Geruch des verbrannten Fleisches riechen; er soll sich anschauen, wie Soldaten aussehen, die schwer verwundet wurden; er soll dabei zusehen, wie Soldaten ihrem Kameraden ein Bein auf dem Schlachtfeld amputieren; er soll in die schmerzverzerrten Gesichter der Soldaten schauen und ihr unvorstellbares Schreien aushalten. Er soll mit Hubschraubern mitfliegen, die die verwundeten ausfliegen und nach der Landung mit einem Besen und mit einem Wasserschlauch das Blut aus dem Hubschrauber kehren und spülen.

Wer von denjenigen, die das Grauen des Krieges mit eigenen Augen gesehen haben, würde für den Waffeneinsatz einstehen? Diejenigen, die wissen, was die von ihnen gelieferten Waffen anrichten und dennoch ihren Einsatz befürworten, müssen sich fragen lassen: Seid ihr vielleicht jene Monster, die ihr vorgibt zu bekämpfen?

Wäre Campino wirklich bereit, mit Waffen das anzurichten, was in der Realität unfassbar viel schlimmer ist, als Sprache es auszudrücken vermag. Wenn ja, dann sollte er, nachdem das „Werk“ vollbracht ist, echten Mut aufbringen. Er sollte nach Hause zu den Familien der getöteten Teenager gehen, ihnen in die Augen blicken und sagen: „Ihr Sohn war böse. Ich habe ihn erschossen.“

Schreckliche seelische Narben

Das Schlimme an Campinos Äußerungen ist nicht die Naivität, die ihr, so ist zu hoffen, zu Grunde liegt. Menschen sind nun mal bisweilen naiv. Das Schlimme ist: Die Ignoranz, mit der er offensichtlich an der Naivität festhält. Es ist ja nicht so, als sei dies der erste Krieg auf diesem Planeten.

Ein Mensch, gerade im Alter von Campino, der sich zudem auch noch politisch einmischt, also ein: politisches Interesse hat, sollte wissen, was die Aufrüstung von Kriegsparteien bedeutet. Er sollte wissen, wie furchtbar und zerstörerisch Waffen den vermeintlich Guten wie den vermeintlich Bösen zusetzen.

Ob Korea, Vietnam, Irak, Afghanistan, Syrien: Auf allen Schlachtfeldern standen Menschen Menschen gegenüber — und ja: Zwischen ihnen befanden sich, auf beiden Seiten, auch ein paar Monster. Überall haben Kriege ein unsägliches Leid über alle Beteiligten gebracht. Selbst die körperlich Unversehrten aufseiten der „Guten“ und der „Bösen“ haben furchtbare seelische Narben davongetragen. Die Psychiatrien und Kliniken sind noch auf Jahre später gefüllt mit Post-traumatic-stress-disorder-Patienten.

Wer kann das wollen?

Alles für die „gute“ Sache?

So langsam müsste es sich doch bis zum letzten Bürger herumgesprochen haben, dass es in Kriegen, wie im Theater, eine Vorder- und eine Hinterbühne gibt. Auf der Vorderbühne geht es um Gerechtigkeit und Menschenrechte. Dort schmeißen die Akteure mit Begriffen wie Demokratie und Freiheit nur so um sich.

Auf der Hinterbühne geht es um knallharte Machtpolitik, um geostrategische Interessen und um sehr viel Geld, das dem militärisch-industriellen Komplex zufließt. Iran-Contra, um nur ein Schlagwort anzuführen, sollte ausreichen, um zu zeigen, wie dreckig Tiefenpolitik sein kann. Atombomben auf Japan mit 200.000 Menschen, die sofort gestorben sind. Napalm und Agent Orange in Vietnam. Uranmunition im Jugoslawienkrieg. Operation „Iraqi Freedom“ mit, je nach Quelle, 500.000 toten Irakern und zudem 500.000 toten Kindern durch Sanktionen. Abu Ghraib. 240.000 Tote im Afghanistan-Krieg.

Das alles und noch viel mehr geht auf das Konto der „Guten“, deren Kriege bekanntlich im Dauer-Abo „gerecht“ sind.

Wo sind die Friedensmusiker?

Und nun Russlands Angriff auf die Ukraine. Glaubt Campino wirklich, bei aller berechtigten Kritik an Putin, dass in diesem Krieg die „Guten“ nur die Rolle der edlen Retter spielen? Gerade haben die EU-Außenminister 500.000 Millionen bewilligt — für weitere Waffenlieferungen, während, laut Unicef, alle 10 Sekunden ein Kind an Hunger stirbt Ist das nicht eine etwas „eigenwillige“ Prioritätensetzung? Glaubt Campino vielleicht, dass die CIA aus reiner Barmherzigkeit schon Jahre vor dem Überfall Russlands in der Ukraine agiert hat ?

Generationen von jungen Menschen sind auf die Lügen der jeweiligen Politiker reingefallen. Mit der Waffe in der Hand haben sie andere Soldaten, die Politiker zum Feind erklärten, umgebracht oder wurden selbst umgebracht. In Vietnam betrug das Durchschnittsalter der amerikanischen Soldaten übrigens 19 .

Campino als Musiker sollte wissen: Einige der großartigsten Lieder der Musikgeschichte sind aus den Federn jener Musiker geflossen, die ihre Stimme für den Frieden eingesetzt haben.

Ob Barry McGuire „Eve of Destruction“ (1965) , John Lennon „Give Peace a Chance (1969) , Creedence‘ „Fortunate Son“ (1969) , Jimmy Cliffs „Vietnam“ (1970) oder John Lennons „Imagine“ (1971), um nur ein paar anzuführen: Zahlreiche große Sänger geben in ihren Lieder einen Einblick in die Schrecken des Krieges. Sie sagen und zeigen auf künstlerische Weise, warum Waffen und Krieg nicht die Lösung, sondern das Problem sind.

Wie kann man das nur vergessen? Vielleicht sollte sich Campino jeden Tag einmal mit einem Lied auseinandersetzen, das sich gegen den Krieg richtet. Naivität und selbst Ignoranz können abgelegt werden — wenn man es will. Und dann könnten Die Toten Hosen einen starken Song für den Frieden und gegen Kriegspropaganda auflegen. Das wär doch was!


Quellen und Anmerkungen:

Hier finden Sie das Twitter-Profil von Marcus Klöckner.


Hier können Sie das Buch bestellen: als Taschenbuch oder E-Book.


Stimmen zum Buch

„In Klöckners Werk gibt es eine Menge origineller (sprachlicher) Einfälle; das Buch ist stilistisch glänzend geschrieben — wenngleich in der Form eines riesigen Leitartikels, den man sich härter und einseitiger kaum vorstellen kann. (...) Klöckner führt den Ball eng am Fuß und nimmt diverse Akteure und Institutionen gnadenlos aufs Korn, wobei er keinem Konflikt (und Wortspiel) aus dem Wege geht. Konsequent folgt er dem alten Luhmann-Bonmot ‚Der Gag heiligt die Mittel‘, wenn es darum geht, Medienkritik als Gesellschaftskritik zu üben und Nachweise für den Niedergang des Journalismus zu führen.“
Siegfried Weischenberg, Kommunikationswissenschaftler und Soziologe

„Diesen Totalausfall der Medien und Journalisten in der sogenannten Corona-Pandemie nimmt Klöckner zum Anlass, sich selbige ‚zur Brust‘ zu nehmen. Nach seinem Buch ‚Sabotierte Wirklichkeit: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird‘ aus dem Jahr 2019 zerlegt Klöckner in seinem neuen Buch die gesamte Medienbranche und ihre journalistischen Zombies. Er präsentiert sie uns als bösartige Propaganda-Maschinerie wider Anstand und Fairness, bar jeder journalistischen Profession. (...) Ihre Hauptkompetenz liege darin, im Schulterschluss mit der Regierung Angst zu schüren. (...) Indem sie jede kritische Analyse scheuen wie der Teufel das Weihwasser seien sie selbst zu einer grundlegenden Gefahr für die Demokratie geworden. (...) Das Politik- und Medienkartell kann nur noch als integrale Verbrechensform begriffen werden, wobei die Medien nicht selten die Politik vor sich hertreiben beziehungsweise der Politik als Verstärker ihrer kriminellen Machenschaften zugunsten der Kapitalfraktionen dienen. Die Medien sind daher nichts anderes als Kombattanten im laufenden ‚information warfare‘ gegen die Zivilgesellschaften. Sie sind kriegführende Partei. Die gesamte Mainstream-Medienindustrie begreift Klöckner völlig richtig als nicht mehr reformierbar.“
Ullrich Mies, Autor und Publizist

„Der Kampf gegen das gleichgeschaltete, regierungskonforme Medienkartell hat gerade erst begonnen. Wer immer noch meint, es ginge um eine innergesellschaftliche Diskussion, hat nicht begriffen, dass es Regierung und angeschlossener Bewusstseinsindustrie ausschließlich darum geht, die Definitionshoheit mit allen perfiden Mitteln zu erhalten. Kollabiert die Definitionshoheit, kollabiert die Macht des herrschenden kriminellen politischen Regimes. Zombie-Journalisten sind mitverantwortlich dafür, dass wir in faschistische Verhältnisse abgleiten. Obwohl in weiten Teilen des Buches anklingt, wie sehr Klöckner die derzeitige Journaille verachtet, gelingt es ihm dennoch, Leserinnen und Leser immer wieder zum herzhaften Lachen zu bringen.“
Annette van Gessel, Pharmazeutin und Lektorin

„Marcus Klöckner liefert (...) jetzt all die Beweise, die bei meiner Draufsicht aus dem Blick geraten sind. Textanalyse vom Feinsten, geschöpft aus dem Fundus der Fehlleistungen, die wir seit anderthalb Jahren beobachtet haben. Nena und #allesdichtmachen. Das WDR-Interview mit Jan Josef Liefers. Die Kampagnen gegen ‚Impfvordrängler‘, ‚Schwurbler‘, ‚Maskenverweigerer‘.“
Michael Meyen, Professor für Kommunikationswissenschaft

„Der Unmut des Autors kommt deutlich zum Ausdruck, sorgt aber auch für große Unterhaltung. Klöckner versteht es, seine Kritik so zuzuspitzen, dass sie ins Schwarze trifft, ohne langweilig zu wirken. Stilistisch zieht er alle Register. (...) (Ein) Sachbuch (...), das zu den wohl besten der letzten Jahre gehört. Es ist scharfsinnig, argumentationsstark und anregend. Ein absoluter Lesegenuss.“
Magazin für demokratische Kultur

„Mit dieser Publikation geht es Klöckner nicht nur um eine Abrechnung mit einer Branche, die gerade vollständig versagt und deren schreibende Akteure sich — wenn auch jetzt noch feist lachend, da sich auf Seiten der ‚Siegermacht‘ wähnend — eine solch gewaltige Schuld aufladen, die kein Mensch zu tragen imstande sein wird, wenn er in Zukunft einmal ihr ganzes Ausmaß vor Augen geführt bekommt. Klöckner will dem Bürger mit seiner Analyse auch Waffen an die Hand geben, mit denen er sich gegen den Generalangriff auf seine innerste Integrität zur Wehr setzen kann (...).“
Der Nachrichtenspiegel


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