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Der Sinn des Lebens

Der Sinn des Lebens

An wen richten wir die Frage nach dem Sinn unseres Lebens?

Wer setzt gar den Maßstab für das, was sinnvoll ist?

Wenn die Menschheit in ferner Zukunft durch eine kosmische Katastrophe ausgelöscht wird, oder sie dies in näherer Zukunft durch eine selbstgemachte, irdische Katastrophe selbst hinbekommt: Welchen Sinn hatte dann das Leben der Menschen bis dahin? Welchen Sinn hatte Ihr Leben? Oder war alles sinnlos?

Kann der Sinn des Lebens tatsächlich für alle gleich und somit vorgegeben sein? Wenn wir diese Fragen über unser rein biologisches Dasein hinaus zu beantworten suchen, stoßen wir im Prinzip immer an Grenzen. Oder geben uns mit einem Dogma zufrieden, das wir befolgen. Dabei wurde das Dogma immer von anderen Menschen aufgestellt. Mögen sie sich noch so erleuchtet und damit besonders gefühlt haben. Es waren und sind keine Götter, es sind Menschen.

Es ist durchaus folgerichtig, dass in der gerade beschriebenen Weise die Suche nach dem Sinn des Lebens in die Geborgenheit einer Religion führt, deren Zukunftsvisionen uns gut tun. Die Suche ist zu Ende, damit auch das Ungewisse und nicht Fassbare. Wir sind angekommen und sicher. Wir haben ein Koordinatensystem für unser Leben und das gibt uns Halt. Was immer auch passiert, wir werden irgendwann aufgefangen. Vorausgesetzt wir erfüllen zuvor die Bedingungen für die „Aufnahme“.

Der Sinn des Lebens wird so die lebenslange Erfüllung von Voraussetzungen für die Glückseligkeit in der Zukunft. Tun wir das nicht, machen wir uns schuldig und MÜSSEN bestraft werden. Das Glück in der Zukunft müssen wir uns VERDIENEN, das ist unser Geschäft mit Gott (wie auch immer dieser sich nennen mag) und dieses Geschäft legt uns VERPFLICHTUNGEN auf. VERPFLICHTUNG heißt, wir MÜSSEN Dinge tun – und zwar auch dann, wenn unser Selbst signalisiert, dass es „eigentlich“ gar nicht gut ist, was wir da tun; nicht für uns und nicht für andere.

Das Geschäft beinhaltet Mühen in der Gegenwart für ein versprochenes Glück in der Zukunft. Damit liegt auch der Sinn des Lebens in der Zukunft – und zwar mit all seinen Idealen und Träumen von Liebe und Verständnis, auf die wir in der Gegenwart verzichten MÜSSEN.

Nach meinem Verständnis ist ein solches Leben fremdbestimmt. Es entzieht sich auch der Verantwortung, weil es das Maß für Gut und Böse aus dem Handbuch der Handlungsanleitungen der jeweiligen Religion, der von außen mehr oder weniger angeordneten Ideologie bezieht.

Religionen, so sie das Bewusstsein eines Menschen verlassen, um missionierend verbreitet zu werden, tragen den Anspruch der Exklusivität von Wahrheit in sich. Auch politische Ideologien sind Religionen. Die Ausschließlichkeit, mit der – nicht erst heute – die repräsentative, parlamentarische Demokratie gegenüber anderen politischen Konzepten vertreten wird, hat etwas mit religiöser Eiferei zu tun. Die Missionare dieses Konzepts haben entsprechend den Sinn des Lebens für sich selbst gefunden – und meinen damit, dass es sich dabei auch um den einzig verbindlichen Sinn für alle Menschen handeln muss.

Eine solche Art von Sinnbestimmung hat nicht nur etwas Ausschließliches, sie ist auch gegenüber anderen Sichtweisen arrogant und wertet diese ab. So wird in einer von Doppelmoral geprägten Gesellschaft auch der Hedonismus verurteilt; sucht er doch Glück in unter anderem solch profanen Dingen wie Sex, Essen und Trinken (a1). Es ist sogar so, dass damit der Anspruch auf Glück als Sinnbestimmung explizit aufgegeben und ersetzt wird durch Leiden im Leben mit einer Versprechung auf Glück nach dem Leben.

Leiden und Leben werden faktisch in Symbiose gesehen. Der Sinn des Lebens ergeht sich so in Verpflichtungen. Leben reduziert sich auf das Dienen; auf das VERDIENEN, auf das Abarbeiten einer wie auch immer definierten Schuld, das Tragen der Last eigener Fehlbarkeit. Dieser verordnete und abhängig machende angebliche Sinn des Lebens hasst das Leben selbst. Er ist ein Widerspruch in sich.

Wir spüren es. Ein fremdbestimmter Sinn des Lebens zieht uns herunter, erzeugt Schuldgefühle, macht das Herz schwer. Außerdem lähmt er unsere Neugier, weil diese der Angst unterliegt. Jene Neugier, die uns ermöglicht, zu entdecken, dass der von außen in unsere Seele gepflanzte Sinn des Lebens pure Illusion ist.

Für andere kann und will ich nicht sprechen, für mich sehr wohl:

Es gibt ihn nicht, DEN Sinn des Lebens. Nicht irgendwo da draußen. Der Sinn des Lebens wird geboren, durch jeden von uns. Doch das braucht unseren Mut, Mut unser eigenes Wesen zu erkennen, auszuhalten und schließlich zu lieben.

Im Verhalten unserer Mitmenschen erahnen wir deren Sinn des Lebens, den Sinn, nach dem sie leben.

Und wir erkennen uns vielleicht wieder.

Der Sinn des Lebens ist natürlich primär sein unbändiger Wille zur Existenz und damit sein Wille, dem Tod zu widerstehen.

Mut zu leben ist auch etwas anderes, als sein Leben, als getrieben durch die Angst vor dem Tod zu sehen. Mit dem Mut erlangen wir auch die Freiheit, nach unserem ureigenen Sinn des Lebens zu suchen – oder ihn vielleicht einfach nur in uns zu entdecken.

Der Sinn des Lebens ist nicht absolut und stattdessen voller Wandlungen.

Sehen wir den Sinn des Lebens im Destruktiven, sind wir im Hass gefangen. Dann sitzen wir in einem seelischen Gefängnis, das uns hindert, die Unendlichkeit zu erfassen, zu fühlen und in ihr aufzugehen. Stattdessen besteht dann unser Sinn des Lebens in der Angst vor dieser Unendlichkeit, vor dem Unbekannten.

Letztlich kann die Frage nach dem Sinn des Lebens jeder für sich selbst beantworten.

Und für mich besteht ein großer Reiz darin, diesen Sinn in mir zu ertasten und ihn in anderen Menschen zu erahnen. Die Erkenntnis, dass man selbstbestimmt dem eigenen Leben einen Sinn geben kann, ist wie das Erbauen einer großartigen Welt. Diese einzigartige und phantastische Wirklichkeit ist eine unserer Seele.

Sie ist Projektion anderer und Produkt kreativer Rastlosigkeit unseres Selbst.

Der Sinn des Lebens ist das Auskosten dessen, was es uns schenkte. Es ist Mahnung und Aufruf, die Einzigartigkeit des Lebens zu ergreifen und als großes Geschenk zu betrachten.

Der Sinn des Lebens ist es nicht, in Last und Schmerz dem Tod entgegen zu gehen. Schmerz aber weist uns auf die Kostbarkeit und Vergänglichkeit hin, die uns das Leben bietet. Er ist ein Indikator, ein Warnsignal, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Wir können den Sinn des Lebens im Erkennen unserer Sinne erfassen. In dem wir das, was uns unsere Sinne an Eindrücken von „außen“ liefern, tatsächlich verinnerlichen. In dem wir aus der oberflächlichen Betrachtung unserer Umwelt Tiefe gewinnen und ein ebenso tiefes Verstehen.

Verstehen ist Glück und damit unser ganz persönlicher Erfolg. Verstehen kann sogar maßlos sein, denn das, was es zu verstehen gibt, ist in seinem Umfang maßlos. EINEN Sinn meines Lebens erkenne ich in dem Geschenk des Verstehens und des dadurch Erkennens und Begreifens. Es ist ein Zuwachs an Reichtum ganz besonderer Art; ein Egoismus, der nicht auf Kosten anderer geht.

Vielleicht habe ich Ihnen ja ein wenig Mut, gar Lust gemacht, auf eine neue Suche nach dem Sinn des Lebens zu gehen. Das Gute liegt doch so nahe, denn die Quelle sind Sie selbst. Für den durchaus holprigen Weg dorthin wünsche ich Ihnen eine spannende, glückliche Reise.

Bleiben Sie in dem Sinne schön aufmerksam.


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