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Der Verzicht auf Rache

Der Verzicht auf Rache

Verrohung der Sprache und rhetorische Eskalation können anstecken — vermeiden wir, es unseren Gegnern gleichzutun.

Nicht nur das mediale Trommelfeuer geht weiter, trotz der dürftigen Datengrundlage, auf der die aktuellen politischen Entscheidungen beruhen. Zugleich werden mittels medialer und politischer Dauerbeschallung bei einigen leicht beeinflussbaren Mitbürgern gewalttätige Fantasien aus den Tiefen der Persönlichkeit hervorgespült. Das gilt für alle Beteiligten gleichermaßen und ist kein Alleinstellungsmerkmal der Befürworter oder Kritiker der Maßnahmen der Regierung. Was hier zur Schau gestellt wird, lässt mich zutiefst erschaudern. Mit dem Näherrücken der Impfpflicht wird die Tonart rauer und unversöhnlicher. Eigentlich sollte man das Gegenteil erwarten. Aber die Aussicht auf die Impfpflicht als Lösung, die aus der Pandemie führen soll, stimmt ihre Anhänger nicht milder, sondern heizt die Stimmung weiter an.

Die politische Eskalationsspirale

Nachdem Markus Söder (CSU) in einem Interview vom 11. Januar 2021 in der Welt am Sonntag mit Blick auf die Impfkritiker von einer „Corona-RAF“ sprach, war dieser ungeheuerliche und diffamierende Vergleich der Startschuss für immer neue diskreditierende Angriffe und ungerechtfertigte Beschuldigungen der Kritiker als radikale, gewalttätige und gemeingefährliche Subjekte. „Aus bösen Gedanken werden böse Worte und irgendwann auch böse Taten“, so der Originalton Söder. Mit diesen Gedankengängen ist Söder bedauerlicherweise nicht allein (1).

In das gleiche Horn stößt auch der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Kretschmann (Die Grünen) gab in der Runde bei Lanz am 07. Dezember 2021 zum Besten: „Das eine sind Rechtsextreme und radikale Gegner der Demokratie. Die zweite Gruppe, die sind verblendet. Die haben sich in irgendeinen Tunnel begeben, glauben an Verschwörungsmythen. Und die dritte Gruppe, Impfskeptiker, sind ängstliche Menschen, die diffuse Ängste haben, die zwar nicht rational, aber da sind“ (2).

Ähnliche Töne folgen von Sachsens Ministerpräsident, als er den Mord an dem Tankstellenmitarbeiter in Idar-Oberstein zum Anlass nahm, eine „Regulierung der sozialen Netzwerke“ zu fordern: „Wir sehen, wie diffuse Ängste genährt werden, gerade über das Internet.“ Und weiter:

„Das Prinzip der Bundesrepublik Deutschland ist nicht, dass Massenmedien einfach frei verwendet werden können (so viel zur Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Grundgesetz, Anmerkung des Autors) (…), sondern eine unserer Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg war: Diese Instrumente brauchen eine Kontrolle, brauchen eine Regulierung, Selbstkontrolle, Selbstregulierung und auch Regeln, und Telegramgruppen mit Zehntausenden oder Hunderttausenden Mitgliedern, die von außen nicht mehr einsehbar sind, in der keine Diskussion, kein Diskurs stattfindet, sondern eine zunehmende Radikalisierung, sind eine Gefahr für unsere Demokratie“ (3).

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz verliert die Verhältnismäßigkeit in seinen Aussagen über die Demonstranten: „Wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen“, sagte Scholz in seiner ersten Regierungserklärung (4).

Dieser Aufzählung lassen sich tagtäglich neue Aussagen unserer Regierenden hinzufügen. Jüngste Äußerungen aus dem Mund unserer politisch Verantwortlichen zeugen nicht von dem Willen, etwas gegen die Spaltung der Gesellschaft zu unternehmen. Im Gegenteil: Diese Äußerungen und ihre mediale Präsentation sind allein dazu geeignet, die bereits bestehende Spaltung massiv zu verstärken. Nun möchte man niemandem pauschal eine Absicht unterstellen, aber Politiker, zumindest auf Landes- und Bundesebene, verfügen über Medienberater und Profis im Umgang mit den Medien; da kann und darf man jetzt nicht mehr nur von Unachtsamkeit sprechen.

Die Eskalation seitens der Maßnahmenkritiker

Nach Äußerungen wie jenen des neuen Bundeskanzlers Scholz: „Es gibt keine roten Linken mehr“ sehen nun viele Menschen diese roten Linien für sich überschritten. Dass jetzt auf den Seiten der Kritiker einige Stimmen verbal extrem über das Ziel hinausschießen, ist ebenso falsch wie die verfehlte Kommunikation der Politik. Gemeint sind hier Morddrohungen, von denen die Medien in den vergangenen Tagen berichteten, und die natürlich unter keinen Umständen gutzuheißen sind.

Und wenn einige Akteure meinen, sie müssten vor den privaten Häusern von Politikern demonstrieren, nährt solches Verhalten den Boden für eine erneute negative Berichterstattung, bei der das Schreckgespenst einer Radikalisierung und zunehmender Gewaltbereitschaft in den Reihen der Impfkritischen und Maßnahmengegner ausgemalt wird. Diese Art der Berichterstattung erzeugt in den Köpfen der Menschen Bilder, die an dunkle Zeiten erinnern (5).

Vorsicht beim Framing der Corona-Proteste

Im Zuge der Einführung von COVID-Zertifikaten, drohenden Impfpflichten und neuerlichen Lockdowns hat sich eine Bewegung etabliert, die die Intensität der staatlichen Eingriffe im Kampf gegen COVID-19 für unangemessen hält und dagegen aufbegehrt – das ist ihr gutes Recht (6).

In vielen deutschen Städten trugen in den letzten Wochen Bürger den Protest auf die Straße, in Hamburg bis zu 10.000. Das wiederholte sich in München, und auch in kleineren Städten gingen die Bürger zahlreich auf die Straßen. Dass es sich dabei ausschließlich um „Corona-Leugner“, „Querdenker“ und „Rechtsextreme“ handeln soll, lässt sich einfach und schnell mit einem Blick auf die Demonstranten ausschließen. Zunehmend schließen sich den Demonstrationen bereits geimpfte Menschen an, die mit Blick auf mögliche Impfschäden ihr Vertrauen in den „Impfstoff“ und die nicht eingehaltenen Versprechungen der Politiker verloren haben. Dennoch wird dieses Framing weiterhin in der Presse pauschal verbreitet und setzt sich so fortdauernd in den Köpfen der Bevölkerung fest. Dass man über Demonstrationen auch weitgehend neutral berichten kann, hat der NDR gezeigt (7).

Widerstand — aber wie?

Insbesondere verhindert das oben genannte Beispiel den erwünschten Anschluss weiterer kritisch denkender Menschen, die vielleicht erst jetzt ihre persönliche rote Linie überschritten sehen. Solche Handlungen sind meist von blindem Aktionismus geprägt, à la „Wir müssen denen jetzt mal zeigen, dass es uns reicht“, und werden nicht von der breiten Masse der Bevölkerung gutgeheißen oder gar getragen. Das Gegenteil ist der Fall.

Es liegt an jedem Einzelnen von uns, besonnen zu bleiben und mit gutem Beispiel voranzugehen.

Ich stelle mir die Frage, wie „richtiger“ Widerstand aussehen sollte, und mit dieser Frage stehe ich nicht allein. Anhand der eingangs zitierten Aussagen einiger Politiker ist ersichtlich, dass die Politik die Eskalation in eine Gewaltspirale geradezu herbeisehnt. Wie sollte man in der aktuellen Lage vorgehen? Anmelden oder einfach spazieren gehen? Mit den Behörden kooperieren oder Katz und Maus spielen? Eines ist zweifelsfrei: Grundsätzlich muss Widerstand gewaltfrei bleiben, um erfolgreich sein zu können! Das ist historisch belegt und wissenschaftlich bewiesen.

Es ergibt sich nunmehr — nach über 20 Monaten Panikmodus und Drangsalierungen durch die Coronamaßnahmen — die einmalige Chance, uns unter einem einheitlichen Ziel zusammenzufinden. Diese Chance sollte nicht leichtfertig verspielt werden durch unbedachte Aktionen.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.stern.de/politik/ministerpraesident-markus-soeder-warnt-vor--corona-raf--9560736.html
(2) https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-lanz-sendung-debatte-radikale-demos-kretschmann-100.html
(3) https://reitschuster.de/post/ministerpraesident-kretschmer-radikalisiert-sich-zum-internet-radiergummi/
(4) https://www.waz.de/video/scholz-kuendigt-widerstand-gegen-enthemmte-extremisten-an-id234097027.html
(5) https://www.welt.de/politik/deutschland/article235489128/Grimma-Fackelaufmarsch-fuer-Merkel-Angriff-auf-Demokratie.html
(6) https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus235642566/Corona-Proteste-Vorsicht-beim-Framing-der-Corona-Proteste.html
(7) https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Erneut-Demonstration-in-Hamburg-gegen-Corona-Massnahmen,corona9624.html


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