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Der Verzweiflungsträger

Der Verzweiflungsträger

Die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten war keine Entscheidung gegen den Faschismus; der neoliberale Despotismus wird künftig nur höflicher auftreten.

Also gut, die Schlacht geht nach der Wahl weiter; Demokraten von Rang und Namen drehen durch, Trump werde gewaltsam im Amt bleiben (Spoiler: Wird er nicht; er wird das Amt friedlich verlassen wie seine Vorgänger), und Republikaner von Rang und Namen drehen durch, Biden werde sie zu einem kommunistischen Sklavendasein verdammen (Spoiler: Wird er nicht; er wird sie, wie jeder andere auch, in die Sklaverei eines imperialistischen Neoliberalismus‘ im Endstadium führen).

Beide Seiten werfen einander Betrug und Schwindel vor, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich das ehrlicherweise nicht einordnen. Was soll ich sagen? „Oh nein, Sie meinen, die Scheinwahl zwischen zwei Scheinkandidaten ist wirklich nur Schein??“ Eine Konzernkriegshure ist so gut wie die andere. Von mir aus soll Raytheon den Sieger wählen.

Das Angstniveau bleibt hoch angesichts von Massenmedien auf Abwegen, die Ängste vor Unruhen anheizen, angesichts der Proteste und Gegenproteste überall im Land. Ich werde einfach wiederholen, was ich vor der Wahl gesagt habe: Jede Gewalt wird, wie sich abzeichnet, nur den Mächtigen nutzen, wird genutzt werden, um den autoritären Agenden der Mächtigen zu dienen, und wird aller Wahrscheinlichkeit nach von den Mächtigen angestachelt worden sein. Es gibt Situationen, in denen man argumentieren kann, dass intelligente Gewaltanwendung seitens der Bürgerschaft gute Ergebnisse zeitigen könnte, aber zu sterben für die Frage, welcher Oligarchenliebling Sie regieren soll, ist keine solche. Bitte seien Sie klug und begeben Sie sich nicht in Gefahr.

Alles in allem ist jetzt die Wahl jedenfalls vorbei. Was bedeutet, dass die Lügen, die sich echte politische Linke eingeredet haben, um die schmerzhafte Wahl Bidens psychologisch ertragen zu können, nun keine Berechtigung mehr haben. „Ich habe gegen den Faschismus gestimmt“, ist ein verbreitetes Mantra, auf das ich in letzter Zeit in den sozialen Medien gestoßen bin, und es ist eine dieser Lügen.

Ich verstehe, dass amerikanischen Linken für ihre Entscheidung jedes Argument recht war, einem rechten, autoritären Kriegstreiber ins Amt zu helfen, mit dem sie ideologisch nichts gemein haben. Und um das klar zu sagen: Ich habe kein Interesse daran, ihnen zu sagen, sie hätten dies nicht tun sollen. Ich kann niemandem einen Vorwurf machen, wie auch immer er oder sie mit einem grundlegend maroden System umzugehen gedenkt, und es geht mir auch nicht darum, jemanden zu beschämen.

Aber im Folgenden sollten wir klar sehen: Zu beanspruchen, mit seiner Stimmabgabe für Biden „gegen den Faschismus“ gestimmt zu haben, hat keine legitime Basis. Sie können behaupten, es handele sich um eine Wahl gegen etwas, das Sie als gefährlichere Wiederholung des Faschismus wahrgenommen haben, aber Sie können nicht überzeugend behaupten, Ihre Wahl eines zeitlebens mörderischen Autoritären sei eine Stimmabgabe gegen den Faschismus gewesen.

Dies ist eine wichtige Entscheidung, über die sich jedermann Klarheit verschaffen sollte, denn das Mantra zu wiederholen, dass man mit einer Stimme für Biden „gegen den Faschismus“ gestimmt habe, kann Menschen zu der irrtümlichen Sicht verleiten, der amerikanische Präsident fördere keine faschistische Politik mehr, gegen die man mit Zähnen und Klauen kämpfen muss. Indem Sie sich einreden, den Faschismus abgewählt zu haben, lügen Sie sich in einen Zustand künftiger Selbstgefälligkeit.

Es ist immerhin derselbe Joe Biden, der so kriegslüstern ist, dass er nicht nur die unverzeihliche Invasion des Irak unterstützt hat, sondern auch eine führende Rolle dabei gespielt hat, sie aktiv herbeizuführen. Der das berüchtigte Strafgesetz von 1994 verabschiedete, das dazu beitrug, die Zahl der US-Gefängnisinsassen auf ein Niveau explodieren zu lassen, wie man es nirgends sonst kennt. Der seine Karriere darauf aufbaute, Republikanern vorzuwerfen, nicht hart genug gegen Drogenkonsum und Kriminalität vorzugehen. Dem die Ehre der Autorschaft des Wortlauts des Orwellschen Patriot Act gebührt, Jahre vor seiner Verabschiedung, als er versuchte, diese Maßnahmen durchzusetzen, als jeder andere derart autoritäre Übergriffe erschreckend fand. Der den WikiLeaks-Gründer Julian Assange einen „High-Tech-Terroristen“ nannte. Der jederzeit schamlos Rassismus nutzte, wenn dies seine politische Karriere förderte.

All die hässlichen Dinge, die unter Trumps Regierung geschehen sind, werden unter Bidens Regierung weiter geschehen. Gruppen, die eine Überlegenheit Hellhäutiger propagieren, grausame Behandlung nicht registrierter Immigranten, Attacken gegen die politische Linke sowohl zu Hause als auch überall sonst auf der Welt, Krieg, Unterdrückung, Ausbeutung und Austerität zum Nutzen der Reichen und Gleichgültigkeit allen anderen gegenüber, zum Teufel, sogar die widerwärtigen Tweets Donald Trumps. Das alles wird weitergehen; alles, was sich durch die Wahl Bidens ändert, ist, dass einige Teile davon möglicherweise nicht ganz so schlimm sind.

Es nützt also niemandem, zu behaupten, der Faschismus sei dadurch besiegt worden, dass Bidens letztliche Ernennung wahrscheinlich erscheint. Bestenfalls hat er wohl einen kleinen Rückschlag erlitten. Die Regierung Biden wird weiterhin jede Nation angreifen, die sich ihren autoritären Dekreten widersetzt, wird ihre reaktionären Angriffe auf einen sozialistischen Fortschritt im globalen Süden und in China fortsetzen, wird weiterhin schwarz- und braunhäutige Menschen ermorden, die zufällig in geostrategisch wertvollen Regionen in Übersee leben, wird weiterhin autoritäre heimische Überwachungsmaßnahmen fördern, den US-Polizeistaat weiter militarisieren und ausdehnen und wird weiterhin den Machtlosen ihren Stiefel zum Wohle der Mächtigen in den Nacken setzen, genau wie es die Regierung Trump getan hat.

Wenn Sie für Biden gestimmt haben, ist das okay. Tun Sie jetzt das, wovon Sie wissen, dass es richtig ist: Lassen Sie es Faustschläge hageln für das neue Oberhaupt des faschistischen Imperiums.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Don‘t fool yourself“ und wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzerteam](https://www.rubikon.news/kontakt) übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.


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