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Die Hätschel-Kinder

Die Hätschel-Kinder

In den Medien grassiert eine übertriebene Glorifizierung der Jugend.

Bereits vor über 2.300 Jahren soll der griechische Philosoph Platon (427 bis 347 v. Chr.) die Mitbürger in seinem Werk „Politeia“ (Der Staat) darauf hingewiesen haben, welche Folgen es für die Heranwachsenden selbst und für die demokratische Verfassung des Staates haben würde, wenn die Älteren, Väter wie Lehrer, die Jungen einfach gewähren lassen wie sie wollen, und sie nicht in den gemeinsamen Traditionen ihrer Gesellschaft und in den demokratischen und persönlichen Tugenden erziehen. Und schon vor Jahrzehnten erforschte die US-amerikanische Entwicklungspsychologin Diana Baumrind die förderlichen Bedingungen einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen.

Doch heutzutage wird medienwirksam eine aufsässige Jugend glorifiziert, die sich den Älteren gleichstellt, gegen sie in Wort und Tat auftritt, keine Unterordnung mehr verträgt und Gesetze verachtet.

Die Folgen sind absehbar, denkt man an ähnliche gesellschaftliche Experimente in der Vergangenheit. Platon brachte sie in „Politeia“ in wenigen Sätzen auf den Punkt.

Der Jugend Halt und Orientierung geben

Kinder und Jugendliche stehen im Laufe ihrer Entwicklung vor vielfältigen Anforderungen, die sie in der Regel gut bewältigen. Um aber die Lebensaufgaben mutig angehen zu können, ist der Heranwachsende auf die Einbettung in eine haltgebende Umwelt als Lebenswelt und in eine einbindende Kultur angewiesen. Halt und Orientierung erfährt er, wenn in der Familie Werthaltungen und Tugenden wie Mitmenschlichkeit, Friedensfähigkeit, Gemeinschaftssinn und Besonnenheit gelegt werden, die die gesellschaftlichen Institutionen wie Kindergarten und Schule verstärken und konsequent durchsetzen.

Auch die Beziehung zwischen den erwachsenen Orientierungspersonen einschließlich der Eltern und den Kindern und Jugendlichen ist für eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung von Heranwachsenden von ausschlaggebender Bedeutung. Diana Baumrind, weltbekannte Forscherin auf dem Gebiet der Kindererziehung hat bereits 1987 das adoleszente Risikoverhalten untersucht und kam aufgrund vieler Langzeitstudien zu zukunftsweisenden Ergebnissen:

„Ich habe dargelegt, dass Heranwachsende sozial kompetent und moralisch entwickelt sind, wenn sie ‚interdependent‘ (wechselseitig gebunden) funktionieren. Die Hauptaufgabe der Adoleszenz ist somit nicht die Bewegung weg von der familiären Abhängigkeit zur Unabhängigkeit, sondern vielmehr zur wechselseitigen Gebundenheit, der Interdependenz. Ich habe behauptet, dass Persönlichkeitsentwicklung (individuation) nicht die emotionale Distanzierung der Jugendlichen von ihren Eltern erfordert, sondern vielmehr ein Neuaushandeln von Rechten und Pflichten der Familienmitglieder. Schließlich habe ich festgestellt, dass die Persönlichkeitsbildung des Jugendlichen nicht nur durch einen innerlich sich vollziehenden moralischen und kognitiven Entwicklungsprozess erreicht wird, sondern durch eine aktive Bindung an einen Beruf oder die Schule, an Freunde und moralische Ideale“ (1).

Die Glorifizierung einer aufsässigen Jugend als neuer Hype

Selbstverständlich haben die Forschungsergebnisse von Diana Baumrind nach wie vor ihre Gültigkeit und Berechtigung. Doch heutzutage greift eine immer abgehobenere Glorifizierung aufsässiger Jugendlicher um sich, die von den Mainstream-Medien dankbar aufgegriffen und weiter verstärkt wird.

So sorgen seit Jahresbeginn Fridays-for-Future-Prozessionen während der Schulzeit für eine Hysterisierung der Klimadebatte und kirchliche Würdenträger setzen Greta Thunberg blasphemisch mit Jesus gleich. „Mich erinnern die Freitagsdemos ein wenig an die biblische Szene vom Einzug Jesu in Jerusalem“, sagte Bischof Koch mit Blick auf den Palmsonntag. Greta wird sogar vom Papst empfangen und überdies für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Vielleicht sollte man Bischof Koch das Bibelzitat Marcus 13, Vers 24 entgegenhalten:

„Wenn dann jemand zu euch sagt: Seht, hier ist der Messias, oder: Seht, dort ist er!, so glaubt es nicht! Denn es wird mancher falsche Messias und mancher falsche Prophet auftreten und sie werden Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, die Auserwählten irrezuführen. Ihr aber, seht euch vor! Ich habe euch alles vorausgesagt.“

Doch nicht nur der Hype um die Klima-Ikone Greta nimmt immer wahnhaftere Züge an. Generell lässt sich das Schüren eines Generationskonflikts beobachten, der den eh schon brüchigen Zusammenhalt der Gesellschaft sprengen wird: Die Jungen werden gegen die Alten ausgespielt.

Rentner werden inzwischen auf übelste Weise als „Friedhofsgemüse“ diskriminiert, denen man das Wahlrecht entziehen und den Führerschein abnehmen sollte, bevor man sie letztendlich zugunsten der zukunftswürdigen Jungen „entsorgt“.

Und kein Aufschrei geht durch die Bevölkerung!

Hat man in der Vergangenheit nicht schon des Öfteren die Jugend — entgegen jeglicher pädagogischen Verantwortung — für quasi höhere politische Ziele politisiert und instrumentalisiert? Ich denke dabei sowohl an die chinesische Kulturrevolution mit ihren verheerenden Folgen für das leidgeprüfte Volk als auch an die sogenannte 68er-Revolten in Europa, als man die Söhne gegen ihre Väter und das verhasste Establishment aufbrachte.

Wohin soll das Ganze führen? Wer sind die treibenden Kräfte? Wem beziehungsweise welcher politischen Partei zum Vorteil — Cui bono? Ist das inszenierte Chaos die „Schock-Strategie“ (Naomi Klein), die zu der „Neuen Weltordnung“ führen soll? Der wirtschaftliche Abschwung ist bereits weltweit in vollem Gange und die Welt gleicht inzwischen durchaus einem Irrenhaus, wie Sigmund Freud es nannte.

Doch die wichtigste Frage ist: Wie wirkt sich dieser irrationale, teils wahnhafte Hype um die Jugend auf die Betroffenen selbst aus und welche Folgen hat das für unsere Demokratie? In den USA nehmen sich inzwischen immer mehr Teenager und junge Erwachsene wegen Angstzuständen, Depressionen und wirtschaftlicher Not das Leben. Selbstmordstatistiken melden einen Höchststand von „Todesfällen aus Verzweiflung“ (2). Ein verstörender Weckruf an uns alle!

Dem griechischen Philosophen Platon, Schüler von Sokrates, wird der folgende fiktive, literarisch gestaltete Dialog zugeschrieben, in dem er sich über die aufsässige Jugend und die fatalen Folgen äußert, die ein verantwortungsloses Verhalten von Vätern und Lehrern nach sich zieht. Dem ist meines Erachtens auch aus heutiger Sicht nichts hinzufügen.

Der schöne, jungendfrohe Anfang der Tyrannei

„Wohlan, mein lieber Freund, wie steht es mit der Diktatur? Ist es nicht so, dass sich die Demokratie selber auflöst durch eine gewisse Unersättlichkeit in der Freiheit? Wenn sich die Väter daran gewöhnen, ihre Kinder einfach gewähren und laufen zu lassen, wie sie wollen und sich vor ihren erwachsenen Kindern geradezu fürchten, ein Wort zu reden, oder wenn die Söhne schon sein wollen wie die Väter, also ihre Eltern weder scheuen noch sich um ihre Worte kümmern, sich nichts mehr sagen lassen wollen, um ja recht erwachsen und selbständig zu erscheinen.

Und auch die Lehrer zittern bei solchen Verhältnissen vor ihren Schülern und schmeicheln ihnen lieber, statt sie sicher mit starker Hand auf einen geraden Wege zu führen, so dass die Schüler sich nichts mehr aus solchen Lehrern machen.

Überhaupt sind wir schon so weit, dass sich die Jüngeren den Älteren gleichstellen, ja gegen sie auftreten in Wort und Tat. Die Alten aber setzen sich unter die Jungen und suchen sich ihnen gefällig zu machen, indem sie ihre Albernheiten und Ungehörigkeiten übersehen oder gar daran teilnehmen, damit sie ja nicht den Anschein erwecken, als seien sie Spielverderber oder auf Autorität versessen.

Auf diese Weise werden die Seele und die Widerstandskraft aller Jungen allmählich mürbe. Sie werden aufsässig und können es schließlich nicht mehr vertragen, wenn man nur ein klein wenig Unterordnung von ihnen verlangt. Am Ende verachten sie dann auch die Gesetze, weil sie niemand und nichts mehr als Herr über sich anerkennen wollen.

Und das ist der schöne, jungendfrohe Anfang der Tyrannei“ (3).


Quellen und Anmerkungen:

(1) Baumrind, D. (1987). A Developmental Perspective on Adolescent Risk Taking in Contemporary America. In: Irwin, C.E. (ed): Adolescent Social Behavior and Health. New Directions for Child Development. San Francisco.
(2) “RT Deutsch” vom 24. Juni 2019: „Selbstmordrate unter jungen Erwachsenen in den USA auf Rekordniveau.“
(3) http://bgd1.com/archiv/udh073g3.html.


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