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Die Klimakatastrophe

Die Klimakatastrophe

Die globale Hitzewelle ist Symptom des Kollapses unserer Zivilisation.

Die extremen Wetterereignisse des Sommers 2018 sind nicht nur Symptome des Klima-Kollapses. Sie sind frühe Warnungen im langen Prozess des Zusammenbruchs der Zivilisation zu einer Zeit, in der die Industriegesellschaften bereits die ersten Symptome der Grenzüberschreitung eines gesunden Klimas erleben.

Diese Ereignisse geben uns einen Vorgeschmack darauf, was uns erwartet, wenn wir so weitermachen wie bisher. Sie lassen uns verstehen, wie industrielle Zivilisationen wegen sich zuspitzender Klimaeinflüsse zusammenbrechen können.

Und sie machen auch den dringenden Handlungsbedarf von Gemeinschaften auf der ganzen Welt deutlich: Sie müssen Schritte eines systemischen zivilisatorischen Übergangs in Richtung eines post-kapitalistischen Systems unternehmen, das nach dem Ende der fossilen Brennstoffe überleben und gedeihen kann.

Wir sind schon mitten in der Klima-„Katastrophe“.

Das extreme Wetter dieses Sommers hat uns die harte Realität offenbart. Die Klimakatastrophe wird nicht irgendwann in einer fernen, theoretischen Zukunft passieren.

Sie vollzieht sich hier und jetzt.

Dürren, die die Nahrungsmittelversorgung gefährden, Fluten in Japan, extreme Regenfälle im Osten der USA, Flächenbrände in Kalifornien, Schweden und Griechenland.

In Großbritannien mussten sich Urlauber in endlosen Warteschlangen anstellen, als sie den Kanal nach Frankreich überqueren wollten: Wegen der Hitzewelle waren die Klimaanlagen in den Zügen ausgefallen und Tausende von Menschen fünf Stunden lang ohne Trinkwasser in der 30°C-Hitze gestrandet.

Im südlichen Laos führten heftige Regenfälle zu einem Dammbruch, was zur Folge hatte, dass Tausende ihr Zuhause verloren und mehrere Dörfer überflutet wurden.

Derartige Berichte überschlugen sich fast und kamen aus der ganzen Welt.

Die meisten der traditionellen Medien berichteten über diese Ereignisse nicht als Symptome einer sich entwickelnden Klimakrise. Nur einige Kommentatoren wiesen darauf hin, dass die Geschehnisse mit dem Klimawandel zu tun haben könnten.

1° C wärmer schon seit 2015

Kein einziger räumte ein, dass diese extremen Wetterbedingungen mit der Tatsache zusammenhängen könnten, dass wir seit 2015 auf einem Planeten leben, der bereits etwa 1°C wärmer ist als die Durchschnittstemperatur in vorindustriellen Zeiten, und dass wir daher bereits heute – basierend auf den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen – in einem gefährlichen Klima leben.

Die Überschreitung des Wendepunktes von einem Grad bezeichnete der ehemalige leitende Klimawissenschaftler der NASA, James Hansen, als Maximum, unter dem das Klima noch sicher sei. Diesen März lagen die Kohlenstoffkonzentrationen in der Atmosphäre bei 400 ppm (Anteile pro Million) – das sind die höchsten Werte seit Beginn der Aufzeichnungen.
Und schon wieder ist das sichere Maximum, das Hansen und seine Kollegen genannt hatten, nämlich 350 ppm, bereits überschritten.

Diese bedenklichen klimatischen Meilensteine sind jedoch einer nach dem anderen überschritten worden, ohne dass man auch nur ein Murmeln der traditionellen sowie der alternativen Medien gehört hätte.

Die jüngste Häufung katastrophaler Ereignisse ist nicht einfach nur eine Aneinanderreihung von Anomalien. Sie sind die neuesten Vorboten eines klimatischen Systems, das immer mehr aus dem Gleichgewicht gerät – eines Systems, das durch den industriellen Raubbau an den natürlichen Rohstoffen schon vor Jahrhunderten einen tödlichen Schlag erhielt, der es aus der Bahn warf.

Unser Sinnstiftungsapparat ist kaputt.

Der Mechanismus, mithilfe dessen wir die Welt verstehen, – der globale medial-industrielle Komplex (ein Netzwerk von Medienportalen sowohl traditioneller Konzernmedien als auch alternativer Kanäle) – hat jedoch größtenteils dabei versagt, der großen Mehrheit der menschlichen Bevölkerung diese krasse Realität zu vermitteln.

Wir sind uns meist nicht darüber im Klaren, dass der Klimawandel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, hervorgerufen durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe, bereits verheerende Folgen für das regionale Klima der Subsahara-Regionen Afrikas hatte; und die zerstörerischen Auswirkungen auf die Wettersysteme rund um die Welt spitzen sich immer weiter zu.

Die Tatsache, die man uns vorenthält, ist folgende: Was wir heute erleben, sind die besorgniserregenden Folgen davon, einen Planeten zu bewohnen, auf dem die globalen durchschnittlichen Temperaturen etwa 1 Grad Celsius höher sind als die Norm in vorindustriellen Zeiten.

Wir amüsieren uns zu Tode

Anstatt sich nun mit dieser fundamentalen existentiellen Bedrohung der menschlichen Spezies auseinanderzusetzen – einer Bedrohung, die in ihren potenziell tödlichen Folgen Ausdruck des Bankrotts der vorherrschenden Paradigmen sozialer, politischer und ökonomischer Organisation ist (sowie der dazugehörigen Ideologie und Wertesysteme) –, ist der globale medial-industrielle Komplex traurigerweise bestrebt, das Bewusstsein und Verhalten der Menschen auf konsumorientierte Banalitäten zu lenken.

Bestenfalls konzentriert er sich darauf, uns in nutzlose, polarisierende Links-Rechts-Dichotomien und verschiedene Arten impotenter Empörung zu verstricken. Diese sollen uns davon abhalten, transformative systemische Maßnahmen zu ergreifen, zum einen innerlich, also in und durch uns selbst, was Verhaltensweisen, Psychologien, Überzeugungen, Werte, Bewusstsein und Geist einschließt; zum anderen äußerlich, also in unseren Beziehungen sowie unseren strukturell-institutionellen und sozio-kulturellen Zusammenhängen.

Kollaps tritt ein, wenn das System überfordert ist.

Dies alles führt zum Beginn eines zivilisatorischen Zusammenbruchs. In jedem der genannten Fälle sehen wir, wie durch den Klimawandel verursachte extreme Wetterverhältnisse unvorhergesehene Bedingungen schaffen, für die internationale, nationale und lokale Institutionen leider keinerlei Vorkehrungen getroffen haben.

Um reagieren zu können, sind enorme neue Mittel erforderlich, unter anderem, um im Notfall Menschen schnell evakuieren zu können und ebenso für robustere Anpassungen, die das „nächste Mal“ widerstandsfähiger sein könnten.

In Wirklichkeit aber versagen wir schon jetzt dabei, den Anstieg der Temperaturen abzuwenden — und zwar nicht nur um gefährliche 2 Grad Celsius (stellen Sie sich Jahr für Jahr eine Verdoppelung der Intensität der diesjährigen Ereignisse vor), sondern möglicherweise sogar um 8 Grad Celsius. Dies hätte katastrophale Folgen, weil dann ein großer Teil unseres Planeten unbewohnbar würde.

In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie sich ein kontinuierlicher Zusammenbruch vollziehen könnte. Ein solcher Prozess des Kollabierens bedeutet aber nicht an sich „das Ende der Welt“ oder auch einfach nur das Verschwinden der Zivilisation.

Steigende Kosten

Es bedeutet tatsächlich, dass bestimmte politische, ökonomische, soziale, militärische und andere institutionelle Systeme wahrscheinlich mehr und mehr von den steigenden Kosten überfordert werden, wenn sie mit völlig unberechenbaren und unwägbaren Wetterbedingungen konfrontiert werden.

Nicht vergessen dürfen wir hier die Tatsache, dass parallel zu diesem Kostenanstieg sinkende Einkommen zu erwarten sind – infolge unseres fortwährenden Raubbaus an den Ressourcen wie fossilen Brennstoffen und anderen natürlichen Rohstoffen unseres Planeten.

Anders gesagt bedeutet ein „weiter so“ in den kommenden Jahrzehnten ein schwaches oder gar schrumpfendes Wirtschaftswachstum, neben steigenden Kosten für den Verbrauch fossiler Brennstoffe. Verschlimmert wird dies durch exponentiell steigende Ausgaben für die sich verschärfenden Klimafolgen, wenn diese die bewohnbare Infrastruktur der industriellen Zivilisation, wie wir sie kennen, immer weiter aushöhlen, bis sie schließlich zerstört ist.

Kollaps-Zyklus

Der Zusammenbruch wird in diesem Szenario nicht als endgültiges Punktereignis eintreten. Eher wird der Kollaps aus einer Reihe einzelner, aber aufeinander folgender, vernetzter und sich gegenseitig verstärkender sowie verschlimmernder Feedback-Prozesse bestehen.

Ein Zusammenbruch des Erdsystems (ESD, Earth System Disruption), also die physikalischen Prozesse eines klimatischen, energetischen und ökologischen Kollapses, führt verstärkt zu einer Destabilisierung des menschlichen Systems (HSD, Human System Destabilization). Diese Destabilisierung wiederum hemmt unsere Fähigkeiten, sinnvoll auf die Bedingungen des Erdsystemzusammenbruchs zu reagieren und uns ihm anzupassen. Währenddessen verschlechtert sich der ESD zusehends und verstärkt die HSD. Dieser Zyklus setzt sich als selbstverstärkende und -erweiternde Feedback-Schleife fort, und jede Runde beinhaltet einen Prozess des Kollabierens.

Dieses Modell habe ich in meiner Springer Energy Briefs-Studie „Failing States, Collapse Systems“ entwickelt. Es zeigt, dass die Art des Zusammenbruches, den wir in den kommenden Jahren wahrscheinlich erleben werden, ein lang anhaltender, zyklischer Prozess sein wird, der sich mit jeder Runde verschlimmert. Es ist kein endgültiger Prozess, und er ist auch nicht unabwendbar. An jedem kritischen Punkt wird es noch immer möglich sein, einzugreifen, um zu lindern, zu verbessern, anzupassen oder anzuhalten. Das wird aber immer schwieriger werden, je tiefer wir in den Kollaps-Zyklus geraten.

Die Hölle sind die anderen

Die Fähigkeit der vorherrschenden zivilisatorischen Struktur, zu verstehen, was gerade passiert, nimmt mit dem Fortschreiten des Kollapses ab. Das ist ein Hauptsymptom dieses Zusammenbruchs.

Wir können sehen, dass die Spezies Mensch – weit davon entfernt, aufzuwachen und aktiv zu werden – sich lieber zwanghaft mit geopolitischen und ökonomischen Konkurrenzkämpfen beschäftigt, mit unsinnigen Akten der „Selbst“-Erhaltung (bei denen das „Selbst“ völlig fehlinterpretiert wird) und der Projektion von Problemen auf den „Anderen“.

Ein Beweis dafür, wie tückisch dies alles ist, liegt in Ihnen selbst. Überprüfen Sie einmal, wie sich Ihre kritischen Gedanken nicht auf Sie selbst oder jene, mit denen Sie sich identifizieren, richten, sondern um jenes und jene kreisen, die Sie ablehnen und als „schief gewickelt“ betrachten.

Die wesentliche Voraussetzung dafür, wirkungsvoll aktiv zu werden, ist, dass jeder von uns diese Prozesse radikal unterläuft und hinterfragt – sowohl introspektiv als auch durch sein äußeres Handeln.

Die Veränderung beginnt bei uns selbst

Unsere Aufgabe ist es, selbst zu Keimzellen dieser neuen, möglichen zivilisatorischen Form zu werden. „Eine andere Welt“, die geboren werden möchte, nicht auf eine weit entfernte „Revolution“ in der Zukunft zu verschieben, sondern hier und jetzt durch die Veränderungen zu ermöglichen, die wir in uns selbst und an unserer Umgebung vornehmen. Das ist die Aufgabe, die nun vor uns liegt.

Zuerst erwachen wir. Wir erwachen zu der Wirklichkeit dessen, was gerade in der Welt passiert. Dann erwachen wir zu unserer eigenen Mitschuld in dieser Wirklichkeit und stellen uns der raffinierten Selbsttäuschung, mit der wir diese Mitschuld vor uns selbst leugnen.

Dann bemühen wir uns, wieder aktiv zu werden und diese Mittäter-Verstrickungen – wo möglich – zu lösen und neue Muster für Arbeit und Freizeit zu entwickeln, die uns wieder mit der Erde und dem Kosmos verbinden. Und wir geben uns Mühe, unsere neuen Muster mit den neuen Mustern anderer zu verbinden, mit dem Ziel, die Keimzellen-Netzwerke im nächsten System einzupflanzen – ein System, das nicht so sehr „demnächst“ sein wird, sondern hier und jetzt, geboren aus den Entscheidungen, die wir täglich treffen.

Also … willkommen. Willkommen auf einem um 1 Grad Celsius erwärmten Planeten. Willkommen zu dem Kampf, der uns vor uns selbst retten wird.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Global heatwave is symptom of early stage cycle of civilisational collapse". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.


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