Krisen, Kriege, Aufrüstung — gerade jetzt brauchen wir eine starke Friedensbewegung. Doch was wir erleben, ist Zersplitterung. Unsere Bewegung ist gespalten — in Gruppen, Initiativen, Einzelpersonen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Ideologien und Aktionsformen.
Wie erreichen wir es, die Zersplitterung der Friedensbewegung zu überwinden? Und was kann jeder Einzelne dafür tun?
Ja, es wäre leicht zu antworten: Wir müssen miteinander reden, analysieren: Wo sind denn die Differenzen? Wir sollten runde Tische veranstalten, und so weiter und so fort.
Aber halt, genau das nicht!
Denn das wäre Selbstbeschäftigung. Und davon haben wir wirklich genug. Sitzungen, Gremien, Reden, runde Tische, Diskussionen — all das fühlt sich wichtig an, streichelt aber oft nur unser Ego.
Die Friedensbewegung ist zersplittert, WEIL wir uns in dieser Selbstbeschäftigung verlieren, uns in Details verzetteln und über Kleinigkeiten streiten, während das Gemeinsame aus dem Blick gerät.
Die Logik, die für mich daraus folgt, ist ein Ende unserer Selbstbeschäftigung.
Unsere Unterschiede als Wert begreifen
Könnte es sein, dass die Voraussetzung für eine starke Friedensbewegung sogar genau darin liegt, mit unseren eigenen Widersprüchen zu leben?
Warum nicht unsere Unterschiede als Wert begreifen? Streit und Widersprüche innerhalb der Friedensbewegung — wir hätten damit immerhin der Landschaft der Altparteien und Mainstreammedien etwas voraus: echte Vielfalt, offener Meinungsstreit statt verordnetem Konsens. Ist es nicht das, was unserem Land fehlt? Ja, ich fände es schön, wenn wir von oben auf uns schauen und eine Vielzahl an Richtungen und Meinungen sehen. Das ist unser Reichtum.
Handeln ist das Gegenteil von Selbstbeschäftigung
Für ein gemeinsames Handeln genügt ein einziges Ziel, auf das wir uns für diesen Moment einigen können: „Diplomatie statt Waffen“ zum Beispiel.
Gemeinsame Aktionen schaffen Verbindung und haben das Potenzial, „uns zu einen“. Wenn wir nach außen wirken, werden wir durch das vereint, wofür wir stehen. Nicht weil wir gleich denken, sondern weil wir gleich handeln — sichtbar für andere.
Wer handelt, hat keine Zeit für ideologisches Hickhack. Wer handelt, hat kein Interesse an Zersplitterung. Denn wir stoßen alle an die gleiche Ablehnung oder Freundlichkeit in der Bevölkerung, die gleiche Erschöpfung und die Notwendigkeit, uns zu helfen und anzuerkennen. Wir brauchen uns. Aber das erleben wir nicht in der Theorie, sondern in der Praxis.
Die Einheit der Friedensbewegung liegt nicht in sich selbst. Im Blick nach außen liegt die Verbindung.
Einheit ist kein Dauerzustand, sondern eher eine Illusion — besonders wenn wir nur an eine einheitliche Denkweise glauben.
Wenn wir in der Friedensbewegung nach Einheit suchen, dann blicken wir in die falsche Richtung. Wir schauen nach innen auf uns: Was trennt uns? Was verbindet uns? Wer hat recht? Wer darf sprechen? Aber vielleicht ist das ein Irrtum.
Vielleicht finden wir unsere Gemeinsamkeit eben nicht in unseren Positionen, Glaubenssätzen, Manifesten — was wir denken und glauben —, sondern draußen. Bei den Kindern, die Frieden brauchen, um wachsen zu können. Bei den Alten, die wissen, was Krieg bedeutet. Bei den Eltern, die keine Waffenexporte finanzieren wollen. Bei den Jugendlichen, die eine Zukunft ohne Uniform brauchen und das vielleicht selbst nicht einmal wissen.
Solange wir uns anschauen, sehen wir Unterschiede: Haltungen, Methoden, Egos. Statt uns um uns selbst zu drehen, stellen wir doch einfach DIE in den Mittelpunkt unserer Friedensbewegung, um die es eigentlich geht: die Menschen, die in unserem Land leben. Die Einheit der Friedensbewegung liegt nicht in sich selbst, sondern in den Menschen, für die sie aktiv sein will. Die Mütter, Väter, erwachsenen Jugendlichen sind unser Spiegel, unser Maßstab. Sie sind Wahrheit, Realität.
Ja, werden wir uns doch bewusst, dass wir selbst auch alle zuerst Väter, Mütter, Großeltern und selbst Kinder von Eltern sind; und erst danach sind wir Querdenker, Kommunisten oder Parteimitglieder.
Vielleicht wäre also die stärkste Form von Einigkeit eine Bewegung, die sich nicht um sich selbst dreht, sondern um das Leben draußen.
Wahrheit, die sich nie verändert, wird zur Parole
Das ständige Teilen von Informationen vermittelt uns oft nur das Gefühl, bereits gehandelt zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. Auch Demonstrationen können zur Illusion von Handeln werden.
Viele glauben, sie seien wach, doch sie leben noch in ihrem Denken von 2022, 2015 oder wann auch immer. Manche stehen noch auf „ihrer Demo", mit denselben Attitüden. Nicht die Themen sind falsch — eine Aufarbeitung der Coronazeit beispielsweise ist dringend nötig —, aber viele handeln eben nicht mehr im Sinne von Veränderung; sie haben einfach nur noch recht. Und daran klammern sie sich.
Durchhalten ist nicht handeln. Rechthaben ist nicht handeln. Videos zu posten ist sehr selten handeln. Und egal wie viel jeder von uns weiß — und ja, sogar auch recht hat: Streichen wir’s weg. Es ist (auch) unsere Komfortzone. Und alles, was wir heute noch genauso behaupten wie vor drei Jahren, ohne es immer wieder zu überprüfen, ist kein Ausdruck von Wahrheit — sondern von fehlender Veränderung.
Raus aus unseren politischen Komfortzonen
Wir alle haben unsere politischen Komfortzonen, in denen wir recht haben, uns aber nicht mehr in Frage stellen müssen.
Die „traditionelle“ Friedensbewegung ist oft veraltet in Form, Sprache, Stil — pathetisch, akademisch, aber nicht alltagsnah. Sie steckt fest in ihrer Komfortzone — in den vertrauten Worten, Symbolen, festgefahrenen Ritualen, im Elfenbeinturm eines angelesenen Wissens. Innerhalb dieser Komfortzone hat sie immer recht. Und muss ihre Wahrheit doch nie überprüfen lassen.
Raus aus der Komfortzone unserer eigenen politischen Weltanschauungen und Überzeugungen! Genau das ist es, was auch jeder Einzelne tun kann.
Das kann der Mut sein, den ersten Satz ins Mikrofon zu sprechen. Das kann der bewusste Schritt sein, nicht mehr zur vertrauten Demo zu gehen. Es kann bedeuten, sich auf ein Thema einzulassen, von dem du (noch) nichts weißt. Oder einfach ein Gespräch mit dem Nachbarn zu beginnen — gerade mit dem, von dem du weißt, dass er anderer Meinung ist.
Stellen wir unser Rechthaben unter Beweis, probieren wir unser Wissen aus und schauen, was es wert ist — prüfen wir zusammen und gemeinsam, ob die Realität der Menschen in unserem Land damit übereinstimmt!

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