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Die Verleumdung

Die Verleumdung

Osteuropa-Politiker sollten „Russlandversteher“ sein. Exklusivabdruck aus „Krieg und Frieden in den Medien“.

Ein Kardinalfehler in Politik und Medien besteht darin, Momentaufnahmen als Realität zu verkaufen. Realität ist immer ein Prozess. Um Realität zu begreifen, ist es notwendig, über Chronologie Bescheid zu wissen. Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln. Zumindest zu versuchen herauszufinden, wer in einer Angelegenheit agiert und wer reagiert.

Mit anderen Worten: zu verstehen was Sache ist.

Es ist absurd, dass „Russlandversteher“ in Deutschland und einigen anderen westlichen Ländern zum Schimpfwort geworden ist und zur Ausgrenzung taugt.

Wer versteht, im Sinne von begreifen, der hat wenigstens die Chance, richtige Entscheidungen zu treffen. Wer von falschen Voraussetzungen ausgeht, der trifft auch falsche Entscheidungen. In der Wirtschaft kosten falsche Entscheidungen Geld, in der Politik hin und wieder den Frieden.

Ein zentraler Begriff im Journalismus ist das große Wort „Wahrheit“. Diesem Begriff begegne ich mit großem Respekt. Was ist die Wahrheit? Gibt es die überhaupt? Eher nicht. Es ist alles eine Frage der Wahrnehmung. Das lässt sich auch gut belegen, wenn man zum Beispiel in verschiedenen Nachrichtensendungen Berichte zum selben Thema vergleicht, nach denen beim Zuschauer nahezu konträre Eindrücke hängen bleiben, obwohl in den Berichten selbst nicht wirklich gelogen wurde, nur anders wahrgenommen.

Wie man etwas wahrnimmt, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Unter anderem auch von der Entfernung zum Objekt.

Mal ganz handfest. Ein Berggipfel, der in seiner charakteristischen Form das Panorama einer Landschaft beherrscht, ist oftmals am Fuße des Massivs gar nicht zu erkennen — und doch ist es derselbe Berg.

Wer akzeptiert — in diesem und im übertragenen Sinne — dass unterschiedliche Standorte zu unterschiedlichen Wahrnehmungen führen, dass dasselbe Ding von nahem anders aussieht als von weitem, der wird zustimmen, dass beide Betrachter den Berg „richtig“ und „wahrhaftig“ sehen: der eine mit, der andere ohne Gipfel.

Diese Zusammenhänge zu verstehen und unterschiedliche Wahrnehmungen zu akzeptieren — darin liegt nach meinem Eindruck ein wesentlicher Schlüssel zur Lösung tatsächlicher Probleme, statt sie immer weiter zu eskalieren, indem man darauf besteht, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein.

Heutzutage nennt man das „Narrativ“. Das westliche Narrativ lautet: Russland hat die Krim annektiert und damit die europäische Sicherheitsarchitektur verletzt. Das russische Narrativ lautet: das war keine Annexion, sondern eine Sezession, eine Abspaltung, legitimiert durch ein Referendum, in dem sich die überwältigende Mehrheit der Krimbevölkerung genau dafür ausgesprochen hat.

Und was die Verletzung der europäischen Sicherheitsarchitektur betrifft — die ist bereits Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts durch die NATO passiert, als sie Serbien bombardiert hat.

Das „Normale“ wäre — mit Blick auf das theoretisch formulierte Selbstverständnis unserer Gesellschaft — dass man über all das diskutieren und streiten kann. So gehört sich das in einer demokratischen Gesellschaft. So ist es aber nicht.

Die Formulierung „völkerrechtswidrige Annexion der Krim“ ist zur Standardformel geworden, die in keiner politischen Rede fehlen darf, und wehe wenn doch.

Da die Krim zurzeit eines der größten Hindernisse ist auf dem Weg zu normalen guten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, möchte ich auf dieses Thema ausführlicher eingehen. Fakt ist, dass die Krim eine sehr wechselvolle Geschichte hinter sich hat, aber — sozusagen „seit ewigen Zeiten“ russisch ist. Nikita Chruschtschow hat 1954 die Krim der damaligen Sowjetrepublik Ukraine geschenkt. Chruschtschow war der Ukraine sehr verbunden.

Als die Sowjetunion 1991 zerfiel, war das große und heikle Problem die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte: die lag ja auf beziehungsweise an der Krim und die gehörte ja nun seit Chruschtschow zur Ukraine, was innerhalb der SU keine große Rolle spielte. Aber jetzt wurde die Ukraine ein selbständiger Staat, wurde Ausland, und war auf den Nachbarn Russland alles andere als gut zu sprechen.

Es bedurfte intelligenter internationaler Verhandlungen, um zu einer Lösung zu kommen, die dann folgendermaßen aussah: Die Krim erhält einen speziellen Status, der es ermöglichte, dass die russische Flotte dort bleiben konnte. Das hat über die Jahre mehr oder weniger gut funktioniert.

Das kann natürlich dann nicht mehr funktionieren, wenn sich die geopolitische Lage der Ukraine dramatisch verändert. Und wie naiv oder arrogant muss man eigentlich sein, um diese Zusammenhänge im Vorfeld eines EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine nicht im Blickfeld zu haben. Ein Abkommen, das auch militärische Zusammenarbeit vorsieht; die entsprechenden Artikel haben die meisten geflissentlich übersehen.

Jetzt sprechen alle von Völkerrechtsverletzung und Annexion. So einfach ist die Geschichte nicht. Ich will Sie nicht verwirren, aber die folgende Aufzählung soll Ihnen zeigen, wie vielschichtig dieses Thema ist, das sich wahrlich nicht für reißerische Schlagzeilen eignet.

  • Hat Russland völkerrechtliche Ansprüche der Ukraine verletzt? JA.
  • Hat Russland die Krim annektiert? NEIN.
  • Waren Referendum und Abspaltung der Krim völkerrechtswidrig? NEIN.
  • War es also rechtens? NEIN. (Das verstieß gegen die ukrainische Verfassung, aber das ist keine Frage des Völkerrechts.)
  • Hätte Russland den Beitritt der Krim ablehnen müssen? NEIN. (Denn was hat Russland mit der ukrainischen Verfassung zu tun?)
  • Hat Russland also völkerrechtsgemäß gehandelt? NEIN, denn die militärische Präsenz auf der Krim außerhalb der Pachtgebiete war völkerrechtswidrig, da hatten die Russen (das russische Militär) nichts zu suchen.
  • Folgt daraus also, dass die Abspaltung der Krim null und nichtig war und deshalb der Beitritt zu Russland im Grunde doch eine Annexion war? NEIN (1).

Ich werde jetzt versuchen, das aufzulösen, und es ist deshalb so wichtig, weil der Begriff Annexion eine so schwerwiegende Bedeutung hat. Eine Annexion bietet der internationalen Völkergemeinschaft das Recht, militärisch einzugreifen. Ansonsten ist das Völkerrecht auf Gewaltverbot ausgerichtet, aber bei einer Annexion kann das grundsätzlich geltende Gewaltverbot ganz legal ausgehebelt werden.

Sie erinnern sich vielleicht an die Situation 1991, als der Irak unter Saddam Hussein Kuwait annektiert hat. Das war eine klassische Annexion. (Obwohl die Einzelheiten auch komplizierter waren, als es auf den ersten Blick scheint.) Aber die Iraker sind einmarschiert und haben sich fremdes Staatsgebiet einverleibt. Wozu das geführt hat, wissen wir alle: zu einem massiven Militärschlag gegen den Irak, zum Krieg. Es empfiehlt sich also, mit Sprache und Begrifflichkeiten präzise umzugehen.

Von Politikern ist das nicht unbedingt zu erwarten — das will ich gar nicht als Vorwurf verstanden wissen, Politik ist ein ganz eigenes Feld. Aber von Journalisten muss es erwartet werden, wenn wir Journalismus in unserem demokratischen System als Kontrollinstanz verstehen. Sonst machen wir auch nichts anderes als das Nachplappern politischer Statements. Dafür braucht man keine Journalisten.

Völkerrechtlich betrachtet war das, was sich auf der Krim abgespielt hat, eine Sezession, eine Abspaltung, eine Unabhängigkeitserklärung, bestätigt durch ein Referendum. Als das alles gelaufen war, hat die Krim die Aufnahme in die Russische Föderation beantragt und Moskau hat zugestimmt.

Bei aller Kritik und bei allem Unbehagen — es war keine gewaltsame räuberische Landnahme, in dem Sinne also keine Annexion und das ist deshalb so wichtig — ich wiederhole das gerne — weil Annexion die Internationale Gemeinschaft streng genommen zu kriegerischem Einsatz ermächtigt.

Jetzt zu den Begriffen Sezession und Referendum. Sezessionskonflikte sind eine Angelegenheit nationalen Rechts und nicht internationalen Rechts. Wenn sich in Spanien die Katalanen abspalten wollen, dann verstößt das gegen spanisches Recht, aber nicht gegen Völkerrecht. Da kommt Sezession nämlich überhaupt nicht vor. Deshalb seien Sie skeptisch, wenn Ihnen jemand erzählen will, das Völkerrecht verbiete Sezession. Sezession ist kein Gegenstand des Völkerrechts, es ist weder ausdrücklich erlaubt noch verboten, es kommt einfach „normativ“ nicht vor. Und das ist logisch. Und letztlich ganz einfach zu erklären.

Der entscheidende Unterschied zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht besteht darin, dass Legislative und Exekutive im Völkerrecht im Grunde identisch sind. DIE Staaten geben sich Regeln und DIE Staaten sorgen für die Einhaltung (oder eben auch nicht).

Es liegt auf der Hand, dass es nicht im Interesse von Staaten ist, quasi ihr eigenes Territorium zur Disposition zu stellen, deshalb ist Sezession im Völkerrecht nicht ausdrücklich erlaubt. … bloß nicht dran rühren … Es ist allerdings auch nicht ausdrücklich verboten, denn das würde ja dem allgemein anerkannten Prinzip auf Selbstbestimmung massiv widersprechen. DAS kommt nämlich im Völkerrecht vor.

Und jetzt wieder auf die Krim bezogen.

Wenn man sagt: das Völkerrecht gibt der Krimbevölkerung nicht das Recht zur Sezession, dann stimmt das, (Sezession ist ja kein Gegenstand des Völkerrechts) aber der Schluss, das Verhalten ist somit völkerrechtswidrig — der stimmt eben nicht. Doch damit lässt sich hervorragend Politik machen.

Und um das zu erklären — dazu sind Journalisten in unserem System da. Wenn Ihnen jetzt die Frage auf der Zunge liegt: Und was war mit der völkerrechtswidrigen Militärpräsenz Russlands auf der Krim?

Die „Zwangswirkung“ der russischen Militärpräsenz bezog sich weder auf die Erklärung der Unabhängigkeit noch auf das nachfolgende Referendum. Die russische Militärpräsenz sorgte lediglich dafür, dass die ukrainischen Soldaten (die ja auch dort stationiert waren) in ihren Kasernen bleiben mussten und das Referendum nicht verhindern konnten. Auf den Ausgang des Referendums nahm das russische Militär nachweislich keinen Einfluss.

Wenn Sie so wollen: Adressaten der Gewaltandrohung waren nicht die Bürger der Krim sondern die Soldaten der ukrainischen Armee. Selbst diejenigen, die immer wieder von Annexion reden, geben ja wenigstens zu, dass die Stimmungslage auf der Krim eben so ist, wie es das Referendum gezeigt hat.

Noch kurz zu Zahlen: nach den entsprechenden Verträgen durfte Russland 25.000 Soldaten auf der Krim stationieren. Im Februar 2014 waren aber nur 16.000 Mann dort, das heißt, innerhalb kürzester Zeit hat man 9.000 Soldaten eingeflogen. Das sieht natürlich martialisch aus, bewegt sich aber eindeutig im vertraglich festgelegten Rahmen.

Nichtsdestotrotz — zurück zum Völkerrecht — die russische Militärpräsenz außerhalb der Kasernen, um ihre ukrainischen Kollegen daran zu hindern, ihrerseits die Kasernen zu verlassen, war völkerrechtswidrig. Das hat aber nichts mit der Bewertung des Referendums zu tun. — Es ist leider nicht unkomplizierter.

In diesen Zusammenhang passt eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs aus dem Jahre 2010. Der sollte nämlich darüber entscheiden, ob die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo rechtens war. Und er hat entschieden, dass einseitige Unabhängigkeitserklärungen völkerrechtlich nicht verboten sind. Selbst wenn sie ohne Referendum abgewickelt wurden, so wie im Kosovo. Da hat es kein Referendum gegeben.

Soviel zum Thema zweierlei Maß, sobald Russland involviert ist. Am Beispiel Ukraine — und nicht nur da, bei Syrien geht das genauso gut — lässt sich dieser Mechanismus — hier die Guten dort die Bösen — nahezu ständig beobachten.

Nehmen wir das Abkommen, das unter dem Namen Minsk 2 bekannt ist. In den Nachrichten wird neben der Krim als Grund für die Fortdauer der Sanktionen immer das Minsker Abkommen genannt, das die Russen partout nicht umsetzen wollen. Von den Punkten, die von der Ukraine längst hätten umgesetzt werden müssen, da stehen sogar konkrete Daten im Vertrag, spricht kaum jemand. Und von Sanktionen ist schon gar keine Rede. Im Gegenteil. Enorme Geldsummen zum sogenannten demokratischen Aufbau fließen weiter nach Kiew und Kiew wäre ja dumm, sich gegen massive innenpolitische Widerstände um das Minsker Abkommen zu kümmern, wenn es doch auch so keinerlei Nachteile zu erwarten hat.

Es lohnt sich auch auf Sprache in der Berichterstattung zu achten. Sprache kann so entlarvend sein. Nehmen Sie die folgenden Begriffe: Rebell, Freiheitskämpfer, Separatist, Terrorist. Diese Bezeichnungen haben nichts mit Geografie zu tun, werden aber meist so verwandt, als hätten sie.

Und schließlich: wenn bei einem Blutbad die Täter nicht ins Bild passen, kommt der Vorfall in der Berichterstattung erst gar nicht oder allenfalls am Rande vor, während „normalerweise“ Sondersendungen ins Programm gehievt werden. So zum Beispiel bei einem Vorfall am 2. Mai 2014 in der südukrainischen Stadt Odessa, wo je nach Quelle zwischen 48 und 100 Menschen ums Leben kamen. Bei den Opfern handelte es sich um sogenannte „prorussische Separatisten“.

Zurück auf die politische Ebene und zur Frage: Was läuft da falsch?

Ein Grundproblem besteht darin, dass der Westen es verpasst hat, Russland geostrategisch rechtzeitig einzubeziehen. Die durchaus Erfolg versprechende Idee eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes von Wladiwostok bis Lissabon ist nicht ernsthaft verfolgt worden.

Eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur, nachdem sich der Warschauer Pakt — der Gegenspieler der NATO — aufgelöst hatte, wurde nie ernsthaft verfolgt, denn der Westen hatte ja den Kalten Krieg „gewonnen“, wie es immer hieß. (Ein „Kalter Krieg“ ist nur dann vorbei, wenn sich beide Seiten als Gewinner fühlen dürfen, sonst ist er nicht wirklich vorbei.)

Es war aus meiner Sicht auch ein katastrophaler Fehler, den neu hinzugekommenen Mitgliedern der EU — zum Beispiel Polen und den baltischen Staaten — das Sagen in der europäischen Außenpolitik gegenüber Russland überlassen zu haben. Moskau funktioniert für diese Länder immer noch als Synonym für die alte Sowjetunion und schlimme Erinnerungen an sowjetische Zeiten. Aber so macht man keine zukunftsorientierte Friedenspolitik.

Es sind neben den USA genau diese Länder, die am heftigsten nach Sanktionen verlangt haben und es auch weiter tun. Und Deutschland ist in der misslichen Lage, mit Blick auf diese Länder — Polen und die baltischen Staaten — mit einem historisch belasteten schlechten Gewissen herumzulaufen, was es nicht leichter macht, deutliche Worte zu finden.

Wobei — auch das sei an dieser Stelle erwähnt — offenbar führt die historische deutsche Schuld mit Blick auf 27 Millionen Tote in der Sowjetunion durch den Zweiten Weltkrieg nicht zu vergleichbaren Rücksichten. Aber das ist ein eigenes Thema.

Wohin soll die Strategie der Bestrafung Russlands führen? Dieser Strategie fehlt ein realistisches Ziel. Wirtschaftlicher Schaden — ja, und dann? Was soll erreicht werden? Ein destabilisiertes Russland? Gar Regime-Change? Was ja schon in wesentlich kleineren politisch unbedeutenden Ländern nicht funktioniert hat. Interessiert heute noch irgendjemand, wie es in Libyen aussieht? Allenfalls wegen der zusätzlichen Flüchtlinge …

Die Folgen der Sanktionspolitik für westliche und südliche Nachbarn Russlands (von Weißrussland über Armenien bis Tadschikistan) — hat das irgendjemand im Blick? Wem nützt eine Destabilisierung der gesamten Region?

Die harte Sanktionspolitik, mit Hilfe moralischer Kategorien eingefordert, diese Sanktionspolitik löst kein einziges Problem, sondern verschärft die Lage, weil sich niemand ernsthaft darüber Gedanken gemacht hat, wie man ohne Gesichtsverlust aus der Eskalationsspirale wieder herauskommt. Den Schaden haben die Länder der EU — unterschiedlich stark ausgeprägt — und Russland.

Es gibt leider seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion keine Strategie, wie man mit Russland umgehen soll. Das ist Teil des Problems. Wichtig wäre gewesen, Russland nach 1990 in eine neue Wirtschafts- und Sicherheitsarchitektur einzubeziehen.

Das Stichwort, um nach vorne zu schauen, heißt: „Partner auf Augenhöhe“.

Wenn Friedenspolitik funktionieren soll, dann braucht man aufgeklärte Menschen, die sich nicht alles gefallen lassen, die sich wehren, die die Möglichkeiten in ihrer freien Gesellschaft nutzen, sich zu Wort zu melden. Und die nicht aufhören Fragen zu stellen. Zum Beispiel diese:

Warum handeln Deutschland und weite Teile der EU so gnadenlos gegen die eigenen Interessen? Warum? Ich würde Ihnen gerne eine belastbare Antwort geben, aber ich finde keine vernünftige.

Aber eins weiß ich. Wenn Menschen direkt miteinander zu tun haben, dann haben sie die Chance, sich besser kennen zu lernen, sich im besten Falle zu vertrauen, und die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, gemeinsam etwas lösen oder bewältigen zu wollen.

Insofern ist die beste Investition in Friedenspolitik: Jugendaustausch auf allen möglichen Ebenen. Das ist wie eine Art Schutzimpfung gegen Borniertheit, gegen Stereotype und auch gegen etablierte Feindbilder.

Das Folgende richtet sich besonders an die jungen Menschen im Publikum. Hören Sie nicht auf zu fragen, zu bohren, gehen Sie den Dingen auf den Grund, so gut Sie können, geben Sie sich nie mit allzu einfachen Antworten zufrieden, misstrauen Sie der simplen Einteilung in Gut und Böse — ich weiß, es ist bequem, man fühlt sich besser, wenn man auf der richtigen Seite steht. Aber was ist, wenn es nur noch lauter falsche gibt?

Und noch etwas: Werden Sie misstrauisch, wenn jemand NUR moralisch argumentiert. Moral ist wichtig, keine Frage, darüber muss man nicht streiten, aber Moral taugt nicht als Ersatz für politische Analyse.

Versuchen Sie, sich in die Lage anderer zu versetzen, Perspektivwechsel vorzunehmen, um die Position ihres Gegenübers besser zu verstehen, nicht nach dem Motto: ich versteh dich ja so gut, ist in Ordnung, was Du machst, nein, um besser herauszufinden, was ihr Gegenüber antreibt. Sind es Sorge und Angst oder sind es Machtgier und Expansionsdrang. Das müssen sie nämlich wissen, um „richtig“ im Sinne von vernünftig handeln zu können.

Russland und der Westen sind darauf angewiesen, die Interessen des jeweils anderen zu kennen, das heißt, man muss sich dafür interessieren und man muss sie ernst nehmen. Da scheint mir der Westen noch einen gehörigen Nachholbedarf zu haben.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) zit. nach Reinhard Merkel, Prof. em. Uni Hamburg, FAZ 8.4.2014


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