Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Erleben wir einen Weltunter- oder Weltaufgang?

Erleben wir einen Weltunter- oder Weltaufgang?

Auch der Vater von Jutta Ditfurth weiß keinen Rat. Unter Mithilfe von zwei Wiener Literaten bewährt sich Prinz Chaos II. dennoch als Funktionär des Optimismus.

Dennoch schreiben und telefonieren mich seit Tagen Leute an und wollen von mir wissen, ob ich glaube, dass es jetzt bald den Dritten Weltkrieg gibt oder ob ich das etwa für Zufall (Zufall? Scheißkonzept, weg damit!) halte, dass Trump die 59 Raketen auf Syrien just am 100. Jahrestag des Eintritts der USA in den Ersten Weltkrieg abgefeuert hat?

Leider kann ich das alles gar nicht wissen, weil halt ich weder der Trump noch der Putin noch ein Hellseher bin. Ich weiß aber, dass Donald Trump ein größeres Aktienpaket des Konzerns Raytheon hält und dass Raython für eine Tomahawk-Raketen 1,4 Millionen Dollar bekommt - und dass nach dem „Konsum“ von 59 dieser Raketen der Aktienkurs von Raython deutlich gestiegen ist.
Ansonsten habe ich, den Weltuntergang betreffend, natürlich schon einen Verdacht. Beziehungsweise ist der Verdacht gar nicht von mir, sondern von Egon Friedell.

Dessen „Kulturgeschichte der Neuzeit“ ist das lesenswerteste Buch der Welt. Es verfügt über so hinreißende Kapitelüberschriften wie: „Der Wille zur Schachtel“, „Gesundheit ist eine Stoffwechselerkrankung“ oder: „Der Triumph des Gutenbergmenschen über den gotischen Menschen“ - besonders lesenswert, während der Internetmensch über den Zeitungsmenschen triumphiert, was man beim Zustand des Zeitungsjournalismus nur begrüßen kann.
Wir finden in Egon Friedells opulentem Werk auch goldene Sätze, wie: „Die Genies sind die wenigen Menschen in jedem Zeitalter, die reden können“.

Oder die Erkenntnis:

„…dass der mittelalterliche Mensch kein Rechtes Verhältnis zum Geld hatte. (…) Dies bedeutet zweierlei: die Arbeit ist bloße Sache des Ehrgeizes; und sie wird überhaupt nur geleistet, wenn es unbedingt sein muss.“

Egon Friedells Grundannahme ist, dass das Unpassendste die Triebfeder aller Entwicklung ist. Nur, wer oder was aus der Art schlägt, sorgt für echten Fortschritt.

Jetzt schlägt zweifellos auch Donald Trump sogar aus der Art dessen, was man selbst für US-Amerikanische Präsidenten oder römische Soldatenkaiser als zumutbar erachten möchte.
Hat also Hoimar von Ditfurth recht, wenn er schreibt:

„So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit.“

Steht der Weltuntergang kurz bevor?

Man muss dazu anmerken, dass Hoimar von Ditfurth diesen Alarmspruch bereits im Jahre 1985 getätigt hat. Der gute Hoimar war ohnehin ein Pessimist der extremsten Sorte. Er hielt die Menschheit für rettungslos verloren und brachte sich aber durch eine Serie komplizierter philosophischer Verrenkungen dahin, den ganzen Sinn der menschlichen Evolutionsgeschichte darin zu erkennen, dass man am Ende ausstirbt - und für den krönenden Abschluss hielt er, wenn der Mensch sein Aussterben sogar noch selber besorgt.

Das ist zugegebenermaßen eine arge Verkürzung und durchaus eine bösartige Verzerrung der gewundenen Argumentationsketten des Hoimar von Ditfurth. Aber Wunder ist es keins, dass als Tochter eines Menschen, der auf diesem Niveau alle Hoffnung fahren lassen hat, eine Jutta Ditfurth herausgekommen ist, die ihre missmutige Laune geradewegs zum politischen Programm ausgebaut hat.

Ich persönlich habe den Optimismus zum Programm erhoben. Schon von daher konnte meine politische Bekanntschaft mit Jutta Ditfurth kein gutes Ende nehmen. Ich bin sogar Funktionär des Optimismus. Ich bin ereignis- und situationsunabhängig optimistisch - nur so geht’s auf die Dauer.

Das heißt nun nicht, dass ich für die Gefahren der Weltlage blind wäre. Ich bin sogar im höchsten Maße alarmiert. Ich bimse, wie wir Bayern sagen, vor Wut, wenn ich mitverfolge, wie in der bürgerlichen Presse für den Krieg getrommelt wird, und der drei Monate lang zum Satan aufgebaute Donald Trump durch 59 Raketen zum Messias mutiert.

Peitsche oder Pflegeheim?

Ein Wiener Zeit- und Geistesgenosse Egon Friedells, der grandiose Karl Kraus, hat übrigens während des Ersten Weltkriegs geschrieben:

"Nach Kriegsende sollte man die Kriegsliteraten einfangen und von den Kriegsinvaliden auspeitschen lassen.“

Ich muss gestehen, dass die Phantasie, Stefan Kornelius von der Süddeutschen Zeitung, auszupeitschen, mich gestern den ganzen Tag über gefangen gehalten hat. Ausgelöst hat diesen Wunsch ein Artikel von Kornelius, in dem er schreibt: "Der neue US-Präsident mag keinen Plan haben, er mag emotionsgeleitet sein, er mag unfähig sein. Aber dennoch hat der Militärschlag in Syrien gezeigt: Sein Instinkt stimmt.“

Ich malte mir alles schon sehr genau aus, wie ich dem Kornelius vor dem Gebäude des Süddeutschen Verlages auflauere und ihm dann vor den Augen der Weltpresse also: des Internets! - mit jener Lederpeitsche, die mir einst mein Vater aus den USA mitgebracht hat, Saures gebe.

Die Gegenargumente, die mich am Ende davon abbringen konnten, diesen Plan in die Tat umzusetzen, waren genau genommen allesamt opportunistischer Natur. Sie rangierten etwa auf der Ebene, was meine Konzertveranstalter dazu sagen würden oder ob ich meine pazifistischen Friedensfreunde zu überzeugen vermöge, dass Peitschenhiebe auf Kriegstreiber wie Stefan Kornelius letztlich keine Gewalt im engeren Sinne darstellen…

Jedenfalls kam mir die folgende Beobachtung Egon Friedells über eine ganz andere Zeitenwende ungeheuer aktuell vor:

„Wir haben also hier den Fall, dass die Auflösung zuerst das Haupt ergriff, dass die Anarchie bei der obersten Spitze der Gesellschaft den Anfang machte. Aber alsbald begann sie alle Schichten zu erfassen.“

Nachdem nun die oberste Spitze der Gesellschaft meinen Peitschenhieben entrann, richtete ich meine Wut pegidahaft nach unten und ließ sie an einer unschuldigen Wiese aus. Mit einer angemieteten Fräse zogen wir ihr ein ums andere Mal ein paar drüber. Dazu verfasste ich anschließend die Erklärung:

"SIE BOMBEN - WIR FRÄSEN!
Höchst verehrte Obertanen,
die derzeitige militärische Eskalation in Syrien darf nicht unbeantwortet bleiben. Wir haben deshalb sofort mit einem Vergeltungsschlag von rücksichtsloser Härte reagiert:
200 Quadratmeter neuer Anbaufläche wurden an diesem Wochenende geschaffen - und wir kündigen hiermit an, jegliche weitere Eskalation in der Weltpolitik mit allen Mitteln des Gartenbaus zu beantworten!
Das Hofsekretariat"

Der Weltaufgang steht kurz bevor!

Kommen wir also zu dem von Egon Friedell inspirierten Verdacht betreffs Weltunter- und -aufgängen. Für ihn ist es ein und derselbe Vorgang, was ganz logisch ist. Nachdem wir bis auf Weiteres nur über eine Welt verfügen, muss dem Aufgang der neuen ja schon aus Platzgründen der Untergang der alten Welt vorausgehen. So auch am Übergang des Mittelalters zur Neuzeit:

„Der Mensch aber, durch soviel Schlimmes und Widerspruchsvolles an Gegenwart und Zukunft irre geworden, taumelte erschreckt umher und spähte nach etwas Festem. (…) In alledem: in den pessimistischen und asketischen Strömungen ebensogut wie in der ungesund aufgedunsenen „Lebensfreude“, die bloß eine Art Turberkulosensinnlichkeit und Déluge-Genußsucht war, zittert eine allgemeine Weltuntergangsstimmung (…). Und der Instinkt der Menschen hatte vollkommen recht: die Welt ging auch wirklich unter. Die (…) Welt des Mittelalters versank unter Jammer und Donner in die finstere Tiefe der Zeit und der Ewigkeit, von denen sie nie wieder zurückkehren wird.“

Diese von Turbulenzen erschütterte Welt ging allerdings schon schwanger mit einem neuen Zeitalter. Wo das Rittertum verfiel, entstand ein dynamisches Bürgertum. Technische Neuerungen stellten das Wirtschaftsleben auf den Kopf und der Buchdruck revolutionierte die Organisation des Wissens. Mit der Geburt der Städte wurde auch der moderne Mensch geboren, bis schließlich die Renaissance wie eine gewaltige Detonation dem neuen Zeitalter zum Durchbruch verhalf. Eine neue Welt ging auf.

Dieser Weltaufgang freilich war wiederum keine rein friedliche oder gar harmonische Angelegenheit, wie dies die Weltgeschichte selten zu sein pflegt. Die Neuzeit verdrängte das Mittelalter unter Krämpfen und Kämpfen, die alte Welt wehrte sich mit Kanonen, Bann und Fememord gegen die Pioniere der neuen Welt - und als sich die Neuzeit schließlich durchgesetzt hatte, brache sie auch nicht das Ende von allem Krieg und Elend - und das Alte schlich sich durch tausend Ritzen wieder ein in dieses Neue.

Wir jedenfalls leben in solchen Zeiten. Schon die Festnetzwelt meiner Kindheit ist rettungslos verloren und gänzlich unverständlich geworden. Niemand wird den Untergang der alten Welt des Industriekapitalismus aufhalten können. Das Einzige, was wir tun können, ist: die Kräfte des Guten zu stärken, damit die neue Welt besser wird als die, die wir unweigerlich hinter uns lassen.
Zu diesem Zweck ist es womöglich auch gar keine so gute Idee gewesen, Stefan Kornelius auszupeitschen. Besser und vom Lerneffekt her vielversprechender wäre wohl, diesen Kriegshetzer zu zehn Jahren Pflegedienst in einem syrischen Krankenhaus zu verpflichten.

Für uns andere aber gilt, was nicht Martin Luther gesagt hat, sondern Martin Luther King:

„Menschen, die Frieden lieben, müssen lernen, sich ebenso effektiv zu organisieren, wie die, die den Krieg lieben.“

Mit anderen Worten: auf zu den Ostermärschen für den Frieden, die in wenigen Tagen im ganzen Bundesgebiet stattfinden! Und ich fahre jetzt nach Coburg, um Hühner zu kaufen. Dann brate ich mir auf dem Krisenherd ein artgerechtes Spiegelei.


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.