Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Friedensarbeit als Landesverrat

Friedensarbeit als Landesverrat

Das 17. Sanktionspaket der EU gegen Russland nimmt nicht nur Öltanker ins Visier, sondern auch Journalisten, die sich um Versöhnung bemühen.

Bereits seit Monaten gehen NATO-Anrainerstaaten der Ostsee wie Finnland, Polen und insbesondere Estland gegen Schiffe vor, die mit russischem Erdöl von den Häfen in Sankt Petersburg, Primorsk oder Ust-Luga aus den Weltmarkt beliefern. Spätestens seit dem Aufbringen des unter der Flagge der Cook-Inseln fahrenden Tankers „Eagle S“ durch die finnische Küstenwache im Dezember 2024 drohen die Sticheleien des Westens in eine veritable, womöglich militärische Konfrontation auf Hoher See auszuarten. Der „Eagle S“ warf man vor, ein Unterseekabel beschädigt zu haben, Beweise konnten nicht erbracht werden. In der Zwischenzeit sind bereits mehrere Tanker mit Ladungen aus Russland gekapert und in NATO-Häfen verschleppt worden, einmal wurden ihnen Sanktionsverstöße, ein anderes Mal Sabotage vorgeworfen. Darunter befand sich Ende Januar 2025 auch die bulgarische Vezhen, die unter der Flagge Maltas Öl transportierte. Schwedische Behörden beschlagnahmten das EU-Schiff.

Am 14. Mai 2025 kippte die Auseinandersetzung um die Durchfahrt von mit Russland handelnden Schiffen dann erstmals ins Militärische. Der unter Gabun-Flagge fahrende Tanker „Jaguar“ war zum Hafen Primorsk unterwegs, als ihn die estnische Marine zu kapern versuchte. Mit Patrouillenbooten wurde das Schiffsmonster gerammt, um es von internationalen in estnische Gewässer abzudrängen. Dabei kamen russischen Informationen zufolge auch estnische Hubschrauber und ein Kampfjet der polnischen Luftwaffe zum Einsatz. Erst als ein russisches Kampfflugzeug in die „Rauferei“ eingriff, konnte der Tanker „Jaguar“ seine Fahrt fortsetzen.

Die Situation ist also hoch angespannt, auch deswegen, weil Estland im Jahr 2023 eigenmächtig seine maritime Wirtschaftszone von den bis dahin geltenden sechs auf vierundzwanzig Seemeilen ausgedehnt hat. Damit wurde eine Überschneidung mit finnischen Hoheitsgewässern erreicht, die aus Russland kommende Schiffe einer steten Gefahr aussetzt, nach neuem estnischen Seerecht kontrolliert zu werden.

Das 17. EU-Sanktionspaket hat jetzt weitere 200 Öltanker mit den unterschiedlichsten Immatrikulationen der schwarzen Liste hinzugefügt. Der Vorwurf aus Brüssel, dass es sich dabei um eine Schattenflotte für russische Energielieferungen handelt, wird in den meisten Fällen stimmen. Doch diese Tatsache ergibt sich schlicht aus der aggressiven EU-Politik gegen russische Ölexporte.

Moskau hat — in seiner Logik verständlich — darauf reagiert, indem es die Freiheit der Weltmeere und den außerhalb EU-Europas auch freien Handelsverkehr dazu nutzt, so viele Tanker wie möglich unter unterschiedlichen Flaggen und Eigentümern für den Absatz seines Erdöls zu verwenden.

Das neue Sanktionspaket fordert die Ostsee-Anrainerstaaten nun indirekt dazu auf, das Aus- und Einlaufen von Schiffen aus russischen Häfen im Finnischen Meerbusen systematisch zu kontrollieren und — im Falle, dass es sich um sanktionierte Schiffe handelt — zu beschlagnahmen. Angesichts der ohnehin bereits bedrohlichen Lage kann das leicht zu kriegerischen Handlungen zwischen NATO-Staaten und Russland führen. Längst vergessen geglaubte historische Auseinandersetzungen werden damit in Erinnerung gerufen. Es war Zar Iwan III., der in den 1480er Jahren erstmals versuchte, Russland einen Meerzugang zur Ostsee zu verschaffen. Dabei stieß er bei Narwa, der heutigen estnischen Grenzstadt, auf erbitterten Widerstand des Deutschen Ordens. 100 Jahre später kämpften Schweden, Polen-Litauen und Dänemark im sogenannten Livländischen Krieg gegen das russische Zarenreich um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Die Zeit scheint stehengeblieben.

Alina Lipp und Thomas Röper

Durch die Ausweitung der schwarzen Liste für Öltanker erhöht sich im Ostseeraum die Kriegsgefahr. Das 17. EU-Sanktionspaket enthält jedoch noch eine weitere, bislang nicht denkbar gewesene Eskalationsstufe: Erstmals finden sich deutsche Staatsbürger darauf. Alina Lipp und Thomas Röper sind in Russland lebende Journalisten, denen pro-russische Berichterstattung vorgeworfen wird. Im Klartext wirft der von „K. Kallas“ unterzeichnete „Beschluss 2025/966 des EU-Rates vom 20. Mai 2025“ der 32-jährigen Hamburgerin Lipp vor: „Alina Lipp betreibt den Blog ‚Neues aus Russland‘, in dem sie systematisch Fehlinformationen über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verbreitet und der ukrainischen Regierung die Legitimierung abspricht, insbesondere im Hinblick auf die Manipulation der öffentlichen Meinung in Deutschland in Bezug auf Unterstützung für die Ukraine.

Darüber hinaus nutzt sie ihre Rolle als Kriegskorrespondentin mit den russischen Streitkräften im Osten der Ukraine, um russische Kriegspropaganda zu verbreiten. Sie tritt regelmäßig in Truppenunterhaltungs- und Propagandasendungen im russischen militärischen Fernsehsender Zvezda auf. Daher ist Alina Lipp an Handlungen der Regierung der Russischen Föderation, die die Sicherheit und Stabilität in der Union und in einem Drittland (Ukraine) untergraben oder bedrohen, durch den Einsatz koordinierter Informationsmanipulation und Einflussnahme und durch die Erleichterung eines bewaffneten Konflikts in einem Drittland beteiligt und unterstützt sie.“ Brüssel sieht also durch den von Alina Lipp betriebenen Telegram-Kanal „Neues aus Russland“, der 180.000 Abonnenten hat, „die Sicherheit und Stabilität der Union … bedroht“ (1).1

Thomas Röpers „Anti-Spiegel“ wird ein ähnlicher Vorwurf gemacht. Er verbreite „systematisch Fehlinformationen über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und spricht der ukrainischen Regierung die Legitimation ab, insbesondere im Hinblick auf die Manipulation der öffentlichen Meinung in Deutschland in Bezug auf Unterstützung für die Ukraine. (…) Thomas Röper ist daher beteiligt am Einsatz von Informationsmanipulation und Einflussnahme und unterstützt diesen, und er erleichtert einen bewaffneten Konflikt in einem Drittland.“ (2)2

Mit der Ausdehnung des Sanktionsregimes auf Staatsbürger der Europäischen Union, denen nichts weiter als die Verbreitung von angeblich falschen Informationen vorgeworfen wird, geht Brüssel zum Frontalangriff auf missliebige Journalisten über und zeigt seine totalitäre Fratze.

Denn das Aufscheinen auf der EU-Sanktionsliste bedeutet für EU-Bürger den vollkommenen sozialen Ausschluss: Einreiseverbot in die Europäische Union, Kontosperren und Vermögensentzug sowie das Verbot für andere Personen, den Sanktionierten zu helfen. Den Gelisteten, so heißt es im EU-Beschluss, „dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.“ Die Umgehung, sprich beispielsweise eine Geldspende, wird als Straftat gewertet.

Alina Lipp und Thomas Röper sind also von Brüssel mittellos gemachte deutsche Staatsbürger, denen zwar die Einreise in die EU verboten ist, denen aber — so die Ausnahmeregel — Deutschland das Betreten des Staatsgebietes erlauben kann. Vor dem Verhungern schützt sie ein im Oktober 2024 erlassener allgemeiner Beschluss zum Umgang mit sanktionierten Personen. Dieser besagt, dass für die „Befriedigung der Grundbedürfnisse (…) einschließlich für die Bezahlung von Nahrungsmitteln, Mieten oder Hypotheken, Medikamenten und medizinischer Behandlung, Steuern, Versicherungsprämien und Gebühren öffentlicher Versorgungseinrichtungen“ ein Teil des Vermögens der sanktionierten Person freigegeben werden darf.

Für Alina Lipp und Thomas Röper bedeutet die Sanktionslistung de facto eine Ausbürgerung. Über eine solche hatte sich das bundesdeutsche Establishment aus Politik und Medien im Falle des DDR-Sängers Wolf Biermann im Jahr 1976 noch empört, diesmal schweigen die Mainstream-Medien beziehungsweise rechtfertigen auf Nachfrage die EU-Sanktionsmaschine.

Das Ganze findet ohne Gerichtsverfahren statt. Der Vorwurf, dem „Feind“ — Russland —, der als solcher offiziell nicht einmal genannt wird, zu helfen, könnte auch schwerlich gerichtlich verfolgt werden; und wenn doch, so wäre als Urteil eine Haftstrafe und/oder eine Geldstrafe möglich, jedoch nicht — wie in diesem Fall — das Aushebeln der bürgerlichen Existenz, die Erklärung zur Persona non grata im eigenen Land.

Die Auswirkungen dieses 17. Sanktionspakets mit der Listung von EU-Bürgern kann in ihrer Tragweite noch gar nicht eingeschätzt werden. Sie soll kritische Stimmen gegen die EU-Kriegshysterie mundtot machen, indem das Damoklesschwert der Existenzvernichtung über jedem aufgezogen wurde, der mit dem Kriegsgang nicht einverstanden ist, oder schlimmer, der das offizielle EU-Narrativ zum Umgang mit Russland nicht teilt.


Hier können Sie das Buch bestellen: Im Wirtschaftskrieg — Die Sanktionspolitik des Westens und ihre Folgen. Das Beispiel Russland


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ:L_202500966
(2) Ebd.

VG-Wort Zählpixel

Weiterlesen

Fahrplan in den Abgrund
Thematisch verwandter Artikel

Fahrplan in den Abgrund

Bei seinem Vortrag im Rahmen des 5. Falkensee-Symposiums zeichnete Ullrich Mies den Weg von der Fassadendemokratie zum globalen Staatsstreich nach.

Die Schaumfabrik
Aus dem Archiv

Die Schaumfabrik

Hollywood ist nicht nur die weltweit einflussreichste Propaganda-Maschine, sondern auch ein Ort, an dem sich hinter der Glamour-Fassade die tiefsten menschlichen Abgründe auftun.