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„Ich möchte nicht auch noch meine neue Heimat verlieren“

„Ich möchte nicht auch noch meine neue Heimat verlieren“

Dem syrischen Flüchtling Majd Abboud ist das Benehmen vieler seiner Landsleute in Deutschland peinlich.

Jens Wernicke: Herr Abboud, haben Sie mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet?

Majd Abboud: Mit negativen Reaktionen seitens mancher Geflüchteten habe ich durchaus gerechnet, wie immer, wenn jemand neue Ansichten einbringt, doch die Heftigkeit und Aggression haben mich überrascht. Diese Reaktionen bestätigen aber genau das, worüber ich gesprochen habe, nämlich radikale Denkweisen. Das sehen auch viele andere so. Die Reaktionen einiger Deutscher wiederum spiegeln wider, wie gespalten die Gesellschaft ist. Ich wollte zu einer Versachlichung der Debatte beitragen. Differenzierte Sichtweisen sind heute nötig.

Besonders viel Anstoß hat ja der Vorwurf erregt, Ihre Landsleute seien undankbar. Können Sie uns Beispiele dafür nennen?

Bereits im Flüchtlingslager war die Undankbarkeit an den hohen Ansprüchen zu erkennen, die viele Geflüchteten stellten. Sie forderten Wohnungen mit guter Ausstattung oder meckerten über das Essen. Auch bei meinem ehrenamtlichen Engagement stellte ich dies fest, wie übrigens auch viele deutsche Ehrenamtliche reichlich ernüchtert sind. Die fehlende Motivation, Deutsch zu lernen, ist ebenfalls eine Art von Undankbarkeit. Denn es gibt viele großzügige Angebote, sowohl vom Staat als auch von Hilfsorganisationen.

Dabei ist es erstaunlich, dass viele Syrer während ihres kurzen Aufenthalts in der Türkei sehr schnell Türkisch gelernt haben, obwohl es dort keine Kurse gibt. Hier hingegen machen viele gar kein Geheimnis daraus, dass sie den weiterführenden Deutschkurs nur besuchen, um Zeit gegenüber dem Jobcenter zu gewinnen. Dadurch vergeuden sie nicht nur Steuergelder, sondern erschweren auch noch den Unterricht für diejenigen, die Interesse daran haben. Die Überschrift wurde damals von dem Redaktor ohne Rücksprache mit mir ausgewählt. Mittlerweile ist der Artikel im Internet unter der Überschrift „Deutschland muss die Radikalen identifizieren“ zu finden. Denn die Undankbarkeit war gar nicht so sehr mein zentrales Anliegen.

Was war denn dann Ihr zentrales Anliegen?

Es fällt mir schwer, tatenlos zuzusehen, dass sich die Menschen, die durch ihre radikalen Ansichten bereits mein Land zerstört haben, in Deutschland unter den Flüchtlingen befinden und ihr Gedankengut hier weiterverbreiten. Das darf nicht unter dem Deckmantel der Humanität verharmlost oder verheimlicht werden. Ich habe bereits meine Heimat verloren, ich möchte nicht auch noch meine zweite Heimat verlieren.

Würden Sie einen solchen Beitrag nochmals veröffentlichen?

Viele meiner Bekannten hatten mir im Vorfeld geraten, ein Pseudonym zu verwenden, doch ich finde es schade, dass die Meinungsfreiheit beeinträchtigt ist und man in Deutschland Angst haben muss, seine Meinung zu äußern. Deutschland sollte sich doch gerade durch Meinungsfreiheit auszeichnen. Darüber hinaus ist mir das, was ich zu sagen habe, weiterhin ein großes Anliegen.

Sie spielen auf den politischen Islam an. Sehen Sie die Gefahr, dass diese Strömung in Deutschland immer mehr Einfluss gewinnt?

Das ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Der politische Islam ist in Deutschland ganz klar präsent, durch Organisationen und politische Vereinigungen. Sie machen noch nicht einmal ein Geheimnis daraus, dass sie durch vermehrtes Bevölkerungswachstum immer mehr Einfluss gewinnen möchten. Erdogan hat die hier lebenden Türken sogar ausdrücklich dazu aufgefordert. In Syrien haben wir diesen Prozess schon erlebt. Der politische Islam, ganz besonders die Muslimbruderschaft, hat den säkularen Staat immer unterhöhlt und ausgebremst, indem er sich als tolerant präsentiert und behauptet hat, Attentate und Anschläge hätten mit dem Islam nichts zu tun. Gleichzeitig versucht er sich durch Einschüchterung und immer höhere Ansprüche durchzusetzen. Ende der Achtzigerjahre wurden zum Beispiel freizügig gekleidete Frauen mit Säure angegriffen. Dies hat die Gesellschaft stark verändert. Aus Angst davor fingen die Frauen wieder an, sich traditioneller zu kleiden.

Man mag die bisherige Flüchtlingspolitik kritisieren, doch es ist nun einmal eine Tatsache, dass diese Menschen nun hier leben. Was sollte Deutschland Ihrer Meinung nach in der jetzigen Situation unternehmen?

Den Geflüchteten sollte unmissverständlich klargemacht werden, dass sie auch eine Gegenleistung zu erbringen haben, zum Beispiel die Sprache zu erlernen und sich an die Regeln zu halten. Ein Zuschuss von bis zu 1.500 Euro für den Führerschein, ohne dass man die Deutschprüfung B1 bestanden hat, geschweige denn gelernt hat, sich ordentlich zu bewerben, ist mir beispielsweise völlig unverständlich.

Zweitens sollten die Flitterwochen mit den Radikalen und Straftätern schnellstmöglich beendet werden. Es sollte nicht so sein, dass Täter, die in Syrien viele Verbrechen begangen haben, hier als politisch Verfolgte bezeichnet werden. Hier handelt es sich um Täter, die sich als Opfer darstellen.

Drittens besteht der Islam aus vielen Strömungen und Ausprägungen. Es ist gar nicht bekannt, welche Lehrinhalte in den Moscheen vorherrschen. Da einige Strömungen sehr gefährlich sind, sollten diese Inhalte genauer überprüft werden.

Stellen die Moscheen dann ein Integrationshindernis dar?

Durch verschiedene Auslegungen des Islam, die zum Beispiel aus Saudi Arabien kommen, stellten manche Moscheen bereits in Syrien ein Hindernis der Integration dar. Durch Verbreitung des Wahabismus hat Saudi Arabien immer mehr Einfluss in Syrien gewonnen. Die Muslimbruderschaft, die größte politische islamische Organisation bedient sich unter anderem der Ideologie des Wahabismus, solange es ihren eigenen Zielen dient. Sie appelliert an das Ehrgefühl und die Religionszugehörigkeit und will so die Macht ergreifen. Das hat die Gesellschaft in Syrien gespalten.

Viele der Syrer, die sich unter den Flüchtlingen in Deutschland befinden, waren schon in Syrien nicht integriert. Dort haben sich über Jahre auch Parallelgesellschaften entwickelt und die Kluft war immer tiefer geworden.

Und wie ist das in Deutschland?

Integration besteht ja nicht nur aus dem Erlernen der Sprache und einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Man muss auch innerlich ankommen. Aber auch wenn man Integration auf das Erlernen der Sprache beschränken möchte, dann muss man in jedem Fall den großflächigen Betrug bei den Deutschprüfungen auf verschiedenen Niveaustufen unterbinden. Denn mit einem erschlichenen Zertifikat kann man langfristig auch eine unrechtmäßige unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis erhalten, und dies sollte nicht passieren.

Die Menschen hierzulande beschäftigen sich auch viel mit der Lage in Syrien und insbesondere in Idlib. Wie sollte sich die deutsche Regierung hier positionieren?

Zunächst einmal sollte man sich darüber im Klaren sein, dass sich in Idlib die schlimmsten Dschihadisten aufhalten, die bislang nicht bereit waren, die Waffen niederzulegen. Natürlich ist es sehr traurig, dass sich darunter auch Frauen und Kinder befinden. Doch die Kinder, die zu Beginn des Krieges sieben oder acht Jahre alt waren, sind heute 14 oder 15 und trainieren seit Jahren mit Waffen und sind mit dieser Ideologie gesättigt. Die große Frage ist, wie man diese Menschen in eine zivilisierte Gesellschaft integrieren soll. Das Problem ist, dass sie niemand haben will, noch nicht einmal Saudi Arabien, wo sie ideologisch am besten hinpassen würden.

Ich finde es gut, dass sich Deutschland in diesem Konflikt um eine internationale Rolle bemüht, doch sollte dies nicht mit militärischen Einsätzen erfolgen und auch nicht mit einer verbalen Billigung solcher Einsätze durch die Verbündeten. Die Welt braucht Frieden, und Frieden erreicht man nicht, indem man Kriege führt. Ich denke, nur in Zusammenarbeit mit Russland kann eine Lösung gefunden werden.

Welche Rolle könnte Deutschland denn nach dem Ende des Kriegs in Syrien spielen?

Sehr wichtig wäre der Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur für mein Land. Auch im Bereich der Bildung könnte Deutschland eine große Hilfe sein. Und nicht zuletzt könnte sich Deutschland für ein partnerschaftliches Verhältnis — und nicht von oben herab — zwischen Syrien und Europa einsetzen und so eine Brücke bauen. Eine gleichwertige Partnerschaft wäre zu wünschen, doch diese Partnerschaft beziehungsweise Freundschaft muss mit den richtigen Elementen der syrischen Gesellschaft gebaut werden.

Vielen Dank für das Gespräch.


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