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Inszenierte Feindschaft

Inszenierte Feindschaft

Der Westen hat eine Demokratisierung des Iran systematisch verhindert und bekämpft nun erbittert das „Mullah-Regime“.

Die Trump-Regierung

Seit der Amtsübernahme des US-Präsidenten Donald Trump wird erneut die Liberalisierung und Demokratisierung des Iran behindert. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen der Islamischen Republik und den USA sind in eine neue Phase eingetreten. Mit der Weigerung, sich an den Atomvertrag Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) zu halten, hat Trump alles über Bord geworfen, was Frank-Walter Steinmeier in seinem vorherigen Amt als Außenminister in der Iran-Frage erreicht hatte: insbesondere den Iran und die USA an einen Tisch zu bringen, den Atomstreit beizulegen und die Vertragsverhandlungen in Wien von November 2013 an im Jahr 2015 zu einem positiven Abschluss zu bringen.

Wer ist Donald Trump und was möchte er? Möchte er alles anders machen als Obama, möchte er den Herren Netanjahu und Mohammad bin Salman gefallen? Oder will er ein Diener der Waffenindustrie sein?

Ich denke, dass er alle drei Rollen gleichzeitig spielt. Hinzu kommt, dass er selbst mit allen seinen präsidialen Möglichkeiten an sein privates Geschäft denkt. Er tut sich wichtig, indem er die Menschen an die „Achsen der Bösen“ erinnert, wobei der Iran am bösesten sein soll. Hört oder liest man, wie er den Iran und dessen Regierung beschreibt, unterscheidet es sich kaum von dem, was man westlichen Medien entnehmen kann.

Mal sei der Iran ein Gottesstaat, mal ein Mullah-Staat, in dem die Regierung dem Volke ihre eigene Art des Islam vorschreibe. Iran sei das Zentrum des Weltterrorismus, Iran unterstütze die Terroristen, der schiitische Iran sei entschlossen, die Welt zu erobern. Aus Sicht der Mullahs seien die Christen ungläubig und laut Koran seien sie verpflichtet, die Ungläubigen zu töten. Dass das nicht stimmt, erkläre ich etwas später im Artikel. Und dann dieser kernige Satz: Erst, wenn die Wurzel des Übels beseitigt ist, wird es Frieden geben.

Der „Mullah-Staat“

„Mullah-Staat“ oder „Gottesstaat“ sind für mich vulgäre Beschimpfungen des Iran, so wie es auch im Ausland Menschen gibt, die das heutige Deutschland als einen Nazi-Staat sehen wollen. Wie rasch die Geistlichen tatsächlich ihre Positionen im Staat verlieren, kann man an Hand der Anzahl ihrer Sitze im Parlament ersehen.

In der ersten Legislaturperiode waren von 327 Abgeordneten 164, also knapp über die Hälfte, religiöse Gelehrte. In der zweiten Legislaturperiode wurde die Anzahl der Abgeordneten auf 277 reduziert, davon waren noch 153 „Mullahs“ beziehungsweise Religionswissenschaftler. Schon in der dritten Legislaturperiode mit 278 Abgeordneten reduzierte sich die Zahl der religiös bestimmten Abgeordneten auf 30 Prozent oder 85 Abgeordnete. Und so ging es kontinuierlich weiter bis auf nur noch 5,5 Prozent in der 10. Legislaturperiode.

„Iran unterstützt die Terroristen“

Dies ist eine viel zu pauschale Unterstellung. Es muss betont werden, dass aus der Sicht Israels jeglicher legitime Kampf gegen Besatzung und jeder Widerstand gegen einen Angriffskrieg als terroristischer Akt bezeichnet wird.

Der Iran wäre ein Unterstützer des internationalen Terrorismus und hätte Verbindungen zu Al-Kaida und ISIS.

Diese Behauptung ist natürlich eher eine Satire, weil niemand die beiden Terrororganisationen in Syrien entschiedener bekämpft als die iranischen Hilfseinheiten der Revolutionären Garden. Und gerade im vergangenen Jahr hatte es tödliche Anschläge einer ISIS-Zelle in Teheran gegeben, auf die der Iran mit Mittelstreckenraketen auf ein Hauptquartier der Terroristen geantwortet hatte.

Jeder dürfte inzwischen wissen, dass die Hauptunterstützer dieser Dschihadisten die USA, die Türkei und Saudi-Arabien sind, sowie bis vor Kurzem Katar. Sie agieren als Stellvertreterarmeen in Syrien, um das Land zu destabilisieren. Das ist in so vielen Quellen nachzulesen, dass ich hier darauf verzichte, sie einzeln zu erwähnen.

Der Iran unterstütze Terroristen der Hisbollah, im Jemen und den Mörder Assad in Syrien.

Der Iran unterstützt die Hisbollah, das ist richtig, aber sie ist keine Terrororganisation, sondern gerade wieder als stärkste Partei ins Parlament des Libanon gewählt. Sie ist grimmiger Verteidiger der südlichen Grenzen des Landes, gegen den Israel bereits zwei Mal vergeblich Krieg führte, ohne die wichtigen Wasser-Ressourcen des Libanon besetzen zu können. Durch die Hisbollah blieb dem Libanon das Schicksal Syriens erspart, dessen Golanhöhen von Israel besetzt wurden, das dort nun Öl und Gas ausbeuten wird.

Den Jemen unterstützt der Iran diplomatisch und mit humanitären Lieferungen, die aber durch eine Totalblockade immer wieder von Saudi-Arabien mit Hilfe der USA abgefangen werden. Ob auch Militärberater vor Ort sind, konnte bisher nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig wie die Lieferung von Waffen.

Und ja, der Iran unterstützt die legitime Regierung Syriens beim Anti-Terror-Krieg gegen Einheiten, die von den USA und ihren Verbündeten bewaffnet, trainiert, finanziert und mit Aufklärung und Logistik unterstützt werden.

Die Quellen für diese Fakten sind zahlreich, inzwischen auch in veröffentlichten US-Dokumenten, die sogar die Gehälter von militanten Milizen nennen, von denen man weiß, wie sie regelmäßig die Seiten wechseln.

Und zum Vorwurf des Terrorismus in Palästina durch Palästinenser schreibt Tim Anderson:

„Dann gibt es den aktiven, darin enthaltenen bewaffneten Widerstand. Es gibt keinen Zweifel, dass dieser legitim ist, im Kontext der gewalttätigen Kolonialisierung. Er wird sehr wohl durch internationales Recht anerkannt. Er ist böse in Zeiten von genozidaler Aufhetzung durch zionistische Anführer, die wiederholt Angriffe auf palästinensische Siedlungen unterstützen.

Diese Angriffe sind zum großen Teil dazu bestimmt, palästinensische Gebiete ‚unbewohnbar‘ zu machen, um die Bewohner so aus dem ‚gelobten Land‘ zu vertreiben (Wadi 2018). In diesem Zusammenhang ist sowohl sich wehren als auch das Zurückschlagen der Widerstand. Der Apartheidstaat besetzt mehr Land als zuvor, und doch zeigen die Aufstände der Palästinenser, dass die neuen ‚Siedlungen‘, ihre Militärbasen und Zubringerstraßen nicht sicher sind (Bishara 2001: 24). Sie können blockiert werden und unter Feuer geraten, und solche Vorfälle geschehen regelmäßig, fast täglich.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat bei mehreren Gelegenheiten das Recht von kolonialisierten Völkern, und insbesondere Palästinensern bestätigt, sich mit ,allen verfügbaren Mitteln, besonders auch dem bewaffneten Kampf‘ zu widersetzen (UNGA 1978). Die UNO-Generalversammlung hatte außerdem erklärt, sie ‚verurteile scharf alle Regierungen, die das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Menschen unter kolonialer und ausländischer Herrschaft sowie Unterjochung durch Fremde nicht anerkennen, insbesondere dem Kampf der Menschen von Afrika und des palästinensischen Volkes‘ (UNGA 1974).“

„Christen sind Ungläubige“

Der Begriff „ungläubig“ wird im Koran für einen Menschen benutzt, von dem Gefahren für die Gemeinschaft der Menschen ausgeht. So gesehen könnte auch ein Moslem als „ungläubig“ betrachtet werden. Ansonsten werden sie als „Ahle Ketab“, Leute des Buches, und nicht „Ungläubige“ genannt. Gemeint ist natürlich die Bibel.

Die Geschichte der Zerstörung demokratischer Hoffnungen

Bemerkenswert ist, dass Trump für den aktuellen Versuch der Unterwerfung des Iran nicht unbedingt militärische Mittel einsetzen muss. Die Sanktionen, die er verordnet hat, reichen aus, den Iran bei der Entwicklung eines demokratischen Prozesses zu behindern. Und das ist nach meiner Meinung nicht das erste Mal, dass eine westliche Macht dem Iran dies antut. Bevor ich noch einmal auf die aktuelle Situation zurückkomme, will ich kurz schildern, wie der mühsam erkämpfte Demokratisierungsprozess im Iran im Verlauf der letzten 100 Jahre mindestens sechs Male beendet oder behindert wurde.

Kommen wir nun zu der eingangs gemachten Behauptung, dass der Westen, und insbesondere die USA, jeden Versuch der Liberalisierung und Demokratisierung in der Geschichte des Iran der letzten hundert Jahre zunichte gemacht haben.

Der erste Versuch

1905 fand eine Revolution statt, die zur Bildung einer konstitutionellen Monarchie führte. Es wurde eine Verfassung geschrieben, ein Parlament gewählt und die kaiserliche Macht eingeschränkt. Dies war in dem Gebiet östlich der Donau ein einmaliger Vorgang.

Abbruch: 1915 wurde der Iran zwischen Russland und Großbritannien aufgeteilt, die Entwicklung der Demokratie beendet. Wikipedia schreibt über diese Tragödie lapidar:

„Zwischen 1905 und 1911 kam es zur Konstitutionellen Revolution, dem Kampf des Parlaments (Madschlis) gegen Mohammed Ali Schah und den Britisch-Russischen Teilungsvertrag (unterzeichnet August 1907). In den Jahren 1915 bis 1921 wurde der Iran von britischen und russischen Truppen besetzt und in den Ersten Weltkrieg gegen das Osmanische Reich (pro-osmanische Gegenregierung in Qom) und die Interventionskriege (gegen die junge Sowjetunion) verwickelt.“

Der zweite Versuch

Der zweite Versuch, sich aus dem Einfluss der westlichen Mächte zu befreien, und eine Demokratie zu entwickeln, unternahm ein im Westen ausgebildeter liberal-demokratischer Volljurist, Dr. Mohammad Mossadegh im April 1951. Auch diese demokratische Bewegung war für das Gebiet östlich der Dardanellen einmalig.

Der zweite Abbruch: Lange hatte Mossadegh nicht wirken dürfen. Im August 1953 wurde er durch einen von den USA inszenierten Militärputsch gestürzt. Der Iran wurde durch die Intervention der CIA wieder zu einer brutalen Diktatur.

Der dritte Versuch

Der dritte Versuch war die Revolution von 1979. Regierte der Schah bis dahin mit eiserner Hand, war ihm die volle Unterstützung der USA sicher. Es gelang ihm aber nicht, die Wunde zu heilen, die der Putsch von 1953 hinterlassen hatte. Michael Lüders spricht das aus, was jeder Iraner ihm bestätigen würde:

„Ohne Putsch 1953 wäre die Revolution 1979 nicht zustande gekommen“ (1).

Die Revolution in falsche Bahnen zu lenken, wurde gleich von mehreren relevanten politischen Gruppierungen versucht. Nach einem Zusammentreffen der Vertreter der Großmächte in Guadeloupe vom 3. und 4. Januar 1979 wurden Pläne entworfen, die weitere Entwicklung der Revolution bestimmen zu können.

Jimmy Carter und Helmut Schmidt waren sich sicher: Wenn die von den USA hergerichtete iranische Armee unangetastet bliebe, könnte der Iran auch ohne den Schah weiterhin in den Diensten des Westens stehen. Es war der NATO-General Robert Huyser, den man als „Schah-Ersatz“ nach Iran beorderte. Dass die Soldaten und die jungen Offiziere der Armee auch Menschen waren, die nun ihre Freiheit wünschten, stand nicht in ihrer Kalkulation.

Der Schah ging und die Monarchie verschwand, obwohl er noch 7 Jahre vorher das 2.500-jährige Bestehen des Königtums im Iran feierte und sich fest im Sattel fühlte.

Hier einige wichtige Daten:

  • 16. Januar 1979: Abreise des Schahs
  • 1. Februar 1979: Ein triumphaler Empfang für Khomeini, an dem, nach Einschätzung Peter Scholl-Latours, über 2 Millionen Menschen teilnahmen
  • 5. Februar 1979: Mehdi Bazargan bekam die Aufgabe, den Demokratisierungsprozess voranzutreiben. Es wird im Westen kaum über Bazargan und über sein Schicksal berichtet, wie er bemüht war, nach dem Sturz der Monarchie „Ruhe im Saal“ durchzusetzen.

Die Entscheidung Khomeinis für Mehdi Bazargan (1907-1995), war richtungsweisend, aber unbeachtet im Westen. Alleine die Krawatte, der weiße Kragen und der Anzug zeugten von seiner politisch-gesellschaftlichen Ausrichtung. In der schriftlichen Beauftragung vermerkte Khomeini (Quelle persisch):

„Nach dem Vorschlag des Revolutionsrates und nachdem die überwiegende Mehrheit des Volkes mir die Führung der Revolution überlassen hat, sehe ich es als meine religiöse Pflicht an, Sie, Mehdi Bazargan, zur Bildung der vorläufigen Regierung zu beauftragen“.

Zu seinen Aufgaben gehörte neben Regierungsgeschäften die Durchführung von Volksbefragungen und Wahlen.

Beachtenswert sind dabei folgende Fakten:

  • Die Ernennung Bazargans war keine Alleinentscheidung Khomeinis. Er folgte der Entscheidung des Revolutionsrates.
  • Der Revolutionsrat war paritätisch besetzt, allerdings ohne Beteiligung der Vertreter der muslimischen Radikalen und der Kommunisten.
  • Die Auswahl der Mitglieder des Revolutionsrates zeigte, dass Khomeini nicht daran gelegen war, die muslimischen Radikalfundamentalisten an der Macht teilnehmen zu lassen, soweit er zu entscheiden hatte.
  • Viele Radikalfundamentalisten hielten die Volksbefragung für überflüssig.
  • Viele der Radikalfundamentalisten waren gegen einen prowestlich gekleideten Regierungschef.
  • Aus Besorgnis über einen möglichen US-Putsch bestand Khomeini auf der unverzüglichen Durchführung der Wahlen.
  • Wissend, wie stark die Front der radikalen Fundamentalisten war, bestand Khomeini auf einem System, in dem neben den religiösen Elementen auch republikanische in der Verfassung manifestiert wurden.
  • Aber, es lauern auch heute noch einige Ayatollahs darauf, einen rein islamischen Staat ohne republikanische Elemente durchzusetzen.

Dritter Abbruch

Es waren nicht nur einige religiöse Gelehrte, die Bazargan Steine in den Weg legten. Für viele linke Intellektuelle galt er als ein „prowestlicher“ Regierungschef, daher ungeeignet für einen aus der Revolution entstandenen Staat. Bazargan wäre ein Wegbereiter für die „Imperialisten“, sagten sie.

Am 4. November 1979 war es soweit. Die Reise des Schahs in die USA erweckte bei den linken Intellektuellen den Verdacht, die USA würden wieder einen Putsch vorbereiten und diesen bald durchführen. Das war der Grund für die Besetzung der Botschaft der USA in Teheran. Ohne die Auslieferung des ehemaligen Diktators an die neue Regierung, damit ihm im Iran der Prozess gemacht werden konnte, schwebte das Damoklesschwert des erneuten Regime-Changes über der jungen Republik. Die Botschaftsbesetzung wollte Bazargan nicht mittragen. Er trat am 5. November 1979 zurück. Dies zeigte einmal mehr, welche Wunde der 1953-er Putsch hinterlassen hatte.

Der vierte Versuch

Der vierte Versuch wurde während der Präsidentschaft von Abol-Hassan Banisadr (geboren am 22. März 1933) begonnen.

Am 24. Januar 1980 wurde Banisadr als erster Präsident in der Geschichte des Iran frei gewählt. Welches Wunder, dass wieder ein im Frankreich promovierter junger Mann mit sozialdemokratischer Ausrichtung eine führende Position bekam. Beachtenswert ist, dass er sogar Khomeinis Favorit war.

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 1980 wurde Khomeini bedrängt, Jalal-Al Din Farssi, einen fundamentalistischen Kandidaten mit dem Hang zum Marxismus, vorzuziehen. Khomeini winkte ab. Als Begründung wies er auf dessen Herkunft hin, sein Vater sei kein Iraner, sondern Afghane. Laut Verfassung käme er deshalb nicht infrage. Wer Khomeini kennt, weiß, dass er pragmatisch genug war, sich für den Favoriten der Fundamentalisten zu entscheiden, wenn er darin einen Vorteil für die Islamische Republik gesehen hätte.

Khomeini ging sogar ein Schritt weiter. Zum Leidwesen der Radikal-Fundamentalisten übergab er Banisadr sämtliche Entscheidungsmacht über die bewaffneten Kräfte. Und viele fundamentalistische Kräfte mussten einen „prowestlichen sozialdemokratischen“ Banisadr als Oberbefehlshaber ertragen. Hätte es keinen Krieg gegeben, hätten sie vielleicht Banisadr ertragen. Aber der Irak hatte im September 1980 mit maßgeblicher Unterstützung der USA einen Krieg gegen den Iran begonnen.

Bald bemängelten die Kritiker Banisadrs, zu Recht oder zu Unrecht, Fehler und Führungsschwäche bei ihm. Sie baten Khomeini um die sofortige Absetzung des Präsidenten. Sie hielten sich für fähiger, sie wären opferbereiter, heldenhafter und mutiger. Sie würden den Islam und den Iran besser verteidigen.

Khomeini hatte keine andere Wahl, als ihrem Drängen nachzugeben. Das Land musste verteidigt werden. Trotzdem lehnte er die sofortige Absetzung Banisadrs ab. Mit Hinweis auf die Verfassung bestand Khomeini darauf, dass nur das Parlament diese Entscheidung treffen könne, und das mit nur zwei Drittel der Stimmen. Er zögerte so lange, bis sich das frisch gewählte erste Parlament konstituiert hatte.

Aus dieser Entwicklung schließe ich, dass Banisadr ohne den Irakkrieg mehr hätte bewirken können und der Demokratisierungsprozess vorangetrieben worden wäre. Seine Absetzung bezeichne ich als vierten Abbruch.

Und genau das war von den Mächten gewollt, die den irakischen Diktator im Krieg gegen den Iran tatkräftigt unterstützt hatten.

Der fünfte Versuch

Der fünfte Versuch war der eindeutige Sieg Mohammad Khatamis bei der Präsidentenwahl 1997 gegen Ali-Akbar Nateq-Nuri, einen fundamentalistischen Kandidaten, einen Geistlichen, der Khameneis Favorit war. Für Khatami war die Fortentwicklung des Demokratisierungsprozess wichtig. Er hätte mehr bewirken können, wenn es George Bush senior nicht gegeben hätte.

Der US-Präsident war aufgebrochen, alle widerspenstigen Kräfte in der Region wegzufegen. Der 11. September 2001 gab ihm den Anlass, sich beauftragt zu fühlen, erst den Irak zu erobern und dann in Afghanistan die Taliban zu bekämpfen. Dass der frei und demokratisch gewählte Präsident im Iran ein Demokrat, liberal und moderat war, hinderte ihn nicht, den Iran als Teil der Achse des Bösen zu bezeichnen. Damit nicht genug, der Iran musste mit Sanktionen bestraft werden, obwohl Khatami ihm einen Versöhnungs-Vorschlag unterbreitet hatte, der folgende Punkte anbot:

  • Volle Transparenz und Garantie, dass der Iran nicht den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstrebt
  • Vorgehen gegen alle Terroristen auf iranischem Boden und Mitarbeit zur Bekämpfung der regional agierenden Terroristen
  • Informationsaustauch über alle terrorbezogenen Fragen
  • Zusammenarbeit bei Herstellung der Stabilität im Irak und in Afghanistan
  • Anerkennung der Zweistaatenlösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern
  • Beendigung der materiellen Unterstützung für palästinensische Oppositionsgruppen (Hamas und Islamischen Dschihad)
  • Einstellung der Urananreicherung

Als Gegenleistung verlangte Khatami, die USA mögen mit den Sanktionen gegen den Iran aufhören und das Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie gewähren. Hierzu schreibt Michael Lüders:

„Wie viele Tote, Verletzte und zerstörte Häuser blieben den Menschen erspart, wenn George Bush die versöhnende Hand Khatamis nicht abgeschlagen hätte“ (2).

Bewirkten die Sanktionen Unzufriedenheit der Massen, so war der Nutznießer bei der darauffolgenden Präsidentschaftswahl 2005 Mahmud Ahmadinedschad, ein Radikalfundamentalist, ein Populist. Sein Sieg ist infolge der breiten Resignation der Reformer möglich geworden. Das war aus meiner Sicht der fünfte Abbruch. Nun kommen wir zurück zu Donald Trump.

Der sechste Versuch

Der sechste und bisher letzte Versuch war die eindeutig freie Präsidentschaftswahl vom 14. Juni 2013, aus der Hassan Rohani als Sieger hervorging. Mit seiner moderaten Haltung und der Bereitschaft, die Konflikte mit den USA beizulegen, trug er zum Erfolg des am 14. Juli 2015 geschlossenen JCPOA-Atomvertrags entscheidend bei. Leider konnte er nur über kurze Zeit die Wirtschaft beleben, als man begann, die Sanktionen stufenweise abzubauen. Dies geschah während der Präsidentschaft Barack Obamas. Dann kam Donald Trump, ein Präsident, der entschlossen ist, aus dem Iran einen US-abhängigen Staat zu machen.

Somit ist der sechste Abbruch vorprogrammiert. Infolge der wiederholt ausgesprochenen lauten und deutlichen militärischen Drohungen gegen den Iran entsteht Angst und Unsicherheit. Die iranische Bevölkerung kauft massenweise Devisen, das führt zur galoppierender Inflation und Geldabwertung. Dass sich dabei auch die Korruption ausbreitet, ist als natürliche Folge zu betrachten.

Donald Trump hat den sechsten Abbruch des laufenden Demokratisierungsprozesses eingeleitet. Eine rapide steigende Zahl der Arbeitslosen ist in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 zu verzeichnen, nachdem die westlichen Handelspartner ihre Niederlassungen im Iran auf US-Druck hin aufgaben. Es ist bitter, wenn auf diese Weise Menschen mit Sachkenntnis und mit akademischer Ausbildung arbeitslos werden.

Werden die Sanktionen die iranische Wirtschaft weiter abwürgen, dann wird ein Radikalfundamentalist wieder beste Chancen haben, bei der nächsten Wahl das Rennen zu machen. Und die Liberalisierung des Landes wird wieder einmal unterbrochen.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Michael Lüders ,Armageddon im Orient, C. H. Beck 2018, Seite 48.
(2) Michael Lüders, Armageddon im Orient, C. H. Beck 2018, Seite 89-90.


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