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Journalistischer Mindestabstand

Journalistischer Mindestabstand

In Deutschland herrscht eine klebrige Nähe zwischen Medien und Politik, die unabhängige Berichterstattung unmöglicht macht.

„Am Tag vor wichtigen Bund-Länder-Corona-Schalten wurde wiederholt einer zusammengerufenen Journalistengruppe die Sichtweise des Kanzleramts, dass strenge Lockdown-Maßnahmen nötig sind, so eindringlich dargestellt, dass es zum Gipfeltag in Zeitungen und Onlineportalen stand. Und Druck auf die Länder aufbaute.“

Diese Zeilen stehen in einem aktuellen Porträt des Tagesspiegels über Steffen Seibert, den Regierungssprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Sie geben Einblick in eine Realität, die Kritiker der Medien erahnen, die aber viele Journalisten gerne immer wieder als absurd abtun. Eine gelenkte Berichterstattung? Unsinn! lautet der Tenor. Wäre es nur so einfach.

Die Vorwürfe von Medienkritikern sind allseits bekannt: Journalisten und Politiker stecken unter einer Decke und die Berichterstattung ist politisch gesteuert. Vorwürfe dieser Art gehören mit zu den härtesten Vorwürfen, die man der Presse machen kann. Medien und Journalisten, die politisch „embedded“, also: eingebettet sind, passen nicht zum Bild einer freien Presse, die die Herrschenden kontrolliert, anstatt mit ihnen ins Bett zu gehen.

Genau so bekannt sind auch die immer wieder zu hörenden Reaktionen von Medienvertretern, wonach die enge Verbindung zwischen Journalisten und Politik ein Phantasma sei.

Man kann es sich, möchte man anmerken, auch arg einfach machen und die berechtigte Medienkritik als substanzlos abtun.

Gewiss: Für die Uniformität in der Berichterstattung gibt es viele Ursachen. Für den Eindruck, dass die Medien wie von außen gesteuert wirken, gibt es viele Erklärungen. Wer sich mit den Medien und dem journalistischen Feld näher auseinandersetzt, kann verstehen, dass eine „Berichterstattung“, die wie aus einem Guss wirkt, vor allem auch damit zu tun hat, dass das journalistische Feld sozial geschlossen ist und die in den Köpfen vieler Journalisten vorherrschenden Weltbilder und Wirklichkeitsvorstellungen bereits so „einheitlich“ sind, dass letztlich das, was nach außen als „Berichterstattung“ verkauft wird, genauso einheitlich ist. Doch das ist ein anderes Thema.

Richtig ist allerdings, dass Journalismus und Politik viel enger miteinander verbunden sind, als es für eine gesunde Demokratie gut ist. Selbstverständlich gibt es reale Einflüsse vonseiten der Politik auf Medien. Diese Einflussversuche mögen mal mehr, mal weniger erfolgreich sein, aber es gibt sie. Und das ist ein Problem.

Für Medienkritiker ist es ein mühseliges Unterfangen, diese Einflüsse, ja: diese Verbindungen zwischen Politikern und Journalisten darzulegen. Es hat etwas Detektivisches: Es gilt, einzelnen Hinweisen und Äußerungen nachzuspüren, Informationsteile zusammenzutragen und nach und nach zu versuchen, ein Bild zu zeichnen, das Auskunft darüber gibt, wie diese Verquickungen aussehen. Doch die größte Hürde ist kaum zu überwinden: Mit eigenen Augen direkt diese Einflussversuche zu beobachten, festzuhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Das Problem ist: Die Einflüsse sind oft nicht direkt sichtbar. Sie laufen eben nicht vor laufender Kamera ab. Sie werden ausgeübt in diskreten Runden, in Hinterzimmern und fernab vom Lichte der Öffentlichkeit. Und diejenigen, die Zutritt zu derartigen Treffen unter dem Einflussbereich der Politik haben, hängen ihre Erfahrungen natürlich nicht an die große Glocke. Vermutlich sehen sie sogar noch nicht einmal eine Notwendigkeit daran. Vermutlich erkennen sie nicht einmal eine Grenzüberschreitung, wenn sie bei einem diskreten Treffen von hochrangigen Vertretern der Politik mit exklusiven Informationen gefüttert werden. Und dieses Verhalten ist nicht einmal schwer zu erklären.

Weltanschauliche Verbundenheit

Zwischen Journalisten und Politikern existiert oft eine ideologische Komplizenschaft. Die beiden Gruppen sind weltanschaulich miteinander verbunden. Man muss sich als Medienkritiker nur die Bundespressekonferenz anschauen. Die weltanschauliche Verbundenheit von Journalisten und Politikern ist offensichtlich. Und so werden bestimmte, handverlesene „Journalisten“ eben in die bekannten und weniger bekannten Hintergrundrunden im politischen Berlin eingeladen. Manchmal könnten Kameras mitlaufen und die Öffentlichkeit würde nichts sehen, was weiter von Belang ist.

Trivialitäten. Ein Witzchen hier, ein Witzchen da, ein paar Informationen aus erlauchtem Munde, die aber im Grunde genommen keinen großen Wert haben. Doch manchmal ist es eben auch anders. Manchmal geht es um etwas. Wie etwa, wenn Politiker offensichtlich ein Interesse daran haben, Medienvertreter auf einen harten Kurs in der Pandemie-Politik einzuschwören.

Und plötzlich — das sollte uns allen deutlich werden — geht es nicht nur um „etwas“, es geht um „ziemlich viel“. Es betrifft uns alle.

Wenn Politiker der Auffassung sind, ein Lockdown ist angebracht, dann dürfen sie selbstverständlich dieser Auffassung sein. Aber es bedarf dann — wie bei anderen wichtigen Themen auch — einer funktionierenden Presse, die sich nicht bei verschwiegenen Treffen „eindringlich“ vom Kanzleramt auf eine Pro-Lockdown „Berichterstattung“ einstimmen lässt.

Es bedarf Journalisten, die sich solchen Runden entziehen und auch gegebenenfalls einem Herrn Seibert ins Gesicht sagen, er möge bitte das, was er zu sagen hat, doch on the record vor laufenden Kameras zu allen Journalisten sagen.

Doch da beißt sich, wie schon angedeutet, die Katze in den Schwanz. Wer als Journalist bei dem im Tagesspiegel erwähnten Treffen anwesend war, dürfte darin gewiss keine Grenzüberschreitung sehen. Wahrscheinlich waren die versammelten Journalisten selbst vom Lockdown überzeugt. Das Treffen erlaubte ihnen sozusagen, nun auch noch mit höchster Rückendeckung von politischer Seite die Überzeugung von einem Lockdown in den Äther zu schicken. Man steht eben auf der „richtigen“ Seite.

„Am Tag vor wichtigen Bund-Länder-Corona-Schalten wurde wiederholt einer zusammengerufenen Journalistengruppe die Sichtweise des Kanzleramts, dass strenge Lockdown-Maßnahmen nötig sind, so eindringlich dargestellt, dass es zum Gipfeltag in Zeitungen und Onlineportalen stand. Und Druck auf die Länder aufbaute.“

So steht es im Tagesspiegel.

Das ist einer jener eher seltenen Hinweise, der dem Medienbeobachter vor Augen führt: Die Rede von einem gesteuerten Journalismus ist nicht so abwegig, wie manche meinen. Im Gegenteil: Man nehme eine überschaubare Anzahl von Journalisten, die über Reichweitenmacht verfügen, und lade sie zu einem exklusiven Treffen ein. Dort nimmt das politische Lager subtil oder auch nicht subtil, offen oder verdeckt, Einfluss und versucht, einen bestimmten gewünschten Grundton anklingen zu lassen.

Die Journalisten machen mit, vermutlich auch noch aus Überzeugung. Sie gehen zurück in die Redaktionen und stimmen dann, getrennt voneinander, aber doch vereint, medienübergreifend den gewünschten Ton an. Dieser gewinnt durch die Reputation der Medien und die Lautstärke schnell an Schwingungskraft und ehe man sich versieht, nehmen andere Journalisten diesen Ton auch auf.

Gelenkte Berichterstattung

Et voilà! wie der Franzose zu sagen pflegt. Hier ist er, der gesteuerte Journalismus.

Es gilt, an den richtigen Stellen innerhalb des Mediensystems die richtigen Impulse zu setzen. Und schon ist die gelenkte Presse Realität.

Wobei: Das soll nicht heißen, dass diese Einflussversuche der Politik immer erfolgreich sind. Das bedeutet nicht, dass so dauerhaft und immer eine gesamte Medienlandschaft gesteuert werden kann. Aber punktuell ist eben eine gelenkte „Berichterstattung“ machbar.

Ein weiteres Beispiel. Im Juli 2010 schreibt Jakob Augstein in der Süddeutschen Zeitung folgende erhellende Zeilen:

„Ein paar Monate zuvor, am 8. Oktober 2008, hatte es ein sonderbares Treffen gegeben, das in diesem Zusammenhang Erwähnung finden soll. Die Bundeskanzlerin hatte an jenem Tag die bedeutenden Chefredakteure der bedeutenden Medien eingeladen. Es war die Zeit, in die der Ausbruch der großen Finanzkrise fiel. Man findet keinen ausführlichen Bericht über dieses Treffen, der veröffentlicht worden wäre und überhaupt nur wenige Erwähnungen in den Archiven, nur hin und wieder einen Nebensatz, eine knappe Bemerkung. An einer Stelle liest man in dürren Worten, worum es an diesem Abend im Kanzleramt ging: Merkel bat die Journalisten, zurückhaltend über die Krise zu berichten und keine Panik zu schüren.

Sie haben sich daran gehalten, die Chefredakteure. Noch im Februar 2009, vier Monate später, wunderte sich die taz über die Medien: ‚Sie halten die Bürger bei Laune, auf dass diese stillhalten. Wie viel Geld bereits in die Banken gepumpt wurde, wie viele Milliarden Bürgschaftszusagen vergeben wurden (und wie viele Hartz-IV-Monats‚löhne‘ das sind), das steht auch nicht in der Zeitung.“

So diskret wie führende Journalisten zur Einschwörung auf eine „Lockdown-Berichterstattung“ zusammengefunden haben, so diskret sind in diesem Beispiel sogar die bedeutenden Chefredakteure der bedeutenden Medien einer Einladung von höchster politischer Stelle bis ins Kanzleramt gefolgt. Und: Sie sind offensichtlich, wie Augstein beschreibt, auch der „Bitte“ Merkels nachgekommen.

Urich Deppendorf, der ehemalige Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, sagte einmal:

„Wir haben ja häufiger vertrauliche Gespräche in Berlin, mit der Kanzlerin gibt es zweimal oder dreimal im Jahr einen Hintergrundgesprächskreis, da sind alle Büroleiter drin. Uns gibt das eine Vorstellung, wie tickt sie, wo will sie hin — und manchmal kann man das dann andeuten in bestimmten Artikeln und Stellungnahmen. Davon lebt der Journalismus. Ich finde das weniger dramatisch, man muss nur immer klar sagen: Die Kanzlerin vertritt die eine Seite und wir stehen auf der anderen.“

Das klingt alles so schön, so einfach und passt irgendwie gar nicht so dazu, was im Tagesspiegel zu lesen ist.

Nun denn. Es geht jedenfalls auch umgekehrt: Nicht nur die Politik lädt handverlesene Journalisten ein, Top-Journalisten haben auch handverlesene Politiker zu einem der wohl exklusivsten Treffen von Eliten und Machteliten eingeladen. Wir denken dabei etwa daran, wie führende Redakteure der Zeit im Lenkungsausschuss der Bilderberg-Gruppe saßen und dabei einen Politiker wie Jürgen Trittin zum Stelldichein gebeten haben.

Wie angesprochen: Die angeführten Beispiele sind wie Puzzleteile, die sich dem Betrachter zeigen, wenn sich der Vorhang, der normalerweise die diskreten Verbindungen zwischen Journalisten und Politikern verdeckt, ein kleines Stück hebt.

Auch wenn nur ein kleiner, flüchtiger Blick möglich ist, so reicht das, was zu sehen ist, bereits aus, dass Kritiker der Medien sagen können: Journalisten und Politiker sind sich bisweilen viel näher, als sie es sein dürften. Offensichtlich auch — wenn nicht gerade — in der Pandemie!


Im August erscheint das neue Buch von Marcus Klöckner. Hier können Sie das Buch bestellen: als Taschenbuch oder E-Book.


Stimmen zum Buch

„In Klöckners Werk gibt es eine Menge origineller (sprachlicher) Einfälle; das Buch ist stilistisch glänzend geschrieben — wenngleich in der Form eines riesigen Leitartikels, den man sich härter und einseitiger kaum vorstellen kann. (...) Klöckner führt den Ball eng am Fuß und nimmt diverse Akteure und Institutionen gnadenlos aufs Korn, wobei er keinem Konflikt (und Wortspiel) aus dem Wege geht. Konsequent folgt er dem alten Luhmann-Bonmot ‚Der Gag heiligt die Mittel‘, wenn es darum geht, Medienkritik als Gesellschaftskritik zu üben und Nachweise für den Niedergang des Journalismus zu führen.“
Siegfried Weischenberg, Kommunikationswissenschaftler und Soziologe

„Diesen Totalausfall der Medien und Journalisten in der sogenannten Corona-Pandemie nimmt Klöckner zum Anlass, sich selbige ‚zur Brust‘ zu nehmen. Nach seinem Buch ‚Sabotierte Wirklichkeit: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird‘ aus dem Jahr 2019 zerlegt Klöckner in seinem neuen Buch die gesamte Medienbranche und ihre journalistischen Zombies. Er präsentiert sie uns als bösartige Propaganda-Maschinerie wider Anstand und Fairness, bar jeder journalistischen Profession. (...) Ihre Hauptkompetenz liege darin, im Schulterschluss mit der Regierung Angst zu schüren. (...) Indem sie jede kritische Analyse scheuen wie der Teufel das Weihwasser seien sie selbst zu einer grundlegenden Gefahr für die Demokratie geworden. (...) Das Politik- und Medienkartell kann nur noch als integrale Verbrechensform begriffen werden, wobei die Medien nicht selten die Politik vor sich hertreiben beziehungsweise der Politik als Verstärker ihrer kriminellen Machenschaften zugunsten der Kapitalfraktionen dienen. Die Medien sind daher nichts anderes als Kombattanten im laufenden ‚information warfare‘ gegen die Zivilgesellschaften. Sie sind kriegführende Partei. Die gesamte Mainstream-Medienindustrie begreift Klöckner völlig richtig als nicht mehr reformierbar.“
Ullrich Mies, Autor und Publizist

„Der Kampf gegen das gleichgeschaltete, regierungskonforme Medienkartell hat gerade erst begonnen. Wer immer noch meint, es ginge um eine innergesellschaftliche Diskussion, hat nicht begriffen, dass es Regierung und angeschlossener Bewusstseinsindustrie ausschließlich darum geht, die Definitionshoheit mit allen perfiden Mitteln zu erhalten. Kollabiert die Definitionshoheit, kollabiert die Macht des herrschenden kriminellen politischen Regimes. Zombie-Journalisten sind mitverantwortlich dafür, dass wir in faschistische Verhältnisse abgleiten. Obwohl in weiten Teilen des Buches anklingt, wie sehr Klöckner die derzeitige Journaille verachtet, gelingt es ihm dennoch, Leserinnen und Leser immer wieder zum herzhaften Lachen zu bringen.“
Annette van Gessel, Pharmazeutin und Lektorin

„Marcus Klöckner liefert (...) jetzt all die Beweise, die bei meiner Draufsicht aus dem Blick geraten sind. Textanalyse vom Feinsten, geschöpft aus dem Fundus der Fehlleistungen, die wir seit anderthalb Jahren beobachtet haben. Nena und #allesdichtmachen. Das WDR-Interview mit Jan Josef Liefers. Die Kampagnen gegen ‚Impfvordrängler‘, ‚Schwurbler‘, ‚Maskenverweigerer‘.“
Michael Meyen, Professor für Kommunikationswissenschaft

„Der Unmut des Autors kommt deutlich zum Ausdruck, sorgt aber auch für große Unterhaltung. Klöckner versteht es, seine Kritik so zuzuspitzen, dass sie ins Schwarze trifft, ohne langweilig zu wirken. Stilistisch zieht er alle Register. (...) (Ein) Sachbuch (...), das zu den wohl besten der letzten Jahre gehört. Es ist scharfsinnig, argumentationsstark und anregend. Ein absoluter Lesegenuss.“
Magazin für demokratische Kultur

„Mit dieser Publikation geht es Klöckner nicht nur um eine Abrechnung mit einer Branche, die gerade vollständig versagt und deren schreibende Akteure sich — wenn auch jetzt noch feist lachend, da sich auf Seiten der ‚Siegermacht‘ wähnend — eine solch gewaltige Schuld aufladen, die kein Mensch zu tragen imstande sein wird, wenn er in Zukunft einmal ihr ganzes Ausmaß vor Augen geführt bekommt. Klöckner will dem Bürger mit seiner Analyse auch Waffen an die Hand geben, mit denen er sich gegen den Generalangriff auf seine innerste Integrität zur Wehr setzen kann (...).“
Der Nachrichtenspiegel


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