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Konstruktiv uneinig

Konstruktiv uneinig

Linke und Rechte müssen sich nicht so erbittert streiten, wie sie es aktuell tun — im Grunde ergänzen sich ihre Ansichten.

Der Streit zwischen Linken und Rechten ist ein uralter: Stets wollten die Rechten, dass die althergebrachten Machtverhältnisse so bestehen bleiben, wie sie immer waren, während die Linken dafür sorgen wollten, dass sich alles ändern möge, damit auch die Ärmsten und Benachteiligtsten unserer Gesellschaft mit den gleichen Rechten ausgestattet werden wie überhaupt alle, um die gesellschaftlichen Verhältnisse mitverantworten und gestalten zu können. Lassen wir alles in der alten Ordnung bestehen oder machen wir alles anders; das war immer der Streit zwischen Linken und Rechten. Rechte waren daher für Thron und Altar und für ein starkes Militär zum Schutz derselben; Linke traten für demokratische Parlamente und wohl nicht immer konsequent gegen Gewalt und Krieg ein, aber zumindest in internationalistischer Weise gegen das die alten Nationalordnungen schützende Militär.

Inzwischen haben sich diese Verhältnisse aber deutlich verändert: Wir finden mittlerweile unter den echten Rechten kaum weniger Pazifisten als unter den echten Linken, während die Pseudo-Rechten und die Pseudo-Linken immer vehementer zu Kriegstreibern geworden sind.

Thron und Altar sind, jenseits von Rechts und Links, weitgehend mit den Weltkriegen im 20. Jahrhundert weggespült worden, aber inzwischen wird die Kritik an elitären Kreisen, die hinter den demokratischen Kulissen unserer Gesellschaft die Strippen ziehen, mindestens so deutlich von echten Rechten wie von echten Linken formuliert, während die Pseudo-Rechten der CDU und FDP mit den Pseudo-Linken von SPD und Grünen — oder entsprechenden Parteien in manchen anderen Ländern — solche Kritik als „Verschwörungstheorie“ bezeichnen und damit meinen, dass sie indiskutabel beziehungsweise schlichtweg tabu sei. Das heißt aber nicht weniger, als dass sich echte Rechte und echte Linke inzwischen so weit angenähert haben, dass sie sich in wesentlichen Fragen viel näher stehen als jeweils ihren ehemaligen Weggefährten aus der Pseudo-Rechten und Pseudo-Linken.

Und immer mehr von den echten Rechten und den echten Linken kommen für sich persönlich zu dem Schluss, dass es eigentlich gar nicht notwendig, ja streng genommen gar nicht möglich ist, sich entweder ausschließlich als Rechter oder als Linker verorten zu wollen, weil man von Sachfrage zu Sachfrage mal mehr das eine und mal mehr das andere ist. Also wer will denn einen Daniele Ganser oder einen Kayvan Soufi-Siavash (ehemals Ken Jebsen) im Ernst einem dieser Lager ideologisch zuordnen? Und selbst eine vorbildliche „echte Linke“ wie Sahra Wagenknecht wurde ja nicht umsonst von manchen Pseudo-Linken als „zu weit rechtsstehend“ verortet.

Wem übrigens beim Lesen dieser Zeilen jedes Mal ein Schmerz durch die Glieder fährt, sobald das Wort „rechts“ erklingt, der möge es bitte umgehend ersetzen durch das Wort „konservativ“. Denn dass das Wort „rechts“ heute synonym mit „rechtsradikal = Nazi“ verstanden wird, ist ja vom politologischen Begriff her ein Unding und hat mit der psychological operation zu tun, die den Begriff des politisch „Rechten“ kaputt diffamiert, also quasi verbrannt hat, während der bis kurz vorher von denselben Kräften bereits weitgehend verbrannte Begriff des Linken einer Therapie unterzogen und dahingehend umgeframet wurde, dass unter ihm fortan alles Gute und Zeitgemäße zu verstehen sein sollte. Wir können daher, statt von „Rechten“, auch ganz einfach von „Konservativen“ sprechen, denn nichts anderes ist hier gemeint. Die paar Rechtsradikalen, die heute aus bestimmten Interessen heraus zu einer „Gefahr für die Demokratie“ hochgejazzt werden, sind dabei gar nicht der ernsthaften Diskussion wert; ebenso wenig wie die paar Linksradikalen, die immer noch von Lenin träumen. Das alles sind uralte Hüte des 20. Jahrhunderts, die aus dem einzigen Interesse aus der Mottenkiste unserer Geschichte herausgezogen werden, um uns in irrationale Ängste und Schockstarre zu versetzen und uns zu spalten auf der Grundlage von etwas, das es so schon lange gar nicht mehr gibt.

Es gibt keine „rechte Gefahr“ und auch keine „linke Gefahr“ im Sinne des 20. Jahrhunderts; es gibt keinen rechten Populismus und auch keinen linken Kommunismus, vor dem wir uns heute noch ernsthaft fürchten müssten, sondern der Elefant im Raum, über den man nicht sprechen darf, kommt im Anzug und mit den Buchstaben der etablierten Parteien daher und marschiert gnadenlos auf eine technokratisch-transhumanistische Gesellschaft zu.

Und auf diesem Marsch wird er sich einiger kommunistischer und einiger populistischer Elemente zu bedienen wissen, wie wir uns das aber heute noch gar nicht richtig vorstellen können, und die ganz bestimmt nichts mit echten Linken oder echten Konservativen zu tun haben, ja bei denen nicht einmal Rechtsradikale oder Linksradikale eine ernsthafte Rolle spielen werden, sondern es sind dann die Meier und Müller aus den Anhängerschaften unserer braven etablierten Parteien, die sich in Populisten und Kommunisten verwandeln werden, ohne es selber je zu merken.

Darum, lassen wir uns nicht narren: Als echter Linksgrüner weiß ich, dass meine Kollegen unter den Konservativen es heute sehr ernst meinen mit ihrem Pazifismus und ihrer Elitenkritik und dass wir daher in aller Gelassenheit darangehen können, die anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben unter uns aufzuteilen. Denn auch wenn ich meine, dass jeder Mensch sowohl ein Konservativer (Rechter) als auch ein Progressiver (Linker) ist, so bleiben doch auch bei jedem vielleicht Aspekte übrig, für die er sich mehr interessiert als für andere. Daher lasst uns dies einmal klären: Als Linker interessiere ich mich vor allem anderen für Rechte, also ich meine für Menschenrechte. Ich möchte, dass alle Menschen, gleich welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe, welcher Nationalität und welcher sozialen Herkunft, die gleichen Rechte genießen können. Das ist das, was Rudolf Steiner im Rahmen seiner sozialen Dreigliederung das „Rechtsleben“ genannt hat, und dieses ist durch und durch, bis in die Politik hinein, ein Interessensschwerpunkt der Linken. Und darin sind die Linken auch richtig gut! Also übergeben wir doch dem Linken in uns als Aufgabe, sich um das Rechtsleben unserer Gesellschaft zu kümmern!

Ja, und die Konservativen? Worin sollen die gut sein...? Nun, wie es der Name schon sagt: Sie wollen konservieren, das heißt erhalten und pflegen; sie wollen sorgen und versorgen. Sie sind der Pappi, der für uns sorgen will, und im tiefsten Herzen sind sie die sorgende Mutter, die für den Erhalt alles Lebendigen auf Erden einsteht. Darum wird auch der Konservative sich niemals die Familie zerstören lassen und niemals die Kinder einer haltlosen Sexualisierungs-Kampagne preisgeben: Familie und Kindheit gehören in die pflegende Obhut der Mütter, die hier radikal konservativ für das Wohl ihrer Schützlinge sorgen. Das ist nicht die männliche, die väterliche Frage nach der Gerechtigkeit, sondern die weibliche, die mütterliche Frage nach einer gesunden, bedingungslos zur Verfügung gestellten Nahrungs- und Nestsphäre, Haushaltssphäre, Lebenssphäre hier auf Erden. Das ist die eigentliche Wirtschaftsfrage, und es ist tatsächlich ebenso die eigentliche ökologische Frage nach einer gesunden Lebenssphäre auf Erden und durch alle Naturreiche hindurch:

Der echte Grüne ist in seinem tiefsten Innern selbstverständlich ein Konservativer und der echte Konservative ein Grüner, denn alles, was er zu erhalten begehrt, schließt immer auch die natürlichen Bedingungen mit ein, die seiner konservativen, weiblichen Pflege und Sorge dringend bedürfen.

Dass die Grünen „links“ seien, ist ja eine Fehlinterpretation unserer jüngeren Geschichte; in Wirklichkeit hatten nämlich bereits in der Grünen-Bewegung der 1970er und 80er Jahre Konservative und Linke zusammengefunden, und „linksgrün“ hieß darum ursprünglich nicht, dass die Grünen links sind, sondern beschreibt bereits den Zusammenschluss von Linken und Konservativen (Grünen)! Das ist nur nicht verstanden und ja auch sofort von den psychological operations vernebelt und zum Abschuss freigegeben worden, sodass dafür gesorgt wurde, die von ihrem Selbstverständnis her Konservativen aus den Reihen der Grünen hinauszubefördern und die Partei einseitig in die Hände der Linken zu geben, sodass dann schließlich nur noch die Pseudo-Linken dafür sorgen mussten, dass auch noch die echten Linken rausflogen oder den Mund zu halten hatten.

Die erste grüne Bewegung indessen, nämlich die Lebensreform-Bewegung im 19. Jahrhundert, war eine radikal konservative Bewegung, die nun aber nicht Thron, Altar und Militär, sondern das irdische Paradies zu bewahren und zu pflegen versuchte und damit ihren weiblichen Ur-Auftrag der Pflege des Organischen begriffen hatte; nur ließ sie sich dann über völkisch-geschichtliche Ideen von den rechtsradikalen Kräften in die Irre leiten, so wie sich die linke Bewegung im 20. Jahrhundert von den linksradikalen Kräften hat in die Irre führen lassen und alles in die eine große Katastrophe der Zerstörung namens Zweiter Weltkrieg, Holocaust und Atombombenzündung einmündete. Sowohl die echten Linken als auch die echten Rechten waren dann am Ende dieser Zerstörungskatastrophe so sehr diskreditiert und teils ja auch faktisch verirrt, dass andere Interessengruppen leichtes Spiel hatten, eine ganz andere Gesellschaft auf den Weg zu bringen, in deren Mitte ein Elefant heranwuchs, der in eine völlig andere Richtung marschieren wird, als es die echten Linken und die echten Konservativen je erstrebt haben.

Wer sich nach all diesen Begriffsverwirrungen durch psychological operations wieder klar zu besinnen vermag, der wird den Konservativen und den Linken in sich selber finden und vielleicht auch mehr zu dem einen oder zu dem anderen neigen, ganz egal: Als Konservativer darf ich mich nun endlich von dem Bannfluch des neoliberalen Aktenkofferträgers befreien, mit dem mich nämlich rein gar nichts verbindet, und mich als echter Grüner um das Wohlergehen meiner Kinder, meiner Familie, meiner Heimat und meines Heimatplaneten Erde kümmern und eine Welt-Wirtschaft auf den Weg bringen, in der wir uns nicht um die Bodenschätze prügeln und sie neoliberal ausbeuten werden, um irgendwelche abstrakten Profite zu erwirtschaften, sondern ich verteile das, was ich habe, an diejenigen, die es brauchen, und wenn wir das alle so machen, also wenn jeder dem anderen gibt, was er braucht, ist auch für alle genügend vorhanden. (1) Als Konservativer bin ich Ökologe, Ökonom, Ökosoph und eben Haushaltsvorstand schlechthin für die Menschheitsfamilie im Ganzen. Und dagegen wird kein Linker in und außer mir etwas einzuwenden haben, sondern der wird nur aufpassen, dass alles mit gerechten Dingen zugeht, dass die Rechte aller Menschen auf Erden vor Übergriffen geschützt bleiben. So werden wir Wirtschaft und Politik als echte Konservative und echte Linke unter uns aufteilen und in ein zukunftsträchtiges Fahrwasser bringen und damit endlich das Tabu brechen, dass Konservative und Linke nie zusammenfinden dürfen, sondern sich immer gegenseitig bekämpfen und untereinander spalten sollen, wie es die herrschenden Eliten gerne hätten. Und wie wir es ihnen aber nicht mehr liefern werden.

Es gäbe noch manches dazu zu sagen, aber es genügt vielleicht, wenn wir uns bis zu diesem Licht-Blick auf die Gesellschaft unserer Gegenwart durchgearbeitet haben. Dass wir zuletzt alle Individualitäten sind, die noch einen dritten Acker neben Wirtschaft und Politik zu bestellen haben, nämlich das geistige Leben, die ideelle Sphäre und also den eigentlichen Impulsgeber und Motor unserer Gesellschaft, das sei nur abschließend noch hinzugefügt — und alles andere will dann jeweils vor Ort im Dialog miteinander besprochen, verhandelt und getan werden.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) Das ist nämlich die Unsichtbare Hand, die Adam Smith fatalerweise auf den Kopf gestellt hat, indem er gemeint hat, wenn jeder für sich selber sorge, regele sich alles zum Besten. Heute meinen die Libertären, ganz im Sinne von Smith, dass sich alles zum Besten auspendele, wenn man die Wirtschaft nur frei lasse. Aber nicht die neoliberale Freiheit ist das Prinzip, das eine Wirtschaft zum Wohle aller führt, sondern das Prinzip einer radikalen Brüderlichkeit, welche ganz nach der Frage handelt: Was brauchst, wessen bedarfst Du? Nicht die sich selber nehmende Hand von Smith, sondern die nach allen Seiten hin gebende Hand ist es, die im Unsichtbaren zu einem Ausgleich für alle führen wird!

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