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Libanon hat gewählt

Libanon hat gewählt

Der Wahlsieg der Hisbollah ist eine Ohrfeige für den Westen.

Vor wenigen Wochen hatten die USA den militärischen Arm der libanesischen politischen Partei Hisbollah zur Terrororganisation erklärt. Auslöser war der sehr erfolgreiche Kampf der Hisbollah-Soldaten gegen die Terroristen von Al-Kaida und ISIS in Syrien. In Israel wurde erklärt, dass der Generalsekretär der Hisbollah freigegeben wäre zur Ermordung, sollte es zu einem Konflikt mit dem Libanon – der praktisch durch die Hisbollah verteidigt wird – kommen.

Ebenfalls vor einigen Wochen war der Premierminister des Libanon, Hariri, in einer bizarr anmutenden Aktion von Saudi-Arabien gezwungen worden, seinen Rücktritt zu erklären – mit der Begründung, die Hisbollah wäre so schädlich für den Libanon, dass Saudi-Arabien das nicht länger ertragen könne. Nicht zuletzt durch Druck aus dem Ausland konnte Hariri erst kürzlich wieder in den Libanon zurückkehren und dann seinen Rücktritt vom Rücktritt erklären.

Die Verfassung des Libanon versucht alle Religionen und Ethnien zu berücksichtigen. Das Staatsoberhaupt, also der Präsident, soll Christ sein, der Parlamentspräsident Schiit und der Premierminister und Regierungschef ein Sunnit.

So wurde das Land auch weitgehend befriedet. Allerdings hatte die schiitische Hisbollah längst die religiösen Barrieren eingerissen und Einfluss weit über religiöse Differenzen hinweg genommen. Schon im Mai 2015 sagten Christen: „Sie akzeptieren uns, wie wir sind“ und begannen gemeinsam mit der Hisbollah zu kämpfen, ließen sich von dieser sogar ausbilden (1). Zeit, einmal die Prinzipien der Organisation zu durchleuchten. Wie sieht ihre Weltsicht aus?

“Im Gegensatz zum Konzept der Sunniten, des Dar al-Harb (Land des Krieges), fokussiert sich die Hisbollah auf Unterdrückung (mustakbirun) und Unterdrückte (mustad’afun). Die Unterdrückten sind nicht ausschließlich Muslime, sondern eher ‚alle Unterdrückten der Erde‘, (…) sozial, wirtschaftlich, politisch und kulturell gesehen. Saad-Ghorayeb (2) zufolge wurden diese Themen ‚vom Marxismus und dem Koran‘ entliehen (…) mit einem Schuss moralischem Dualismus und Millenarismus mit deren Aufteilung der Menschheit in gute und teuflische Mächte“(3).

Nun hat diese Hisbollah am 06. Mai 2018 im Libanon die ersten Wahlen seit vielen Jahren mit absoluter Mehrheit gewonnen. Die Menschen haben gesehen, wie die Organisation Israel davon abgehalten hat, die Wasserquellen zu besetzen und zu annektieren und die angreifenden Bodentruppen Israels trotz massiver Luftunterstützung zwang, sich wieder aus dem Libanon zurückzuziehen. Sie hatten gesehen, wie die Hisbollah die ISIS aus dem Grenzgebiet zu Syrien vertrieb und verhinderte, dass die Terroristen in den Libanon vordrangen. Und sie beobachteten, wie erfolgreich und opferbereit die Kämpfer allen religiösen Gruppen in Syrien halfen, die Terrorherrschaft zu überwinden.

Und noch eine andere Partei hatte Grund zu feiern, jene, die sich das säkulare Staatssystem Syriens als Vorbild nahm und den dortigen Präsidenten Assad unterstützt.

„Für eine Überraschung sorgte die Marada-Bewegung von Suleiman Frangieh Junior, die mit ihren Verbündeten bis zu neun Abgeordnete im neuen Parlament haben könnte. Die Partei gilt als säkular und steht im Konflikt in Syrien hinter der Regierung von Präsident Baschar al-Assad.“ (5)

Durch diese Wahl wurde der Libanon ein Teil der Achse des Widerstands oder, wie Saudi-Arabien sagte, ein Hisbollah-Land und damit eine „Kolonie des Iran“. Und hier erkennt man deutlich, warum die Golfdiktaturen, Israel und die USA den Iran als eine so große Gefahr ansehen. Nicht weil sie glauben, dass er ernsthaft andere Länder angreifen oder „vernichten“ wolle. Sondern weil der Iran sich als selbständiges Land behauptet hat, und weil dies zeigt, dass ein Kampf gegen Aggressoren, egal wie mächtig sei sein mögen, erfolgreich sein kann.

Im Libanon erkannten die Menschen, dass für die nationale Unabhängigkeit, für ihre Freiheit und Selbstbestimmung die Hisbollah wichtiger war als Milliarden-Dollar-Versprechungen aus Saudi-Arabien.

Und da halfen auch bekannt gewordene Wählerkäufe durch von Saudi-Arabien unterstützte Parteien nichts. Ein Virus geht um im Mittleren Osten, und sein Ursprung ist der Iran. Dieser Virus will die unbeschränkte Herrschaft von Despoten, die Einflussnahme von Imperien oder die Eroberungskriege um Ressourcen durch Israel oder andere Mächte nicht mehr akzeptieren.

Mitglieder der Hisbollah haben längst aufgehört, wütend Attentate zu begehen – die, die bekannt geworden sind, konnten übrigens nie zur Führung zurückverfolgt werden. Die Führung der Hisbollah agiert heute staatsmännischer und ist in ihren Aussagen zuverlässiger als viele westliche Politiker, geschult nicht zuletzt durch iranische Geduld und Diplomatie. Sind es die Worte eines Terroristen oder die eines Staatsmannes, der sich auf der richtigen Seite der Geschichte fühlt, wenn Sayyid Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der Hisbollah, nach dem Wahlsieg verkündet:

„‘Um jeden Konflikt im Land zu vermeiden, müssen wir alle konfessionellen, regionalen und aufrührerischen Reden vermeiden, wie wir sie vor den Wahlen gehört haben‘, so Nasrallah. Obwohl es unterschiedliche Meinungen bei verschiedenen Themen gebe, ‚können wir nicht so tun, als gäbe es den anderen nicht. Wir müssen Raum für Verständigung lassen‘." (5)

Natürlich ist das durch die extremistische wahhabitische Islamlehre und das Schüren religiöser Spannungen, das durch US-Propaganda und -Aktionen erzeugte „konstruktive Chaos“, das zur Spaltung des Islam führen sollte, nicht überwunden. Falls Sie diesen Begriff noch nie gehört haben:

Das Projekt der USA und Israels, einen „Neuen Mittleren Osten“ zu erschaffen, stammt aus dem Jahr 2006. Es ging darum, die Kräfte eines „konstruktiven Chaos“ auszulösen. Dieses sollte dann die Bedingungen für den Einsatz von Krieg und Gewalt in der Region schaffen, der durch die USA, Großbritannien und Israel genutzt werden konnte, um den Mittleren Osten in Einklang mit ihren geo-strategischen Wünschen und Zielen neu zu formen. Was sich in den wenigen Sätzen wie eine klassische Verschwörungstheorie liest, ist aber anerkannte Tatsache. Wie man zum Beispiel zu Beginn der Planungen einer Aussage der damaligen Außenministerin der USA entnehmen kann (4).

Das sollten wir wissen, wenn unsere Politiker den Aufforderungen der USA folgen sollten und alle Handelsbeziehungen mit dem Iran abbrechen, vielleicht sogar versuchen einen Krieg gegen den Iran zu provozieren.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Vincent Funaro, ‚They Accept Us as We Are;‘ Christians Join Forces With Muslim Group Hezbollah to Fight ISIS in Lebanon, 2015, online: https://www.christianpost.com/news/they-accept-us-as-we-are-christians-join-forces-with-muslim-group-hezbollah-to-fight-isis-in-lebanon-138975/Seitezuletztaufgerufen am 07.05.2018.
(2) Saad-Ghorayeb verfasste das Buch “Hizbu’llah Politics and Religion”
online: https://www.amazon.com/Hizbullah-Politics-Religion-Critical-Studies/dp/0745317928, Seite zuletzt aufgerufen am 07.05.2018.
(3) 21stCenturyWire, Who Are Hezbollah and What is Their Role in the Middle East? 2017, online: http://21stcenturywire.com/2017/11/19/hezbollah-role-middle-east/Seitezuletztaufgerufen am 07.05.2018.
(4) Secretary of State Condoleezza Rice,Special Briefing on the Travel to the Middle East and Europe of Secretary Condoleezza Rice (Press Conference, U.S. State Department, Washington, D.C., July 21, 2006).
Wen die theoretischen Hintergründe des Krieges interessieren, der wird unter dem Stichwort „Schöpferische Zerstörung“ für einen „Neuen Mittleren Osten“ fündig. F. William Engdahl veröffentlichte darüber zum Beispiel im Blog Cashkurs. Und schon 2006 berichtete Mahdi Darius Nazemroaya darüber in Global Research:
Mahdi Darius Nazemroaya, Plans forRedrawingtheMiddle East: The Project for a „New Middle East“, 2006, online: https://www.globalresearch.ca/plans-for-redrawing-the-middle-east-the-project-for-a-new-middle-east/3882 Seite zuletzt aufgerufen am 23.12.2017.
(5) Karin Leukefeld, Analyse: Die Wahlen im Libanon und die möglichen Folgen, 2018, online: https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/69536-analyse-die-wahlen-im-libanon-und-die-moeglichen-folgen/ Seite zuletzt aufgerufen am 07.05.2018.


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