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Murks statt Marx

Murks statt Marx

Wenn vorgebliche Marxisten versuchen, die inszenierte Coronakrise zu deuten, stochern sie vor allem im Nebel — und verraten jene Unterdrückten, die sie zu vertreten vorgeben.

In einem auf zwei Ausgaben verteilten Beitrag mit den Titeln „Block an der Macht“ sowie „Geschenke und Brosamen“ wagt die junge Welt sich an das Thema „Klassenkämpfe in Deutschland während der Coronakrise“. Dies ist ein Nachdruck aus der sich immer noch „Probleme des Klassenkampfes“ (Prokla) nennenden Zeitschrift.

Endlich! — freut man sich und hofft darauf, dass jemand sich analytisch mit dem theoretischen und politischen Desaster der Linken auseinandersetzt, dass die junge Welt aus ihrer Verblendung erwacht. Aber nein, was wird uns geboten? Ein paar dürre Auszüge aus einem Grundkurs „Einführung in den Marxismus“, natürlich nur der halbe Marx. Der Marx der „Klassenkämpfe“, der „politische Marx“ fehlt vollkommen: Der Staat, seine Rolle in der Austragung der Klassenkämpfe ist vollkommen ausgeblendet.

„Politik zugunsten der Kapitalisten“, so lautet der Untertitel des zweiten Teils des Beitrags. — Weiß Gott, was für eine umstürzende Erkenntnis! Diese wird natürlich im ersten Teil umständlich vorbereitet mit längeren Ausführungen über „Klassen, Klassenfraktionen“ und der unwiderlegbaren Behauptung:

„Klassenkampf findet nicht nur statt, wenn irgendwo gestreikt oder demonstriert wird. Vielmehr ist der Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion und Reproduktion ein Prozess des Klassenkampfes.“

Diese unwiderlegliche Formel wird aber dann zum Sprungbrett für die nächsten Behauptungen:

„Wir sehen immer nur die Spitze des Eisbergs. Der größte Teil des Klassenkampfes findet im alltäglichen Kleinkrieg am Arbeitsplatz statt, in der ‚verborgenen Stätte der Produktion‘ (Marx). Aber auch von den Interaktionen zwischen den herrschenden Klassen und dem Staatsapparat, in denen sich der ‚Block an der Macht‘ (Poulantzas) formiert (1), erfahren wir nur wenig.“

Ja, vom Klassenkampf erfahren wir nur wenig! Was ist das für ein Klassenkampf, von dem wir nur wenig erfahren? Oder klopft hier die Verschwörungstheorie an die Tür?

Und die Rolle der Medien? Um ihre entscheidende Rolle in der — Coronakrise genannten — Inszenierung ganz zu sehen, bedarf es keinerlei Verschwörungstheorie. Sie, die Medien, führen tagtäglich vor, was sie tun. Ihre Wirkung hängt ja davon ab, dass wir es sehen, dass wir davon erfahren, was sie berichten.

Weiter geht es mit: „Für die Verdichtung der Klassenkämpfe im Staat spielen intermediäre Organisationen wie Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Parteien eine zentrale Rolle.“ Wieder fehlen die Medien als „intermediäre Organisation“!

Ich gehe davon aus, dass dieses Ausblenden eines zentralen Agenten des Klassenkampfes damit zu tun hat, dass dieser auf den „gewerkschaftlichen Kampf“ eingeengt wird, dass die Medien überhaupt nicht als Mittel und Institution des Klassenkampfs — in den Händen der herrschenden Klasse — gesehen werden. Dieses Ausblenden kann damit zu tun haben, dass der Staat nicht als Apparat in den Händen der herrschenden Klasse betrachtet wird, sondern als allen Klassen zur Verfügung stehendes Instrument der Politik. Dieses Verständnis stünde in Übereinstimmung mit der Absicht der Linkspartei, in eine Regierung einzutreten, ohne die Ziele aufzugeben, deretwegen diese Partei gewählt wurde.

Aus dieser Illusion resultiert höchstwahrscheinlich auch die Kooperation der Parteilinken mit der Regierung in der Installation des Corona-Regimes: Man will sich „ministrabel“ erweisen. Inwieweit das auch den Übergang der außerhalb der Partei Stehenden auf die Seite des Corona-Regimes erklärt, bleibt offen.

Zurück zum Beitrag: Im Weiteren wird relativ unengagiert — aber was soll‘s — über den Verlauf der Inszenierung berichtet:

„Wir befinden uns also seit dem vorigen Jahr in einer zunächst nur schwach ausgeprägten, dann aber durch die Covid–19–Pandemie enorm verstärkten Rezession, die auf der Ebene der Wirtschaftspolitik temporär zum Bruch mit einer politischen Praxis geführt hat, die bis dato als normal galt.“

Aber nicht eine die Welt überfallende „Covid–19–Pandemie“ war es, die zu einer politischen Praxis geführt hat, sondern umgekehrt: Die Ausrufung der „Covid–19–Pandemie“ war das Ergebnis einer politischen Praxis, die die „Folgen“ produziert hat. Wer die Absicht nicht erkennt, ist selber schuld.

Die Chronologie der Ereignisse ist korrekt wiedergegeben, aber der Autor kommt nicht auf die Idee, dass sie gut vorbereitet gewesen sein musste:

„Am 8. März verständigte sich der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD auf weitere Erleichterungen beim Bezug von Kurzarbeitergeld und stellte Hilfen für Unternehmen mit mangelnder Liquidität in Aussicht.“

Also bereits am 8. März! Und:

„Am 13. März legen das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und das Bundesfinanzministerium (BMF) mittags ihren Plan für einen ‚Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen‘ vor.“

Dem Autor ist klar, die Maßnahmen — ob vorgeschlagen oder auch durchgeführt — „zielen (...) darauf, die Profite der Unternehmen zu stabilisieren, und weniger darauf, die Einkommen der lohnabhängig Beschäftigten zu sichern.“

Sablowski findet auch dafür einen schönen Begriff mit „Krisenkorporatismus“, dessen Namensgeber er brav zitiert: „Hans-Jürgen Urban 2014“ (2). Dann geht es weiter:

„Die Klassenkonflikte waren mit der Pandemie jedenfalls nicht verschwunden. So kritisierte der DGB am 19. März (…) Regelungen für das Kurzarbeitergeld.“

Der DGB kritisierte — das ist wohl Klassenkampf in Höchstform — und das Ergebnis?

„Monate später wurde das Kurzarbeitergeld zwar angehoben, es blieb jedoch dabei, dass die Rückzahlung der Sozialbeiträge gänzlich in die Taschen der Unternehmer floss. Auch die anderen Forderungen des DGB wurden nicht erfüllt.“

Die Aufzählung der Gemeinheiten der Sieger in diesem „Klassenkampf“, des skrupellosen Ausnutzens der Ohnmacht der unterlegenen Gegner wird im zweiten Teil des Beitrags fortgesetzt. Mit keinem Wort wird erklärt, wie es zu dieser Situation kommen konnte, was zu dieser Lage geführt hat und vor allem, wer dafür verantwortlich ist.

Die Gewerkschaften selbst haben zur Schwächung ihrer Mitglieder, der Arbeiterklasse, entscheidend beigetragen, indem sie die Corona–Pandemie-Inszenierung mitgetragen haben. Sie haben, ebenso wie die Linkspartei, die sich entwickelnden Proteste der Bevölkerung torpediert, indem sie diese als „rechtsoffene“ oder gar als rechte Bewegung ins politische Abseits zu drängen versuchten.

Dass sie damit zugleich die Demokratie schwer beschädigt und das politische Bewusstsein vergiftet haben, nahmen sie ebenso in Kauf.

Der zweite Teil endet dann mit der großartigen Geste:

„Die Verwerfungen der gegenwärtigen Krise sind zum großen Teil nicht durch die Coronapandemie als solche verursacht, sondern ...“ — und hier wäre es spätestens Zeit, so sie nicht bereits verstrichen wäre, auf die Politik der Kriseninszenierung, wenn nicht sogar auf das Versagen der Linken, der Parteilinken angesichts dieser ungeheuren Notstandsübung, einzugehen.

Aber nein, wieder kommt das „automatische Subjekt“ des Kapitals auf die Anklagebank:

„… nicht durch die Coronapandemie als solche verursacht, sondern dadurch, dass diese in von der kapitalistischen Produktionsweise dominierten Gesellschaften stattfindet.“

Was für eine umwerfende Erkenntnis! — Darauf haben wir nur gewartet. Und zugleich; was für eine ungeheuerliche Verkehrung: Wo bleiben die Subjekte des „Klassenkampfes“, die Politik, die Inszenierung, der medial arrangierte Putsch? — Nichts davon! „Ross und Reiter“ bleiben ungenannt.

Aber anschließend kommt der Nachtisch: Marx darf aus den Frühschriften genossen werden. Der Autor merkt gar nicht, dass er damit allerdings genau ins Zentrum der Forderungen der — wie es inzwischen immer heißt — „rechtsoffenen“ Querdenker-Bewegung greift:

„Aber es macht einen großen Unterschied, ob ein ‚Verein freier Menschen‘ (Marx), solidarisch entscheidet, was wirklich wichtig ist, welche Einschränkungen von Produktion und Arbeit notwendig und möglich sind, welche Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion unbedingt aufrechterhalten werden müssen, und wie die entstehenden Probleme gemeinsam bewältigt werden können, oder ob (...) der Staat (…) die verfügbaren Ressourcen gemäß der gesellschaftlichen Machtverhältnisse verteilt.“

Genau das sind die Forderungen der diffamierten Demokratiebewegung:

  • die Herstellung gesellschaftlicher und politischer Zustände, in denen die Bürger solidarisch entscheiden, wie sie leben wollen,
  • die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung,
  • die Zurücknahme der ihnen aufgezwungenen Notstandsmaßnahmen und
  • die Wiedergutmachung der erlittenen finanziellen, gesundheitlichen, gesellschaftlichen Schäden.

Am Ende ist dann auch Marx aus dem Zitat verschwunden. Aber der Ansatz bleibt richtig, es ist ja der Ansatz der Coronapandemie-kritischen Bewegung. Und vielleicht ist das auch die einzig mögliche Form, in der die gestrauchelten ehemaligen Marxisten einräumen können, dass sie versagt haben.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Diese Gedanken hat allerdings bereits Antonio Gramsci formuliert.
(2) Hans-Jürgen Urban ist ein Gewerkschafter, laut Wikipedia „seit dem 6. November 2007 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall“.


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