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Politisch kämpfen mit Erfolg

Politisch kämpfen mit Erfolg

Strategie auf Französisch: Wie man Demonstrationen vor Spaltung und Unterwanderung schützen kann.

Eine Demo ist kein Debattierklub ...

Viele von uns haben das bereits erlebt: Auf Demos gegen Coronamaßnahmen propagierten plötzlich Rechtslibertäre für ihre eigene Vorstellung von „Freiheit“ für den Markt statt für Menschen. Die AfD nutzte die Demos genauso für einen Werbefeldzug wie QAnon, die Falun-Gong-Sekte und diverse Reichsbürger-Gruppen.

Unter dem schwammigen Schlagwort „Gerechtigkeit“ versammelten sich Protagonisten aller Couleur. Wo die einen die Gleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften forderten, trommelten andere für Abschiebungen und Sozialkürzungen. NPD-Größen, Monarchisten und Licht- und Liebe-Gurus gaben sich die sprichwörtliche Klinke in die Hand.

Man warnte wahlweise vor Politikern, einer Gates-Soros-Schwab-Verschwörung, Chemtrails, dem „großen Crash“, „bösen Geldsozialisten“ oder gar einem „Volkstod“. Mancher schwor felsenfest auf Meditation, andere aufs Auswandern oder das Gründen von Genossenschaften. Planvoll ginge anders.

... sondern politischer Kampf

Ähnlich geht es bei vielen Protesten gegen die desaströse Energiepolitik oder für den Frieden zu. Denn auch unter „Frieden“ und einer guten Energiepolitik verstehen nicht alle das Gleiche. Nebeneinander stehen Aufrufe für und gegen Atomkraft, für und gegen die NATO und so weiter. Dann stellt sich die Frage: Worum ging es doch gleich auf der Demo? Wenn es irgendwie gegen alles geht, geht es am Ende um nichts.

Gerechtfertigt wird das immer wieder mit Meinungsfreiheit. Man wolle eben „alle Meinungen zulassen“. Daran ist erst mal nichts verkehrt. Nur muss man sich fragen: Wollen wir diskutieren oder demonstrieren? Wollen wir uns nur austauschen oder ein bestimmtes Ziel erreichen?

Wollen wir ein Freizeit-Event mit teurem Equipment oder eine Forderung politisch durchsetzen? Beides ist nicht das Gleiche. Eine Demo ist kein Debattierklub, sondern ein direkter politischer Kampf.

Ziele durchsetzen, Störer abwehren — ein Plan

In Frankreich jedenfalls unterscheidet man das. Statt großer Protestbühnen gibt es dort meist nur ein paar „Flüstertüten“. Man trifft sich, einigt sich auf Parolen und marschiert los, hin zu den politisch Verantwortlichen. Diskutiert wird in der Kneipe. Auf der Straße wird demonstriert, und zwar für ein genau definiertes Ziel, das politisch sofort umsetzbar wäre: Eine Demo — eine Forderung.

Das ist die sicherste Methode für Organisatoren, um sich vor Vereinnahmung, Manipulation und Störenfrieden zu schützen, unabhängig davon, ob man eine Demo offiziell anmelden will oder nicht. In diesem Sinne formuliere ich folgend einen strategischen Sechs-Punkte-Vorschlag.

1. Eine glasklar formulierte, politisch sofort umsetzbare Forderung

Formulieren Sie klar und deutlich eine einzige Forderung, die Sie unbedingt erreichen wollen, wie beispielsweise: „Alle Rüstungsexporte in die Ukraine sofort stoppen!“, oder vielleicht: „Mindestlohn rauf auf 15 Euro!“. Wer dieses Ziel teilt, geht hin, wer nicht, bleibt weg.

Würden Sie ein Motto wie „Für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit“ obenan stellen, könnte jeder darunter etwas anderes verstehen. Für den einen bedeutet Frieden das Ende von Kriegen, für andere die Totalabschottung Deutschlands. Manch einer sieht eine rassistische oder sozialdarwinistische Politik als gerecht an oder will „Freiheit“ nur den Unternehmen und Konzernen gewähren, nicht aber den Lohnabhängigen. Nur ein klar formuliertes Anliegen verhindert den Missbrauch politischer Forderungen.

2. Bewegung statt stationärer Bühnen-Events

Stationäre Bühnenshows mit Volksfestcharakter und offenen Mikrofonen sind gut für einen politischen Dialog, aber nicht für das Durchsetzen einer politischen Forderung. Ersteres dient dem Austausch, eine Demonstration aber ist ein Kampf gegen Mächtige. Außerdem sind Großevents teuer und aufwändig.

3. Direkt zu den Verantwortlichen gehen

Versammeln Sie die Teilnehmer an einem bestimmten Platz, halten Sie für Durchsagen ein Mikrofon bereit und verteilen Sie Zettel mit Parolen für das Anliegen, das Sie politisch durchsetzen wollen. Dann ziehen Sie los, am besten direkt zu den Verantwortlichen in einem Ministerium oder Landtag etwa. Dort rufen Sie mit den Teilnehmern Parolen oder spielen entsprechende Musik laut ab, um den Politikern ordentlich einzuheizen. Langatmigen Reden hört eh kaum einer zu.

4. Jeder kann teilnehmen, aber niemand darf für Parteien oder Privatanliegen werben

Teilnehmen kann grundsätzlich jeder ohne Gesinnungsprüfung. Aber verbieten Sie sämtliche Parteifahnen und -logos sowie das Verteilen von Flyern, Prospekten und Zeitungen. So verhindern Sie, dass Ihre Demonstration zu einer Werbeveranstaltung politischer Interessensgruppen wird. Eine Demo ist nicht der Ort für öffentliche politische Grundsatzdiskussionen, sondern gilt dem Durchsetzen eines Ziels gegen die Herrschenden.

5. Missionierer und Störer verbannen

Stellen Sie klar, dass Sie das Rufen themenfremder Parolen und aufdringliches Missionieren für politische Organisationen als Sabotage des Demo-Anliegens empfinden und derartige Störungen nicht dulden. Wer eigene Anliegen propagieren möchte, darf sich dafür eine andere Bühne suchen oder nach dem Ende der Demo mit Teilnehmern privat diskutieren.

6. Machen Sie sich zum Ziel, Ihr Anliegen durchzusetzen.

Ziel muss es sein, das Demo-Anliegen gegen die Politik durchzusetzen. Kommunizieren Sie das laut und deutlich nach außen, etwa: „Wir kommen wieder, bis alle Waffenlieferungen in die Ukraine gestoppt sind.“

Eine einzelne, klare Forderung ist leichter durchzusetzen als ein ganzes Forderungspamphlet. Das erhöht die Aussichten auf einen Erfolg oder zumindest Teilerfolg. Erfolge sind wichtig für die Motivation und das Entstehen einer echten, kämpferischen Stimmung. Gefeiert und über weitere politische Forderungen debattiert werden kann hinterher.

Warum solche Regeln wichtig sind

Viele mögen jetzt aufschreien: „Ein Verbot von eigenen politischen Bekundungen verstößt gegen die Meinungsfreiheit und ist spalterisch!“ Ich würde hier gegenteilig argumentieren: Ohne so ein Verbot hat man ganz schnell politische Akteure auf dem Plan, die das Demo-Anliegen mit ganz eigenen Agenden unterwandern und torpedieren. Dann entsteht schnell ein Wirrwarr aus Einzelanliegen, die das eigentliche Ziel der Demo verwässern und die Bewegung durchlässig machen für Demagogen aller Couleur.

Lässt man auf einer Demo jede Meinungsbekundung und politische Werbung zu, agiert man viel spalterischer. Denn nicht jeder, der sich dem Grundanliegen anschließen kann, findet es gut, wenn Demonstranten mit AfD- oder Reichsfahnen marschieren, ausländerfeindliche oder antisoziale Parolen propagieren, über Chemtrails philosophieren oder Ähnliches.

Es ist weitaus sinnvoller, sich auf das konkrete Anliegen zu konzentrieren.

Ein Verbot themenfremder Propaganda minimiert das Risiko, dass Proteste zu Bühnen für rechtsextreme Propagandisten und Geheimdienst-Strategen werden. Es ist schlicht eine historische und gegenwärtige Tatsache, dass sich Rechtsaußen sowie die Politik immer wieder linker Rhetorik bemüßigen, um soziale Anliegen im Interesse der „kleinen Leute“ zu kopieren und im eigenen Sinne zu pervertieren.

Schutz vor Unterwanderung

Schon die NSDAP firmierte einst als „Arbeiterpartei“ und pervertierte den Begriff „Sozialismus“, um die „kleinen Leute“ zu ködern. Am Ende entpuppte sie sich als zutiefst arbeiterfeindliche Partei, die Gewerkschaften verbot, arme Schlucker zur Zwangsarbeit schickte, Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten einsperren, foltern und töten ließ, später dann ihre Vernichtungsmaschine in Gang setzte, die Millionen von Juden, Roma und Sinti, Slawen und Linken nicht überlebten.

Der rechtsextreme Intellektuelle und Kopf der „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, zeigt in seinem neuen Buch „Regime-Change von rechts“ deutlich, dass die Rechte mit ihrer damaligen Strategie keineswegs gebrochen hat. Für den Aufbau einer rechten „Protestbewegung“ auf der Straße empfiehlt er darin die Propaganda „einer rechten Weltanschauung in Verbindung mit marxistischer Systemanalyse und Revolutionstheorie sowie einer progressiv linksliberalen Praxis“.

Der neurechte Stratege favorisiert eine langsame, schleichende Machtübernahme durch seine Leute. Man müsse für diese „Rückeroberung unserer legitimen Stellung (...) zielgenau und Stück für Stück das Overtonfenster des Diskurses und Denkens verschieben“. Durch angepasste Rhetorik müsse die Rechte, so Sellner, „Nationalkonservative, Rechtslibertäre und patriotische Linke“ vereinen.

Ginge es bei Sellner nur um eine einzelne Person, könnte man vielleicht darüber lachen. Das ist aber nicht der Fall, denn die neuen Rechten sind eng vernetzt, verfügen über einen hohen Organisationsgrad und nicht gerade wenig Geld. Sellners eher kleine Identitäre Bewegung gehört genauso dazu wie etwa das „Institut für Staatspolitik“ unter Götz Kubitschek im Süden Sachsen-Anhalts, das „Institut für Unternehmerische Freiheit“, diverse neoliberale Hayek-Clubs und einige AfD-Think-Tanks.

Erfolgsaussichten verbessern

Und nicht zuletzt schlafen auch der Staat und sein Geheimdienst nicht. Die Politik verkauft ihre neoliberale, antisoziale, durch und durch rechte Agenda schon seit geraumer Zeit als eine Art „linke Wokeness“. Zudem ist es eine altbekannte Strategie staatlicher Organe, gezielt Störer in Protestbewegungen zu schleusen.

Es ist also nie ausgeschlossen, dass der Staat aktiv und gezielt Bewegungen unterwandert, um sie in eine bestimmte politische Richtung — gern nach ganz weit rechts – oder zu unüberlegten Handlungen zu treiben. Besonders einfach ist das, wenn die Akteure selbst politisch unerfahren und rhetorisch unklar sind.

Die genannten Vorschläge würden also nicht nur die Erfolgsaussichten von Protesten verbessern, sondern viel mehr Menschen anschlussfähig machen und politische Grundsatzstreitereien zuungunsten des Ziels aus einer Demonstration verbannen. Vor allem wäre dies ein symbolischer Stinkefinger an Störer, Unterwanderer und Geheimdienstler aller Art. Ein Kampf gegen die Herrschenden ist nämlich kein Sonntagsspaziergang, sondern Klassenkampf gegen einen starken Feind.


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Huseyin Özoguz, Betreiber des YouTube-Kanals Actuarium, nähert sich Themen wie Islam, Migration und AfD mit erfreulichem Differenzierungsvermögen.