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Und erlöse uns von Corona!

Und erlöse uns von Corona!

Auf die geplante Impfung der Weltbevölkerung werden religiöse Heilserwartungen projiziert.

Eine Gegenwartsdiagnose, die mit geistes-, wissenschafts- und kulturgeschichtlichem Blick nach Antworten sucht, kann hier allerdings nur eine erste vorläufige Bestandsaufnahme leisten. Sie kann den psychohistorischen Spuren folgen und auf die verdrängten Pfade der Zivilisationsentwicklung hinweisen, die zu der aktuellen Krise und ihrer globalen Ausbreitung geführt haben. Nicht gegen das Coronavirus sollten sich deshalb heute all unsere Bemühungen richten, sondern vielmehr sollten wir uns alle gemeinsam für eine geistige Wende und einen zivilisatorischen Richtungswechsel einsetzen.

Vom Ende der Rationalität im Zeitalter des „virologischen Imperativs“ (1)

Als Immanuel Kant (1724 bis 1804) im ausgehenden 18. Jahrhundert in der Berlinischen Monatsschrift mit der ihm eigenen semantischen Klarheit und Schärfe die Mündigkeitsfrage behandelte, stieß er, individualpsychologisch, auf zwei moralische Haupthindernisse der autonomen Lebensführung: die gedankliche Faulheit und die intellektuelle Feigheit seiner Zeitgenossen.

Aus seiner Sicht beginnt die Aufklärung dort, wo man der Autorität des Arguments, statt dem Argument der Autorität folgt.

Heute, zwei Jahrhunderte später, sind die modernen Errungenschaften — auch des späten kritischen Rationalismus mit seinem konsequenten Ablehnen absoluter Gewissheiten — einem naturalistischen Dogmatismus medienverliebter Virologen und statistikresistenter Veterinäre zum Opfer gefallen. Die einen versorgen die beratungsbedürftigen Politiker mit Expertisen von beispiellosem wissenschaftlichem Dilettantismus, die anderen skandieren mit einer Rhetorik, die an einen Tierparkdirektor erinnert, indem sie die Bevölkerung über die Gefahren der „Durchseuchung“ und die Verheißungen der „Herdenimmunität“ aufklären.

Nie war in der Menschheitsgeschichte das telegen in Szene gesetzte Sendungsbewusstsein mit so viel wissenschaftsgläubiger Unfehlbarkeit, mit so viel ökonomischer Macht und mit so viel politisch-medialer Einflussmöglichkeit auf so viele Menschen verbunden. Noch nie steigerten Eitelkeit und Ignoranz etwas derart Unsichtbares zur ikonomanischen Sichtbarkeit planetarischen Ausmaßes. Was ist geschehen?

Zur Infantilisierung des entpolitisierten Subjekts

Offenbar hat an der Schwelle zum dritten Jahrtausend ein 0,16 Mikrometer kleines Coronavirus den Fortschritt treibenden Weltgeist zur Strecke gebracht und einer globalen Normopathie zur pandemischen Ausbreitung verholfen: Eine kollektive Regression zum vordemokratischen Paternalismus samt einer Refeudalisierung der politischen Ordnung auf der einen und ein tiefes Verlangen nach expertokratischer Bevormundung massenhaft isolierter Individuen auf der anderen Seite sind nur die sichtbarsten Symptome einer verhaltensauffälligen Deformation von Restbeständen des Humanen unserer Zeit. Denn der weiche Stoff der Nasen-Mund-Bedeckung darf nicht über die rigide Denkfestigkeit des „stahlharten Gehäuses der Hörigkeit“, so Max Weber, hinwegtäuschen, das dem vorauseilenden Gehorsam der größtenteils panikerstarrten und in zunehmendem Maße denunziationsfreudigen Träger dieser atemraubenden Vermummung und krankmachenden Keimschleuder psychologisch zugrunde liegt. Die Frage drängt sich auf: Schützen wir uns alle vor dem Virus — oder womöglich vor uns selbst?

War die präventive Wirkung dieser hoch umstrittenen Maßnahme — als allgemeine Maskenpflicht, nicht als notwendiger Schutz bei Kranken oder Risikogruppen — von Anfang an mehr als fragwürdig, so beweist ihre Wirksamkeit als demütigende Unterwerfungsgeste offensichtlich einen hohen Disziplinierungseffekt. Die symbolische Kraft der maskierten politischen Lethargie und der gewissenhaft verhüllten Ängstlichkeit, wie sie das Bild des öffentlichen Raumes seit drei Monaten nachhaltig prägt, entzieht sich derweil allerdings mit erstaunlicher Beharrlichkeit der intellektuellen Einordnung und der differenzierten gesellschaftlichen Aufarbeitung. Nicht zuletzt, weil die Praxis demokratischer Mitgestaltung der Welt nicht nur die Mündigkeit der kritikfähigen und -mutigen Bürger voraussetzt, sondern weil sie von der beunruhigend erodierten Intaktheit des öffentlichen Debattenraumes zehrt.

Diesen fordern seit Kant auch die Hannoveranerin Hannah Arendt, der etwas still gewordene Jürgen Habermas sowie viele andere bedeutende Demokratietheoretiker, um jenes transzendentale Prinzip des öffentlichen Rechts gegen die „Hinterlist der lichtscheuen Politik“, so Kant, in Stellung zu bringen, das in der „Publizität“ sein kritisches Potenzial in der Neuzeit entfaltete.

Fragt man heute nach der kritischen Rolle des Mainstream-Journalismus bei der Formung des öffentlichen Debattenraums, so findet man — von vergleichsweise wenigen dissonanten Zwischentönen einmal abgesehen — den Gleichklang einer willfährigen Zunft. Diese gefällt sich darin, den verhältnismäßig leisen Widerspruch von Prof. Sucharit Bhakdi, Dr. Wolfgang Wodarg und vielen anderen mit üblen Unterstellungen zu diffamieren.

Überraschend, wenn auch nicht neu, ist ebenfalls die gezielt gelenkte Präsentation globaler Problemlagen: Die mediale Wahrnehmung von Risiken wird durch eine äußerst selektive Quantifizierung derselben massiv eingeengt. Damit korrespondiert derzeit in den herrschenden Mainstream-Narrativen eine extreme und interessengeleitete Asymmetrie bei der politischen Bewertung von Risiken, die eine globale Allianz der heiligen Krieger gegen das „Killervirus“ mit Milliardensummen mobilisiert.

Eine vergleichbare Allianz gegen Welthunger, Glyphosat, Feinstaubbelastung, Atommüll, Armut, Klimaerwärmung und Artensterben ist indes nicht in Sicht.

Wer eine Antwort auf die Lenkbarkeit und bereitwillige Folgsamkeit der ihrer Grundrechte widerstandslos beraubten Massen sucht, dem bleibt der Blick auf das Ausmaß der Entfremdungsleistung einer kapitalistisch pervertierten Kultur nicht erspart. Diese erklärt den Tod einerseits zum größten Feind und verdrängt ihn mit ebenso großem Aufwand, andererseits bringt sie Technologien hervor, die das Leben auf dem Planeten im Dienste des Fortschritts systematisch vernichten.

Inmitten solch beunruhigender Tendenzen lohnt es sich, an das zivilisatorische Versprechen jener epochalen Wende zu erinnern, die von der Idee der Humanisierung — und nicht bloß der technologischen und/oder der ökonomistischen Modernisierung — gesellschaftlicher Verhältnisse geleitet war. Erst vor dem Hintergrund einer historischen Rekonstruktion des zäsurhaften Einschnitts moderner Erkenntnisbemühungen lassen sich die kulturellen Transformationen kritisch nachvollziehen, innerhalb derer wir uns in der weltanschaulichen Ausrichtung des 21. Jahrhunderts für oder gegen die naturalistischen Dogmatisierungstendenzen positionieren, die den Menschen, wie Gunner Kaiser zutreffend formuliert, zum „Homo contaminans“ werden lassen. Ebenso zutreffend ist der kritische Hinweis von Prof. Franz Ruppert darauf, wie sehr die alarmistische Verwaltung der Corona-Pandemie den Menschen zum gefährlichen „Viren-Ausscheider“ mutieren lässt.

Erregung statt Bedeutung

Bekanntlich begann die kritische Öffentlichkeit der Moderne ihre Abgrenzung von den mittelalterlichen Welterklärungen mit dem Wagnis, gesellschaftliche Krisen weder als naturgegeben noch als gottgewollt hinzunehmen. Dies unterstrich ihren emanzipatorischen Anspruch auf den aufgeklärten Umgang mit einer zunehmend rational erschlossenen Wirklichkeit. Im Gegensatz dazu erleben wir heute im Bereich der Medizin eine unübersehbare Tendenz kryptotheologischer Wirklichkeitsbemächtigung. Dabei unterliegt auch der Wirklichkeitsgehalt medizinischer Aussagen der Prüfung moderner Realitätskritik, die in der Einsicht besteht, dass das menschliche Denken nicht mit der zu erkennenden Realität in deckungsgleicher Weise übereinstimmt.

Vielmehr dient das eigenständige Denken dazu, die Welt semantisch darzustellen beziehungsweise zu „repräsentieren“. Die moderne Erkenntniskritik geht somit von einer Differenz zwischen Wirklichkeit und Bewusstsein aus, das die sogenannte linguistische Wende später mit der Sprache gleichzusetzen beginnt. Erst im Medium der Sprache und durch diese strukturiert wird also menschliche Erkenntnis überhaupt möglich und damit auch der uralte Gegensatz zwischen Subjektivität der Erkenntnis und Objektivität der Welt dialektisch aufgehoben. Wer sich daher auf die Suche nach einer validen Verlässlichkeit von Erkenntnissen über die Welt begibt, dem verlangt die Moderne ein hohes Maß an Sprachbewusstsein ab, das gegen die Anmaßungen wissenschaftlicher Letztgewissheiten schützt.

Die Corona-Krise macht unterdessen deutlich, wie die digital beschleunigte Ausbreitung neuer Kommunikationsmittel eine rasante Verbreitung televisueller Konstruktionen der Wirklichkeit begünstigt — mit schwerwiegenden Folgen für die Wahrnehmung der Realität. In der gesamten Menschheitsgeschichte gab es bisher keine Möglichkeit, Millionen Menschen — aktuell alle Medienkonsumenten — derart psychopolitisch zu beeinflussen.

Denn das permanente Getöse omnipräsenter Bildschirme und die ständige Verfügbarkeit tragbarer Endgeräte verdrängt zunehmend den Dialog mit den Mitmenschen und erschwert den autonomen Prozess kritischer Weltaneignung, der nur in streitbarer Auseinandersetzung mit anderen möglich ist.

Die Reduktion medial aufbereiteter Nachricht auf optische und akustische Reize führt hingegen zu einer Verschiebung der Wahrnehmung von sprachbasierter Bedeutung zu emotionaler Erregung. Mithilfe der suggestiven Wirkmächtigkeit von Grafiken, Diagrammen und der Vielfalt von Bildern auch in Medien, die traditionell dem Text vorbehalten waren, wie Bücher, Zeitungen und so weiter, lässt sich heute leichter denn je eine wahrheitsversprechende Eindeutigkeit und Unausweichlichkeit des medial Mitgeteilten herstellen. Begleitet von einseitigen, tendenziösen und irreführenden Kommentaren, wie sie bei der emotionalisierenden Berichterstattung zur Corona-Pandemie täglich abgegeben werden, steigert sich die Bilderflut der Nachrichtensender zu kollektiven Erregungszuständen massenhysterischen Ausmaßes. Der apokalyptisch anmutende Charakter der Mainstream-Narrative zur Corona-Pandemie macht diese für politische und machtökonomische Instrumentalisierung in gefährlicher Weise anfällig.

Man darf dabei nicht die Eigentümlichkeit der neuzeitlichen Wissenschaftsausrichtung unterschätzen, die tief in die Kulturgeschichte des Abendlandes zurückreicht und zu einer kulturellen Selbstverständlichkeit geworden ist. Sie besteht in dem Vertrauen darauf, dass „Wahrheit“ mit dem Auge zu erkennen sei. Findet man bereits bei Platon das Licht als Metapher der Wahrheit und den Hinweis darauf, dass das Erkennen eine bestimmte Art des Sehens darstelle, so lassen sich diese Spuren europäischer Geistesgeschichte bis zu den Anfängen der christlichen Tradition zurückverfolgen. Denn als Gott sich in seinem Sohn zu erkennen gab, sorgte er durch die „Fleischwerdung des Wortes“ gleichsam für die Sichtbarmachung von Wahrheit.

Bis heute wirkt auch in der deutschen Sprache diese Erkenntnis leitende Prämisse in der Metaphorik des Gesichtssinnes weiter, wovon Begriffe wie „Einsicht“, „Einblick“, „Erscheinung“ und ähnliche ein Zeugnis ablegen (2, 3). Als „wahr“ gilt in der abendländischen Wissensordnung und damit auch innerhalb der modernen Medizin nicht mehr, was gesagt, sondern vielmehr was gesehen wird — sei es als Geschriebenes oder Gedrucktes, sei es auf dem Röntgenbild, unter dem Mikroskop oder im Fernsehen Gezeigtes.

Von der Angstinduktion zur „Neohexerei der Prophylaxe“ (4)

Das unangefochtene gesellschaftliche Ansehen der Medizin verstellt indes nicht nur den kritischen Blick auf die seit Jahrzehnten reichhaltig dokumentierten Befunde eines krankmachenden Versorgungssystems, es verstärkt zudem die Verführungsanfälligkeit für den irrationalen Glauben an die Technologisierbarkeit des immunologisch Wünschenswerten.

Die hohe psychische Bereitschaft, den drohenden Zwang von fragwürdigen Impfmaßnahmen als Wohltätigkeit zu verklären, ist gleichwohl nicht neu. Denn die rituellen Seelen- und Körperverletzungen prägen seit Jahrtausenden das religiöse Erbgut der monotheistischen Traditionen des Abendlandes. Zudem sorgten sie allzu lange dafür, die Gesellschaft gegen unzählige, auch schwerwiegende kriminelle Fälle klerikaler Übergriffigkeit zu immunisieren und diese nicht zu thematisieren. In ihrer Langzeitwirkung sind sie bis heute Garanten dafür, dass die Erfahrung erlittenen Leides auf Abwehrziele projiziert und fehlgeleitet wird. Dadurch tragen sie zur unbewussten Festigung der psychopathologischen Voraussetzungen einer Kultur des Misstrauens und der Angst bei, die durch lebenszerstörende und naturfeindliche Fundamente gekennzeichnet ist.

Dieser psychologischen Disposition liegt eine zentrale religiöse Ausrichtung monotheistischer Traditionen zugrunde, die zu einer kulturellen Etablierung eines negativen — von Bosheit und Sündhaftigkeit befleckten — Menschenbildes beigetragen hat. Demnach kann der einzelne Mensch niemals gut, er kann immer nur etwas weniger schlecht sein. Erlösungsbedürftig und von äußerer Macht und Autorität abhängig bedarf er deshalb einer permanenten und allumfassenden Kontrolle.

Inmitten dieser Gemengelage fällt uns heute allenfalls begrifflich leicht, das Sakrale vom Weltlichen klar abzugrenzen. Denn in der psychohistorischen Tiefenschicht mythenbildender Sinnstrukturen unserer Kultur verschmelzen beide Sphären zu desorientierenden Selbstverständlichkeiten, die das Denken, die Wahrnehmung und das individuelle Verhalten entlang gesellschaftlicher Erwartungen bestimmen. Ihre öffentliche Infragestellung gleicht daher schnell einem skandalträchtigen Sakrileg ungehorsamer Ketzer.

Dabei lehrt uns die Geschichte der Häresie, wie sehr gerade diese immer auch ein Ausdruck der intellektuellen Freiheit und ein Motor der kulturhistorischen Entwicklung war.

Wurde im christlichen Selbstverständnis mit einer Gottesstrafe belegt, wer das Dogma vom Unheilzustand des mit Erbsünde befleckten Neugeborenen in Frage stellte, so findet sich dieses angstmachende Muster in säkularem Gewand bei der modernen Impflehre wieder.

Man darf dabei die hohe Stabilität missbräuchlicher Bindungen nicht unterschätzen, die typisch ist für die posttraumatische Beziehungsgestaltung der eigenen Lebenswelt. Sozialpsychologisch lässt sie sich interpretieren als eine über Generationen hinweg weitergegebene Opferanfälligkeit, der verdrängte kollektive Traumatisierungen zugrunde liegen. Sie manifestiert sich im zwanghaften Herbeiführen von Gefährdungssituationen, die infolge wirklichkeitsverzerrender Ausblendung von Warnsignalen ausgelöst werden. Aus soziologischer Perspektive kommen hier allerdings noch andere Wirkfaktoren hinzu: die für die Stabilisierung der modernen Wissensgesellschaft zuständigen zentralen Funktionsträger, die Prof. Rainer Mausfeld als „Makrophagen der Macht“ bezeichnet.

Es sind jene mit den Insignien wissenschaftlicher Würde legitimierten Hüter der bestehenden Gesellschaftsordnung, die als seelsorgerliche Mahner mit großem Eifer und mit ungeheuren Geldmitteln an der Dämonisierung einer optimierungsbedürftigen Natur arbeiten, zu deren Kontrolle immer mehr genmanipulierende Biotechnologien in Stellung gebracht werden (sollen).

Auf der einen Seite wird die Bevölkerung systematisch und professionell zu Hypochondern gemacht und auf der anderen Seite vollenden die Segnungen medizinischer und digitaler Totalüberwachung das dystopische Bild einer Weltgesellschaft. Dies ist längst keine fiktive kulturpessimistische Zukunftsvision mehr. Vielmehr scheint die Gesellschaft derzeit an einem besorgniserregenden Tiefpunkt angelangt, der durch wissenstechnokratisch induzierte und behördlich sanktionierte Zerstörung von Autonomie und vernunftbasierter Lebensführung gekennzeichnet ist.

Zur kulturellen Metastasierung des Inhumanen

Auf dieser Ebene, schreibt Ivan Illich, „bewirken die sogenannten Gesundheitsberufe insofern einen noch tieferen, kulturell gesundheitsschädigenden Effekt, als sie die Bereitschaft der Menschen zerstören, ihre menschliche Schwäche, Verletzlichkeit und Einmaligkeit auf persönliche, autonome Weise zu bewältigen. Der Patient in den Klauen der modernen Medizin ist nur ein Beispiel für die Situation einer von lebensgefährlicher Technik bedrohten Menschheit“ (5).

Mit einer bemerkenswerten Weitsicht hat der Universalgelehrte Illich bereits in den 1970er Jahren die Symptome tiefer inhumaner Deformationen unserer Zeit zu beschreiben versucht. Sie sei, so Illich, „der unvermeidliche Rückschlag des hygienischen Fortschritts; sie bedeutet die Paralysierung jeglicher gesunden Reaktion auf Leiden, Schwäche und Tod. Sie tritt ein, sobald die Menschen ein Gesundheitsmanagement akzeptieren, das nach industriellem Modell aufgebaut ist, sobald sie sich zu dem Unterfangen verschwören, etwas, das man ‚bessere Gesundheit‘ nennen könnte, als Ware zu produzieren. Dies führt unvermeidlich zur verwalteten Instandhaltung des Lebens auf einem hohen Niveau subletaler Krankheit“ (6).

In seinem vielleicht bekanntesten Werk „Die Nemesis der Medizin“ formuliert Illich seine zeitdiagnostischen Überlegungen. In dessen Nachwort erinnert er an die historische Standortgebundenheit bei der kulturellen und gesellschaftlichen Dechiffrierung von Leid, Krankheit und Tod. Die Corona-Krise zeigt, dass es offensichtlich einer Neuschreibung der Weltgeschichte bedarf, um die Kriegsvorbereitungen zahlreicher Aggressoren im Lichte heutiger Erkenntnisse besser und vor allem richtig zu verstehen. Denn eine konspirative Absprache zum Nachteil Anderer kann hier niemals im Spiel gewesen sein.

Glaubt man den journalistischen Hüter der Wahrheit, so wäre dies eine wissenschaftlich unhaltbare — sprich: „verschwörungstheoretische“ — These.

Immerhin gilt es aber als historisch gesichert, dass in der Zeit der von Kant behandelten Mündigkeitsfrage zu den wichtigsten Krankheitsursachen im protestantischen Deutschland die Masturbation bei Männern und die Hysterie bei Frauen gehörten. Welche Diagnosen die künftigen Generationen der Geschichtsforscher als die für unsere Zeit prägendsten herausfinden werden, wird wohl davon abhängig sein, ob sich in Zukunft die Medizin- oder die Kulturhistoriker dieser Aufgabe widmen werden.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.nzz.ch/feuilleton/coronavirus-warum-der-virologische-imperativ-auch-gefaehrlich-ist-ld.1548594
(2) Herbert Schnädelbach, Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann, 2012, S. 33f
(3) Hans Blumenberg, Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung, in: Studium Generale 10/1957, S. 432-447
(4) Ivan Illich, Nemesis der Medizin. Die Kritik der Medikalisierung des Lebens, 1995 (zuerst erschienen 1975), S. 212
(5) Ebd., S. 28
(6) Ebd.


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