Das Landgericht Köln veröffentlichte am 15. Mai 2025 das Urteil zu meiner Klage gegen die Berliner Zeitung: Wegen des „schwerwiegenden Eingriffs“ in meinen Artikel über den Rüstungskonzern Rheinmetall muss die Zeitung eine Entschädigung von 1.200 Euro zahlen, zusätzlich Prozesskosten von etwa 1.000 Euro. Dies diene nicht nur der „Genugtuung für den immateriellen Schaden“, sondern auch „der Prävention“. (LG Köln Aktenzeichen 14 O 442/23) Der Verlag der Berliner Zeitung kann gegen das Urteil in Berufung gehen.
Zensur - und Diffamierung des Autors
Die Zeitung hatte am 10. April 2023 in der Printausgabe den Artikel veröffentlicht „Rheinmetall: Wie der Ukraine-Krieg den Rüstungskonzern auf Erfolgskurs bringt“. Darin war schon die Wertung zum „Verteidigungs“minister Boris Pistorius gestrichen:
„Wendehälse mit schlechtem Gewissen sind für Richtungswechsel besonders geeignet.“
Das bezog sich darauf, dass der SPD-Politiker Pistorius die längste Zeit Anhänger der Versöhnungspolitik Willy Brandts gewesen war, dies dann aber als Fehleinschätzung beklagte.
Und in der folgenden Digitalausgabe der Zeitung ab dem 11. April 2023 wurde mehrere Monate lang eine zusätzliche Zensur durchgezogen: Die Passagen zur Rüstungslobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag wurden gestrichen: Finanzierung der FDP durch Rheinmetall, die führenden Funktionen von Strack-Zimmermann in den Rüstungsverbänden Förderkreis Deutsches Heer FKH und Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik DWT, wo auch Rheinmetall Mitglied ist — zensiert.
Zensiert wurde auch folgende Passage:
„Von 2008 bis 2014 war sie FDP-Fraktionsvorsitzende und Erste Bürgermeisterin in Düsseldorf, dem Rheinmetall-Konzernsitz. Seit 2024 ist sie Vorsitzende des FDP-Kriesverbands Düsseldorf. So wurde sie Vorsitzende des Verteidigungausschusses im Deutschen Bundestag.“
Und zensiert wurde auch die folgende Passage:
„Henning Otte (CDU) vertritt den Wahlkreis Celle. Da liegt der größte Produktionsstandort von Rheinmetall, Unterlüß. Mit dem Aufstieg von Rheinmetall wurde Otte 2014 verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, auch Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO. 2022 wurde Otte der Stellvertreter Strack-Zimmermanns im Verteidigungsausschuss.“
In der redaktionellen Anmerkung zum zensierten Artikel hieß es: „Die Ausführungen zu den „losen Verbindungen zwischen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und dem Rheinmetall-Konzern“ waren „irreführend, daher haben wir sie gelöscht“.
Bei dieser Diffamierung des Autors verschwieg die Redaktion zudem, dass sie auch die Passage zu Pistorius und auch noch die Passage zum CDU-Politiker Otte gestrichen hatte.
Zwei weitere Klagen gegen die Berliner Zeitung
Ich hatte die Berliner Zeitung nach der Veröffentlichung des zensierten Artikels zunächst wegen Urheberrechtsverletzung und Rufschädigung verklagt.
In der öffentlichen Verhandlung vor dem Landgericht Köln stellte sich übrigens heraus: Strack-Zimmermann hatte sofort den führenden deutschen Unternehmer- und Promi-Medienanwalt Dr. Christian Schertz gegen die Berliner Zeitung losgeschickt: Er hatte mit Klage gedroht, wenn die Passagen weiter veröffentlicht werden.
Das Landgericht hatte mir nach einer Einstweiligen Verfügung vom 28. April 2023 und mit Urteil vom 31. August 2023 recht gegeben: Es handelt sich um eine „rechtswidrige und erhebliche Änderung“ und um eine „schwerwiegende Beeinträchtigung der Urheberinteressen“ (1).
Die Berliner Zeitung hätte in Berufung gehen können — aber nach monatelangem Zögern hatte sie das Urteil akzeptiert. Deshalb verklagte ich sie erneut auf der Grundlage dieses Urteils: Erstens, die Zeitung muss den Originaltext veröffentlichen, und zweitens, sie muß 5.000 Euro Entschädigung wegen Rufschädigung zahlen!
Die Klagen wurden aufgeteilt: Die Klage auf Veröffentlichung des Originaltextes landete beim Landgericht Berlin. Die Klage auf Entschädigung landete beim Landgericht Köln.
Klage I: Veröffentlichung des Originalartikels !
Hier zeigt sich übrigens eine Misere der Justiz in Deutschland: Nach über einem Jahr setzte das Landgericht Berlin schließlich einen Verhandlungstermin fest: 22. November 2024.
Aber zwei Tage vorher sagte das Gericht den Termin dann ab: Das Sekretariat habe in den vergangenen Monaten leider versäumt, den Schriftsatz meines Anwalts der Beklagtenseite zuzustellen.
Dann wurde ein neuer Verhandlungstermin angesetzt: 10. Januar 2025. Er fand dann per Video statt.
Die Urteilsverkündung wurde für den 7. Februar 2025 angesetzt. Doch kurz davor teilte das Gericht mit: Das Gericht ist überlastet, die Richterin ist zudem krank. Schließlich erging am 4. April 2025 das Urteil: Die Klage wird abgewiesen.
Ich habe Berufung eingelegt — mal sehen, wie der deutsche Rechtsstaat in den nächsten zwei Jahren so vorankommt!
Klage II: Entschädigung !
Ebenfalls nach über einem Jahr und dann noch zwei Monate später als das Landgericht Berlin setzte das Landgericht Köln den Verhandlungstermin zur Klage auf Entschädigung auf den 16. Januar 2025 fest.
Die Verhandlung fand statt, die Verkündung des Urteils wurde für den 3. April 2025 festgelegt.
Dann teilte das Gericht mit: Wegen „Belastung mit Spruch-Eilsachen und Krankheitsausfällen in der Kammer“ wird die Urteilsverkündung auf den 15. Mai 2025 festgelegt.
Tatsächlich: Am 15. Mai, nach über einem Jahr, erging das Urteil: Wegen Urheberrechtsverletzung und Rufschädigung muss die Berliner Zeitung 1.200 Euro Entschädigung zahlen und den Großteil der Gerichtskosten übernehmen.
Die Anwältin der Berliner Zeitung: Zensur ist „branchenüblich“
Ich hatte noch nie für die Berliner Zeitung gearbeitet und mich auch nie darum bemüht. Dann hatte der Chefredakteur Dr. Kurianowicz im März 2023 sich bei mir gemeldet: Sie kennen sich doch mit Rheinmetall aus, können Sie für uns einen Artikel schreiben? Ich stimmte zu. Die Länge des Textes wurde mit 10.000 Zeichen vereinbart, das Honorar mit 400 Euro.
Zur Sicherheit machte ich den Artikel um ein paar hundert Zeichen kürzer, um keinen Vorwand für mögliche Kürzungen zu bieten. Zudem schickte ich den Artikel mit der Anmerkung: „Jegliche Änderungen sind nur in Absprache mit mir möglich.“
Dann erschien der Artikel eine knappe Woche später — zensiert, ohne jegliche Absprache.
Und vor Gericht argumentierte die Anwältin der Berliner Zeitung, Christine Grünther LL.M., Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht: Das Änderungsverbot sei zwar vom Autor Rügemer ausgesprochen, aber „nicht vertraglich vereinbart worden“. Ein solches Verbot sei „auch nicht branchenüblich“.
Es sei „im Gegenteil ständige Branchenübung, dass redaktionelle Änderungen ohne weitere Absprache zulässig“ sind. Zudem gebe es „kein Recht auf absolute Integrität, sondern die Interessen von Autor und Nutzer — gemeint ist der Verlag beziehungsweise die Redaktion, WR — seien gegeneinander abzuwägen“.
Die Anwältin sagt hier sicherlich die Wahrheit über die „branchenübliche“ Praxis: Die Redaktionen nehmen die Texte von „freien“ Autoren als Rohstoff, ziehen das für sie Interessante heraus — und das wie hier politisch Ungewollte oder durch Lobbyisten Verlangte wird gestrichen: Der Anwalt von Strack-Zimmermann, Dr. Schertz, hatte der Berliner Zeitung mit Klage gedroht.
Und die „freien“, also abhängigen Autoren lassen sich das reihenweise gefallen, denn zu 99,99 Prozent sind sie von weiteren Aufträgen der Redaktionen abhängig. Denn wenn sie die Redaktionen wegen Zensur verklagen, kriegen sie keine Aufträge mehr: „Branchenüblich“! „Freie“ Journalisten halten die Klappe: deutsche Medien-Wirklichkeit.
Warum überhaupt die „kritische“ Berliner Zeitung verklagen?
Mir wurde verschiedentlich gesagt: Ja, diese Zensur ist doch schlimm — aber die Berliner Zeitung zu verklagen, das ist doch nicht gut: Sie ist in unserer gleichgeschalteten Medienlandschaft wichtig! Diese Zeitung bringt doch oft wichtige, abweichende Artikel! Diese Zeitung muss doch gestärkt werden!
Ich glaube, dass die Situation härter ist. Wenn sogar die „kritische“ Berliner Zeitung ohne jegliche Absprache mit Autoren deren Artikel um zentrale Aussagen zensiert, und wenn dies zugunsten zentraler politischer Akteure wie hier des wichtigsten Rüstungskonzerns in Deutschland, des Verteidigungsministers und der bekanntesten Rüstungslobbyistin durchgezogen wird, und wenn hier auch noch der führende deutsche Medienanwalt beteiligt ist, um eine solche Zensur durchzusetzen — wie „kritisch“ ist dann diese Zeitung? Wie sehr werden dann die Leser getäuscht, die glauben, dass sie hier eine unabhängige, wahrheitsgemäße Information erhalten?
Denn es ist doch so: Je mehr die privaten wie öffentlichen Leitmedien unglaubwürdig sind, desto mehr sind die Menschen auf der Suche nach Informationen, Analysen, Wertungen, die unabhängig vom herrschenden Kapital-, Kriegs- und Machtkartell sind. Und gerade deshalb „bearbeiten“ auch die führenden Unternehmen und Politiker und deren Beauftragte wie die Berliner Promi-Kanzlei Schertz Bergmann die wirklich kritischen Medien. Die müssen sich, wie seit einiger Zeit unter Anderem die Nachdenkseiten selbst, verstärkt „warm anziehen“, sich neu absichern.
Die wirklich „Freien“
Übrigens: Strack-Zimmermanns Medien-Lobbyist, Promi-Anwalt Dr. Schertz, wird in privaten wie öffentlichen Leitmedien in den Himmel gelobt.
So schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Er ist immer auf der richtigen Seite.“
Die ARD hat 2024 die fast einstündige „Dokumentation“ ausgestrahlt: „Der Star-Anwalt: Christian Schertz und die Medien“.
Und der vielverwendbare, öffentlich-private Groß-Moderator und Medienunternehmer Günter Jauch, der Schertz schon zahlreich beauftragt hat, jubelt:
„Wenn es Christian Schertz nicht gäbe, dann gäbe es eine Freiheit für Journalisten, die mit Recht und Gesetz nicht mehr in Einklang zu bringen ist.“

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Quellen und Anmerkungen:
(1) Landgericht Köln 14 O 144/23. Das Urteil wurde in der juristischen Fachpresse als wegweisend gewürdigt: Landgericht Köln stärkt Urheberrechte bei Zeitungsartikeln, https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=LG%20K%F6ln&Datum=10.08.2023&Aktenzeichen=14%20O%20144%2F23